Im Netz der Algorithmen - Karl-Heinz Knacksterdt - E-Book

Im Netz der Algorithmen E-Book

Karl-Heinz Knacksterdt

0,0

Beschreibung

Teil 2 der Trilogie "MANIPULATIONEN" Gefangen in einem Netz aus Computer-Algorithmen - so begegnet uns Berthold Schaf. Durch einen Unfall verfügt er über die Fähigkeit zur Telepathie, dies macht ihn zu einem Opfer skrupelloser Wissenschaftler im Dienste des US-amerikanischen Militärs. Hochentwickelte Methoden der künstlichen Intelligenz und der Robotertechnik werden von ihnen eingesetzt. Damit verstricken sie ihn ehrgeizig und gnadenlos in ihre Machenschaften, manipulieren ihn bis hin zur Todesnähe, um ihre Ziele zu erreichen. Durch die Möglichkeiten der Gehirnmanipulation in Gegenwart und Zukunft wird ein bedrückendes Szenario gezeichnet - letztlich jedoch gewinnen (zunächst?) die Opfer gegenüber den Tätern.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 329

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Die Personen

Dr. Matthias Bremer, Palo Alto, USA

Susan Hanson

Berthold Schaf

Die Entdeckung

Die Neuen

Die Bertolis

Veränderungen

Die Anwerbung

Susan die Zweite

Das Paket

Ein Rückfall

Soldat John Bertoli

Beginn der Aktion

Intermezzo

Amerika drängt zur Aktion

Aktivierungen

Die Nacht

Bob Mulligan's Tod

Neue Besen

Johns Zwickmühle

Erster Angriff auf Berthold Schaf

Konfrontation mit dem Ist

Das Spiel ändert sich

Der Kontrakt

Puppe Susan begeistert

Angst und Hoffnung

Wandel bei Brainrise Robotics

Die Puppe geht auf die Reise

Johanna feiert Geburtstag

Isabella

Konfrontation mit Brainrise Robotics

In der MHH Hannover

Erfolg und Zweifel

Definition des Zugriffsweges

Erste Kommandos

Streit

Gehirntraining

Beginn der Ausspähung

Die nächsten Schritte

Zweite Testphase

Arbeit mit der Puppe

Gewalt

Neue Belastungen

Perspektiven

Katastrophe

Pentagon-Pläne

Entscheidende Schritte

Letzter Versuch der Brainrise Robotics

Das letzte Kapitel

Zeit-Gegenüberstellung

Die Personen

Dr. Matthias Bremer, Neuro-Wissenschaftler bei Brainrise Robotics, Palo Alto, USA - verheiratet mit Helen, 2 Kinder

Susan Hanson, geb. Consuela Martinez , Mitarbeiterin bei Brainrise Robotics, verheiratet mit dem Football-Spieler Patrick Hanson

Robert 'Bob' Mulligan, Besitzer und CEO von Brainrise Robotics

Kitty, Service-Robotta in Brainrise Robotics

Susan-2, Robot-Puppe

Isabella, Spionage-Roboter-Puppe

Berthold Schaf und seine Familie, Beate, Johanna, Malte

John und Petra Bertoli mit ihren Kindern Paul, Jennifer und Lucy

Ellen Winter, Mitarbeiterin bei Future Enterprises, später CEO bei Brainrise Robotics

Tom Altridge, Freund Susans, Puppenmacher

Jerome Tailor und Herb Densel, Agenten im Pentagon

Prof. Dr. Ulrich Perley, Neurologe, MHH Hannover, Freund von Familie Schaf und Dr. Matthias Bremer

Kapitel 1 – Dr. Matthias Bremer, Palo Alto/USA

Versonnen starrt er auf den Bildschirm, auf dem ein Dokument über KI, Künstliche Intelligenz, anzeigt wird, kann sich aber nicht so richtig konzentrieren – seine vor einigen Tagen stattgefundene Reise nach Deutschland beschäftigt ihn noch immer.

Ein direkt greifbares Ergebnis hat der Trip nach Europa nicht gehabt, sinniert Mat, mit vollem Namen Dr. Matthias Bremer, aber immerhin, es gibt eine gewisse Chance, dass sich der Aufwand im Nachhinein doch noch lohnen würde.

Ziel seines Engagements in dieser Angelegenheit war es, einen Probanden mit außergewöhnlichen Fähigkeiten für seine Zwecke zu finden, und das war ihm mit Hilfe seines Freundes Ulrich Perley schließlich gelungen!

Von links hört er eine Polizeisirene kommen, der Wagen scheint vor dem Haus zu halten; das Blinklicht reflektiert an der Raumdecke. Mat steht vom Schreibtischsessel auf, geht zum Fenster. Tatsächlich, der Polizeiwagen steht genau vor der Zuwegung zum Eingang von Brainrise Robotics – 'seiner' Firma, in der er nun schon einige Jahre, gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen, an einem großen Projekt arbeitet.

Die beiden Polizisten haben den Wagen verlassen und gehen mit gewichtigen Schritten auf das Haus zu, Mat betrachtet die Szene etwas gelangweilt.

„Nichts los hier in Palo Alto“, denkt er und geht wieder zurück an seinen Schreibtisch, auf dem drei Monitore unterschiedliche Bilder zeigen. Schirm Eins zeigt im Großformat den Sagittalschnitt eines menschlichen Gehirns, Schirm Zwei einen Text und schließlich Schirm Drei das Urlaubsangebot eines Reiseanbieters – schließlich möchte Mat in den bevorstehenden Sommerferien mit seiner Familie einen Wildnis-Urlaub in Kanada verbringen.

Er ist heute Morgen etwas unkonzentriert, was an der letzten etwas zu kurz geratenen Nacht liegen mag.

Gestern waren seine Frau Helen und er bei seinem Chef zum Abendessen eingeladen, was stets zu einem recht ausschweifenden Gelage 'unter Männern' ausartet – Helen ist frühzeitig mit dem Wagen nach Haus zu den Kindern gefahren, er selbst hat sich ein YellowCab genommen.

Sein Boss Robert 'Bob' Mulligan, ein vierschrötiger, aber hochintelligenter irisch stämmiger Typ, spricht bei solchen Gelegenheiten reichlich dem Whisky zu und nötigt seine männlichen Gäste, mitzuhalten, was bei diesen im Normalfall, wie auch heute bei Mat, zu frühmorgendlichen Ausfallerscheinungen führt – er selbst hat keinerlei Probleme mit dem reichlichen Alkoholkonsum und ist schon bei Sonnenaufgang wieder topfit!

Mat geht erneut an das wegen der Vollklimatisierung des Gebäudes leider nicht zu öffnende Fenster und sieht, wie die beiden Polizisten einen ärmlich und abgerissen wirkenden Typ aus dem Haus zu ihrem Wagen führen. Der Mann wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, in den Polizeiwagen verfrachtet zu werden – ein brutaler Schlag eines der Polizisten auf seine Schulter, oder ist es der Kopf, der getroffen wird? - macht ihn gefügig. Mit Blaulicht und Sirenenjaulen rast der Polizeiwagen davon.

Mat ruft nach seiner Sekretärin: „Lindsay, hast du mitbekommen, warum die Polizei im Haus war?“

„Ich glaube, ein Obdachloser hatte es sich in unserem Heizungsraum gemütlich gemacht, und der Hausmanager hat ihn entdeckt!“

„Danke, Lindsay, schickst du mir noch Kitty?“

„Mach ich, sie kommt sofort.“

Sie hat es kaum ausgesprochen, als Kitty die Glastür zu Mat's Büro öffnet, hatte sie seinen Wunsch gehört?

Kitty ist eine etwa 1,20 m große, menschenähnlich gestaltete Roboterdame, die hier im Labor von Brainrise Robotics vor etwa zwei Jahren entwickelt und gebaut wurde und seitdem als Prototyp im Einsatz ist. Sie soll später einmal, nach Realisierung des zurzeit in Arbeit befindlichen Projektes, mit der Fähigkeit zur Reaktion auf Gedankenbefehle ausgestattet werden, aber leider ist es zurzeit noch nicht so weit, bisher reagiert sie lediglich auf Sprachkommandos - das aber ziemlich perfekt.

„Was kann ich für dich tun, Mat?“, fragt sie mit einer Stimme, die eine gewisse Erotik in sich hat – nicht umsonst wurden die Merkmale ihrer Stimme von Susan, der nicht nur nach Mat's Meinung attraktivsten der bei Brainrise Robotics beschäftigten Frauen, eingesprochen.

Mat ist beim Klang von Kittys Stimme immer etwas irritiert, schließlich hat er eine gewisse Sympathie für Susan, die diese stärker erwidert, als es ihm Recht sein kann, denn er ist sehr glücklich mit Helen verheiratet und hat zwei ganz wunderbare Kinder …

Kitty wartet geduldig auf die Anweisung von Mat.

„Ich brauche einen starken Kaffee!“

„Du möchtest, dass ich dir einen starken Kaffee hole?“

„Ja, verdammt, aber fix!“

Mat ist verärgert, schlecht gelaunt, was Kitty an Mat's Tonfall und Stimmmodulation sofort merkt.

„Haben wir denn schlechte Laune, Mister Mat?“

Mat muss lachen. „Kitty, bitte, hol mir einen Kaffee!“

„Na, geht doch, Mister Mat!“

Mit diesen Worten surrt Kitty in die kleine Pantry des Büros und kommt nach wenigen Minuten zurück, den Kaffee auf dem angebauten Tablett jonglierend.

„Bitte sehr, mein Herr, stets zu Diensten!“

„Wer hat dir denn diese Ironie beigebracht?“ Mat ist erstaunt, so kennt er Kitty noch nicht.

„Susan, aber ich darf sie nur bei dir einsetzen!“

„Sagt Susan? Und seit wann beherrschst du die Fähigkeit?“

„Seit deiner Reise nach Deutschland in der vorletzten Woche. Susan und ich haben sehr lange miteinander an meiner Intelligenz und meinem Wortschatz gearbeitet, du siehst, es hat sich gelohnt!“

„Stimmt! Danke für den Kaffee, Kitty, und jetzt darfst du gehen, äh, wegsurren!“

Mit einem schon wieder ironischen „vielen Dank, Mister Mat!“ surrt Kitty davon zu ihrer Ladestation im Flur der Entwicklungs-Abteilung – Mat meint, eine gepfiffene Melodie zu hören …

Der Kaffee ist gut, süß und stark – gerade das Richtige für ihn an diesem Morgen nach dem durch den Whisky geprägten Abend bei seinem Boss …

Er setzt sich an seinen Schreibtisch und versucht, einen Bericht über seine Reise nach Deutschland und die erfolgreiche Implementierung von Nano-Transmitter und -Receiver im Gehirn eines Probanden zu formulieren, als Lindsay hereinkommt: „Du sollst sofort zum Boss kommen!“

Mat sichert das begonnene Dokument auf dem Server und geht hinauf in das Büro seines Chefs.

„Hi, Mat!“, wird er von Mulligan begrüßt, „gut geschlafen?“ „Naja, etwas wenig, und ich hatte gestern wohl einen Whisky zu viel bei dir …!“

„Damit hab ich keine Probleme, mein Lieber, du bist eben nicht gut im Training“, lacht er Mat mit einem breiten Grinsen an, „üben, üben, üben - ich werde dir mal eine Kiste rüberschicken von dem Teufelszeug!“

„Und was gibt es wirklich zu besprechen?“ Mat ist nicht in der Stimmung für Mulligans Geplauder.

„Sei doch nicht so humorlos, Mat! Aber jetzt zum Ernst der Sache, weshalb ich dich hergebeten habe: Wir haben heute von einem Professor O'Sullivan aus Phoenix eine gepfefferte Rechnung bekommen, er will achtzehntausend Dollar von uns haben für den Einsatz in Deutschland vor zwei Wochen; was hat es damit auf sich?“

„Bob, ich habe gerade den Bericht über die Reise nach Deutschland mit allen Details auf dem Rechner, den kann ich dir bis heute Abend zumailen. Eine Information aber vorab: Das Geld ist von mir sehr gut investiert worden, unsere Auftraggeber am Potomac River werden sehr bald von dieser Sache begeistert sein, und O'Sullivan hatte den wichtigsten Part bei der ganzen Aktion. Du kannst ihm das Geld mit bestem Gewissen zuschicken!“

„Erst will ich deinen Bericht lesen, aber bitte mit allen Details, und morgen reden wir weiter!“

Damit ist Mat wieder in sein Büro entlassen, ohne den nach einer Besprechung sonst üblichen Whisky, auf den er heute auch gern verzichtet!

Auf dem Weg hinüber zu seinem Office begegnet ihm Susan: „Wie gefallen dir Kittys neue Fähigkeiten?“, lacht sie ihn an und bleibt stehen, um sich ein wenig mit ihm zu unterhalten.

„Nun, es ist schon erstaunlich, was du ihr in der Kürze der Zeit beigebracht hast, Susan! Sehr gute Arbeit!“

Mat ist wegen des Berichtes zu sehr in Eile für einen Flurplausch, aber Susan lässt nicht locker: „Und sie kann jetzt noch viel mehr als nur Kaffee holen, du wirst sehen!“ Mit diesen Worten geht sie hinüber in ihr Office.

Mat arbeitet weiter an seinem Bericht, den er wieder in die Textverarbeitung geladen hat, und versucht eine Chronologie der Ereignisse darzustellen …

Memo von Matthias Bremer an Bob Mulligan

Confidential

25, jul 2017 / 15:30 p.m.

Alles begann mit einem Anruf meines Freundes aus Studientagen, Ulrich Perley, der in Deutschland, genauer gesagt in Hannover, an der dortigen Hochschule eine Abteilung für Neurologie leitet. Er arbeitet nicht nur für die Behandlung erkrankter Patienten, sondern auch wissenschaftlich.

Dieser Freund in Deutschland hat mich angerufen, als meine eigenen Studien an dem in Arbeit befindlichen Projekt mit studentischen Probanden gerade arg ins Stocken geraten waren und ich auf der Suche nach neuen Test- und Untersuchungsmöglichkeiten war.

Ulrich Perley berichtete mir von einem Freund, der nach einem schweren Unfall bewegungsunfähig im Koma lag, jedoch trotz des Ausfalls von Seh- und Sprachmöglichkeiten mit seinem Umfeld durch Telepathie kommunizierte - als Proband für das Brainrise Robotics-Projekt optimal geeignet.

Der Komapatient in Deutschland benötigte dringend eine extrem schwierige Operation im Gehirn, um dort ein lebensbedrohendes Hämatom aufzulösen.

Ich hatte und habe noch Kontakt zu einem Institut in Phoenix/Arizona, an dem ein mir bekannter hoch qualifizierter Neurochirurg arbeitet. Dieser Chirurg, Prof. Dr. Dr. O'Sullivan, erklärte sich bereit, den deutschen Patienten zu operieren, deshalb die Rechnung aus Phoenix.

Zunächst hatte ich geplant, durch ihn eine Sonde im Gehirn des Mannes platzieren zu lassen, aber die Familie des Kranken hatte das abgelehnt; alternativ habe ich den Chirurgen jedoch zu einer anderen Maßnahme überreden können: Es wurden bei der erwähnten Gehirn-OP die Prototypen jeweils eines Nano-Receivers und eines entsprechenden Transponders aus unserem Testlabor durch ihn im Gehirn des Patienten positioniert!

Wenn nun die Nano-Teilchen aktiviert werden könnten – dafür habe ich aber noch keine Lösung gefunden – wäre der inzwischen wieder genesene deutsche Patient der optimale Proband für das Projekt der Steuerung von technischen Geräten durch Gedankenkraft.

--- End of Memo ---

Alle Fakten im Dokument notiert und gespeichert, schickt Mat den Bericht an seinen Boss – der wird sehr erfreut sein über diese auch für das Pentagon, den Haupt-Auftraggeber von Brainrise Robotics, interessante Aktion.

Es ist noch früher Nachmittag, als Susan in sein Büro tritt.

Sie ist die Fachfrau für KI, künstliche Intelligenz hier im Hause, hat einige Jahre bei Google gearbeitet und dort Algorithmen für die Erkennung des Kaufverhaltens von Kunden und ihre Verwertung in riesigen Werbe-Netzen erarbeitet, und ist hier bei Brainrise Robotics unter anderem auch für Kitty zuständig.

„Ich habe gerade den Bericht über deine Reise nach Deutschland gelesen, hochinteressant! Kannst du mir mehr erzählen?“

Mat stutzt: „Wieso hast du meinen Bericht an Bob gelesen? Der war schließlich vertraulich und nur für ihn gedacht!“

„Mat, sei nicht so kleinlich! Die Sache ist einfach zu wichtig, als dass wir darüber streiten müssten!“

„Nein, Susan, es geht nicht an, dass du meine Mails liest, ohne dass ich dich dazu autorisiert habe!“

„Mir entgeht hier im Hause nichts, mein lieber Mat, das solltest du inzwischen wissen, und wenn du es noch nicht wusstest, weißt du es eben jetzt!“

„Das geht nicht, Susan! Ich werde mit Bob darüber reden, er wird dir sicher ein paar passende Worte dazu sagen! Und jetzt geh bitte, ich muss arbeiten!“

„Hab dich doch nicht so!“ Schmollend - und Mat stellt fest, dass ihr dieser Gesichtsausdruck sehr gut steht, sogar eine gewisse Erotik ausstrahlt - verlässt sie sein Büro und geht wieder in ihr Labor, in dem sie an Algorithmen für die Auswertung der Scans von Gesichtsausdrücken arbeitet.

Er setzt sich sehr nachdenklich an seinen Schreibtisch – die Tatsache, dass Susan anscheinend auf viele, auch vertrauliche Informationen Zugriff hat, macht ihm Sorgen, denn er wickelt auch seinen privaten Email-Verkehr, der ja wirklich nicht für Dritte bestimmt ist, über den Server des Büros ab; er würde mit Bob ernsthaft über die Aktivitäten Susans reden müssen!

Inzwischen ist es schon 6 p.m., Zeit, sich endlich um die Familie zu kümmern. Er sichert seine aktuellen Unterlagen in der Cloud, fährt seinen Laptop herunter und schließt die Bürotür hinter sich. Ein Blick in den langen Gang zu den anderen Büros zeigt ihm, dass nur noch bei Susan Licht brennt – anscheinend arbeitet sie noch an ihrem aktuellen Algorithmusprojekt.

Er ruft einen 'Feierabendgruß' in ihre Richtung, auf den seltsamerweise nur Kitty mit einem fröhlichen „By, By, Mister Mat!“ antwortet. Dann fährt er mit dem Lift in die Tiefgarage, wo sein alter Chrysler schon auf ihn wartet.

Schon wenige Minuten später hat er sich in den endlosen Strom der nach Hause strebenden Autofahrer eingereiht …

Kapitel 2 – Susan Hanson

Susan Hanson verbringt in der Tat an diesem Abend noch einige Stunden in ihrem Labor, aber sie arbeitet nicht an ihrem Projekt, sondern verfolgt auf einem Monitor alle Aktivitäten ihres Kollegen Matthias Bremer.

Der von der Polizei am Vormittag festgenommenen anscheinend obdachlose Mann hat in ihrem Auftrag den Wagen von Mat manipuliert – eine ganze Reihe von Scannern und hochempfindlichen Sensoren wurde, gegen ein nicht unerhebliches Honorar, von dem Mann im und am Fahrzeug installiert, und jetzt ist sie gespannt auf das, was ihr die Spionagegeräte zeigen werden.

„Eine Susan Hanson weist man nicht zurück“, sie verzieht ihr hübsches Gesicht, „nein, ganz bestimmt nicht, Herr Bremer, und du bist außerdem ein so wunderbares Testobjekt für meine Technik!“

**********

Es war im Dezember des letzten Jahres, als der Boss von Brainrise Robotics seine Mannschaft (die übrigens überwiegend aus Frauen besteht) in das vornehme „Holiday Inn“ in Palo Alto zur Jahresabschlussfeier eingeladen hatte. Wie in jedem Jahr, so sollten auch diesmal die verdienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Jahresboni belohnt werden.

Zu den mit besonders hohen Dotierungen ausgezeichneten Mitarbeitern gehörten in diesem Jahr auch Susan und Mat – sie hatten im abgelaufenen Jahr Besonderes geleistet, wie Bob in seiner 'Festrede', die wie in jedem Jahr viel zu lange andauerte, erwähnte.

Anschließend, nach einem hervorragenden Abendessen, ging dann die ganze Crew zum gemütlichen Teil über, das heißt, der Alkohol floss reichlich, das Licht wurde heruntergedimmt und die Musik der erstklassigen Latino-Band spielte immer erotischere Songs, wie es Susan schien …

Sie, die Mat schon seit längerer Zeit richtig intensiv begehrt, sprach reichlich den angebotenen Drinks zu und war schon bald in einer Stimmung, in der bei vielen Menschen die Hemmschwelle sinkt, so auch bei ihr. Mat war und ist immerhin ein sportlicher, charmanter, gut aussehender Mann, der bei Partys stets von den Frauen umschwärmt wird.

Es blieb nicht aus, das Susan ihm bei Rumba und Tango sehr nahe kam, man kann sogar sagen, sie umfing ihn mit allem, was sie an körperlichen Reizen zu bieten hatte – und ihre Berührungen schienen ihm nicht unangenehm zu sein ...

Nach weiteren Drinks und immer engeren und, man kann sagen, sehr körpernahen Tänzen war es ihr gelungen, ihn in einen kleinen Nebenraum des Hotels zu entführen. Sie hatte sich vorgenommen, diesen Mann zur Strecke zu bringen, was ihr fast gelungen wäre, wenn nicht – ja, wenn nicht im letzten Augenblick, sie hatte gerade begonnen, die ersten Knöpfe ihrer durchscheinenden Bluse zu öffnen und er war anscheinend bereit, sich auf sie einzulassen – wenn nicht Bob hereingekommen wäre und nach irgendwelchen unnützen Dingen gesucht hätte.

Mat, der wie alle anderen auch zuvor ebenfalls reichlich Drinks konsumiert hatte, war schlagartig wieder nüchtern geworden und hat sie ziemlich brüsk zurückgewiesen – diese Abfuhr hat sie ihm nie verziehen und setzt jetzt all ihr Können daran, sich für diese Demütigung, wie sie es sieht, zu rächen – vielleicht aber auch, um ihn trotzdem zu verführen ...

**********

Mat biegt gerade in die Lowell-Street in Redwood City ein, als sich Susan bei ihm auf dem Smartphone meldet.

„Hi, Mat, wo bist du gerade? Ich habe eine interessante Entdeckung gemacht, die ich mit dir gern durchsprechen möchte!“

„Jetzt? Ich bin in ein paar Minuten zu Hause, hat das nicht Zeit bis morgen?“

„Ich würde mich schon sehr freuen, wenn wir das jetzt gemeinsam erledigen könnten.“

Bei Mat klingeln, in Erinnerung an die Party vor einem halben Jahr, einige Alarmglocken: „Ach, Susan, ich will jetzt zu meiner Familie, lass uns das Ganze morgen besprechen ...“.

Susan antwortet ein wenig beleidigt: „Na, wenn dir deine Familie wichtiger ist als unser großes Projekt, dann geh du nur zu Mami und Baby!“

„Susan bitte, was soll das? Mach auch endlich Feierabend und geh nach Haus, gute Nacht!“

Ohne eine weitere Antwort beendet Susan das Gespräch. „Dr. Matthias Bremer, das wirst du bereuen“, knurrt sie ihr Computer-Display, auf dem sie dank der von ihr in sein Auto eingebauten Scanner Mats aktuelles Konterfei sieht, an: „Das wirst du noch bereuen!“

Kapitel 3 – Berthold Schaf

Die Goethestraße in Werterfehn an der Ems, eine Sackgasse mit Wendeplatz, ist eine sehr ruhige Wohngegend, in der ausschließlich Ein- und Zweifamilien-Häuser zu finden sind.

Morgens um sieben Uhr herrscht ein reger Verkehr dort, wenn die Mütter ihre Kinder mit dem Zweitwagen zur Schule bringen und die Väter dann zumeist mit ihren größeren Autos schon auf dem Weg zur Arbeit sind. Den ganzen Vormittag über hingegen herrscht in der Straße eine fast gespenstisch anmutende Ruhe, denn auch die meisten Frauen gehen einer beruflichen Tätigkeit nach. Erst am Nachmittag, wenn die vielen Kinder - denn die Straße wird fast ausschließlich von jungen Familien bewohnt – aus der Grundschule am Ort und den weiterführenden Schulen in der benachbarten Kreisstadt wieder zurück sind, kehrt wieder Leben in der Straße ein.

Die Familie Schaf, Beate, Berthold, Johanna und Malte, hat sich vor längerer Zeit ihr Haus dort gebaut und lebte hier ruhig und glücklich, bis Berthold durch einen Unfall mit dem Fahrrad schwer verunglückte und längere Zeit im Klinikum der Kreisstadt im Koma lag; inzwischen ist er jedoch wieder genesen, und die Reha-Klinik hat sehr gute Arbeit geleistet. Wie vor seinem Unfall geht er wieder seinem Job als Chef des Wareneinkaufs in 'seinem' Supermarkt nach.

„Der Unfall damals hat mein ganzes Leben verändert“, erzählt er an einem wunderbaren Sommerabend, an dem seine Frau und er liebe Freunde und die nächsten Nachbarn zum Grillen eingeladen hatten, „ich lebe jetzt sehr bewusster als zuvor. Vieles, über das ich mich früher aufgeregt habe, sehe ich jetzt in einem ganz anderen Licht, und ihr, liebe Freunde und Nachbarn, seid für mich noch viel, viel wichtiger geworden, als ihr es vor meinem Unfall ohnehin wart.“

Nachdenklichkeit ergreift die Runde, und sein direkter Nachbar Torsten, der gemeinsam mit seiner Andrea zur gleichen Zeit wie die Schafs sein Haus gebaut hatte und deren Kinder mit Johanna und Malte in etwa gleichaltrig sind, ergreift das Wort: „Kann ich verstehen, lieber Berthold, kann ich verstehen! Man bewertet die Dinge nach einem solchen Ereignis völlig anders. Aber wenn wir schon heute alle hier zusammensitzen, muss ich euch eine für manche betrübliche Mitteilung machen: Wir werden weggehen! Ich habe ein tolles Angebot von einer Weltfirma in München, und Andrea und ich sind übereingekommen, es anzunehmen. Schon in der nächsten Woche kommen die Möbelpacker, und dann 'Werterfehn ade'!“

Vor allem Berthold ist wie vom Donner gerührt: „Und euer Haus, was wird damit? Und die Kinder, wie kommen die damit zurecht?“

„Alles geklärt, alles ganz wunderbar, können wir sagen. Unser Haus hier wird verkauft, ein Makler hat schon neue Nachbarn für euch gefunden, und wir werden ein sehr schönes Haus in Starnberg bewohnen, zunächst nur gemietet. Die Kinder sind schon in ihren Schulen angemeldet, und Andrea hat sogar schon einen Job am Ort. Natürlich werden wir Werterfehn und vor allem euch alle in bester Erinnerung behalten, aber eine solche Chance bekommen wir im ganzen Leben nicht noch einmal!“

Andrea nickt ihm zu: „Ich freue mich auch schon sehr, und das nahe München ist ja auch eine ganz tolle Stadt, etwas ganz anderes als unser kleines Emsstadt in der Nachbarschaft und auch Oldenburg oder Münster …!“

Die Mitteilung ihrer nächsten und auch liebsten Nachbarn, mit denen sie sich sehr freundschaftlich verbunden fühlen, drückt die Stimmung der Eheleute Schaf und auch manch anderem Gast an diesem bisher so harmonisch verlaufenen Abend doch erheblich - Beate und Berthold haben Mühe, die Stimmung wieder anzuheben. Musik ist schließlich das Zaubermittel dafür, und auf der Terrasse wird bald getanzt.

Am nächsten Morgen, es ist der Samstag, sprechen Beate und Berthold beim gemeinsamen Frühstück mit den Kindern über die neue Situation. Johanna ist entsetzt: „Dann kann ich ja überhaupt nicht mehr mit meiner besten Freundin Dori zusammen sein, das ist ja blöd!“, und Malte stimmt ein: „Torben wird in unserer Fußballmannschaft auch sehr fehlen, er ist ein toller Stürmer!“

„Ach, Kinder, da kommt ja wieder eine neue Familie in das Haus, und da werdet ihr neue Freunde finden!“, versucht Beate ihre Kinder zu trösten; die wollen aber nicht getröstet werden und gehen gleich nach dem Frühstück in ihre Zimmer.

Beate und Berthold sitzen noch ein wenig am Tisch und hängen ihren Gedanken nach …

„Berthold“, fragt Beate plötzlich, „hast du eigentlich nach der Zeit im Krankenhaus noch einmal einen Versuch mit der Telepathie unternommen?“

„Nein, ich hatte es bei meiner Party ja auch versprochen, wieso fragst du?“

„Du bist seit dem Unfall, wie du gestern Abend auch schon gesagt hast, irgendwie anders geworden, und ich habe das Gefühl, dass dich etwas bedrückt!“ Beate sieht ihren Berthold an, „was ist los mit dir?“

Berthold sieht mit einem langen Blick zu ihr hinüber: „Ich habe dir, habe euch eine Sache noch nicht erzählt, die mir unser Freund Ulli, der Professor, während der Gartenparty nach meiner Genesung offenbart hat, und ich bin auch jetzt noch im Zweifel, ob ich irgendjemandem auf der Welt etwas davon erzählen sollte.“

„Auch mir nicht, und deinen Eltern und den Kindern?“

„Den Kindern auf gar keinen Fall, und auch meine Eltern sollten es nicht erfahren, es würde nur zu unnützen Spekulationen führen.“ Er setzt sich ganz aufrecht auf seinen Stuhl, nimmt Beates Hände in die seinen: „Pass auf, und mach dir keine Sorgen über das, was ich dir jetzt erzähle!“

„Ich soll mir nach der Vorankündigung und deiner Geheimniskrämerei keine Sorgen machen? Und du schiebst eine dich extrem belastende Angelegenheit, ohne mit mir zu reden, wochenlang vor dir her? Heraus mit der Sprache, Berthold Schaf, ich will alles wissen!“

„Ach, Beate, ich wollte dich doch nicht unnötig belasten, du hättest dir doch nur Sorgen gemacht; aber lass mich jetzt von Ullis 'Offenbarung' erzählen. Also: Ulli hat mir eröffnet, dass der Professor aus den USA winzig kleine Elektronikchips in meinem Gehirn deponiert hat, die wie ein Sender und ein Empfänger funktionieren. Damit bin ich, wenn die Dinger aktiviert sind, von außen irgendwie erreichbar, als wäre ich ein Smartphone, fürchte ich. Irgendwer kann dann meine telepathischen Fähigkeiten für irgend etwas einsetzen, und davor habe ich Angst!“

„Das ist ja entsetzlich, man wird dich doch nicht fernsteuern können?“

„Ich hoffe nicht, wir müssen einfach abwarten, noch sind die Einbauten in meinem Gehirn nicht aktiviert, und wenn es nach mir geht, wird das auch nicht geschehen, vielleicht kann ich es ja verhindern!“

Beate sitzt nachdenklich auf dem Stuhl: „Und wenn alles rückgängig gemacht wird, durch eine neue Operation?“

„Das geht nicht, glaube ich, die Dinger sind zu klein, und dann bin ich wieder in Todesgefahr, lass uns abwarten, mein Liebling!“

„Bleibt uns eine Wahl?“

„Ich denke nicht; aber wir wollen jetzt auch nicht mehr darüber reden. Ich verspreche dir, nicht zu oft daran zu denken!“ Er nimmt Beate liebevoll in die Arme …

Nur eine Woche nach diesem auch für Beate belastenden Gespräch fährt am frühen Morgen bei Andrea und Torsten der Möbelwagen vor, fleißige Helfer räumen das Haus leer; und am späten Nachmittag kommt die ganze Familie, um sich zu verabschieden. Es wird eine Szene mit vielen Tränen und Schulterklopfen: „Wir fahren jetzt direkt nach Starnberg, unser neues Domizil wartet schon, lebt wohl und denkt hin und wieder an uns!“

„Gute Fahrt!“ rufen ihnen die Schafs noch nach, dann sind ihre lieben, jetzt ehemaligen Nachbarn hinter der nächsten Kurve verschwunden.

Kapitel 4 – Entdeckungen

Am Tag nach dem abendlichen Telefonat kann Susan Mat ganz unbefangen und geschäftsmäßig gegenüber treten, wie es scheint.

„Hi, Susan, was war denn gestern Abend so wichtig, dass du mich am liebsten wieder hier im Büro gesehen hättest?“

„Es gab zwei Gründe dafür, aber den Ersten werde ich dir nicht nennen! Der zweite Grund ist eine wirklich hoch interessante Entdeckung, nein, eigentlich eine Entwicklung, die mir gelungen ist. Lass es mich dir in Ruhe erklären.“

„Hat es mit unserem Projekt zu tun, ist dir der große Durchbruch gelungen?“

„Das zwar noch nicht, aber ich bin einen großen Schritt vorangekommen. Hier, schau: Die Grundfunktionen sind jetzt in diesem Chip“, sie zeigt ihm unter einer stark vergrößernden Lupe einen winzig kleinen elektronischen Chip, „zusammen mit einem Sender und, da staunst du bestimmt, einem GPS-Receiver gespeichert!“

„Grundfunktionen, Sender und GPS-Empfänger, alles in diesem Winzling?“ Mat kann es nicht fassen, „das würde mich wahrscheinlich ein gutes Stück weiterbringen, es ist ja noch viel mehr, als ich meinem Probanden in Deutschland zugedacht habe!“ In seiner Begeisterung umarmt er Susan stürmisch, die diese Situation sofort ausnutzt, sie erwidert seine Umarmung, drängt sich an ihn, dass ihm der Atem stockt, und noch bevor er abweisend reagieren kann, küsst sie ihn voller Sehnsucht: „Mat, komm, wir gehen in unseren Chill-Room!“

Mat schnappt nach Luft und schiebt Susan sanft von sich weg: „Susan, ich will das nicht! Ich finde dich sehr süß und auch begehrenswert, aber meine Familie ist mir zu wichtig, um sie für ein Abenteuer mit dir aufs Spiel zu setzen!“

Susans Gesichtsausdruck wechselt schlagartig von liebenswert auf hasserfüllt: „Du wirst bereuen, mich abgewiesen zu haben, und deine Familie ist mir völlig gleichgültig. Wenn du denkst, ich gebe auf, dann hast du dich geirrt – ich will dich!“

Mat ist sich sehr wohl bewusst, dass er Susan mit seiner ablehnenden Haltung verletzt hat, aber wie er schon sagte, ihm sind Helen und die Kinder wichtiger. Er verlässt Susans Büro, spricht sie aber vorher erneut noch einmal auf das Projekt an: „Wir ziehen aber beruflich immer noch am gleichen Strang, Susan?“ Von Susan kommt keine Antwort, nur ein hochmütiges Nicken …

Susan heißt eigentlich Consuela Martinez, stammt aus Puerto Rico, eine Latina mit einem wohlgeformten Körper, feurigen dunklen Augen und fast schwarzen, gelockten Haaren. Sie hat vor gut zwei Jahren Patrick Hanson, den linken Guard bei den Stanford University Football Stars, geheiratet. Patrick, ein Baum von einem Mann, gut aussehend, athletisch, hat jedoch zu ihrem Bedauern mehr Interesse an seinem Sport als am Studium – und noch viel weniger an Susan, die er mehr als Vorzeigefrau denn als Geliebte und Frau an seiner Seite betrachtet.

Vor ihrer Zeit bei Google war sie in der Entwicklung im Nanoscale Prototyping Laboratory der Universität tätig, und sie hat noch immer sehr gute Kontakte in die Escondrillo Mall zu ihren alten Kolleginnen und Kollegen; an zwei Tagen der Woche ist sie dort noch immer aktiv, und der winzige Chip, den sie Mat gezeigt hat, stammt aus ihrer Arbeit dort – zur Freude und auch zum Nutzen von Bob Mulligan und Brainrise Robotics.

Als Kitty hereinrollt, schaut sich Susan, die Spezialistin für Künstliche Intelligenz und für Nanoscalierungen, den kleinen Serviceroboter an, überlegt.

„Kann ich etwas für dich tun, Miss Susan?“

„Ach, Kitty, wenn du doch ein Mensch wärest – aber du bist nur eine nette Maschine … Ich werde deine Intelligenz erweitern müssen, dir ein wenig Emotionen einprogrammieren - ich will, dass du mir so ähnlich wie möglich wirst, und dann machen wir den stolzen Mat gemeinsam fertig – er soll mich niemals mehr zurückweisen! Hilfst du mir?“

„Miss Susan, du weißt doch, ich tue, was du willst!“

„OK, Kitty, ich werde mir etwas einfallen lassen, an dem Mister Mat seine Freude haben wird – und jetzt geh wieder zu deiner Station. Aber kein Wort von unserem Vorhaben zu Mister Mat, merk dir das!“ „Ja, Miss Susan, kein Wort zu Mister Mat!“

Susan überlegt, ob es in ihrem Bekanntenkreis einen Puppenmacher gibt, und wird fündig: Ein Freund aus ihrer Nachbarschaft, Tom Altridge, arbeitet an der Universität in der Theatercrew und ist dort für die Abteilung „Puppenspiel“ zuständig.

Sie wird Tom am Abend treffen, nach Feierabend, vorausgesetzt, sie kann sich heute von ihrer Arbeit losreißen, zunächst aber will sie noch einmal mit Mat ganz sachlich über das Projekt reden und geht hinüber in dessen Office.

„Hör zu, Mat, lass uns als vernünftige Menschen handeln und unsere privaten Interessen hinten an stellen, was meinst du?“

Matthias ist beim Auftauchen von Susan in seinem Büro ein wenig erstaunt, lässt sich aber nichts anmerken: „Das geht in Ordnung, Susan. Was führt dich heute so ausnahmsweise zu mir in mein 'Allerheiligstes'?“

„Das Projekt in Deutschland! Du schreibst in deinem Memo an Bob, dass ihr, Sullivan und du, dem Komapatienten die Nano-Prototypen implantiert habt, und das ohne sein Einverständnis. Wenn das herauskommt, seid ihr alle zwei erledigt, für alle Zeiten, also pass auf, dass davon niemand etwas erfährt! Ist der Typ in Deutschland denn überhaupt sicher, oder wird er seine Informationen überall ausplaudern?“

„Da habe ich keinerlei Bedenken, und überhaupt: Wer will denn wem irgendetwas nachweisen?“

„Da hast du natürlich Recht, Mat. Wie wollt ihr denn die Nanos überhaupt aktivieren? Und habt ihr auch bedacht, dass die Chips durch eine Erwärmung nach der Aktivierung das Gehirn verändern können, Areale in ihren Funktionen beeinflussen können?“

„Nun, zunächst haben sie ja etwas Zeit gehabt, Energie zu speichern für alles, was wir vorhaben. Was du zu den Veränderungen im Gehirn gesagt hast – ja, ich habe daran gedacht, kann aber keine Rücksicht darauf nehmen, das Projekt ist zu groß und zu wichtig! Lediglich das Aktivieren der Chips macht mir noch Kopfzerbrechen, aber vielleicht hat Bob dazu eine Idee, er kennt ja tausend Leute in dem Gewerbe und beim FBI.“

„Donnerwetter, da staune ich aber! Du bist ja fast noch skrupelloser als ich!

Dafür hast du dir eigentlich eine kleine Belohnung verdient.“ Mit diesen Worten rückt sie ganz nahe an ihn heran.

Matthias steht abrupt von seinem Schreibtisch auf: „Susan! Bitte nicht schon wieder diese Anmache, du weißt von mir und meiner Liebe zu meiner Familie!“

Er ruft nach Kitty, die in Sekundenschnelle hereingesurrt kommt: „Kitty, ich brauche jetzt einen Whisky!“ „OK, Mister Mat, Scotch oder Bourbon? Und mit Eis oder ohne?“

„Kitty, wie immer, Bourbon mit Eis, du weißt das doch!“

„Ok, kommt sofort, Mister Mat, und was wünscht Miss Susan? Das Gleiche?“ Susan nickt – eigentlich wünscht sie sich etwas völlig anderes ...

Kapitel 5 – Veränderungen

In Werterfehn, Goethestraße Nr. 20 haben Handwerker das Kommando übernommen. Wände im Haus werden herausgeschlagen, manche neu aufgemauert, die Terrassenplatten aufgenommen und durch Holzfliesen ersetzt, im Außenbereich, der allerdings, im Gegensatz zu Beates tollem Garten, von Andrea etwas vernachlässigt wurde und ziemlich trostlos aussieht, werkelt ein Arbeiter mit einem kleinen Bagger und einer Planierraupe – die neuen Besitzer gestalten auf dem Grundstück alles um.

Die Bau- und Erdarbeiten dauern bis zur Mitte des Monats August, anschließend bevölkern Maler und Gärtner Haus und Garten.

Ein Möbelwagen mit einem ausländischen Kennzeichen steht an einem warmen, strahlend hellen Samstagmorgen vor dem Haus der neuen Nachbarn, und diese selbst kommen kurz nach dem Frühstück der Schafs mit einem mächtigen schwarzen SUV und einem schnuckeligen weißen E-Smart angefahren. Aus dem großen Wagen steigen drei Kinder aus, so etwa im Alter von Johanna und Malte, dazu der Vater, ein mittelgroßer, etwa fünfzigjähriger sportlicher Typ mit kurz geschnittenen dunklen Haaren. Der Smart, der anscheinend der Mutter gehört, gibt eine große, schlanke mittelblonde Frau frei, die sich sofort den Möbelpackern zuwendet und ihnen Anweisungen gibt, während Mann und Kinder den von den Fachleuten sehr ansprechend gestalteten Garten besichtigen.

„Toll, unser Trampolin ist ja auch schon aufgebaut, und auch die Fußballtore!“, hören Beate und Berthold eine fröhliche Jungenstimme, und wie im Chor rufen die beiden Mädchen, anscheinend Zwillinge, „und es gibt dort hinten eine ganz tolle Ecke zum chillen!“

Mit 'dort hinten' sind die Büsche gemeint, die an der Grenze zum Grundstück der Schafs wachsen und an dieser Stelle ein fast undurchdringliches Bollwerk bilden.

********

„Sollten wir die Neuen nicht auf einen Kaffee und zu einem Saft einladen?“, fragt Beate.

„Ich weiß nicht, die sind sicher von der Fahrerei ziemlich erschöpft, aber wenn du meinst, geh du ruhig hinüber!“ Berthold ist von der Idee nicht so begeistert - Beate macht sich aber schon auf den Weg.

Es dauert nur wenige Minuten, bis sie von ihrer ersten Kontaktaufnahme bei den neuen Nachbarn zurück ist: „Sie kommen in etwa einer halben Stunde – sehr nette Leute!“

„Ich setze schon einmal eine Kanne Kaffee auf, Saft ist noch reichlich im Kühlschrank.“ Berthold bereitet den Kaffee vor, Beate deckt den Tisch auf der Terrasse, holt den Saft.

„Haben wir noch von den Keksen meiner Mutter, die sie uns bei ihrem letzten Besuch aus Delmenhorst mitgebracht hat?“, fragt Berthold seine Frau, die an diesem Samstag glücklicherweise nicht in ihrer kleinen Schmuckboutique arbeiten muss.

„Ja, in der großen Dose im Wohnzimmerschrank, die ist noch ziemlich voll!“

Nach genau dreißig Minuten ruft jemand am Gartenzaun „Hallo, da sind wir, dürfen wir herüberkommen?“

„Kommen Sie nur her, wir sind auf der Terrasse, da sind noch viele Stühle frei“, ruft Berthold zurück, und schon nach kürzester Zeit stehen die neuen Nachbarn auf dem Rasen vor der Terrasse.

Es ist jetzt etwa elf Uhr, und die Sonne scheint in Beates Gartenparadies, als John und Petra Bertoli mit ihren Kindern Paul, Jennifer und Lucy freundlich und zurückhaltend auf die die Eheleute Schaf zutreten.

Mit einem fröhlichen „Hallo, liebe Neu-Nachbarn, seien Sie - und natürlich auch ihr drei – herzlich willkommen!“ gehen die beiden auf ihre Gäste, ihre Nachbarn zu, „wir sind das Ehepaar Schaf und wohnen jetzt seit fast zehn Jahren hier, und wir haben noch keinen Tag bereut!“ - zunächst etwas zurückhaltend, dann jedoch fröhlich und offen gehen auch Malte und Johanna auf ihre neuen Nachbarn zu.

„Hallo, liebe Nachbarn, da sind wir, danke für die Einladung. Sie haben ja einen ganz zauberhaften Garten, alles selbst gepflanzt?“

„Ja, das ist meine große Leidenschaft, außer meiner Familie natürlich. Aber nehmen Sie doch bitte Platz, Kaffee und Saft hole ich sofort.“ Beate geht in die Küche und kommt sofort mit den Getränken zurück; die Kekse stehen bereits auf dem Tisch. Sie schenkt Kaffee und Saft ein: „Bitte greifen Sie, greift zu!“

Die gemütlich auf der Terrasse zusammensitzenden Ehepaare stellen einander gegenseitig vor: „Ich bin Petra, das ist John. Unser Großer heißt Paul, und die beiden Mädchen sind Jennifer und Lucy.“

„Und wir sind Beate und Berthold! Unsere Kinder heißen Johanna und Malte, wir denken, sie werden sich mit euren sehr bald anfreunden! Nochmals: Herzlich willkommen in der Goethestraße!“

Die beiden Familien kommen sehr schnell ins Gespräch miteinander, „Kinder, wollt ihr nicht etwas spielen gehen, oder unser Haus erkunden?“

„Au ja,“ Johanna ist begeistert, „kommt, Mädels, wir gehen rauf zu mir, die Jungs können ja in der Zeit Fußball spielen!“

Die beiden, Malte und Paul, nehmen den Vorschlag gern auf und kicken sofort im Garten auf Maltes Fußballtore.

Berthold macht einen Vorschlag: „Wollen wir nicht 'Du' zueinander sagen? Wir werden uns ja in Zukunft häufig begegnen, da macht ein 'Du' das Leben doch einfacher!“

Die Bertolis sind sofort einverstanden, sind sie diese freundschaftliche Anrede auch aus Amsterdam gewohnt.

Mit Smalltalk vergeht die Zeit auch sehr schnell, und John drängt zum Aufbruch: „Leider können wir heute aber nicht länger hier auf eurer Terrasse sitzen bleiben, so schön und gemütlich es auch ist - wir haben im Haus noch sehr viel zu tun, Möbel verschieben, Schränke einräumen, und ich will mein kleines Tonstudio auch schon aufbauen.“ Petra ist wegen der anstehenden Arbeiten ebenfalls etwas unruhig und möchte auch gern zurück in ihr Haus.

„Das können wir durchaus verstehen, aber es war schön, euch schon einmal kennenzulernen“, meint Beate. Die Kinder werden gerufen, und gemeinsam verabschieden sie ihre neuen Nachbarn, „heute Nachmittag können die Kinder aber gern wieder mit unseren zusammenkommen, die werden sich ganz bestimmt freuen!“

Familie Bertoli geht wieder durch den Garten hinüber zu ihrem Haus. Beate und Berthold sprechen noch kurz über den Besuch, dann wendet sich jeder wieder seiner für heute vorgesehenen Beschäftigung zu.

„Hast du eine Ahnung, wo die Bertolis vorher gewohnt haben?“, fragt Beate. „Nein, da hat niemand etwas angedeutet, und es hat auch keiner gesagt, was sie beruflich machen, sie haben nur das Tonstudio erwähnt, anscheinend Johns Hobby – aber das werden sie uns schon noch irgendwann erzählen.“

Kapitel 6 – Die Bertolis

Das Autokennzeichen des Möbelwagens, mit dem die neuen Nachbarn ihr Hab und Gut haben herbringen lassen, stammt aus den Niederlanden, denn die Familie Bertoli wohnte bisher an einer wundervollen Gracht im Randbezirk von Amsterdam.

John, gebürtig aus Minnesota, und die Kinder haben US-amerikanische Pässe – sie sind während eines langen Aufenthalts ihrer Eltern in den USA geboren, sprechen aber perfekt deutsch. Petra und John haben sich in Lakeville, nicht weit von Minneapolis, kennen- und lieben gelernt, als Petra bei einer Familie dort einen Job als Aupairmädchen angenommen hatte und kurz vor der Heimreise ihren John heiratete.

Den hat sein Beruf als Elektronikspezialist in die Niederlande verschlagen. In Amsterdam haben die Kinder, die zunächst nur Englisch sprachen, die deutsche Schule besucht.

In den letzten Jahren hat Petra Bertoli, welch eine Parallelität, genau wie ihre Nachbarin Beate in einer Modeschmuck-Boutique gearbeitet, allerdings nicht in leitender Funktion.

John war in Amsterdam in einem Unternehmen tätig, das sich mit der Entwicklung elektronischer Bauelemente beschäftigt hat, und als er dort keine Aufstiegschancen mehr für sich sah, hat er aktuell einen Job in einer großen Schiffswerft emsabwärts angenommen - so ist die Familie nach Werterfehn gekommen.

Diese ganze Geschichte erzählen die Bertolis an einem lauen Spätsommerabend bei einem, nein, bei mehreren Gläsern trockenen kalifornischen Rotweines ihren neuen Nachbarn.

Es ist ein langer Abend, den die Erwachsenen miteinander verbringen – die Kinder sind zu einem früheren Zeitpunkt, wenn auch sehr widerwillig, ins Bett gegangen; sie haben sich, wie erwartet, inzwischen gut miteinander angefreundet.

John und Petra haben aus ihrem an Abwechselungen reichen Leben erzählt, und die Eheleute Schaf aus der erst wenige Monate zurückliegenden schweren Zeit nach Bertholds Unfall berichtet.

„Sag, Berthold, du hast wirklich mithilfe der Telepathie mit deinen Leuten kommuniziert? Faszinierend! Und du hast die Leute in der Klinik manchmal gesteuert? Ich kann es kaum glauben!“

John kann sein Erstaunen über Bertholds Fähigkeiten nicht verbergen: „Hast du nach dieser schrecklichen Zeit noch einmal einen Anlauf gemacht, nur so zum Spaß?“