Im Reich der Azteken - Roland Weis - E-Book

Im Reich der Azteken E-Book

Roland Weis

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Beschreibung

Das Projekt: Die wichtigsten Kapitel der Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte Mittel- und Südamerikas haben sich zwischen 1492 und 1542 ereignet. Roland Weis erzählt in fünf Bänden die Geschichte von Rodrigo Sanchez, der als Schiffsjunge die Entdeckungsfahrt von Kolumbus begleitet (Die Neue Welt), bis 1513 als Matrose die Abenteuer der Konquistadoren Hojeda, Ponce de Leon und Balboa bis zur Entdeckung des Pazifik erlebt (Bis zum Südmeer) und von 1517 bis 1523 teil hat an der Eroberung des Aztekenreiches durch Hernando Cortez (Das Reich der Azteken). 1524 bis 1540 entdeckt er mit Pizarro das Inkareich (Das Reich der Inka). Als 63-jähriger Veteran macht er schließlich 1542 die berühmte Amazonasfahrt des Orellana mit (Der große Fluss).

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Seitenzahl: 1796

Veröffentlichungsjahr: 2025

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DAS PROJEKT

Die wichtigsten Kapitel der Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte Mittel- und Südamerikas haben sich zwischen 1492 und 1542 ereignet. Roland Weis erzählt in fünf Bänden die Geschichte von Rodrigo Sanchez, der als Schiffsjunge die Entdeckungsfahrt von Kolumbus begleitet (Die Neue Welt), bis 1513 als Matrose die Abenteuer der Konquistadoren Hojeda, Ponce de Leon und Balboa bis zur Entdeckung des Pazifik erlebt (Bis zum Südmeer) und von 1517 bis 1523 teilhat an der Eroberung des Aztekenreiches durch Hernando Cortez (Das Reich der Azteken). 1524 bis 1540 entdeckt er mit Pizarro das Inkareich (Das Reich der Inka). Als 63-jähriger Veteran macht er schließlich 1542 die berühmte Amazonasfahrt des Orellana mit (El Dorado).

DAS JAHR 1519, DARIEN. LANDENGE PANAMÁ

Der spanische Soldat Rodrigo entkommt knapp dem Galgen in Panamá und findet Zuflucht auf Kuba. Dort schließt er sich dem Heer des Konquistadors Hernán Cortés an, der mit einem gewagten Expeditionszug die Eroberung des Aztekenreichs einleitet. Er nimmt die prachtvolle Hauptstadt Tenochtitlan ein und Kaiser Montezuma gefangen. Der Tod des Herrschers stürzt die Spanier in einen verzweifelten Belagerungszustand. Rodrigo zählt zu den wenigen Überlebenden, die entkommen können.

Mit neuen Truppen kehrt Cortés zurück, um das Aztekenreich endgültig zu zerschlagen. Inmitten des Chaos der Eroberung kämpft Rodrigos Bruder Miguel, ein Missionar, gegen Gewalt und Ungerechtigkeit.

Auf Kuba zieht Isabella Pinzon, die Rodrigo seit seiner Jugend verehrt, die Fäden zur Finanzierung der Expedition. Ihre Liebe aber gehört dem abenteuerlustigen Kapitän Pablo, dessen Leben an der afrikanischen Küste in den Händen der portugiesischen Kolonialherren liegt.

Rodrigos anderer Bruder, Kaufmann Pedro Sanchez, finanziert den Sklavenhandel und intrigiert gegen Krone und Kirche.

»Ein fesselnder Roman über Liebe und Verrat und das Streben nach Macht vor dem Hintergrund der Entdeckung und Eroberung Mittelamerikas.«

ROLAND WEIS studierte Neuere und Neueste Geschichte sowie Wissenschaftliche Politik. Der gelernte Journalist bei Tages- und Wochenpresse sowie Radiostationen wechselte nach 20 Jahren in die Unternehmenskommunikation. Der promovierte Historiker hat neben zahlreichen Beiträgen in Fachzeitschriften und Enzyklopädien über 20 Bücher veröffentlicht: Wander- und Urlaubsführer, Kriminal- und historische Romane sowie populärwissenschaftliche Sachbücher. Der Hochschwarzwald – von der Eiszeit bis heute sowie Die Burgen des Hochschwarzwaldes sind heute Standardwerke der Region.

Dr. Roland Weis, Jahrgang 1958, lebt und arbeitet in Südbaden. Der gelernte Zeitungsredakteur hat mehr als 20 Jahre bei Tageszeitungen, Radiostationen und Wochenzeitungen gearbeitet, ehe er 2002 in die Unternehmenskommunikation eines Energieversorgers wechselte, die er bis Ende 2022 leitete. Der promovierte Historiker hat neben zahlreichen Beiträgen in historischen Fachzeitschriften und Nachschlagewerken inzwischen mehr als 20 Bücher veröffentlicht, darunter regionalgeschichtliche Untersuchungen, populärwissenschaftliche Sachbücher, Wander- und Urlaubsführer aus dem Schwarzwald, Krimis und historische Romane. Das Romanprojekt „Die Neue Welt“ ist auf insgesamt fünf Bände angelegt. Anhand der Lebensgeschichte des Rodrigo Sanchez wird dabei die Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte Süd- und Mittelamerikas nachgezeichnet. Von der Entdeckung Amerikas 1492 bis zur ersten Befahrung des Amazonas im Jahr 1541.

Zum Titelbild: Die Illustratorin Fox aus Titisee-Neustadt hat die Erstürmung Tenochtitlans durch spanische Konquistadoren aus mehreren historischen Illustrationen nachempfunden. Als Vorlage dienten verschiedene Darstellungen aus der aztekischen Bildhandschrift „Lienzo-de-Tlaxcala“ aus dem 16. Jahrhundert. In ihr haben indigene Zeitzeugen die Schlachten und Gräueltaten der Spanier in Bildtafeln festgehalten. Die Originalhandschrift befindet sich in der Bibliothèque Nationale in Paris.

Roland Weis

Im Reich der Azteken

Historischer Roman

DRITTES BUCH DER ROMANREIHE „DIE NEUE WELT“

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Die handelnden Personen

Geschwister Sanchez aus Palos

Die Familie Pinzon

Sonstige Personen in Palos

Bettlerbande von Palos

Der Velázquez-Clan und Hofstaat

Teilnehmer der Cortés-Expedition

Cortés’ Hauptleute und Kapitäne

Soldaten

Cortés’ Familie und Freunde

Weitere Entdecker und Eroberer

Kapitäne und Seeleute

Mexica, Maya, Tarasken und Tlaxcalteken in Neuspanien

In Darien

Kronbeamte und Advokaten auf Hispaniola, Kuba und in Neuspanien

Siedler und Kaufleute auf Kuba und Hispaniola

Kaufleute in Spanien

Geistliche in Spanien und Westindien

Im Kloster der Barmherzigen Schwestern

Fürsten und Hofbeamte

Indios auf Hispaniola

Sonstige Indios und indianische Sklaven

Mischlinge und afrikanische Sklaven im Haushalt von Isabella Pinzon

Im Haushalt von Julián de Alderete

Im Haushalt von Catalina Suárez

Izus Welt

Prolog

I. Unter dem Henkersbeil Darien, 1519

II. Ränkeschmiede

III. Illustre Festgesellschaft

IV. Gottes Stiefkinder

V. Ein Hinterhalt

VI. Ein feiner Herr

VII. In Sevilla

Zwischenspiel im Urwald

VIII. Dolmetscher

IX. Missionar und Mission

X. Abgesandte der Sonne

XI. Der Tod kommt übers Meer

XII. Lizenz zum Sklavenhandel

Zwischenspiel im Urwald

XIII. Die Gründung der Stadt vom wahren Kreuz

XIV. Nicht dieser Gott

XV. Hochzeit in Adelskreisen

XVI. Cortés listige Diplomatenspiele

XVII. An der Sklavenküste

Zwischenspiel im Urwald

XVIII. Die Schlacht von Tlaxcala

XIX. Frauen auf Kuba

XX. Die Geschäfte des Don Pedro Sanchez

XXI. Blutgericht in Cholula

XXII. Heimkehr nach Hispaniola

Zwischenspiel im Urwald

XXIII. Tenochtitlan

XXIV. Montezuma

XXV. Meuchelmörder

XXVI. Die Kraft der Liebe

XXVII. Die Verteilung der Beute

XXVIII. Die Stunde der Nebenbuhler

XXIX. Reisegesellschaft

Zwischenspiel im Urwald

XXX. Das Auge des Pánfilo de Narváez

XXXI. Das blutige Toxcatl-Fest

XXXII. Gefangene der barmherzigen Schwestern

XXXIII. Rückkehr aus Afrika

XXXIV. Die traurige Nacht

XXXV. Die Kunst zu überleben

XXXVI. Pockenland

Zwischenspiel im Urwald

XXXVII. Sklaven, Huren und Zwerge

XXXVIII. Dreizehn Schiffe gegen ein ganzes Reich

XXXIX. Frühling in Palos

XL. Tenochtitlan fällt

Zwischenspiel im Urwald

XLI. Kapitel: Eine einsame Frau

XLII. Todesurteile

XLIII. Brennende Fußsohlen

XLIV. Vizekönig von Mexiko

XLV. Zurück nach Darien

Danksagung

Bibliografie (Auswahl)

Impressum

Die handelnden Personen

Fiktive Personen sind kursiv gesetzt.

Geschwister Sanchez aus Palos

Rodrigo Sanchez

Miguel Sanchez

Pedro Sanchez

Consuela Sanchez

Elena (ihre Tochter)

Die Familie Pinzon

Isabella Pinzon (verwitwete Salcedo)

Martin Juan Salcedo (ihr Sohn)

Martin Arias Pinzon (ihr älterer Bruder)

Juana Mayor Pinzon (Frau von Martin Arias)

Catalina Pinzon-Medel (ihre ältere Schwester)

Leonor Pinzon (ihre zweite Schwester)

Vicente Yáñez Pinzon (ihr Onkel)

Diego „el Viejo“ Pinzon (ihr Großonkel)

Alonso Medel (Mann von Catalina)

Sonstige Personen in Palos

Francisco Esquivel, genannt „Don Burro“ (Eselzüchter)

Zimbo (afrikanischer Sklave)

Zoltan (Sklave Don Burros)

Maestre Bezal (Kneipenwirt)

Yanez de Montilla (Seemann und Wirt)

Bettlerbande von Palos

Claudio (Anführer)

Der schiefe Lugo Venga

Messer-Pinto

Der Velázquez-Clan und Hofstaat

Diego Velázquez (Gouverneur von Kuba)

Ines Velázquez (jüngere Schwester)

Francisco Verdugo (ihr Mann)

Juan Velázquez de León (jüngerer Bruder)

Cristóbal de Cuéllar (Sekretär und Schwiegervater von Velázquez)

Juan de Cuéllar (Sohn von Cristóbal)

Baltasar Bermúdez (Neffe)

Iseo Velázquez (Ehefrau von Baltasar Bermúdez)

Bernardino Velázquez (Cousin)

Antonio Velázquez Borrego (Cousin von Diego)

Sancho Velázquez (Richter)

Francisco Velázquez (Cousin von Diego)

Pánfilo de Narváez (Konquistador)

Maria de Valenzuela (seine Frau)

Juan de Grijalva (Kapitän, Neffe von Velázquez)

Gonzalo de Guzmán (Stellvertreter von Velázquez)

Manuel de Rojas (Hauptmann der Palastwache)

Magdalene de Rojas (seine Frau)

Gabriel de Rojas (Offizier der Palastwache)

Francisco Iñiguez (Steuereintreiber)

Juana Iñiguez (seine Frau)

Violante Rodriguez (Hofdame)

Teilnehmer der Cortés-Expedition

Hernán Cortés

Rodrigo Rangel (Kämmerer)

Joan de Cáceres (Majordomus)

Diego de Godoy (Notar)

Diego de Coria (Page)

Cristóbal de Guzmán (Truchseß)

Martin Lopez (Schiffbauer)

Fray Bartolomé de Olmedo

Fray Juan Díaz

Gerónimo de Aguilar (Priester und Dolmetscher)

Francisco Cervantes „El Chocarrero“ (Zwerg)

Jacome Botello (Wahrsager)

Francisca Ordáz (Schwester von Diego de Ordáz)

Cortés’ Hauptleute und Kapitäne

Gonzalo de Sandoval (Hauptmann)

Diego de Ordáz (Hauptmann)

Cristóbal de Olid (Hauptmann)

Pedro de Alvarado (Hauptmann)

Francisco de Morla (Kapitän)

Alonso de Àvila (Hauptmann)

Alonso de Portocarrero (Prokurator)

Andrés de Tapia (Offizier)

Vázquez de Tapia (Offizier)

Juan de Escalante (Kapitän)

Juan Escudero (Offizier)

Francisco de Lugo (Offizier)

Francisco Àlvarez Chico (Offizier)

Francisco de Saucedo (Kapitän)

Luis Marin (Offizier)

Juan Jaramillo (Offizier)

Domingo Garcia de Albuquerque (Offizier)

Soldaten

Bernal Díaz del Castillo

Francisco Mesa (Geschützmeister)

Martin Vázquez

Gonzalo Ruiz

Cristóbal de Mata

Cristóbal de Gamboa

Alonso Yañez (Tischler)

Alonso de Grado

Pedro Morón

Heredia (Henker)

Jorge de Alvarado (Bruder von Pedro de Alvarado)

Pedro Barba

Anton de Rio

Cortés’ Familie und Freunde

Don Martin Cortés (Vater)

Francisco Núñez (Vetter)

Maria de Marcayda-Suárez (Cortés’ Schwiegermutter)

Catalina Suárez (Cortés’ Frau)

Francisca Suárez (ihre Schwester)

Juan Suárez (ihr Bruder)

La Zambiana (Frau von Juan Suárez)

Weitere Entdecker und Eroberer

Juan Ponce de León (Florida und Puerto Rico)

Rodrigo Galvan de Bastidas (Seefahrer und Kaufmann)

Francisco de Garay (Jamaika)

Gerónimo Martinez de Salvatierra

Juan Bono de Quejo

Pedro de Briones

Gil Gonzales

Francisco de Las Casas

Kapitäne und Seeleute

Pablo Perez aus Palos Antonio de Alaminos

Juan Àlvarez (El Manquillo, der Lahme)

Paulo Fernao Sousa (Skla venfänger)

Godim (Offizier Sousas)

Raul Hernández (Steuermann)

Gonzalo Tiara (Kalfaterer)

Santiago Farnese (Zeugmeister)

Johannes Kasimir (Söldnerhauptmann)

Juan de Burgos

Juan Bautista

Juan Díaz de Solis

Mexica, Maya, Tarasken und Tlaxcalteken in Neuspanien

Malinche / Doña Marina (Dolmetscherin)

Montezuma (Aztekenkaiser)

Cuauthemoc (Aztekenkaiser)

Cuitlahuac (Fürst von Iztapalapa)

Totoquihuatzin (Fürst von Tacuba)

Tetlepanquetzatzin (Fürst von Tacuba)

Ixtlilxochitl (Fürst von Texcoco)

Itzquauhtzin (Fürst von Tlatelolco)

Cacama (Fürst von Texcoco)

Coanacochtzin (Fürst von Texcoco)

Motelchiuh (Aztekengeneral)

Tendile (Steuereintreiber)

Pital Pitoque (aztekischer Offizier)

Tlacochcalcatl, der „dicke Kazike“ von Cempoallan

Xicotencatl „der Ältere“

Fürst von Tlaxcala Xiucotencatl „der Jüngere“

Kriegshäuptling von Tlaxcala Maxixcatzin (Fürst von Tlaxcala)

Teuche (Totonaken-Häuptling)

Melchorejo (Dolmetscher)

In Darien

Pedro Arias ‚Pedrarias‘ de Àvila (Gouverneur)

Gaspar de Espinosa (Richter)

Hernándo de Soto (Hidalgo)

Martin de Enciso

Vasco Núñez de Balboa

Francisco Pizarro Bernardino de Lares

Andrés Valderrábano

Hernán Munoz

Luis Botello

Fernando Argüello

Kronbeamte und Advokaten auf Hispaniola, Kuba und in Neuspanien

Julián de Alderete (Kronbeauftragter)

Diego Colón (Gouverneur)

Maria Toledo (seine Frau)

Luis Colón (Sohn von Diego)

Andrés de Duero (Sekretär)

Amador de Lares (Buchhalter)

Vázquez de Ayllón (Richter)

Miguel de Pasamonte (Schatzmeister)

Antonio Villafaña (Schatzmeister)

Cristóbal de Tapia (Kronbeauftragter)

Alfonso de Vergara (Notar)

Siedler und Kaufleute auf Kuba und Hispaniola

Juan Salcedo (Seifensieder)

Doña Hulana Pizarro (seine Frau)

Leónor Pizarro (ihre Tochter)

Gonzalo de Velosa (Verwalter)

Cristóbal de Morante

Carla de Morante (seine Tochter)

Gaspar de Garnica

Rafael Queseda (Bettler)

Jacome de Castellón (Zuckermühle)

Diego Sainz (Kaufmann)

Fernando Alonso (Verwalter Schlachthof)

Ha Ivri –Luis de Torres (Heiler und Einsiedler auf Hispaniola)

Rodrigo de Figueroa (Oberster Richter)

Pedro de Ledesma (Escribano)

Pedro de Maluenda (Kaufmann)

Gerónimo de Riberol (Handelsagent)

Alonso de Zuazo (Richter)

Kaufleute in Spanien

Juan Rodriguez de Cabezudo

Mercedes Cabezudo (seine Tochter)

Juan und Ferdinand (ihre Söhne)

Luis Fernández Alfaro

Elvira Espinosa (seine Frau)

Juan de Córdoba

Francisco de Grimaldo Gaspar Centurion

Geistliche in Spanien und Westindien

Bischof Don Juan de Fonseca (Sevilla)

Francisco de Los Cobos (sein Sekretär)

Juan de Trasseria (Franziskaner, Hispaniola)

Fray Enrique Ramirez (Franziskaner, Hispaniola)

Fray Toribio Benavente, genannt Motolinia

Fray Antonio Ruiz de Guevara

Fray Pedro Melgarejo de Urrea

Bartolomé de Las Casas (Dominikaner)

Fray Juan de León (Franziskaner)

Domingo Ochiandiano (Sekretär der Casa)

Fray Juan Díaz

Im Kloster der Barmherzigen Schwestern

Maria de Villafaña (Schwester Oberin)

Isabella (Laienschwester, Tochter von Suunayama und Rodrigo Sanchez)

Melisenda (Schwester Pförtnerin)

Maria (Novizin)

Fürsten und Hofbeamte

Karl V., König und Kaiser von Spanien Johanna „die Wahnsinnige“ (seine Mutter)

Adrian von Utrecht (Thronregent)

Laurend de Gorevood (flämischer Edelmann)

Juan de Padilla (Anführer der Comuneros)

Indios auf Hispaniola

Suunayama (Taino Frau)

Isabella Sanchez (ihre Tochter)

Enriquillo-Guarocuya (letzter Tainoführer)

Sonstige Indios und indianische Sklaven

Itaeo (Rodrigos Frau in Darien)

Tabala (Rodrigos Totonaken-Sklavin)

Doña Maria (Rodrigos Tlaxcalteken-Sklavin)

Doña Luisa (Tlaxcalteken-Sklavin von Pedro Alvarado)

Ixchel (Sklavin bei Elena Alderete)

Ometochtzin „Oro“ (Indiosklave bei Isabella)

Mischlinge und afrikanische Sklaven im Haushalt von Isabella Pinzon

Francisco de Eguia

Cora

Mara

Im Haushalt von Julián de Alderete

Thea

Im Haushalt von Catalina Suárez

Maria Hernández

Juana Lopez

Ana Rodriguez

Izus Welt

Izu (Zaubermann)

Moatu (Izus Gehilfe)

Quandruppe (Krieger)

Tzanu (Krieger)

Gurla (neuer Häuptling)

Marinde (alter Häuptling)

Makulla (Krieger)

Tambo (Krieger)

Prolog

Seltsam klagende, fast schmerzvolle Laute stiegen empor unter das Hüttendach. Es klang wie das Heulen des Windes. Ein an- und abschwellender Ton, penetrant, unfreundlich und ohne jeglichen Liebreiz. Andächtig saßen die Mitglieder des Stammesrates in der Hütte im Kreis. In ihrer Mitte glimmte ein Feuer. Ein Gehilfe träufelte Harz in die Glut. Daraufhin erhob sich zischend eine beißend scharfe Wolke. Stoisch ertrugen die Dorfoberen den Qualm und den Gestank. Der Zaubermann hielt die Augen geschlossen, während er hingebungsvoll auf seiner Flöte spielte. Sein zerknittertes, von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht strahlte ekstatischen Ernst aus. Es war möglich, dass Izu in einer anderen Welt weilte. Wahrscheinlich hielt er gerade Zwiesprache mit den Geistern. Vielleicht hörte er sich die Wünsche und Klagen der Ahnen an. Vielleicht war der Klagelaut der Flöte ihre Art, miteinander zu sprechen. Die Würdenträger des Stammes inhalierten die verschiedenen Kräuter- und Harzaufgüsse, die der junge Moatu erzeugte, indem er die Feuerglut mit immer neuen Essenzen beträufelte. Gleichzeitig lauschten sie den monotonen Klängen der Hornflöte. Wieder einmal überraschte der Zaubermann seine Stammesoberen. Bisher hatte niemand gewusst, dass er ein Instrument besaß, dem er solche Töne zu entlocken vermochte.

Vor einigen Tagen war der alte Häuptling gestorben. Das Dorf der Tupanaki hatte Trauer gefeiert. Marinde war ein hässlicher und eingebildeter alter Mann gewesen. Er und der Zaubermann hatten sich gegenseitig nie leiden können. Aber Izu war der Mächtigere. Der Häuptling trug die Verantwortung für die tägliche Verpflegung des Stammes, für die Unterkünfte, für die Kriegszüge und für die regelmäßigen Standortwechsel, wenn der Stamm einen Dorfplatz aufgab, um weiterzuziehen und ein neues Lager aufzuschlagen. Der Zaubermann hingegen verantwortete das Wohlwollen der Geister und die Zufriedenheit der toten Ahnen. Er stand in Kontakt mit dem Übernatürlichen. Er kannte die Geheimnisse von Leben und Tod, er konnte in die Vergangenheit und in die Zukunft blicken und er konnte Gedanken lesen. So jedenfalls glaubten es die Tupanaki. So verehrten sie ihren Zaubermann. Izu war der älteste Mann des Dorfes. Mit Abstand. Ein alter Greis, faltig und ledrig. Inzwischen hielten die meisten Tupanaki ihn für unsterblich. Im jungen Moatu besaß er einen klugen Lehrling. Moatu, soviel stand fest, würde eines Tages der neue Zaubermann werden. Aber noch war es nicht so weit. Izu saß inmitten seiner Stammesältesten und wiegte den knochigen Schädel in arhythmischen Zuckungen, so, als versetzte ihm ein unsichtbarer Geist Hammerschläge gegen den Hinterkopf.

Schläfrig wie ein Leguan öffnete der Alte eines seiner Augen. Der wässrige Blick Izus durchdrang den penetranten Rauch im Raum. Er stierte kurz auf den Krieger Quandruppe, der ihm gegenüber saß. Nein! Der war es nicht. Der war zwar stark, aber dumm. Er musterte den schlanken Tzanu. Ein guter Krieger. Aber kein Anführer. Der neue Häuptling musste durchsetzungsstark, wortgewandt und vom Stamm akzeptiert sein. Izu wusste, wen er auswählen würde. Gurla, ein junger Mann, der das Zeug zum Häuptling hatte; stark und schlau!

Abrupt beendete Izu sein Flötenspiel. Er erhob sich aus dem Schneidersitz federnd wie ein Jüngling. Mit einem langen Schritt überstieg er die Feuerglut. Vor Gurla blieb er stehen. Mit seinen krummen Fingern deutete er auf den Krieger.

Alle wussten, was das bedeutete. Izu hatte seine Wahl getroffen. Das Wort des Zaubermannes war Gesetz. Auch Gurla wusste das. Er konnte nicht ablehnen. Hätte er es getan, so wäre er aus dem Dorf verbannt worden. Er griff nach seinem steinernen Messer und fasste sich in die langen Haarzotteln. Entschlossen säbelte er eine dicke Strähne ab und warf sie ins Feuer. Das war das Zeichen, dass er bereit war, die Aufgabe anzunehmen. Nun war es Sache Izus und seines Gehilfen, den Schädel des Auserwählten kahlzuscheren, sein Haupthaar unter rituellen Beschwörungen zu verbrennen und so die Wandlung Gurlas vom einfachen Krieger zum Häuptling zu vollziehen. Dann würden sie des neuen Stammesführers Haupt mit Papageienblut rot einfärben, das sie in zerstampftem Mehl von Quiuti-Samen angerührt hatten. Die Farbe würde Gurlas Kopf tagelang wie eine Glasur überziehen.

Während Moatu die glänzende Farbe aufstrich, zischte Izu Verwünschungen und Beschwörungen. Das Rot war Pflicht, aber es gefiel ihm nicht. Es war die Farbe des Blutes, und sie erinnerte ihn an seine Träume. Diese Träume, in denen Blut vom Himmel stürzte, in denen sich ein einstmals blauer Himmel zunehmend verfinsterte. Inzwischen war er zu großem Teil schwarz und grau und voller Sturmwolken. Aus diesen Sturmwolken grinsten unheilvolle, bärtige Fratzen hernieder. Und überall regnete es Blut. Goldene Blitze fuhren herab, und es donnerte aus finsteren schwarzen Rohren, als brüllte der Wasserdrache Pororaca seinen Zorn hinaus. Diese Träume, die Izu nun schon so lange verfolgten, waren wütende, grausige, Angst erregende Nachtmahre. Sie ließen Izu zittern. Er fürchtete sich vor ihnen und vor allem vor ihrer Bedeutung. Denn er wusste, dass diese Träume eine Botschaft übermittelten. Sie stand klar und unabwendbar vor ihm: Der Untergang der Welt stand bevor. Ein großes Unheil kündigte sich an.

I. Unter dem Henkersbeil Darien, 1519

Das war es dann also gewesen. Ein verschenktes Leben endet auf dem Schafott. Wofür hatte er gekämpft? Für was hatte er überlebt? Warum hatte er Torturen ertragen, war durch Sümpfe gewatet, hatte Berge überstiegen, Hunger, Durst und Schmerzen ausgehalten? War es das wert gewesen? Nur um jetzt den Kopf unter dem Henkersbeil zu beugen? Rodrigo Sanchez de Palos blinzelte in die tief stehende Sonne. Die Menge, die sich auf dem Platz versammelt hatte, nahm er nur als graue, schemenhafte Masse wahr. Die Sonne blendete. Rodrigo fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie schmeckten salzig, nach Schweiß. Man hatte den fünf Verurteilten an diesem Morgen kein Wasser mehr gebracht. Seit zwei Stunden standen sie auf der provisorisch gezimmerten Richtbühne. Hier ertrugen sie die Beschimpfungen der Menge und ließen die Verlesung der nicht enden wollenden Anklageschrift über sich ergehen, die Richter Gaspar de Espinosa mit monotoner Stimme vornahm. Oh ja, sie hatten sich Mühe gegeben, diese Licentiaten und Bachilleratos, diese Anwälte, Beamten, Bürokraten. Sie hatten viel zusammengetragen, vermeintliche und tatsächliche Sünden und Untaten. Hier in diesem Lande Darien konnte jeder abgeurteilt werden, wenn es der Herrschaft gefiel. Die Anklage vergaß nichts von all dem, was in den vergangenen zehn Jahren geschehen war. Selbstverständlich war Rodrigo schuldig. So schuldig wie jeder andere. So unschuldig. Er war immer nur seinen Befehlshabern gefolgt. Zum Schluss dem Falschen, dem unglücklichen Vasco Núñez de Balboa. Ja, er hätte es merken müssen, dass er auf den falschen Anführer setzte. Rodrigos untrügliche Witterung für Gefahren, Intrigen und Machtverschiebungen, die hatte ihn nicht getäuscht. Er hatte wohl gespürt, wie jedermann in Darien es gespürt hatte, dass der große Balboa seinen Zenit überschritten hatte, dass seine Macht bröckelte und dass Gouverneur Pedro Arias de Àvila, besser bekannt als Pedrarias, nur nach einer Gelegenheit suchte, Balboa aus dem Weg zu räumen. Aber Rodrigo hatte den Zeitpunkt verpasst, dem Gefallenen den Rücken zu kehren.

Und nun? Wo war Pedrarias? Der Feigling. In der letzten Stunde seines Gegners? Er versteckte sich in seinem Gouverneurspalast mehr als zehn spanische Leguas entfernt im Hungerdorf Santa Maria de la Antigua, während hier in Acla die Hinrichtungen stattfanden.

Ein Gerichtsdiener baute sich vor den Verurteilten auf und verlas die Namen: „Vasco Núñez de Balboa, Andrés Valderrábano, Hernán Munoz, Luis Botello, Fernando Argüello und Rodrigo Sanchez …“

Rodrigo kannte auch den Gerichtsdiener. So wie er jeden kannte, der sich hier aufspielte. Richter Gaspar Espinosa! Pah. Ein aufgeblasener Wichtigtuer. Es hatte einmal eine königliche Vorschrift gegeben: Es sollen keine Advokaten in die Kolonien gehen, da sie allemal Urheber von Streitereien seien. Darin lag große Wahrheit. Nur hielten sich die Advokaten nicht an das Verbot. Sie überschwemmten vielmehr die Kolonien. Und die Folge waren solche Gerichtsprozesse. Gaspar Espinosa, im blitzenden Brokat, verkündete: „Das ist die Gerechtigkeit, die der König, unser Herr, vollstrecken lässt an diesem Mann als Verräter und Usurpator von Ländern, welche der Krone gehören.“

„Lüge und Falschheit ist, was du sagst“, brüllte Vasco Núñez de Balboa. Noch einmal bäumte sich der streitlustige Konquistador in seinen Fesseln auf. „Es ist Lüge. Stets war es mein Wille, dem König als treuer Untertan zu dienen.“

Die Menge schwieg. Sie spürte, dass Unrecht geschah. Sie wusste es. Aber niemand sprang auf und erhob die Stimme. Allzu schnell hätte man der Nächste auf dem Schafott sein können. Auf den Gesichtern der Schaulustigen lag stummer, verbissener Ernst. Rodrigo sah sich um. Dort stand Ritter Hernándo de Soto und presste die Lippen zusammen. Neben ihm Hauptmann Sebastian de Benalcázar. Der wollte noch etwas werden. Alle beide sowie auch neben ihnen der zerknirscht wirkende Kapitän Pascual de Andagoya hatten ihr ganz eigenes Interesse, dass da einer der großen Rivalen aus dem Weg geräumt wurde. All diese Ritter und hohen Herren strebten nach Ruhm und Gold und Glanz. Balboa hatte davon nach ihrer Ansicht bereits genug abbekommen. Neben den Dreien stand der grinsende Bachillerato Martin de Enciso. Der freute sich. Endlich erfuhr er Genugtuung, erlebte Wiedergutmachung für erlittene Schmach. Balboa hatte ihn einst aus dem Kommando gedrängt. Jetzt stand Balboa vor dem Henker, und er, Enciso, triumphierte.

Rodrigo sah auch den alten Weggefährten Bernardino de Lares. Er blickte eisern zu Boden. Ja, noch einer, der rechtzeitig das Fähnlein gewechselt hatte.

Balboa schmetterte dem selbstgefälligen Richter Espinosa unterdessen weitere Verwünschungen entgegen. Rodrigo bewunderte den Unbeugsamen noch immer. Balboa war ein Anführer ganz nach dem Geschmack Rodrigos gewesen. Mit ihm hatte er unzählige Gefahren bestanden. Mit ihm war er buchstäblich bis ans Ende der Welt gezogen. Und wofür? Um als Verräter an der Krone und am spanischen König hingerichtet zu werden!

Was war mit den anderen vier Verurteilten, die wie Rodrigo so dumm gewesen waren, Balboa bis zuletzt treu zur Seite zu stehen? Ganz kleinlaut ließ sich Andrés de Valderabano vor dem Henkersklotz in die Knie zwingen. Rodrigo beobachtete aus den Augenwinkeln, wie dem einstigen Notar eine Sackkapuze über den Kopf gezogen wurde. Valderabano war bleich wie ein Säugling. Er zitterte. Ein Gerichtshelfer musste ihn von hinten an der Schulter festhalten, sonst wäre er wohl auf dem Schafott umgekippt.

Rodrigo stieg eine längst verblasste Szene in den Kopf, als eben dieser Andrés Valderabano vor nunmehr fünf Jahren auf der anderen Seite des Kontinents eine Urkunde angefertigt hatte, auf der die Namen sämtlicher Teilnehmer aufgelistet wurden, die zusammen mit Vasco Núñez de Balboa als erste Spanier das Südmeer gesichtet hatten. Was war das für ein Triumph gewesen?

Jetzt zog der Scharfrichter auch Hernán Munoz die Kapuze über den Kopf. Munoz ging freiwillig in die Knie. Auch er war damals schon dabei gewesen, bei jenem tollkühnen ersten Marsch über den Isthmus von Panama, bei der Entdeckung des Südmeeres. Munoz spuckte ein letztes Mal aus, ehe er sich in das Unvermeidliche fügte. Einer nach dem anderen wurden sie unter die Kapuze gesteckt, als Letzter Rodrigo. Er spürte, wie er von hinten gepackt wurde, von groben, harten Händen, wie ihm jemand den Sack über den Kopf stülpte und eine Stimme ganz nahe an seinem Ohr flüsterte: „Mache keine falsche Bewegung, Rodrigo Sanchez. Wenn das Henkersbeil fällt, so wehre dich nicht …“

Er kannte diese Stimme. War das möglich? Das war die Stimme von Francisco Pizarro, der lange der treueste Weggefährte von Balboa gewesen war. Dieser Hauptmann, dem auch Rodrigo auf zahlreichen Expeditionen gefolgt war, der nie verzagte, der unerschütterlich immer einen Ausweg fand, der keinen Waffengang fürchtete, der eiserne Disziplin predigte und vorlebte, was wollte der jetzt noch von ihm?

„Wehre dich nicht …“

Wie sollte Rodrigo sich wehren, wenn man ihn gefesselt und mit einer Kapuze über dem Kopf vor einem Henkersklotz niederknien ließ und jeden Moment das Beil heruntersausen konnte? Pizarro war es gewesen, der Balboa und seine letzten Getreuen auf dem Weg zu Gouverneur Pedrarias abgefangen und festgenommen hatte. Ausgerechnet Pizarro! Der hatte rechtzeitig erkannt, woher der Wind wehte. Er hatte dem alten Pedrarias keine Gelegenheit gegeben, an seiner Loyalität zu zweifeln. Und er hatte nicht gezögert, seinen alten Freund und Weggefährten Balboa zu verhaften. Pizarro lebte, überlebte und stand auf der richtigen Seite. Und Rodrigo hatte einen Fehler gemacht, den er nun mit dem Leben bezahlen sollte.

Die Verurteilten empfingen die Lossprechung.

Das Henkersbeil krachte herunter. Die Menge stöhnte. Der Kopf von Andrés de Valderabano polterte, eingehüllt in den Sack, der ihm übergestülpt worden war, auf die Bretter der Richtstätte.

Rodrigo Sanchez de Palos war 39 Jahre alt, als er auf dem Richtplatz in Acla kniete. Für einen, der schon tausend Tode gestorben und doch immer wieder irgendwie ins Leben zurückgekehrt war, war dies ein beachtliches Alter. Das erreichten nicht allzu viele von jenen, die aus Spanien auszogen, hier in der Neuen Welt ihr Glück zu machen. Wer nicht schon auf der Überfahrt an Krankheiten oder Hunger starb oder in einem Sturm auf den Grund des Meeres gerissen wurde, der begegnete in Darien einem feindlichen, giftigen Klima, schwüler, pestverseuchter Luft, mordgierigen Moskitos und einem Urwald voller Raubtiere und Schrecken. Die Hälfte aller Neuankömmlinge starb binnen eines Jahres. Wer überlebte, der gehörte zu den Hartgesottenen, zu den Unerschütterlichen. Das waren Männer mit eiserner Konstitution, Männer wie Hauptmann Pizarro, wie der alte Krieger Bernardino de Lares oder der unselige Vasco Núñez de Balboa. Von dieser Sorte war auch Rodrigo. Wie oft hatte er schon an der Klippe des Todes gestanden? Die alles verschlingende Inselseuche Syphilis hatte er überstanden, die Kriegszüge gegen die hoffnungslosen Taino, die Kämpfe gegen die unerschrockenen Kariben, die Hungermonate im Golf von Uraba, die Raubzüge gegen die Kaziken von Darien, die Correrias gegen die Menschenfresser von Venezuela, das Massensterben in Santa Maria de la Antigua, in jenem Sommer, als die Ernte verfaulte. Stets war er mit heiler Haut davongekommen, stets gehörte er zu den Glücklichen, zu den Überlebenden, zu jenen, die wieder heimkehrten. Nur gegen die Intrigen der eigenen Leute war er machtlos. Die Ränke und Machtkämpfe der ehrgeizigen, skrupellosen, eigensüchtigen Herren, diese Rivalenkämpfe der Hidalgos, Caudillos, Caballeros, Granden und Dons, dagegen war ein einfacher spanischer Soldat wie er nicht gefeit. Urkunden, Audiencias, Strafgerichte, Verordnungen und Verfügungen, Niedertracht auf dem politischen Parkett, dies alles kann einer tapferen Mannschaft mehr zusetzen als ein Pfeilhagel aus dem Urwald.

Mit einer Intrige hatte es begonnen. Der alte Gouverneur Pedrarias, der 1514 nach Darien gekommen war, um Balboa abzulösen, vermochte es nicht, den alten Kämpfer aus dem Weg zu räumen. Balboa war beliebt. Er hatte das Land befriedet. Er hatte zusammen mit Hauptmann Pizarro die Kolonie aufgebaut. Und vor allem: Er hatte mit seinem abenteuerlichen Zug über die Landenge das andere Meer entdeckt. Das Südmeer, den Pazifik. Das brachte ihm eine königliche Ernennung ein: „Adelantado“ des Südmeeres. Immerhin! Zwar wäre Balboa sehr gerne Statthalter von Darien geworden, Gouverneur, aber diesen hohen Posten bekam er nicht. Den vergab der Rat für die westindischen Angelegenheiten in Sevilla unter Führung Erzbischofs Don Juan de Fonseca an den greisen Pedro Arias Davila, genannt Pedrarias, der vom ersten Tag an gegen Balboa arbeitete. Nur wollte Balboa das nicht wahrhaben. Weil er zwar mit dem Schwert alles um sich herum kurz und klein hacken konnte, einer von langer Hand eingefädelten Intrige aber nicht gewachsen war, blieb Balboa lange blind gegen das Unheil, das sich gegen ihn zusammenbraute. Pedrarias versprach ihm Vertrauen, Partnerschaft und Teilhabe, in Wahrheit trachtete er nach einer Möglichkeit, den Rivalen loszuwerden. Formal willigte er zwar ein, eine seiner noch in Spanien weilenden Töchter Balboa zur Braut zu geben. Dazu kam es jedoch nie. Balboa hielt sich ohnehin für bereits vermählt. Er hatte einst nach einheimischem Brauch die Kazikentochter Anayansi geheiratet und lebte mit dieser Indianerin unter einem Dach.

Seit der Entdeckung des Südmeeres dachte Balboa an nichts anderes mehr als an Forschungsfahrten in diesen neuen Gewässern. Die Ernennung zum Adelantado verlieh diesem Ansinnen eine Legitimität, gegen die auch Pedrarias nichts einwenden konnte. Noch nicht. Und so erteilte der Gouverneur seinem Rivalen die Erlaubnis zu einer solchen Forschungsfahrt. Allerdings setzte er ihm eine Frist von 18 Monaten, binnen derer die Fahrt angetreten sein musste. Das war eine heimtückische Genehmigung. Denn der Golf von San Miguel auf der anderen Seite der Landenge, jene Stelle, von wo aus Balboa in See stechen wollte, bot keinerlei Waldbewuchs, sodass kein Holz zum Schiffsbau zur Verfügung stand. Balboa ließ sich davon nicht schrecken. Er ließ in Santa Maria und in Acla, den beiden Ansiedlungen auf der karibischen Seite von Darien, von Schiffszimmermännern zwei zerlegbare Brigantinen konstruieren. Dann sammelte er seine Getreuen um sich, mit denen er die zerlegbaren Schiffe in Einzelteilen über den Isthmus transportieren wollte. Dies wäre der Zeitpunkt gewesen, zu dem Rodrigo sich von Balboa hätte abwenden müssen. Jetzt, im Nachhinein, stand ihm dies klar vor Augen.

Während Balboa unter unsäglichen Strapazen seine beiden zerlegten Schiffe über den Isthmus schleppen ließ, wo sie dann verfault und unbrauchbar auf der anderen Seite anlangten, zog sich Hauptmann Pizarro nach Acla zurück. Die halbe Bevölkerung von Santa Maria zog dorthin. Bei Balboa blieben die Kranken, die Unbelehrbaren, die alten Getreuen, die Blinden, die nicht sahen, was sich zusammenbraute. Wer mit offenen Augen durch die Welt ging, so wie Hauptmann Pizarro, dem entging nicht, dass Gouverneur Pedrarias alles unternahm, um das Gelingen von Balboas Vorhaben zu verhindern.

Schließlich saßen sie am Golf von San Miguel, Balboa, Valderabano, Munoz, Rodrigo und noch ungefähr dreißig andere, und warteten darauf, dass Pedrarias die Frist verlängerte, binnen derer die Forschungsfahrt beginnen sollte. Doch die Verlängerung kam nicht. Die Monate verstrichen. Balboa ahnte, dass er ausgetrickst wurde. Am abendlichen Lagerfeuer im Golf von San Miguel erläuterte er im Kreise seiner Hauptleute und letzten Getreuen, was jetzt noch zu tun sei.

„Wir müssen neue Balken und Planken zimmern und einen neuen Versuch wagen. Die ganze Arbeit noch einmal. Und das Holz beim Transport besser schützen.“

Das waren die Vorschläge von Fernando Argüello, Balboas Kapitän, wenn es je zur Fahrt gekommen wäre.

„Wieso ziehen wir nicht landwärts die Küste entlang, bis wir auf Wälder stoßen, die für den Schiffsbau geeignet sind“, schlug Hernán Munoz vor. Auf einen Marsch mehr oder weniger kam es einem wie ihm nicht mehr an.

„Der Gouverneur steht uns im Weg. Pedrarias ist das Hindernis“, erkannte Luis Botello.

Die Äste knisterten im Feuer.

Balboa kommentierte die verschiedenen Vorschläge nicht. „Was meint Ihr, Notar?“

Andrés Valderabano war schon lange kein Notar mehr. Der Bachillerato Martin de Enciso hatte ihn abgesetzt. Aber Balboa nannte ihn immer noch so. Valderabano wirkte verhärmt, enttäuscht, verbittert. Er gehörte zu den Verlierern der Kolonie. Seit Pedrarias das Sagen hatte und mit ihm dessen unsäglicher Stellvertreter Enciso, hatten die „Alten“ einen schweren Stand. All jene, die seinerzeit bei der Absetzung Encisos in der Hungerbucht im Golf von Uraba zu Balboa gehalten hatten, wurden jetzt von demselben Enciso verfolgt, verhöhnt und gedemütigt. Es bewahrheitete sich, was Enciso damals voller Wut geschworen hatte: „Der Atem der spanischen Gerichte ist länger als das Schwert eines Räubers. Eines Tages werdet ihr es bereuen, mir den Gehorsam verweigert zu haben.“

Soweit war es inzwischen. Valderabano hatte nichts mehr zu verlieren. Deshalb griff er auch den Hinweis von Botello dankbar auf: „Dann müssen wir dieses Hindernis beseitigen, wenn es Pedrarias heißt. Und am besten seinen Adlatus Enciso gleich mit ihm.“

Rodrigo Sanchez saß in diesem Kreise mit am Lagerfeuer und hörte zu. Er hatte keine Meinung. Er besaß Geduld. Und das zur Genüge. Ein Weg würde sich schon auftun. Abwarten.

Balboa machte den Fehler, die Vorschläge von Andrés de Valderabano an diesem Abend etwas zu gründlich zu erörtern. Welche Möglichkeiten sie denn sähen, Gouverneur Pedrarias abzusetzen, wollte er von seinen Getreuen wissen. Auf welchem Wege könne er wieder das Ruder übernehmen. Balboa führte solche Diskussionen lärmend, großmaulig, sorglos, undiplomatisch. Die Art, wie er die Möglichkeiten abwog und von seinen Offizieren debattieren ließ, zeigte Rodrigo, dass der alte Krieger noch längst nicht zur Tat entschlossen war. So gut kannte Rodrigo den Weggefährten inzwischen. Wenn Balboa sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann führte er es furchtlos und ohne zu zaudern sofort durch. Dann diskutierte er nicht lange die Fürs und Widers.

Aber diese nächtliche Diskussion im Golf von San Miguel wurde ihm und seinen Männern trotzdem zum Verhängnis. Denn die Denunziation saß mit am Lagerfeuer. Einer der Männer, die dabeisaßen und vielleicht sogar auch an der Verschwörung mitsponnen, machte sich eiligst davon und überbrachte die Nachrichten auf der anderen Seite der Landenge dem Gouverneur.

Balboa war verwegen und brutal, aber auch rätselhaft gutgläubig. Er ahnte nichts von dem Unheil, oder er wollte es nicht sehen, als es ihm in Form eines offiziellen Schreibens von Gouverneur Padrarias überstellt wurde. Es handelte sich aber vielmehr um einen liebenswürdigen Brief, den ein Bote aus Acla später überbrachte.

„Eine Falle!“, so vermutete Andrés Valderabano sofort.

Und auch Hernán Munoz warnte den Anführer: „Lasst Euch auf nichts ein. Ich traue dem Gouverneur nicht.“

Mit freundlichen Zeilen lud der Alte seinen Rivalen zur Rückkehr nach Acla ein. Sogar vom „Schwiegersohn“ war in diesem Schreiben wieder die Rede. Bedeuteten die Andeutungen, dass nunmehr doch die versprochene Pedrarias-Tochter aus Spanien eingetroffen war? Balboa zögerte nicht lange. Er ließ in San Miguel eine kleine Mannschaft zurück und machte sich dann mit seinen letzten Getreuen auf den Rückweg nach Acla.

Unterwegs schürten sie alle immer wieder Zweifel.

Valderabano fürchtete: „Herr, wenn es nun eine Falle ist?“

„Lasst uns einen Emissär voraussenden“, empfahl Kapitän Argüello.

Balboa wollte nichts davon hören. Er verwarf alle Ränke. „Ich bekomme die Fristverlängerung“, zeigte er sich überzeugt. „Die Geduld hat sich ausgezahlt!“

So marschierten sie binnen weniger Tage den inzwischen gewohnten Pfaden entlang Richtung Acla. Vor den Palisaden der Stadt, die nahe Küste des karibischen Meeres bereits vor Augen, kam ihnen eine Abteilung Soldaten entgegen. Angeführt wurde sie von einem Altbekannten.

„Was bedeutet das, Francisco Pizarro?“, fragte Balboa, als er sah, wer ihm entgegentrat und den Weg versperrte. „Sonst habt Ihr mich nicht in dieser Weise empfangen.“

Rodrigo wollte fliehen. Die Soldaten waren darauf fixiert, Vasco Núñez de Balboa festzunehmen. Aber schon war es zu spät. Hauptmann Pizarro bildete mit seinen Leuten einen geschlossenen Kreis um die kleine Gruppe von Balboa. Die beiden alten Kämpen musterten sich. Pizarro schwieg. Er blickte hart und kompromisslos. Seine Augen verrieten: Ich bin Soldat. Ich muss gehorchen. Meine Befehle kommen von Pedrarias. Widerstandslos ließen sich die Gefangenen nach Acla hineingeleiten.

Wenige Tage später fand der Prozess statt. Pedrarias hatte keine Zeit zu verlieren. Die Hinrichtung folgte unmittelbar. Der Januar 1519 war soeben angebrochen.

Das Henkersbeil krachte zum fünften Male. Rodrigo hörte den schneidenden Befehl Gaspar Espinosas, der die Hinrichtung leitete, dann das leise „Jawohl, Señor“ des Henkers. Das Henkersbeil fauchte durch die Luft und fuhr knochenbrechend auf das Genick des Delinquenten hernieder. Bis dahin hielt die Menge den Atem an, es war so still, dass Rodrigo die Moskitos surren hörte, die sich auf die Blutlachen stürzten. Wenn das Beil einschlug und den Kopf mitsamt der über ihn gestülpten Kapuze vom Leib trennte, dann zeigte das erleichterte Aufstöhnen der Menge an, dass die Hinrichtung mit einem einzigen Hieb gelungen war. Das Poltern des Schädels, der in seinem Sack auf die Bretter der Richtstätte schlug und zu Füßen des Richtklotzes liegen blieb, schnell eine blutige Lache bildend, ging meist in den Pfiffen und im Johlen der Schaulustigen unter. Wenn die Zeremonie fünfmal wiederholt wird und man darauf wartet, als Sechster an die Reihe zu kommen, entgeht einem keine einzige Nuance in der Abfolge der Geräusche. Rodrigo vermeinte Schritte neben sich zu vernehmen. Jemand stellte sich neben ihm oder hinter ihm auf.

„Zum Tode verurteilt durch Enthauptung am Tage des Herrn …“ hörte Rodrigo die schrille Stimme Espinosas. Obwohl er unter seiner schwarzen Kapuze nichts mehr sah, schloss er in Erwartung des tödlichen Hiebes die Augen. Der Henker flüsterte sein entschlossenes „Si, Señor!“, die Axt surrte.

Jemand riss Rodrigo von hinten direkt auf die Bretter. Etwas polterte. Der abgeschlagene Kopf! Zwei starke Hände hielten Rodrigo fest im Griff.

„Wehre dich nicht …“, flüsterte Hauptmann Pizarro.

Man zog ihn schnell über die Bretter. Jemand zerrte an seiner Kapuze. Rodrigo würgte. Jemand löste hastig seine Fuß- und Armfesseln. Gewaltsam wurde er auf die Beine gestellt, knickte aber sofort wieder ein. Starke Arme stützten ihn. Endlich zerrte man ihm die Kapuze vom Kopf. Er blinzelte ins Halbdunkel, das ihn umgab. Das Dämmerlicht eines Zeltes. Direkt hinter der Richtstatt standen mehrere große Zelte. Hatte man ihn dort hineingeschleift?

Vor Rodrigo stand Hauptmann Francisco Pizarro, neben ihm Bernardino de Lares. Die zwei alten Kameraden.

„Oben auf dem Schafott liegt jetzt der Kopf eines Verräters!“, erklärte Pizarro trocken. „Es wird dauern, bis Richter Espinosa die Verwechslung bemerkt. Falls er sie überhaupt bemerken wird …“

„Aber was …?“

„Still!“, gemahnte Bernardino de Lares. Er lächelte durch seinen krautigen Bart hindurch. „Es wissen nur drei Leute Bescheid. Der Henker und wir beide. Wir haben im Moment der Hinrichtung deinen Leib weggezogen und einen vorbereiteten Kopf auf die Bretter geworfen. Das mag genügen, um alle im Glauben zu lassen, du seiest hingerichtet.“

Rodrigo schüttelte sich. Erneut war er gerettet, dem Tod von der Schippe gesprungen. Dankbar nickte er Hauptmann Pizarro zu: „Ich werde es mit Treue vergelten!“, sagte er.

Pizarro legte Rodrigo eine Hand auf den Oberarm: „Du hast es mir bereits vielfach vergolten, Kamerad. Nie hatte ich einen tüchtigeren und furchtloseren Soldaten. Ich vergesse nichts. Du hast mir mehr als einmal das Leben gerettet. Nun rette ich das deine.“

Es gab nichts zu sprechen. Rodrigo nickte stumm. Bernardino de Lares zog ihn in einen Winkel des Zeltes, während Pizarro sich umwandte, die Zeltbahn zurückschlug und ohne weitere Worte hinaus ins Freie verschwand.

„Hier kannst du nicht lange bleiben“, befand de Lares. „Und auch sonst nirgendwo. Nicht in Acla, nicht in Santa Maria, in ganz Darien nicht. Du musst fliehen, Rodrigo.“

Wieder einmal musste er die Flucht ergreifen. Wohin?

„Es kennen dich zu viele Leute. Du bist einer von den Alten hier. Niemand darf wissen, dass du noch lebst.“

„Wie lange?“

„Zwei oder drei Jahre! Solange musst du fortbleiben. Vielleicht noch länger. Bis ein neuer Gouverneur kommt. Oder ein neuer Oberrichter.“

Rodrigo gehörte zu den bekannten Gesichtern in Darien. Drunten in Santa Maria de la Antigua, wo sie einst unter Balboa die erste spanische Siedlung in diesem Land gegründet hatten, befand sich sein Haus. Er besaß eine kleine Encomienda, einige Indios waren ihm sogar zugeteilt. Es gab da sogar noch Itaea, die Karibenfrau. Rodrigos Gefährtin. Er hatte zwei Söhne und zwei Töchter mit ihr gezeugt und die Kinder sogar christlich taufen lassen: Juan, Bernal, Inez und Manuela. Auch diese kleine Familie musste er jetzt verlassen. Nicht, dass sie ihm viel bedeutet hätte. Oft genug hatte er Indiofrauen zurückgelassen. Mit manchen hatte er Kinder gezeugt, mit manchen nicht. Alle Spanier in der Neuen Welt hatten irgendwo Bastarde mit ihren indianischen Huren. Keiner fühlte sich wirklich dafür verantwortlich. Da machte Rodrigo keine Ausnahme. Itaea würde schon zurechtkommen. Vielleicht kehrte sie in den Urwald zurück. Vielleicht schloss sie sich einem anderen Spanier an.

Es gab nichts, was Rodrigo ernsthaft vermissen würde, wenn er nun Darien verließ. Außer das Ansehen, das er sich in Soldatenkreisen erworben hatte. Man schätzte ihn als Teniente, als Anführer kleiner Trupps, als Unteroffzier, dem schwierige, gefährliche und oft hoffnungslose Aufträge übertragen wurden. Niemals kehrte er ohne Erfolg zurück. Nicht umsonst rettete einer wie Pizarro ihn nun vor der Hinrichtung. Es war nicht schade um einen Menschen, um einen Freund, es war schade um einen guten Soldaten.

„Wo kann ich hin?“, fragte Rodrigo trocken, kühl seine Chancen kalkulierend.

„Drunten im Hafen liegt eine Nao. Sie läuft morgen früh Richtung Kuba aus. Steuermann und Bootsmann wissen Bescheid. Du bist auf hoher See, ehe jemand hier Verdacht schöpft.

„Die Überfahrt …“

„Musst du bezahlen!“

Rodrigo nickte. Er besaß eine ordentliche Menge an Gold, das er sich in den vergangenen acht Jahren in Darien zusammengeräubert hatte. Gemessen an den Reichtümern, die andere binnen kürzester Zeit erworben hatten, war es nicht viel. Aber es reichte. Rodrigo war genügsam. Er gehörte nicht zu jenen, die ihre Schätze beim Würfelspiel verjubelten. Er investierte auch nicht in hoffnungslose Abenteuer, leistete sich keinen Prunk und keine Statussymbole. Er saß auf seinem Gold. Nur nützte es ihm jetzt wenig, denn es lag verwahrt in seinem Haus in Santa Maria. Schnell wurde er sich mit Bernardino de Lares einig. Er verriet ihm, wo dieser den kleinen Goldschatz finden würde und setzte ihn feierlich als neuen Eigentümer ein. Im Gegenzug streckte der alte Weggefährte Rodrigo die nötigen Dukaten vor, mit denen er die Überfahrt nach Kuba würde bezahlen können.

Kuba!

Beim Klang dieses Namens fielen Rodrigo ganz viele Dinge wieder ein. Die Insel hatte er einst bei der ersten Fahrt von Admiral Cristóbal Colón kennengelernt. Später war er Teil der Schiffsmannschaft von Sebastian Ocambo, die Kuba erstmals ganz umsegelte. Zuletzt hatte er gehört, dass auf Kuba Gouverneur Diego Velázquez das einheimische Volk unterworfen habe.

Und er wusste, dass dort Isabella Pinzon lebte, die er so sehr verehrte und von der er bis heute zwei Haarsträhnen bei sich trug, die er einst von ihr als Belohnung erhalten hatte. Eine, weil er als Jugendlicher ihr Silberkettchen aus dem Hafenbecken von Palos gefischt hatte, eine, weil er ihren Ehemann … weil er sie von ihrem Ehemann befreit hatte. Zwei Haarsträhnen wie zwei Hoffnungsanker. Wann immer er sie aus dem kleinen Lederbeutel nahm, den er stets am Gürtel trug, träumte er den Traum eines kleinen spanischen Schweinehirten, der zu Ruhm, Ehre und Reichtum aufstieg und dann die edle Isabella Pinzon zum Traualtar führte.

Diesen Traum träumte er abends an den Lagerfeuern im Busch, unter sternenklarer Nacht, wenn er einsam wach lag, wenn er bei einer seiner Indianerinnen lag, auf den Schiffen, auf denen er fuhr.

Und nun kehrte er nach Kuba zurück!

II. Ränkeschmiede

Die reiche Witwe Isabella Salcedo, geborene Pinzon, trat hinaus auf die Veranda ihres feudalen Herrenhauses. Sie strich sich eine Haarsträhne zurecht, die vom karibischen Wind spielerisch gezwirbelt wurde. Isabella schloss die Augen. Die Sonne blendete sie. Die intensiven Düfte, die aus dem Garten und der angrenzenden Wildnis herbeiströmten, erfüllten die Luft. Vögel zwitscherten. Mücken summten. In der Ferne zeigte das rhythmische Klatschen der Brandung die Nähe des Meeres an. Isabella war eine ausnehmend schöne Frau. Das immer noch schwarzglänzende Haar hatte sie zu einem sittsamen Knoten gesteckt und nachlässig unter einem dünnen Schal verborgen. Ihre schmalen Nasenflügel bebten, als sie ins Freie trat und die milde Luft einatmete. Dichte schwarze Lider schlossen über den Augen. Ihr anmutiges Gesicht reckte sich der Sonne entgegen. Um die vollen Lippen rankten sich Fältchen, Zeugnisse der Reife und des Schicksals. Mit 37 Jahren stand sie in der Mitte ihres Lebens. Sie hatte sich ihre jugendliche Schönheit bewahrt, die Anmut in ihrer Haltung, die Grazie ihrer Figur, die Eleganz ihres Auftretens. Ihr schlichtes Taftkleid umschmeichelte den schmalen Körper, fiel in vielen Falten bis über die Schuhe und kräuselte sich leicht im Wind. In den letzten Jahren hatte sie an Ausstrahlung eher hinzugewonnen, sodass sie jetzt noch sinnlicher, geheimnisvoller und attraktiver wirkte. Auf Kuba und darüber hinaus war Doña Isabella, wie sie respektvoll genannt wurde, zur begehrenswertesten Partie geworden. Dazu trug freilich auch ihr wirtschaftlicher Status bei. Sie war reich, unabhängig, frei. Dies konnten um 1518 nicht viele spanische Damen von sich sagen. Die Hidalgos lagen ihr zu Füßen. Die Granden rissen sich um sie. Die Mächtigen hofierten sie. Manche wollten ihre weibliche Gunst, manche ihr Geld, manche ihre Hand. Sie gewährte von allem stets gerade so viel, dass sie die Bewerber gleichermaßen bei Laune wie auf Distanz hielt.

Jetzt lauschte sie dem Hufschlag, der Besucher ankündigte. Ihre Hazienda lag nur wenige Minuten außerhalb von Baracoa, der östlichsten und ältesten Ansiedlung Kubas, die immerhin 800 Einwohner zählte, Mischlingskinder und Indiofrauen mitgerechnet. Die Reiter kamen von Baracoa her. Vielleicht vom Hafen? Waren neue Schiffe angekommen? Und mit ihnen alte oder neue Verehrer? Hohe Herren von außerhalb versäumten es selten, der Witwe Salcedo ihre Aufwartung zu machen. Man wusste: Hier gab es Gastfreundschaft, Verpflegung, den neuesten Tratsch und eine schöne, verehrungswürdige Dame.

Isabella umfasste das gedrechselte hölzerne Geländer, das die breite Verandatreppe säumte, die hinaus in den Garten führte. Er war nur oberflächlich domestiziert; hier ein paar Kieswege, dort eine freigehauene Palme, dort ein gepflegtes Ginstergebüsch. Ansonsten Wildnis, die bis an das schöne Steinhaus heran wucherte, das Isabella sich hier im Stile spanischer Herrenhäuser hatte errichten lassen. Das Treppengeländer der geräumigen Terrasse war von weichen, farbenprächtigen lila Azaleen umrankt. Sie strömten einen betäubenden Duft aus und lockten die Schmetterlinge in Scharen an. Exotische Pflanzen wuchsen überall aus dem saftigen Urboden an Holzgerüsten empor.

„Cora, Mara! Sputet euch! Richtet kalte Getränke. Gäste kommen. Hopp, hopp!“, befahl Isabella und klatschte dabei herrisch in die Hände. Zwei schwarze Sklavinnen huschten dienstbeflissen herbei, junge Frauen mit unterwürfigen Blicken. „Ja, Herrin! – Sofort, Herrin!“, beeilten sie sich, die Befehle entgegenzunehmen. Nur noch afrikanische Sklaven waren es, die Isabellas Haushalt führten. Von den indianischen war sie ganz abgekommen. Die Taino starben schneller, als dass man sie einlernen konnte. Lediglich zur Gartenarbeit setzte Isabella noch Indios ein. Ansonsten leistete sie sich ausschließlich schwarze Sklaven: einen Kutscher, der gleichzeitig Stallmeister war, Pferdeknechte, einen Hausknecht, einen Träger, Mägde, Dienstmädchen, Köchinnen.

Isabella hatte ihren eigenen Sklavenlieferanten. Sie seufzte, als sie an Kapitän Pablo Perez dachte. Ob er der Reiter war, dessen Hufschläge sie näherkommen hörte? Nein! Unmöglich! Es war doch erst drei Monate her, dass er Kuba verlassen hatte. Dann dauerte es immer ein halbes Jahr oder länger, bis er wieder auftauchte. Pablo, Isabellas Liebhaber seit Jugendjahren, er war nicht festzuhalten. Er befuhr die Weltmeere, er kam und verschwand wie es ihm beliebte. Er war wie der Wind, den er beim Segeln einfing. Immer unterwegs. Auf jeden Fall brachte er regelmäßig schwarze Sklaven aus Afrika. Auch Cora und Mara stammten aus einer solchen Lieferung. Die beiden Dienstmädchen schoben jetzt Tische auf die Veranda, spannten einen großen Schirm auf, richteten Karaffen und Gläser, schichteten süße Früchte, fegten die Blätter und Ameisen von den Bodenbrettern und waren mindestens so aufgeregt wie ihre Herrin Isabella, angesichts des unangekündigten Besuchs, der sich abzeichnete.

Eine Staubwolke erhob sich über den Palmendächern. Der fremde Reiter hatte die Auffahrt erreicht. Gleich musste er um die Galerie der hochgeschossenen, graustämmigen Königspalmen herum, die in Reih und Glied die Auffahrt säumten, in Isabellas Blickfeld geraten. Normalerweise fielen berittene Besucher auf den letzten Metern in gesittetem Trab oder gemessenem Schritt, dieser Reiter nicht. In einer Wolke von aufgewirbeltem Staub fegte er heran, kündigte mit einem lauten Jauchzer sein Kommen an, schwenkte dabei mit einer Hand sein federgeschmücktes Barett und ließ seinen fiebrigen Hengst unmittelbar vor dem Verandaaufgang noch einmal feurig aufsteigen.

Isabella hatte ihn inzwischen erkannt. Die feuerrote, wallende Haarmähne des Reiters leuchtete in der Sonne: Pedro de Alvarado. Seine Erscheinung erinnerte an die eines griechischen Helden, wie die Alten sie schilderten. Er trug einen wallenden rotsamtenen Mantel, darunter einen ledernen Brustharnisch, unter dem sich ein mächtiger Brustkorb hob und senkte. Seine Erscheinung war kriegerisch und männlich. Isabella liebte ihn, weil er so stark, so edel, so ritterlich war, vor allem aber, weil er sie so köstlich vergötterte. Es war herrlich, einen solchen Verehrer zu besitzen.

Alvarado schwang sich in einer einzigen fließenden Bewegung aus dem Sattel und stand sogleich oben auf der Veranda. Er verbeugte sich galant und feuerte dabei sein Barett auf die Verandabretter, damit er beide Hände freihatte, um Isabella stürmisch zu umfassen. Er überragte sie um mehr als Haupteslänge. Sie kam nicht auf den Gedanken, sich zu wehren. „Liebste! Wie habe ich mich verzehrt! Endlich! Gewährt mir einen Kuss!“ Frech schob er seinen Mund gegen ihren. Sie brachte in letzter Sekunde einen warnenden Zeigefinger dazwischen: „Nicht so stürmisch, Herr Alvarado! Wollt Ihr wohl den Anstand wahren. Ihr bringt eine spanische Dame in Verlegenheit.“

Er lachte schallend, ohne Isabella loszulassen. Stattdessen drückte er sie noch fester an sich. „Ach Isabella, Schönste, Teuerste! Wir beide wissen doch, wie es um uns bestellt ist.“ Wieder näherte sich sein bartumkränzter Mund gefährlich dem ihren. „Wem wollt Ihr etwas vorspielen?“

„Mir vielleicht, edler Herr Alvarado“, so meldete sich eine spöttische Stimme von der großen hölzernen Flügeltür, die ins Hausinnere führte. Eine Frauengestalt trat aus dem Schatten. Isabella und Alvarado fuhren auseinander.

„Maria!“, rief Isabella.

“Oh, die edle Mutter Marcayda”, erkannte Alvarado. Er verbeugte sich erneut, nicht weniger galant, als er es vor Isabella getan hatte.

Maria de Marcayda trat aus dem Schatten. Sie war seit vielen Jahren Isabellas beste Freundin, seit sie Hofdamen Ihrer Majestäten Ferdinand und Isabella gewesen waren. Noch immer war Maria eine schöne Frau zu nennen, wenngleich sie mit ihren inzwischen 50 Jahren jenseits aller Kavaliers- und Heiratsmärkte stand. Das hinderte sie allerdings nicht daran, eine kleine Affäre mit dem stellvertretenden Gouverneur Gonzalo de Guzmán zu pflegen. Die Liaison war ein gut gehütetes Geheimnis. Außer Isabella wusste niemand davon. Ihr kluges Gesicht, ihre reifen, weichen Formen und ihr wissender, gleichermaßen stets leicht verschleierter Blick, vermochten noch immer einem Mann den Verstand zu rauben. Sie war seit vielen Jahren Witwe. Ihre vier Kinder waren längst erwachsen. Im Haushalt von Isabella spielte sie die Rolle der Hausdame und obersten Zofe. Hinter dieser formalen Rolle war sie aber in erster Linie intime Gefährtin und Beraterin. Im Hinblick auf den Hidalgo Don Pedro de Alvarado lautete ihr Ratschlag schon lange: Nimm ihn! Genieße ihn! Aber fessle dich nicht an ihn!

Isabella hätte sich mit einem Edlen wie Pedro de Alvarado gerne und mit Leichtigkeit vermählen können. An Avancen und konkreten Anträgen fehlte es nicht. Aber sie wehrte stets ab. Sie genoss ihre Freiheit, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Für sie stand fest, dass sie niemals wieder einem Mann gehören würde. Eine erneute Heirat würde es nicht geben. Zumal der Einzige, dem sie das Ja-Wort abermals gegeben hätte, dem Kapitän Pablo Perez, nicht zu haben war. Seit ihrer ebenso kurzen wie peinvollen Ehe mit dem Zuckerbaron Salcedo, der glücklicherweise alsbald tödlich verunglückte, ganz so, wie Isabella es sich gewünscht hatte, war sie niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Mit ihrer Familie aus Palos hatte sie gebrochen und die Kontakte auf das Notwendige beschränkt. Zum langweiligen Bruder ihres verstorbenen Ehemannes, dem Seifensieder Juan de Salcedo und dessen Familie blieb sie auf höflicher Distanz. Hier beschränkten sich die Kontakte auf das Geschäftliche, denn etliche Faktoreien, Handelsschiffe, Zuckermühlen und sonstige Geschäftszweige hatten die beiden Brüder gemeinsam besessen, sodass Isabella sich mit ihrem Schwager arrangieren musste. Das überließ sie aber ihrem Chefbuchhalter und obersten Treuhänder, dem Sekretär Andrés de Duero. Dieser treue und akribische Bürokrat erledigte seit dem Tode ihres Mannes im Jahre 1508 sämtliche Geschäfte für Isabella. Und seit er dies tat, mehrte er unaufhaltsam Besitz und Reichtum der schönen Witwe. Sie musste dazu keinen Finger rühren.

Zudem kam die Gefangenschaft einer Ehe für Isabella auch deshalb nicht mehr infrage, weil sie noch immer die Demütigung nicht verwunden hatte, die ihr einst der rücksichtslose Diego Velázquez zugefügt hatte. Dieser hohe Herr, Gouverneur und Statthalter des Königs auf Kuba, einer der mächtigsten Männer Westindiens, hatte Isabella jahrelang nachgestellt, hatte sie in eine ebenso obsessive wie gewalttätige Liebschaft gezwungen, in eine Affäre voller sündiger Vergehen, und hatte sie angefleht, bekniet, belagert, ihn zu erhören, ihn zu ehelichen. Als Isabella eines Tages endlich bereit gewesen war, mit Velázquez in den Stand der Ehe zu treten, düpierte er sie vor aller Öffentlichkeit mit einer demütigenden Abfuhr. Statt Isabella nahm er die kaum zwanzigjährige Tochter seines Chefbuchhalters Cristóbal de Cuéllar zur Frau. Welch ein Skandal! Eine Woche nach der Hochzeit starb das arme Mädchen im Ehebett. Isabella, die den brünftigen Diego Velázquez mit all seinen Sonderheiten kannte, ahnte, wie es dazu hatte kommen können. Seither ging sie diesem selbstgefälligen, feisten Gouverneur aus dem Wege. Vielmehr noch, sie sann auf Rache. Wie gut, dass Velázquez seinen Gouverneurssitz nach Santiago de Cuba auf der Südseite der Insel verlegt hatte, etwa 17 spanische Leguas entfernt von Baracoa. So war gewährleistet, dass Isabella ihm aus dem Wege gehen konnte. Sollte er anderen Frauen nachstellen, Unglück über sie bringen, das kümmerte sie nicht mehr. Derzeit machte der Lüstling Francisca, der jüngsten Tochter von Maria de Marcayda, den Hof. Aber die junge Frau zierte sich. Dazu trugen die Ratschläge ihrer Mutter Maria de Marcayda ebenso bei wie die Warnungen Isabellas.

Es war diese Francisca de Marcayda-Suárez, die nunmehr aus dem Inneren des Hauses herbeikam, so als habe die lärmende Ankunft des Pedro Alvarado das ganze Haus aufgescheucht. Francisca verdeckte ihr Haar unter einem dunklen Seidenschal und ihr Gesicht hinter einem Fächer. Sie war eine schmale Erscheinung, fast kränklich, mit bleichen Wangen und einem farblosen Mund. Aber sie lächelte. So wie jede Frau, wenn sie Pedro de Alvarados ansichtig wurde.

Der Hidalgo verbeugte sich ein drittes Mal. Sein Haarschopf wirbelte. Seine kecken Augen blitzten: „Wusste ich es doch, dass ich hier die schönsten Damen der Insel antreffen würde!“, so schmeichelte er. „Werte Doña Isabella, Euer Haus ist weit und breit bekannt und wird auf ganz Kuba als ‚Casa Isabella’ gerühmt, als das Haus der Schönheit, der Grazie und der Gastfreundschaft. Ich bekenne offen, das war es, was mich hierhergeführt hat. Von nichts anderem habe ich geträumt, während der vielen langen Wochen auf See. Hierher habe ich mich gesehnt. Und deshalb habe ich nicht gesäumt sofort zu Euch zu kommen, obwohl ich erst vor zwei Tagen wieder nach Santiago de Cuba zurückgekehrt bin.“

„Ihr wart auf See?“ Die Damen hatten sich in den Korbsesseln niedergelassen, die Röcke faltig drapiert, die Oberkörper anmutig gereckt, die Gesichter hinter eifrig wedelnden Fächern verborgen. Getränke standen bereit.

Auch Pedro Alvarado machte es sich bequem. Lässig überschlug er seine langen Beine. Isabella bewunderte die muskulösen Schenkel. Während die Hausmädchen die Becher mit Fruchtsäften füllten und mit Palmwedeln für Kühlung sorgten, warteten Isabella, Maria de Marcayda und deren Tochter Francisca gespannt auf Alvarados Bericht.

„Wir sind an einer fremden Küste im Westen gelandet“, so erzählte er. „Stellt euch vor, wir fanden einen Götzentempel, in dem die Priester der Indios Menschen geopfert haben. Sie machten Knaben und Mädchen mit giftigen Tränken besinnungslos. Dann haben sie die Unschuldigen in ihren Tempel geführt und ihnen bei lebendigem Leibe das Herz herausgeschnitten. Ich habe ihre Altäre gesehen: Alles voller Blut! Glaubt mir: Alles voller Blut!“ Alvarado erzählte voller Empörung und gestenreich. Seine Augen glühten.

„Oh mein Gott!“ Entsetzt hielt Maria sich die flache Hand vor den Mund. Francisca war bleich wie Mehl. Isabella zog eine Schnute. Sie hörte diese Greuelgeschichten nicht gerne. Das interessierte sie nicht. Männersachen. Wieso machte Alvarado ihr nicht den Hof?

„Wie sind ihre Frauen? Bestimmt haben die Indios auch welche?“, fragte sie lauernd.

Alvarado lachte sein freies und unbekümmertes Lachen. „Ach liebste Isabella! Was macht Ihr Euch Gedanken? Es gibt nur eine einzige Frau in ganz Westindien, für die ich mich interessiere. Das wisst Ihr.“ Er lachte frech und sah ihr direkt in die Augen. „Aber“, so klagte er theatralisch, „sie erhört mich nicht.“

Isabella lächelte Pedro zu. Sie versuchte, ihm mit den Augen zu sagen, was die anderen Ohren nicht hören durften: „Komm heute Nacht zu mir. Sei mein Geliebter, wie du es schon so oft warst. Komm in mein Bett. Verbringe die Nacht mit mir.“

Sie war sich sicher, dass Alvarado diese Botschaften verstand.

Er lachte laut, klopfte sich auf die Schenkel: „Ihre Indiofrauen schielen und haben krumme Beine. Sie sehen schrecklich aus! Wenn man nicht aufpasst, dann bekommt man eine geschenkt!“

Wieder lachte er. Aber jetzt beugte er sich zu den Damen vor und erläuterte in vertraulichem, fast flüsterndem Tonfall: „Denkt euch nur: Ihre Häuptlinge haben uns ihre Töchter geschenkt. Es wäre eine Beleidigung gewesen, wenn wir die Frauen nicht angenommen hätten. Das ist so Brauch bei ihnen. Sie haben kein Herz. Sie sind unzivilisiert. Ihre Priester sind von oben bis unten blutverschmiert. Sie stinken nach altem, geronnenem Blut. Und ihre Haare sind verfilzt und zusammengebacken davon. Sie opfern ihre Kinder. Das sind Barbaren. Heiden.“

Alvarado fläzte sich in seinem Korbstuhl und weidete sich am Schrecken der Damen. Maria de Marcayda wahrte am ehesten die Fassung. Sie fragte unerschrocken: „Was habt Ihr mit den schielenden Töchtern der Indiohäuptlinge gemacht? Habt Ihr das Geschenk angenommen?“

„Man muss ein solches Geschenk immer annehmen“, belehrte Alvarado. „Sonst sind diese Indios in ihrem Stolz verletzt. Unser Kapitän Juan de Grijalva, den ihr alle kennt, hat die Indiofrauen an seine Hauptleute verteilt. Mir wollte er auch eine dieser Schönheiten anvertrauen.“ Alvarado lachte schallend. Er schüttelte sich vor Vergnügen. „Ich habe sie weitergegeben an den Steuermann Antonio de Alaminos. Das ist so ein hässlicher Kerl, zu dem passen diese Weiber.“

„Ich kenne ihn“, entfuhr es Francisca. „Er ist wirklich hässlich!“

„Wir kennen ihn alle“, fuhr ihr Isabella über den Mund, etwas giftiger als beabsichtigt. Sie wollte nicht, dass schlecht über Antonio de Alaminos gesprochen wurde. Es stimmte, dieser Kapitän war ein hässlicher Kerl. Aber er stammte wie Isabella aus Palos und war der beste Freund von Pablo Perez. Und damit war es in ihrem Haus nicht gestattet, schlecht über Alaminos zu reden, das empfand sie als gleichbedeutend mit schlechter Nachrede über ihren Pablo.

Alvarado warf ihr einen skeptischen Blick zu. Maria de Marcayda, die immer alles wusste, lächelte vielsagend. Die Dinge blieben unausgesprochen, wie es üblich war in der spanischen Gesellschaft. Aber jeder dachte sich seinen Teil. Alvarado wurde wieder ernst: „Mein Freund Juan de Grijalva ist immer noch unterwegs an dieser Küste im Westen. Er hat noch zwei Schiffe. Er will weiter unbekanntes Land erforschen. Vielleicht gibt es eine Durchfahrt zum Südmeer.“

Isabella interessierte sich nicht für die fremde Küste und auch nicht für die Kämpfe und Entdeckungen. Sie interessierte sich für die starken Arme von Pedro, für seine Küsse und für seine Komplimente. Das war das Elixier, von dem sie lebte. Aber Maria de Marcayda, die am spanischen Hofe großgeworden war und Jahre und Jahrzehnte im Kreise der Mächtigen und der großen Politik verbracht hatte, ahnte die Bedeutung von Alvarados Schilderungen: „Könnte diese ferne Küste, von der Ihr sprecht, vielleicht zum Festland gehören? Ist es vielleicht das lange gesuchte Cathay? Mangi? Das asiatische Festland, nach dem der längst verstorbene Admiral Colón so verbissen gesucht hat?“

Alvarado schüttelte entschlossen den Kopf. Die rote Mähne wehte. „Diese Küste gehört zu einem Festland. Aber es ist ein fremdes Land. Es ist so, wie viele sagen: Das ist ein neuer Kontinent.“

Maria Marcayda nickte: „Kanntet Ihr den Seefahrer Amerigo Vespucci? Nach ihm ist dieser neue Kontinent getauft. Die Kartenmacher in Europa nennen das Land ‚Amerika‘.“

„Die Stubenhocker! Pah!“ Alvarado schnaubte verächtlich. „Bei den Indios heißt das Land, dessen Küste wir jetzt entdeckt haben ‚Yuca Tan‘. Und die Indios selbst nennen sich ‚Maya‘.“

„Wieso seid Ihr überhaupt vorzeitig heimgekehrt?“, wollte jetzt ganz zaghaft Francisca wissen, Maria Marcaydas Tochter. Während sie ihre Frage formulierte, verbarg sie ihr Gesicht hinter dem Fächer. Isabella ahnte, was hinter der schüchternen Frage steckte. Selbstverständlich wollte Francisca dem Hidalgo gefallen. Jede Frau wollte das. Also heuchelte sie Interesse. Nur war Francisca in Isabellas Augen ein dummes Hühnchen. Keine ernsthafte Konkurrenz. Zumal jedermann wusste, dass der Gouverneur ein Auge auf sie geworfen hatte. Niemand wollte sich mit dem mächtigen Diego Velázquez anlegen. Also blieb Francisca auf ihren Träumen sitzen.

Alvarado antwortete brav: „Das ist hohe Politik, Verehrteste. Unser Anführer, Kapitän Juan de Grijalva, wollte sich nicht auf Kämpfe einlassen, nicht ins Landesinnere eindringen, er wollte keine Niederlassung gründen. Er hatte seine Befehle von Gouverneur Velázquez, der, wie Ihr wisst, sein Onkel ist.“ Alvarado sprach nicht direkt abfällig, aber an seinem Tonfall konnte man heraushören, was er vom Kapitän Grijalva hielte. „Aus Unsicherheit, wie er weiter vorgehen soll, hat er einen Brief an seinen Onkel geschrieben und mich beauftragt, diesen Brief zurück nach Kuba zu bringen. Ich habe auch Gold mitgebracht. Wir haben bei diesen Wilden viel davon gefunden. Aber wir mussten auch hart dafür kämpfen. Einmal verloren wir in einer einzigen Schlacht mehr als fünfzig Männer.“

„Ist es viel Gold?“ Das war ein Thema, von dem Isabella etwas verstand.