Im Schatten des Akazienbaums - Rosalind Miles - E-Book

Im Schatten des Akazienbaums E-Book

Rosalind Miles

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Beschreibung

Der unbändige Mut einer betrogenen Frau im bewegenden Schicksalsroman »Im Schatten des Akazienbaums« von Rosalind Miles – jetzt als eBook bei dotbooks. Der Sonnenuntergang über dem australischen Familienstammsitz Eden ist ein majestätischer Anblick: Glutorange scheint der Himmel mit dem roten Staub der weiten Ebene zu verschmelzen, die das Anwesen umgibt. Hier, in ihrer geliebten Heimat, heiratet die reiche Erbin Stephanie Harper den berühmten Sportler Greg Marsden: Nach so vielen Enttäuschungen soll nun endlich alles perfekt werden – doch Greg entpuppt sich schon bald als Monster. Um ihr Vermögen unter seine Kontrolle zu bringen, schreckt er nicht einmal davor zurück, Stephanie in der Wildnis des Outbacks dem sicheren Tod zu überlassen. Schwer verletzt wird sie vom charismatischen Dan Marshall gerettet – und schwört Rache. Wie ein Phönix, der sich aus der Asche erhebt, setzt Stephanie von nun an alles daran, ihr Familienimperium zurückzuerobern ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende Roman »Im Schatten des Akazienbaums« der britischen Bestsellerautorin Rosalind Miles ist der erste Band ihrer Eden-Saga, die Fans von Danielle Steele, Nora Roberts und Elizabeth Haran begeistern wird! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 618

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Über dieses Buch:

Der Sonnenuntergang über dem australischen Familienstammsitz Eden ist ein majestätischer Anblick: Glutorange scheint der Himmel mit dem roten Staub der weiten Ebene zu verschmelzen, die das Anwesen umgibt. Hier, in ihrer geliebten Heimat, heiratet die reiche Erbin Stephanie Harper den berühmten Sportler Greg Marsden: Nach so vielen Enttäuschungen soll nun endlich alles perfekt werden – doch Greg entpuppt sich schon bald als Monster. Um ihr Vermögen unter seine Kontrolle zu bringen, schreckt er nicht einmal davor zurück, Stephanie in der Wildnis des Outbacks dem sicheren Tod zu überlassen. Schwer verletzt wird sie vom charismatischen Dan Marshall gerettet – und schwört Rache. Wie ein Phönix, der sich aus der Asche erhebt, setzt Stephanie von nun an alles daran, ihr Familienimperium zurückzuerobern ...

Über die Autorin:

Rosalind Miles wurde in Warwickshire geboren und studierte in Oxford, Birmingham und Leicester. Sie ist eine preisgekrönte Schriftstellerin, Journalistin, Kritikerin und Rundfunksprecherin, deren Werke in der ganzen Welt erschienen sind. Unter anderem gewann sie den Network Award für herausragende Leistungen im Schreiben für Frauen. Ihre historischen Romane wurden international gefeiert, insbesondere »Elisabeth, Königin von England«, in der sie das Leben und die Zeit der Tudor-Königin nachzeichnet. Ihr juristisches und soziales Engagement hat sie vom Buckingham Palace bis ins Weiße Haus geführt.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin die Romanbiographie »Elisabeth, Königin von England«, ihre historischen Romane der Guinevere-Saga »Die Herrin von Camelot« und »Die Königin des Sommerlandes« und ihre dramatischen Australienromane »Unter der roten Sonne Australiens« sowie die beiden Bände der großen Eden-Saga »Im Schatten des Akazienbaums« und »Im Land der Silbereichen«.

Die Website der Autorin: rosalind.net

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eBook-Neuausgabe Juli 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1984 unter dem Originaltitel »Return to Eden« bei Guild Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1989 unter dem Titel »Heimkehr nach Eden« bei Lübbe.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1984 Eden Productions Pty

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1989 by Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Vladimir Arndt/Ekaterina Filatova, NORTH DEVON PHOTOGRAPHY, oksanashu, OskarWells, kwest

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-741-9

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Rosalind Miles

Im Schatten des Akazienbaums

Ein Australien-Roman

Aus dem Englischen von Eva Malsch

dotbooks.

O Weibes Liebe! Seligkeit und Pein!

Du schöner, aber unheilschwangrer Schatz!

Sie setzt auf einen Wurf ihr Alles ein,

Und, wenn der fehlschlägt, gibt es nie Ersatz:

Dann beut die Welt ihr nichts als leeren Schein,

Und ihre Rach ist wie des Tigers Satz,

Schnell, tödlich und zermalmend – dennoch wühlt sie

Im eignen Fleisch, was sie verhängt, das fühlt sie.

Lord Byron – Don Juan

Kapitel 1

Als die Morgenröte wie ein Feuer über Eden aufzog, träumte der alte Mann seinen letzten Traum. Im großen Eichenbett seiner Vorväter träumte er einen Traum des Triumphs, nach dem er die ganze Nacht gestrebt hatte, dann ächzte er zufrieden, lächelte vor sich hin und drückte die Hand, die seine festhielt, als wollte er einen Pakt besiegeln. Für Max Harper, einen Veteran tausend siegreicher Kämpfe gegen die Natur und ihre Elemente, gegen Menschen und Maschinen, war dies ein passender Abschied von einem ausgefüllten Leben. Danach atmete er schwach, aber mühelos. Sein Gesicht wurde sanft und entspannt, so wie es in all den Jahren seines Daseins niemals ausgesehen hatte.

Für das Mädchen neben seinem Bett fing der Alptraum erst an. Die langen samtigen Stunden des Dunkels verstrichen und brachten ein wachsendes Grauen mit sich. Panik überströmte sie wie eine gewaltige Woge. »Geh nicht«, flehte sie, »verlaß mich nicht, bitte, geh nicht ... Wie soll ich ohne dich zurechtkommen ... Ohne dich gibt es nichts. Du warst alles für mich. Nach deinem Lachen sehnte ich mich, nach deiner Hand griff ich immer nur – nicht nach Katies. Ich fürchtete deine Kälte, deine Abwesenheit. Dein Gesicht kannte ich besser als mein eigenes. Aber dich kannte ich nie. Geh nicht, ehe ich eine Gelegenheit finde, dich kennenzulernen – gerade jetzt, wo ich dich so dringend brauche ...«

Der Arzt blickte auf seine Uhr und nickte der Pflegerin zu. Unauffällig verließ sie den Raum, um das Zeichen für den letzten Akt des Rituals zu geben. Aus dem ganzen Norden Australiens waren Freunde, Bekannte und Geschäftspartner des sterbenden Magnaten nach Eden gekommen, mit Autos, Landrovern und Hubschraubern. Sie hatten sich in der dunkel getäfelten Bibliothek des großen Steinhauses versammelt, aufgeregt wie alle Menschen in der Nähe des Todes, und nun saßen sie unter dem Porträt des Mannes, dessen arbeitsreiches Leben sie zusammengeführt hatte und dessen Tod sie jetzt erneut vereinte. Sie fühlten eine starke innere Anspannung, aber keine Angst. Max Harper hatte nicht nur die Vergangenheit kontrolliert, sondern auch die Zukunft gesichert.

In der immer stärkeren Hitze des staubigen Morgens warteten geduldige Ureinwohner aus allen Teilen der Ländereien. Yowi, der Geist, der die Ankunft des Todes ankündigt, hatte einem Stammesangehörigen, der weise genug war, um solche Worte zu verstehen, etwas ins Ohr gehaucht. Und so waren sie erschienen, um die letzten Stunden mitzuerleben, den letzten Traum des alten Mannes zu ehren. Nun starrten sie an diesem heißen, stillen Tag auf das großartige alte Haus, ohne zu blinzeln, auf die zwei Hubschrauber und die unzähligen geparkten Autos unter den dicken Staubschichten.

Stille lag über der Landschaft. Gnadenlos sandte die sengende Sonne ihre Strahlen herab. Aber nicht einmal die jüngsten Mitglieder der Ureinwohnergruppe, die Brüder Chris und Sam, bewegten sich. In fatalistischer Resignation warteten sie, denn sie wußten, was im Haus geschah, und ihre Seelen waren bereit, das Unvermeidliche zu akzeptieren. Durch ihre angestammte Verbundenheit mit allem Lebendigen erkannten sie den Augenblick, da Max Harper in die grenzenlosen Regionen hinüberging, in die Heimat des Allvaters, um jenseits des Todes ein neues Dasein zu finden.

Im abgedunkelten Schlafzimmer wurde das drückende Schweigen nur vom flachen Atem des großen Mannes im Bett durchbrochen. Plötzlich stieß er einen tiefen Seufzer aus, der mit einem Keuchen endete, als der letzte Atem seinen Körper verließ. Rasch trat der Arzt vor und löste die schwere Hand des alten Mannes aus dem Griff des Mädchens. In professioneller Sachlichkeit fühlte er Max Harper den Puls, spürte nichts und legte den Arm auf das Bett. Seine Augen begegneten der verzweifelten Frage im Blick des Mädchens, dann nickte er langsam.

Wie in Trance stand sie auf, lautlos kniete sie an der Seite des Bettes nieder. Sie umfaßte die Finger des Toten, küßte sie, drückte sie sekundenlang an die Wange. Bei der vertrauten Berührung dieser warmen, muskulösen Hand begannen die Tränen wieder zu fließen. Aber ihr Gesicht zeigte keine Regung. Sie wollte nicht weinen.

Nach einer Weile erhob sie sich und wischte die Tränen von den Wangen. Sie schaute ein letztes Mal auf den Mann im Bett, dann ging sie steifbeinig zur Tür und in den Flur hinaus. Durch ein Fenster sah sie verschwommen die Trauergäste, die draußen warteten. Eine eingeborene Frau, die im Staub hockte, schrie auf und schlug die Hände vors Gesicht. Mit gutturaler Stimme begann sie zu singen, und die anderen folgten ihrem Beispiel. »Ninnana combea, innaea inguna karkania ... O großer Geist, Allvater, die Sumpfeichen seufzen und schluchzen, die Gummibäume vergießen Tränen des Blutes, denn die Dunkelheit hat sich auf unsere Schöpfung herabgesenkt ...«

Besänftigt von diesem Gesang, brachte sie ihre Gefühle unter Kontrolle und betrat die Bibliothek. Ihre Ankunft gab das erwartete Zeichen, und die Gespräche verstummten sofort. Alle Gesichter wandten sich zu ihr. Jeder einzelne dieser Männer strahlte jenen selbstsicheren Individualismus aus, der ihn aus einer Menschenmenge hervorheben würde. Aber sie alle wurden übertroffen von Bill McMaster, dem Manager von Harper Mining und ihren Tochtergesellschaften. Er eilte zu der Mädchengestalt in der Tür. Das zerfurchte Gesicht von Mitleid erfüllt, nahm er ihren Arm, flüsterte Trostworte und führte sie zu den anderen.

Aus dem Hintergrund des Zimmers kam Katie, die Haushälterin von Eden, mit einem Silbertablett, auf dem Gläser voll schäumendem Champagner standen. Aus ihren Augen sprach nicht die gewohnte Heiterkeit, und sie konnte das Mädchen, das sie von Kindesbeinen an kannte, nicht anschauen. Schweigend verteilte sie die Drinks. Das Mädchen holte tief Atem, wandte sich – äußerlich gefaßt – zu den Männern und hob das Glas. »Auf Max Harper, meinen Vater. Möge er in Frieden ruhen.«

Während die anderen am Chamapgner nippten, prostete Bill McMaster dem großen Porträt von Max zu, das den Raum ebenso beherrschte wie alle Anwesenden. »Auf Max Harper!« begann er. »Dieser Mann war ein verdammt guter Boß und ein verdammter alter Tyrann. So einen findet man unter einer Million Menschen nur ein einziges Mal. Was er nicht übers Minenwesen wußte, lohnte sich nicht zu wissen. Wir schulden ihm alles, was wir haben. Und was wir für ihn taten, werden wir jetzt auch für dich tun, Mädchen. Wir halten dir die Treue. Solange jemand, der den Namen Harper trägt, an der Spitze von Harper Mining steht, ist die Welt in Ordnung. Hebt noch mal eure Gläser, Jungs. Diesmal trinken wir auf Stephanie Harper. Möge sie sich als gute Tochter dieses alten Grobians erweisen, möge Harper Mining auch weiterhin florieren – wenn sie das Steuer übernommen hat.«

»Auf Stephanie Harper – auf Steph ...«

Wie betäubt, hörte sie nur die Hälfte der Toasts. Aber deren Bedeutung breitete sich in ihrem Bewußtsein aus wie Wellen auf einem von Wolken beschatteten Teich. Der König ist tot – lang lebe die Königin. Hier? Hier auf Eden, wo mein Vater König war? Angstvoll legte sie den Kopf in den Nacken. Über ihr schimmerte das Porträt in lebhaften Ölfarben. Stephanie starrte in die wohlbekannten Habichtsaugen und kam sich verloren vor. »Nein!« Der Schrei rang sich aus ihrer Kehle, erschreckte die Umstehenden ebenso wie sie selbst. »Ich kann nicht! Ich kann nicht! Ich kann nicht!« Unkontrolliert zitterte sie am ganzen Körper, stieß die hilfreich ausgestreckten Hände beiseite und rannte aus dem Haus. Blindlings, wie eine Besessene stürmte sie zu den Ställen. Die Eingeborenen sahen ausdruckslos zu, wie sie in halsbrecherischem Galopp die lange Auffahrt hinabflog, durch das Tor von Eden, in die ungeheuere Weite des hügeligen Buschlandes. Nur dort konnte Stephanie sie selbst sein. Nur dort konnte sie ihrem tiefen Kummer Luft machen. Der große schwarze Hengst sprengte dahin, und das Donnern der Hufe harmonierte mit dem wilden Rhythmus ihres Herzens. Die Reiterin und das Pferd waren der Erschöpfung nahe, als sie endlich in der großen Leere anhielt und dem mitleidlosen Himmel ihre Klagen entgegenschleuderte. Die braune, von der Sonne verbrannte Landschaft erstreckte sich zwischen den Horizonten und ließ das verschwitzte Tier mit den heftig rollenden Augen ebenso zwergenhaft klein erscheinen wie das staubbedeckte Mädchen mit den zerzausten Haaren, das sich nun in den Steigbügeln aufrichtete und schrie und schluchzte: »Daddy, Daddy, wie konntest du ... Ich brauche dich so sehr, wie konntest du mir das antun und mich allein lassen ...«

»Stephanie? Steph, wo bist du?«

Verwirrt zuckte sie zusammen. Sie hörte leichte Schritte auf der Treppe, und Sekunden später betrat Jilly das Schlafzimmer. »Wo warst du, Steph? Vermutlich meilenweit weg mit deinen Gedanken.«

»Ja – buchstäblich. Ich dachte an Eden.«

»Eden?« Jilly sah sich in dem luxuriösen Raum um und schlug spielerisch den affektierten Ton eines britischen Butlers an. »Dies ist das Harper Mansion in Sydney, Madam, nicht Ihr Landsitz.«

»O Jilly, es ist so schön, dich zu sehen.« Den Tränen viel zu nahe, umarmte Stephanie ihre Freundin.

Jilly schob sie ein wenig von sich und musterte sie forschend. »Du könntest eine kleine Aufheiterung gebrauchen, nicht wahr? Was ist los, Kindchen?«

»Ach, nichts.« Stephanie errötete verlegen. »Ich dachte nur an...«

Jilly folgte dem Blick der jungen Frau zum überlebensgroßen Foto von Max, das in einem kunstvoll verzierten Silberrahmen auf dem Nachttisch stand, und lachte in liebevollem Spott. »Stephanie Harper, ich schäme mich für dich! An deinem Hochzeitstag dürftest du eigentlich nicht an deinen Vater denken.«

»Ich denke jeden Tag an ihn«, antwortete Stephanie schlicht. Es stimmte. Die Macht, die Max über sie ausübte, erschien ihr heute genauso stark wie vor siebzehn Jahren, als er gestorben war.

Jilly nickte. »Er hat dein Leben diktiert. Manchmal glaube ich, er hat dich so sehr eingeengt, daß du keine eigene Persönlichkeit entwickeln konntest. Aber in dir steckt viel mehr, als du jemals zu zeigen vermochtest, Mädchen. Vielleicht bekommst du jetzt eine Chance dazu.« Mit einem spitzbübischen Lachen hob sie ihr Champagnerglas.

Sie wurde mit einem Lächeln belohnt. So ist’s schon besser, dachte sie. Wenn du nur wüßtest, wie hübsch du bist, wenn du lächelst – dann würdest du ein permanentes Grinsen zur Schau tragen wie eine Cheshire-Katze. Aber sie war zu klug, um die scheue Stephanie auf ihr Aussehen und ihr Verhalten hinzuweisen. Sie wußte auch, welches Thema man anschneiden mußte, um helles Entzücken in ihrer Freundin zu wecken. »Erzähl mir von dem Glücklichen, der deine Gunst errungen hat«, begann sie. »Ist er wie Max? Fühlst du dich deshalb so zu ihm hingezogen? Er muß etwas Besonderes sein – sonst hättest du dich nicht zu dieser Wirbelwindromanze hinreißen lassen.«

Stephanie strahlte vor Freude. »O Jilly, er ist wundervoll – und er erinnert mich ein bißchen an Dad. Er ist so charakterfest und willensstark, aber auch gut und rücksichtsvoll – und er macht mich so glücklich ...«

Jilly musterte sie aufmerksam. Zweifellos sagte Stephanie die Wahrheit. Sie schäumte beinahe über vor Liebe und Seligkeit. Ihr Gesicht, normalerweise von schüchterner Zurückhaltung geprägt, so daß ein flüchtiger Beobachter sie für unscheinbar halten mochte, war wie verwandelt. Ihre Augen glänzten, die Lippen – sonst traurig und verkniffen – entblößten lächelnd makellos weiße Zähne. Mein Gott, du könntest so schön sein, dachte Jilly erschrocken. Und im selben Moment erwachte eine wilde Eifersucht in ihr. Verwirrt zwang sie sich, eine heitere Miene aufzusetzen. »Wenn du dich nicht endlich zurechtmachst, wirst du nicht einmal nächsten Mittwoch fertig sein, und dein Traummann wartet vergeblich auf dich. Komm, ich helfe dir.« Sie nahm Stephanies Arm und führte sie zum Toilettentisch und drückte sie auf den Stuhl.

Stephanie wurde wieder rot, diesmal vor Freude. Warmherzig umfaßte sie die Hand der jungen Frau. Jilly war immer so lieb zu ihr gewesen, schon in der Kindheit, und es tat gut, eine solche Freundin zu haben. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Jilly, wie entsetzlich! Ich hab dich noch gar nicht richtig begrüßt. Wie geht es dir? Wie war die Reise?«

»Darüber können wir uns immer noch unterhalten, wenn du deine Toilette beendet hast«, erwiderte Jilly energisch, ging zum Bett und ergriff die Jacke, die dort lag. Im Chanel-Stil, aus hyazinthenblauer Seide, wiederholte sie Stephanies Augenfarbe und würde ihrer Figur gewiß schmeicheln.

Jilly wandte sich wieder zum Toilettentisch und half ihrer Freundin in die Jacke. »So, und jetzt erzähl mir alles, Steph.«

Stephanie lachte fröhlich. »Was möchtest du wissen?«

»Alles!« rief Jilly dramatisch. »Mein Gott, als ich dein Telegramm bekam, fiel ich fast in Ohnmacht. Ich fahre für ein paar Wochen in Urlaub, und sobald ich dir den Rücken kehre – peng, da ist’s auch schon passiert. Du verliebst dich Hals über Kopf und willst wieder heiraten.«

»Ich kenne ihn immerhin schon sechs Wochen.«

»Trotzdem – es ging ziemlich schnell. Steph – bist du auch hundertprozentig sicher, daß du das Richtige tust?«

»Ich war mir noch nie in meinem Leben so sicher.«

»Und wo hast du ihn getroffen?«

»Natürlich auf dem Tennisplatz.«

Jilly grinste ironisch. »Klar, wo sonst sollte man einen Tennis-Champion kennenlernen? Was für eine dumme Frage ...«

»Es war ein Wohltätigkeitsmatch«, fuhr Stephanie in sichtlicher Begeisterung fort. »Ich war dabei, weil Harper Mining zu den Sponsoren gehörte. Danach fragte er, ob ich mit ihm spielen würde – nur so zur Entspannung. Und ob du’s glaubst oder nicht, er ließ mich gewinnen. War das nicht großartig?«

»Und da war’s natürlich um dich geschehen.« Jilly versuchte, den sarkastischen Klang in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Warum seid ihr beide nicht einfach durchgebrannt – in den Busch? Du brauchst diese Riesenhochzeit nicht. Du brauchst weder mich noch sonst jemanden.«

Stephanie sah gekränkt vom Spiegel auf, vor dem sie sorgfältig eine dezente Teintgrundierung auftrug. »O Jilly, ich brauche dich heute, hier bei mir, vor allem dich. Endlich bin ich glücklich, und ich möchte, daß dieser Tag so schön wie nur möglich wird. Und dabei mußt du mir helfen.«

»Nicht einmal zehn wilde Pferde hätten mich von dir ferngehalten«, versicherte Jilly. »Schon gar nicht dieser Streik vom Flughafenpersonal in letzter Minute. Und New York war ohnehin langweilig. Um diese Jahreszeit ist dort nichts los. Eigentlich unternahm ich diese Reise nur, weil Phillip in den USA zu tun hatte. Ich hätte es besser wissen müssen.«

»Hat es ihm nichts ausgemacht, daß du früher nach Hause geflogen bist?« Vorsichtig betonte Stephanie ihre Augen mit zartblauem Lidschatten.

Kalter Hohn sprach aus Jillys Stimme. »Du weißt doch, er streitet nie mit mir. Das wäre seiner unwürdig. Außerdem hatte er seine Geschäfte sowieso schon abgeschlossen. Wir wollten noch nach Acapulco und uns unter den Jetset mischen, um ein bißchen Amüsement zu finden. Aber solche Vergnügungen können sich nicht mit der Hochzeit des Jahres messen – wie sie in den Zeitungen bezeichnet wird.«

Stephanie lächelte nervös. »Ja, das habe ich gelesen. Ich weiß, was die Leute sagen ...« Sie unterbrach sich und hob die linke Hand, um die Anschuldigungen an den Fingern, abzuzählen.

»... daß Greg mich wegen meines Geldes heiratet – eine Behauptung, mit der wir natürlich von Anfang an gerechnet haben –; daß er um Jahre jünger ist als ich und, da er auf dem Tennisplatz praktisch erledigt ist, mich als eine Art Altersversorgung betrachtet; daß er einen gräßlichen Ruf besitzt, was seine Beziehung zu Frauen angeht ...«

»Den hat er tatsächlich«, bestätigte Jilly in beiläufigem Ton.

»Das ist mir völlig egal!« stieß Stephanie hervor. »Und das überrascht mich. Ständig habe ich mir Sorgen drum gemacht, was die Leute denken. Und jetzt bin ich so verrückt nach Greg, daß mich die Klatschgeschichten überhaupt nicht interessieren.« Sie wandte sich wieder zum Spiegel, um ihr Makeup zu beenden, und fuhr leidenschaftlich fort: »Mein Glück erscheint mir so unfaßbar, Jilly. Er liebt mich wirklich. Gewisse Dinge kann ein Mann nicht vortäuschen ...« Sie hielt inne, um den überschüssigen rosa Lippenstift mit einem Papiertuch zu entfernen. »Und außerdem – es steht mir nicht zu, ihn zu kritisieren, nachdem ich zwei gescheiterte Ehen hinter mir habe. Wie du dich sicher erinnerst, bin ich beide Male fast gestorben vor Gram. Was ich jetzt tue, geht nur mich was an. Ich bin kein Kind mehr, mein vierzigster Geburtstag steht vor der Tür. Wieviel Zeit haben wir noch?« Im Spiegel beobachtete sie, wie Jilly zusammenzuckte und zum Sideboard ging, um ihr Champagnerglas nachzufüllen, und fügte hastig hinzu: »Oh, dich meine ich nicht. Du bist jünger als ich und hast Phillip. Und warst immer viel attraktiver als ich, eleganter und schlanker ...«

Unwillkürlich strich sie ihre Jacke glatt, als wollte sie die schweren Brüste flachdrücken, die ihr so viel Kummer bereiteten. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sprach weiter: »Du warst immer schön und wirst es immer sein. Aber ich gehöre wohl kaum zu den Frauen, deren Aussehen mit den Jahren gewinnt. Aus welchen Gründen er mich auch immer heiraten will – ich bin ihm dankbar dafür.«

Angst verdunkelte ihre Augen, und ihre Lippen bildeten jene schmale, traurige Linie, die Jilly so gut kannte. Sie ging zu Stephanie und legte liebevoll einen Arm um die hängenden Schultern. »He, wo bleibt denn der berühmte Harper-Kampfgeist? Du hattest genug Pech im Leben, also verdienst du’s, endlich mal glücklich zu sein, das ist alles.«

Ein Lächeln erhellte Stephanies Gesicht, wie Sonnenschein nach einem Regenschauer. »Weiß du noch, wie wir als kleine Mädchen davon träumten, später mal hübsche Prinzen zu heiraten? Nun, Greg ist mein Märchenprinz. Es hat eine Weile gedauert, aber letzten Endes ist er doch noch aufgetaucht. Und es hat sich gelohnt, auf ihn zu warten.« Entschlossen drehte sie sich zu Jilly um. »Ich will ihn haben – mehr als alles andere in meinem Leben. Und zufällig glaube ich, daß er meine Gefühle erwidert.«

Jilly musterte sie ernsthaft, dann lächelte sie verständnisvoll. »Nun, jedenfalls unterscheidet er sich deutlich von seinen beiden Vorgängern. Erst ein britischer Aristokrat, dann ein amerikanischer Wissenschaftler – du hast dir wirklich tolle Typen ausgesucht! Weißt du, daß deine Wahl erst jetzt auf einen authentischen, echten, bodenständigen Aussie gefallen ist, Steph Harper? Nicht, daß mir der adelige Sowieso unsympathisch gewesen wäre, aber der hatte kein Stehvermögen. Und der Yankee – du mußt zugeben, daß der ziemlich merkwürdig war.«

Unbehaglich runzelte Stephanie die Stirn, dann konzentrierte sie sich darauf, ihre Ohrringe anzulegen. Die großen, von Diamanten umgebenen Saphire hatten stets zu ihrem Lieblingsschmuck gezählt, doch nun wurde sie von Zweifeln geplagt. Paßte das Blau zu ihrem Kostüm? Sie wollte ihre Freundin danach fragen, doch die sprach unbeirrt weiter. »Du bist wirklich eine Geheimniskrämerin. Erst verschwindest du praktisch über Nacht nach England, nachdem du Eden kaum jemals verlassen hast, und im Handumdrehen hast du einen vornehmen britischen Gemahl und eine kleine Tochter. Und dann – ehe ich mein verflixtes siebtes Jahr mit Phillip hinter mir hatte, war der alte Ehemann weg und der neue da – wie lange hast du Dennis’ Vater eigentlich ertragen?«

»Jilly – bitte nicht!« Hektisch fingerte Stephanie am Verschluß ihrer Perlenkette herum. »Das ist ein neuer Anfang für mich, okay?«

Widerstrebend ließ Jilly das faszinierende Thema von Stephanies Vergangenheit fallen. Sie stellte ihr Champagnerglas ab, dann half sie ihrer Freundin, die Kette zu schließen, und strich den hübschen, ein wenig puritanischen Spitzenkragen der Bluse glatt. »Also wird dir beim dritten Mal endlich das Glück lachen.« Sie sah auf ihre Uhr. »Wenn er zu erscheinen geruht.«

»Ja, Jilly. Greg ist ein guter Mann, glaub mir. Du wirst ihn mögen, du wirst ihn lieben – glaub mir.«

Während sich das weiße Rolls-Royce Corniche-Kabrio durch die kurvenreichen Straßen zu Sydney’s Darling Point schlängelte, kochte der Fahrer vor Wut. »Was für ein Typ von Trottel kommt zur eigenen Hochzeit zu spät?« murmelte er erbost.

»Dein Typ, Greg«, erwiderte sein Treuzeuge gleichmütig. Anderthalb Stunden lang hatte er in Gregs Wohnung Däumchen gedreht und sah nun keinen Grund, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Du wolltest dir einen großen Auftritt verschaffen, die Leute warten und deine Braut im ungewissen lassen, nicht wahr? Gibs doch zu! Du möchtest dir nicht wie Stephanie Harpers Schoßhündchen vorkommen, mit einer Schleife um den Hals, und sie anflehen, dich zu heiraten, weil sie uns alle zehnmal kaufen und wieder verkaufen kann.«

»Würdest du den Mund halten?« zischte Greg zwischen zusammengebissenen Zähnen und umklammerte krampfhaft das Lenkrad, während er den Wagen um eine gefährliche Kurve schleuderte. »Ich glaub’s einfach nicht – das ist mein Hochzeitstag, und ich muß mir Nörgeleien von einem unfähigen Tennisfreak anhören ...«

»Letzte Woche habe ich dich besiegt.«

»Zum ersten Mal.«

»Aber vielleicht nicht zum letztenmal, Kumpel – nicht zum letztenmal.«

Greg versank in düsterem Schweigen. Es stimmte, und es war ein unangenehmer Schock gewesen. Nie zuvor hatte es ihm Schwierigkeiten bereitet, den fünf Jahre jüngeren Lew Jackson in Schach zu halten. Wenn man von großen Tieren wie McEnroe geschlagen wurde, ging das völlig in Ordnung. Aber von einem Jungen, der ihn seit jener Zeit kannte, wo er noch nicht einmal ein Rackett hatte halten können ... Unmerklich erschauerte Greg in der schwülen Luft. Alle wandten sich gegen ihn. Es war wirklich ratsam, auszusteigen – und zwar so stilvoll wie möglich ...

Lew unterbrach diese Gedanken, offensichtlich aus dem Gefühl heraus, daß es von nicht allzu gutem Geschmack zeugte, wenn man kurz vor einer Hochzeit über den Bräutigam triumphierte. »Dein Bein hat dich übertrumpft, nicht ich«, versicherte er beiläufig. »Du hattest verdammt viel Pech mit diesem Knie, Greg.«

Oder Glück, dachte Greg in geheimer Belustigung. Er freute sich über dieses ›Handicap‹, auf das er bei jeder Niederlage die Schuld schieben konnte und das jedem Sieg zusätzlichen Glanz verlieh, wenn er vor simulierten Schmerzen stöhnte und den letzten Ball an seinem Gegner vorbeischmetterte ... »Du solltest dein Verdienst nicht schmälern, mein Freund«, erwiderte er großzügig. »Solche Höflichkeiten wollen wir dem britischen Adel überlassen. Das war ein fairer, einwandfreier Matchgewinn. Du bist ein angehender Stern am Tennishimmel. Nicht zuletzt deshalb hab ich dich gebeten, als mein Trauzeuge zu fungieren. Bei der Hochzeit des Jahres will ich keine Prominenz aus vergangenen Tagen neben mir sehen. Die gibt’s schon zur Genüge auf Stephanies Seite – zum Beispiel der Aufsichtsrat von Harper Mining.«

Lew lachte entzückt und klopfte Greg auf die Schulter. Man mußte den Burschen einfach mögen, ob man wollte oder nicht. Stets wußte er etwas zu sagen, nie war er um eine witzige Antwort verlegen. Verstohlen musterte er das ebenmäßige klassische Profil, das dichte blonde Haar, das sich über der Stirn hochwölbte, die goldbraunen Hände am Steuer. Wenn ich ein Mädchen wäre, könnte ich mich ernsthaft für Greg Marsden begeistern, überlegte Lew. Kein Wunder, daß alle Tennis-Groupies verrückt nach ihm waren. Diese kleine Französin hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn zu erobern. Angeblich hatte er’s die ganze Nacht und auch noch fast den ganzen nächsten Tag mit ihr getrieben – und am folgenden Abend natürlich das Classic verloren ... Lew lächelte vor sich hin. Nun, es war gut, daß Greg sein Leben genossen hatte. Die Ehe mit Stephanie Harper würde ihm nicht allzu viele Amusements bescheren. Sicher, sie war recht nett – aber als Partnerin eines Mannes, der jeden Tag die Goldmedaille bei der Sexolympiade gewinnen könnte ...

Dank einer Kombination aus seinem halsbrecherischen, aber brillanten Fahrstil und seiner intimen Kenntnis der Straßenkarte von Sydney war es Greg gelungen, einen Teil der versäumten Zeit aufzuholen. Seine Stimmung hob sich, als er die letzten Meilen zurücklegte und den starken Wagen durch die lange Allee zum Harper Mansion steuerte. Das große weiße Haus, an einem schönen Hang über dem Hafen von Sydney gelegen, brachte Max Harpers einstige Macht triumphal zum Ausdruck. Er hatte es gebaut, als seine Geschäftsinteressen über den nördlichen Bereich hinausgegangen waren, um sich immer mehr nach Osten zu verlagern und auf den australischen Kapitalmarkt zu konzentrieren.

Jetzt zählte die grandiose Residenz zu den vornehmsten Privathäusern in der Stadt. Hohe Bäume schützten sie vor der Mittagshitze, gepflegte Rasenflächen zogen sich bis zum Meer hinab, die elegante Ausstattung bot den Bewohnern einen luxuriösen Lebensstil. Greg freute sich auf die sonnigen Gärten, die breiten Veranden und kühlen Räume, auf das Glas Champagner und die respektvolle Begrüßung, die ihn erwartete. So stellte er sich seine Zukunft vor, darauf hatte er ein Recht – und auf noch viel mehr. Und alles lag in seiner Reichweite. Ein heißes Glücksgefühl erfüllte ihn.

Aber seine gute Laune verflog sofort, als er in die Straße bog, die zum Haus führte. Vor dem Tor, zwischen den geparkten Mercedes-Limousinen und Ferraris der Gäste, blockierte eine gewaltige Reporterschar das Pflaster. All die sensationslüsternen Zeitungsleute, die er vom Tenniszirkus her kannte, waren erschienen, dazu mehrere Harpyien von der Regenbogenpresse und einige, die er nie zuvor gesehen hatte und die vermutlich für Nachrichtenagenturen oder irgendwelche ausländischen Blätter arbeiteten – dann noch die ranken, sonnengebräunten Groupies, die erschienen waren, um ihrem Helden einen würdigen Abschied zu bereiten, und mittendrunter ...

»Oh, du verdammte Scheiße!« War das Mädchen da hinten im roten Kleid nicht die Französin? Kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren, helle Wut stieg in ihm auf.

»Reg dich ab, Greg!« Der wilde Fluch beunruhigte Lew, und er warf ihm einen warnenden Blick zu. »Auf die Presse darf man niemals pissen, vergiß das nicht.«

Mühsam akzeptierte Greg diesen gutgemeinten Rat und nickte. Als er auf die Menge zufuhr, hatte er sich wieder in der Gewalt, ein entspanntes Lächeln umspielte seine Lippen. Der Rolls hielt, blockiert von den dichtgedrängten Scharen, die Aasgeier stürzten sich auf ihre Beute.

»Da ist er!« rief eine Reporterin und bahnte sich durch den aufgeregten Mob, der Kassettenrecorder und Fotoapparate zückte, einen Weg zur vordersten Front. »Nun, Greg, wie fühlt man sich, wenn man die reichste Frau von Australien heiratet?«

Er schenkte ihr sein Speziallächeln und erwiderte gedehnt: »Phan-ta-stisch!«

»Wir dachten schon, Sie würden nicht kommen, Greg.«

»Dafür müßt ihr euch bei diesem schrecklichen Verkehr bedanken – und bei meinem Trauzeugen. Der hat mich ziemlich lange warten lassen.«

»Wieso wird die Presse von der Trauung ferngehalten?« fragte der kampflustige Reporter einer internationalen Nachrichtenagentur.

Greg zuckte entwaffnend mit den Schultern. »Tut mir leid. Ich verstehe, daß ihr alle enttäuscht seid. Aber Stephanie will nur die Familie und unsere Freunde dabeihaben. Sie ist nicht so wie ich an euch Zeitungsleute gewöhnt. Und ich hoffe, sie heiratet mich und nicht meine Fans.« Entschuldigend lächelte er. Man muß sie bei der Stange halten, dachte er, und das ist ganz einfach, wenn man weiß, wie man’s macht.

Ein Fotograf knipste emsig den glänzenden weißen Rolls mit dem distinguierten TENNIS-Nummernschild. »Hübsches Auto«, meinte er bewundernd. »Ein Hochzeitsgeschenk?«

»Ja«, bestätigte Greg kühl. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sich eine der gefährlichsten Harpyien einen Weg zur Autotür bahnte. Zum erstenmal bedauerte er, daß ihn das offene Verdeck des Kabrios der Außenwelt auslieferte, und er wünschte, er könnte auf den Knopf drücken, um es zu schließen. Unerbittlich kam sie auf ihn zu.

»Können Sie meinen Lesern in aller Welt mitteilen, wie Sie auf den Vorwurf reagieren, Sie würden Stephanie vor allem wegen ihres Geldes heiraten?«

An solche Fragen war er bereits gewöhnt, und er antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken: »Darum kümmern wir uns nicht. Sollen sich die Leute doch den Mund zerreißen. Das ist uns egal, solange ich Stephanie glücklich mache ...«

»Es ist also wirklich eine Liebesheirat?«

»Allerdings. Und so was kann ich euch allen nur empfehlen.«

Das war Klasse, Greg, dachte Lew bewundernd. Wenn er will, kann er seinen Charme wirklich sprühen lassen.

»Und Ihre Karriere, Greg?« Das war die Stimme eines führenden Tennisjournalisten, der Gregs Laufbahn verfolgt hatte, seit der schlaksige Junge aus dem Nichts aufgetaucht war, mit einer erstaunlichen Kombination aus Kraft, Grazie und einem unbändigen Siegeswillen. »Nehmen Sie jetzt Abschied vom Tennis?«

Greg setzte eine gekränkte Miene auf. »Keineswegs, Kumpel.«

»Aber Sie müssen zugeben, daß Sie letztes Jahr Konditionsprobleme hatten. Es lief nicht besonders gut. Offenbar haben Sie zu üppig gelebt – wenn Sie wissen, was ich meine.«

Gregs Finger brannten am Lenkrad, und er unterdrückte den Wunsch, in das höhnisch grinsende Gesicht zu schlagen. Er zwang sich zur Ruhe und bezähmte den Impuls, über die Schulter zu blicken und festzustellen, ob das französische Flittchen wirklich hier war. Gelassen lächelte er. »Man braucht nicht alles zu glauben, was in der Zeitung steht. Gerade Sie müßten das wissen.«

»Wie steht’s also mit einem Comeback?«

Greg hob in gespielter Überraschung die Brauen. »Ich war nie weg vom Fenster.«

»Also darf die internationale Tennisszene im nächsten Jahr wieder mit Ihnen rechnen? Auch in Wimbledon?«

»Das hängt von Stephanie ab«, entgegnete Greg. »Ich weiß nicht, ob sie mit mir auf Reisen gehen möchte. Natürlich ist sie jetzt das Wichtigste in meinem Leben.«

»Ist das Ihre erste Ehe?« fragte die Harpyie.

Greg streifte sie mit einem flüchtigen Blick. »Ja, und ich werde die Hochzeit verpassen, wenn ich noch länger hier bei euch rumhänge. Auf bald.« Er legte den Gang ein, aber als er weiterfuhr, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, mit einer jungen Frau zu flirten, die alle seine Äußerungen sorgsam auf Band aufgenommen hatte. »Eine tolle Figur haben Sie«, bemerkte er. »Überlegen Sie sich genau, was Sie damit anfangen wollen, und bleiben Sie sauber.« Erfreut über das tiefe Erröten, das er hervorgerufen hatte, brauste er die lange, gewundene Zufahrt hinauf.

Vor dem Haus filmte ein dreizehnjähriger Junge mit einer teuren Kamera die Ankunft der Hochzeitsgäste, die seit einer Stunde pausenlos eintrafen. Jilly beobachtete vom Balkon des Herrschaftsschlafzimmers aus, wie er mit mehr Begeisterung als fachlichem Können, die einzelnen Szenen auf Zelluloid bannte. Sie wandte sich ab und kehrte in den Raum zurück, wo Stephanie gerade ihr dichtes braunes Haar in Form brachte. Er verspätet sich, dachte sie. Bekommt sie’s mit der Angst zu tun?

»Und die Kinder?« fragte sie den Rücken ihrer Freundin. »Was halten sie davon?«

Stephanie runzelte bedrückt die Stirn. »Mit Dennis gibt’s keine Probleme«, antwortete die nachdenklich. »Er ist sogar entzückt, weil er einen Wimbledonsieger als Dad bekommt. Und Greg hat ihm eine phantastische Filmkamera geschenkt. Deshalb ist Dennis heute ganz in seinem Element.«

»Aber Sarah?« Jilly faßte die unausgesprochene Sorge in Worte, und Stephanie seufzte.

»Die ist gerade in einem schwierigen Alter. Mit fünfzehn kann man’s nicht so leicht verkraften, wenn sich die Mutter leidenschaftlich verliebt.« Neue Verlegenheit trieb das Blut in Stephanies Wangen. »Noch dazu in einen jüngeren Mann.« Zögernd fügte sie hinzu, als Jilly fragend die Brauen hochzog. »Ich glaube, sie leidet unter dem Altersunterschied zwischen Greg und mir.«

»So riesig ist der doch gar nicht«, meinte Jilly besänftigend. »Die paar Jahre spielen heutzutage keine Rolle.«

»Mit fünfzehn denkt man da ganz anders. Außerdem habe ich mich falsch verhalten. Als ich Greg kennenlernte, war ich so überwältigt, daß ich alles andere vergaß – sogar Sarahs Schulkonzert, bei dem sie ein wichtiges Solo spielte. Seit einer Ewigkeit habe ich nicht mehr mit ihr Klavier geübt. Deshalb ist sie furchtbar eifersüchtig, lehnt ihn ab und haßt mich.«

Stephanie schlug die Hände vors Gesicht, und Jilly spürte die Verzweiflung ihrer Freundin. Energisch ergriff sie die Initiative. »Du ruinierst dein Make-up. Komm jetzt und denk positiv. Sicher wird alles ein gutes Ende nehmen. Jetzt, wo Prinz Charles vergeben ist, hast du dir den begehrenswertesten Junggesellen im Commonwealth geangelt. Also hör auf, dir Sorgen zu machen, und freu dich über dein Glück. Du heiratest Greg doch nicht, um deinen Kindern eins auszuwischen, sondern weil du zum erstenmal in deinem Leben an dich selber denkst, Stephanie Harper.«

Stephanie holte tief Atem, ließ die Hände sinken, dann straffte sie die Schultern und stand auf. Lächelnd drehte sie sich zu Jilly um. »Du hast recht. Ich bin so dumm. Sobald Greg da ist, wird alles okay sein. Ich weiß, er verspätet sich ein bißchen. Aber er wird mich nicht sitzenlassen.«

»Tapferes Mädchen.« Jill nahm die Hand ihrer Freundin und führte sie zu dem großen Spiegel an der anderen Seite des Zimmers. Schweigend betrachteten sich die beiden Frauen. Stephanie, groß und scheu, mit einer Neigung zu nervöser Unbeholfenheit, besaß trotzdem die Grazie eines Fohlens, die ihr Alter Lügen strafte und ihr eher den Charme einer Zwanzig- als einer fast Vierzigjährigen verlieh. In ihrem exquisiten blauen Kostüm, das ihre Augen wie Glockenblumen im Frühling schimmern ließ, war sie so schön wie noch nie in ihrem Leben.

Wenn sie doch bloß einen besseren Geschmack hätte, dachte Jilly in wachsendem Ärger. Sie ist nicht farbenblind und müßte wissen, daß diese Saphirohrringe nicht zum Kostüm passen. Trotz ihrer Größe hätte sie heute, an diesem wichtigen Tag, auf ihre flachen Schuhe verzichten sollen. Und warum macht sie nichts mit ihrem Haar? Warum trägt sie ständig diesen unkleidsamen Pony und die albernen Spangen? O Gott, wenn ich ihr Geld hätte ...

Plötzlich begegnete ihr Stephanies Blick im Spiegel, begleitet von einem warmherzigen, liebevollen Lächeln. »Du siehst wundervoll aus, Jilly. Dieses Kleid gefällt mir ganz ausgezeichnet. Fifth Avenue?«

Sofort wurde Jilly von Schuldgefühlen gepeinigt. Warum bin ich so ein Biest, fragte sie sich unglücklich. Was stimmt nicht mit mir? Etwas zu hastig erwiderte sie: »Du siehst auch sehr gut aus.«

»Ehrlich?«

»Ehrlich.«

Stephanie ließ sich nicht überzeugen. Mit einer seltsamen Grimasse wandte sie sich vom Spiegel ab und sank auf ihr Bett. »O Jilly – ich sorge mich nicht nur wegen der Kinder. Ich fürchte, ich kann ihn nicht lange halten, seine Liebe wird nachlassen. Er ist ein Star, und ich bin so unscheinbar. Er ist ein Tennischampion, und ich bin so unsportlich. Ich kann nicht einmal schwimmen ...«

»Setz ihn mal auf ein Pferd, meine Liebe«, riet Jilly, »dann wird er die Hosen verlieren. Was du sicher anstrebst ...«, fügte sie vielsagend hinzu und bedachte ihre Freundin mit einem boshaften Blick.

Stephanie wurde rot, hatte aber offensichtlich nichts gegen diese Wende des Gesprächs einzuwenden. Sie sprang auf, rannte nach nebenan ins Ankleidezimmer und kehrte mit einer großen, eleganten Schachtel zurück, die sie voller Stolz öffnete. Zwischen silbrigem Seidenpapier lag Traumwäsche aus schwarzem Satin, verziert mit Seidenbändern und Spitze. Jill beugte sich hinab und bewunderte den Inhalt des Kartons. Jedes einzelne Stück trug das Etikett eines berühmten, exquisiten französischen Designers.

Kichernd hielt Stephanie ein durchsichtiges Negligé mit tiefem, verführerischem Ausschnitt hoch. In kindlicher Freude tanzte sie durchs Zimmer und sang in verrücktem Rhythmus: »Jilly, o Jilly, ich liebe ihn so sehr ...«

»Er hat dir das geschenkt?«

»O ja. Hab ich so was schon jemals getragen? Wenn ich bloß dran denke, fühle ich mich schon ganz sexy.«

Jilly strich über den glatten Satin und spürte in ihrem eigenen Innern eine sinnliche Regung. »Er muß ein toller Bursche sein. Und du bist ziemlich schnell rangegangen, was? Vermutlich hat es nicht allzu lange gedauert, ehe ihr – intime Beziehungen aufgenommen habt. Und was hast du getan, um dieses Geschenk zu verdienen?«

Das Blut stieg wieder in Stephanies Wangen, aber sie wich der Frage nicht aus. »Nichts«, entgegnete sie herausfordernd.

»Nichts? Meinst du, ihr habt noch nicht ...«

»Genau«, bestätigte Stephanie mit fester Stimme. »Wir haben noch nicht ... Teils, weil wir kaum Gelegenheit fanden, wo wir sicher sein konnten, daß uns die Presse nicht nachspionierte – teils, weil es weder bei ihm noch bei mir ging, ohne peinliche Situationen heraufzubeschwören, und ich bin nicht der Typ für den Rücksitz eines Autos, nicht mal, wenn’s eine Harper Mining-Limousine ist ... Aber vor allem, weil ich’s nach meinen beiden Fehlschlägen endlich richtig machen möchte. Das muß ich, Jilly, und ich werd’s auch schaffen. Ich bin jetzt eine erwachsene Frau, kein dummes Mädchen mehr – und ich glaube, ich habe den Mann für die Frau in mir gefunden ...«

Stephanie verstummte, und sie schauten sich an, ohne einander etwas vorzumachen. Jilly wußte genau, was ihre Freundin meinte, die ein weitverbreitetes Paradoxum verkörperte – sie war zwar schon öfter als einmal verheiratet gewesen, aber in sexueller Hinsicht noch nicht geweckt worden. Fern von gesellschaftlichen Einflüssen aufgewachsen, in der Isolation von Eden, hatte sie keinen anderen Mann außer ihrem Vater gekannt. Aber während der Minenmogul um die Welt gereist war, hatte er sie viel zu oft mit ihrer Sehnsucht nach Liebe allein gelassen und gleichzeitig durch seine dominierende Persönlichkeit die restliche Menschheit als schwach und unbedeutend hingestellt. Kein Wunder, daß sie sich in den Erstbesten verliebte, der Interesse an ihr zeigte – der verweichlichte Abkömmling eines kleinen britischen Adelsgeschlechts, den sie bei einer Reise nach London kennenlernte. Die erotischen Aktivitäten der beiden erwiesen sich als Katastrophen. Seine früheren Erfahrungen und ausschließlichen Neigungen bezogen sich auf Männer, und so versuchte er seine verwirrte junge Frau zu Praktiken zu überreden, die sie – ein Glück für ihren Seelenfrieden – nicht verstand.

Von ihrer Unschuld und Unwissenheit geschützt, klammerte sie sich an ihre Gefühle für den hochgewachsenen, attraktiven, wortgewandten Aristokraten. Die Ehe dauerte immerhin bis zur Ankunft ihrer Tochter in England. Danach bewirkten Stephanies Unfähigkeit, den obligatorischen Sohn zu gebären, und Max Harpers Weigerung, das verarmte Adelshaus aufzupäppeln, einen Wandel im Verhalten der Schwiegereltern. Allzu deutlich zeigten sie ihre Enttäuschung über das unbeholfene Kolonialmädchen. Inzwischen war Stephanies Heimweh unerträglich geworden. Unter dem grauen englischen Himmel sehnte sie sich verzweifelt nach der reinen, klaren Luft von Australien, nach der Freiheit des Buschlands und vor allem nach Eden. Problemlos wurde die kurze Ehe geschieden, und Stephanie kehrte nach Hause zurück, um einige Erfahrungen reicher, aber nicht auf sexuellem Gebiet.

Verständlicherweise verschwendete sie keine Zeit und stürzte sich sofort in eine neue Mesallience – zu naiv, um Jillys Rat zu befolgen und erst einmal ihren erotischen Horizont zu erweitern, ohne Gefühle zu investieren. Drei Monate später war sie mit einem amerikanischen Wissenschaftler verheiratet, der an einem internationalen Forschungsprogramm der Vereinten Nationen über Bodenschätze mitarbeitete und Untersuchungen bei Harper Mining durchführte – ein verläßlicher, netter Mann in mittleren Jahren – wie Max, ohne die Ausstrahlung, Antriebskraft und Persönlichkeit von Stephanies totem Vater. Sex erschien ihm ungefähr genauso wichtig wie sein Vollbad einmal im Monat, wenn er von irgendeinem abgeschiedenen Außenposten zurückkam, wo ihn sogar die geringfügigsten mineralischen Ablagerungen brennender interessierten als seine junge Frau. Jilly fand ihn widerwärtig und begriff nicht, wie Stephanie seine Berührungen ertrug. Aber da der häufig abwesende Ehegatte das Schema des seinerzeit ebensooft verreisten Vaters wiederholte, ergaben sich keine Schwierigkeiten. In einem seltenen Anfall von Leidenschaft zeugte der zerstreute Professor den Sohn, der ihr in England nicht vergönnt gewesen war. Doch als das Forschungsprojekt in Australien beendet und nach Amerika verlagert wurde, flog er in seine Heimat. Stephanie blieb auf Eden zurück, etwas älter, aber – wie sie ihrer Freundin freimütig gestand – nicht viel klüger als zuvor.

Danach führte sie ein zurückgezogenes Leben, widmete ihre Zeit den Kindern und Harper Mining. Anscheinend fiel es ihr nicht schwer, auf Männer zu verzichten, was Jilly verwunderte, da sie selbst im Laufe ihrer Ehe immer wieder Abenteuer gesuchte hatte, um die Befriedigung zu erlangen, die sie als Frau brauchte. Jetzt, Mitte Dreißig, empfand sie stärkere sexuelle Bedürfnisse denn je, ihre Liebeskünste hatten sich verfeinert, ihre sinnlichen Emotionen waren intensiver geworden. Konnte Stephanie die Musik des großen animalischen Tanzes überhaupt hören? Hatte sie nun beschlossen, mitzutanzen, ehe es zu spät war? Nachdenklich musterte Jilly die Frau an ihrer Seite, die »kleine Miß Zimperlich«, wie sie in der Schule genannt worden war. Irgend etwas im furchtlosen, offenherzigen Blick, in der Kopfhaltung, im warmen Lächeln, das Stephanies Lippen umspielte, gab ihr die Antwort.

»Ich bin so froh für dich«, sagte Jilly leise. »Willkommen im Club.«

»Wünsch mir Glück, Jilly«, bat Stephanie impulsiv. »Ich weiß, ich werde es brauchen. Greg ist – nun ja, er hat mir einiges voraus.«

Jilly lachte spitzbübisch. »Nachdem er dir diese Wäsche geschenkt hat, ist er sicher bereit, dir eine ganze Menge beizubringen. Mach dich darauf gefaßt.«

»Und heute nacht geht’s los!« rief Stephanie übermütig. »Oh, wo bleibt er denn bloß?« Im selben Augenblick ertönte am Gartentor das unverkennbare Dröhnen des Rolls Corniche.

»Wenn man vom Teufel spricht ...«, bemerkte Jilly. »Ich glaube, der Bräutigam ist eingetroffen.«

Kapitel 2

Bill McMaster wartete in der kühlen weißgetünchten Halle von Harper Mansion mit der Geduld eines Mannes, der schon größeren Ereignissen als diesem entgegengeblickt hatte. Aber er war nicht ans Warten gewöhnt, und es mißfiel ihm. Als Manager von Harper Mining und Stephanies Ersatzvater seit Max’ Tod hatte er heute Dienst, in beruflicher als auch privater Hinsicht. Er war bereits mit den ersten Gästen angekommen, um sicherzugehen, daß an diesem für Stephanie so bedeutsamen Tag alles wie am Schnürchen lief. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Abwesenheit des Bräutigams. Sein zerfurchtes Gesicht, das Erbe der Anfangsjahre draußen im Busch mit Max, zeigte höfliches Interesse, während er sich mit Hochzeitsgästen und Mitarbeitern unterhielt. Dabei verfluchte er sich selber, weil er nicht daran gedacht hatte, eine Harper-Limousine mit zwei kräftigen Burschen loszuschicken, um den säumigen Bräutigam rechtzeitig holen zu lassen.

Vorerst schien alles zu klappen. Bei seiner Ankunft hatte Bill festgestellt, daß die Vorbereitungen für das Hochzeitsfrühstück, das Arrangement der Geschenke, die Arbeitseinteilung für das Haus- und Zusatzpersonal unter der gestrengen Aufsicht Mateys, des Butlers von Harper Mansion seit urdenklichen Zeiten, reibungslos funktionierten. Einem Gerücht zufolge hatte Max ihn von der vorübergehend im Hafen von Sydney ankernden Jacht einer Adelsfamilie weggelockt. Nach einer anderen Version war Matey der Majordomus in einer vornehmen europäischen Residenz gewesen. Jedenfalls stammte er nicht aus Australien. Aber seine wahre Herkunft und Vergangenheit waren im Nebel der Zeiten versunken, seit Max ihn ins Harper Mansion geholt und ihm bei der Haushaltsführung völlig freie Hand gelassen hatte. Wie üblich war der Magnat von seiner Menschenkenntnis nicht getäuscht worden. Matey spielte eine würdige Rolle in der Harper-Legende und hatte sich sogar zu einem besonderen Markstein darin entwikkelt.

»Guten Morgen, Matey.« In echter Zuneigung schüttelte Bill die Hand des alten Mannes. Mit seiner breiten Feiertagskrawatte und der übergroßen Nelke im Knopfloch bewegte sich der Butler am Rande der Absurdität. Aber seine Haltung – untadelig wie immer – und seine Adleraugen bewahrten ihn vor der Lächerlichkeit.

»Oh, guten Morgen, Mr. McMaster. Wie geht’s da draußen?« Mit diesen Worten pflegte Matey den anderen Harper-Sitz zu bezeichnen, das Landhaus Eden, das er noch nie aufgesucht hatte und auch gar nicht kennenlernen wollte.

Bill grinste. »Danke Matey, alles bestens. Zumindest gewann ich diesen Eindruck, als ich letztesmal dort war. Heute steht uns ein großer Tag bevor.«

»Allerdings, Sir. Wir haben Ihre und Miß Stephanies Anweisungen getreulich befolgt, und vielleicht darf ich noch einige Maßnahmen erwähnen, die ich auf eigene Faust ergriffen habe. Vorsichtshalber habe ich das Doppelte der Champagnermenge, die der Partyservice empfohlen hatte, bestellt. Wir wollen doch nicht knausern, oder? Außerdem habe ich die Trauungszeremonie etwas weiter nach hinten in den Garten verlegt, wo das Brautpaar und die Gäste in der Mittagssonne mehr Schatten finden dürften. Sicher werden Sie feststellen, daß alles andere unter Kontrolle ist.«

»Wie immer, wenn Sie die Aufsicht führen, Matey. Sie sind ein wahres Wunder.«

»Danke, Sir. So ein Fest haben wir schon lange nicht mehr begangen, was? Und wir müssen doch der Tradition des Hauses Harper gerecht werden, nicht wahr? Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden ...«

Während der alte Mann davoneilte, erinnerte sich Bill an die letzte große Harper-Zeremonie. Keine von Stephanies Hochzeiten – die erste hatte in England stattgefunden, die zweite ziemlich überstürzt in Alice Springs, wo der Wissenschaftler zufällig gerade gewesen war ... Nein, Bill dachte an Max’ Begräbnis. Der ganze australische Norden hatte sich zu einer ungeheuren, tagelangen Totenfeier eingefunden.

Vor siebzehn Jahren ... Bill sah jene Ereignisse so deutlich vor seinem geistigen Auge, als wären sie erst gestern geschehen. Die lange Wartezeit in der getäfelten Bibliothek von Eden, wo man mit gedämpften Stimmen Konversation machte, um sich die Zeit zu vertreiben ... Und dann Stephanie, die wie ein Geist in der Tür stand, tapfer den Toast auf ihren toten Vater ausbrachte, zusammenbrach und schreiend aus dem Haus floh ... Stunden verstrichen, ohne daß sie zurückkehrte. Jim Gulley, Chef der Lokalpolizei, bekam es mit der Angst zu tun und wollte einen Suchtrupp losschicken. Er sprach mit dem Hauspersonal und erfuhr, Stephanies Pferd sei keineswegs ein zahmer Wallach, wie ihn die meisten jungen Damen ritten, sondern ein ungestümer, eigenwilliger Hengst. Falls er sie irgendwo in der nicht kartographierten Wildnis abgeworfen hatte, bestand kaum Hoffnung, daß man sie lebend finden würde.

Aber Katie, die Haushälterin von Eden, strafte Gulleys Sorgen mit höhnischer Verachtung. »King soll Effie abgeworfen haben? Sie kennen die beiden nicht so wie ich. Effie ist der einzige Mensch, der jemals ein Bein auf dieses Biest gekriegt hat. Sie ritt King selber zu, als er noch ein Fohlen war. Er läßt niemand anderen an sich ran, und wenn er Ihnen auch das Leben aus dem Leib treten würde – ihr frißt er aus der Hand«, fügte sie mit einem geringschätzigen Blick auf Gulleys umfangreiche Gestalt hinzu.

Während der lange Tag seinen Lauf nahm, wurde auch Bill unruhig. Aber er kannte Katie bereits sehr lange und wußte, daß sie für Stephanie – oder Effie, wie sie das Mädchen zu nennen beliebte – schon sorgte, seit Max aufgrund einer enorm schwierigen Geburt mit tragischem Ende des einzigen Menschen beraubt worden war, den er wirklich geliebt hatte. Das unerwünschte Kind war in Katies Obhut aufgewachsen, und sie hatte es mit der ganzen besitzergreifenden Zuneigung einer liebeshungrigen alten Jungfer überschüttet. Sie kannte Stephanie besser als sonst jemand auf der Welt, und Bill konnte nur hoffen, sie würde recht behalten.

Und so war es auch. Als die Abenddämmerung mit ihrer furchterregenden tropischen Plötzlichkeit über Eden hereinbrach, betrat Stephanie die Bibliothek, so gelassen, als wäre sie nur kurz in ihr Zimmer gegangen, um ein Taschentuch zu holen, mit erhobenem Kinn, jeder Zoll die Tochter ihres Vaters. Mit keinem Wort erwähnte sie ihren Nervenzusammenbruch, und Bill fragte auch nicht danach. Er war kein emotionaler Mann, aber er hätte weinen können vor Erleichterung – nicht nur, weil er eine wohlbehaltene Stephanie wiedersah, sondern weil er wußte, daß auch in Zukunft eine echte Harper-Persönlichkeit am Ruder von Harper Mining stehen würde. Steph, ein Mini-Max.

Natürlich lief nicht alles reibungslos. Stephanie besaß keine Erfahrungen und fürchtete sich vor der eigenen Courage. Max hatte sie zwar zu seiner Nachfolgerin bestimmt, aber nicht auf diese Rolle vorbereitet. Mühsam kämpfte sie sich durch Rechnungsbücher, Bilanzen, Gewinn- und Verlustaufstellungen – bleich vor Müdigkeit, eingeschüchtert von ihren enormen Pflichten. Bill, geduldig und stark, stand ihr stets zur Seite und beobachtete voller Stolz die Fortschritte seines Schützlings. Und sie vergalt ihm die monatelangen Anstrengungen und bewies, daß sie die väterlichen Talente geerbt hatte.

Und sie besaß noch etwas anderes, einen sechsten Sinn, den Bill zunächst nicht akzeptieren wollte, den er sich nicht erklären konnte. Ein unheimlicher Instinkt warnte sie vor Einbrüchen auf dem Aktienmarkt oder ungünstigen Geschäften, und wenn er sie mit Fragen bestürmte, antwortete sie nur, sie habe es »einfach geahnt«. Wieso, wußte sie nicht zu sagen. Er nannte es »weibliche Intuition«. Aber im stillen schrieb er es der Tatsache zu, daß sie auf Eden aufgewachsen war. Hier, in diesem weiten, offenen Land, hatte sie die Kunst erlernt, allein zu sein. Und nur in diesem Zustand vermochte man die winzige Stimme zu hören, die von den Geheimnissen des Daseins flüstert. Außerdem hatte sie viel Zeit mit den Ureinwohnern verbracht, war ihnen nahegekommen und teilte ihre mystische Verbundenheit mit der Natur und allen Lebewesen. Sie konnte so gut mit Tieren umgehen, und sie war stets eins mit der Schöpfung und der Luft, die sie atmete. Einen Teil dieser Fähigkeiten hatte sie in die Stadt mitgenommen – auch wenn sie auf unsensible Beobachter plump, unscheinbar und schüchtern wirkte.

Sie hatte nur eine einzige Schwäche, und Bill seufzte tief auf, als er sich nun daran erinnerte. Schaudernd dachte er an ihre zwei mißglückten Ehen und fuhr sich mit einem Finger in den Hemdkragen, während er überlegte, zu welchen Katastrophen diese Fehlschläge hätten führen können. Harper Mining war in beiden Fällen erstaunlich gut weggekommen. Die englische Adelsfamilie war so erleichtert über Stephanies Verzicht auf Unterhaltszahlungen gewesen, daß sie gar nicht daran gedacht hatte, ihrerseits zuzuschlagen. Und der Professor war trotz aller Gelehrsamkeit ein Dummkopf von der Hornbrille bis zu den vertrockneten Fingerspitzen. Er verachtete alle weltlichen Dinge, vor allem den Reichtum, und war entsetzt gewesen bei der Erkenntnis, daß er in Australiens größtes Privatvermögen eingeheiratet hatte. Beide Männer hätten, wären sie nur ein bißchen schlauer gewesen, Harper Mining empfindlich schaden können.

Würde die Firma jetzt in diese Gefahr geraten? Stephanies Entschluß zur heutigen Blitzheirat hatte Bill bis ins Mark erschüttert. Sein Mißtrauen war sofort erwacht. Als Mann von Welt hatte er in Steph eine sexuell desinteressierte, etwas übergewichtige Frau gesehen, die sich ihrem vierzigsten Geburtstag näherte und eine verzweifelte Unsicherheit im Umgang mit Männern bewies, sobald die Beziehungen den Geschäftsbereich überschritten. Was erwartete dieser Playboy? Bedrückt suchte er Trost und Rat bei Rina, einer mütterlichen, verständnisvollen Frau, auf deren Meinung er sich stets verließ.

»Vielleicht beurteilst du ihn falsch«, sagte sie. »Gib ihm eine Chance. Du weißt, wie warmherzig, stark, ehrlich und loyal sie ist Möglicherweise hat er diese Eigenschaften in ihr erkannt und liebgewonnen.«

Trotzdem konnte er sein Unbehagen nicht verdrängen ...

Jetzt, wo er den Rolls-Royce über die Auffahrt brausen hörte, fühlte er sich hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Ärger. Matey eilte zur Haustür, um den Mann zu begrüßen, der bald sein neuer Herr sein würde, und ihn zu dem schattigen Plätzchen im Garten zu führen, wo der Priester wartete. Bill durchquerte die riesige Halle und ging zum Fuß der Treppe. Dort lag Kaiser, Stephanies ergebener Schäferhund, und bewachte sein Frauchen. »Hallo, mein Junge. Steph kommt doch jetzt herunter, nicht wahr?«

Kaiser antwortete mit gedämpftem Knurren, dann spitzte er die Ohren und sprang sofort auf, als er Schritte im Oberstock hörte. Stephanie und Jilly stiegen die Stufen herab und lächelten Bill an.

»Steph, meine Liebe – du siehst zauberhaft aus.«

»Danke, Bill.« Zum erstenmal akzeptierte sie ein Kompliment, ohne Verlegenheit zu zeigen.

»Und du auch, Jilly. Willkommen zu Hause. Wie war die Reise?«

»Oh, sehr schön, danke.«

Stephanie nahm seinen Arm und zog ihn beiseite, außer Jillys Hörweite. »Hast du mir die Papiere zur Unterschrift mitgebracht?«

»Ja.« Bill zögerte kurz. »Aber ich muß dir sagen, daß der Aufsichtsrat alles andere als glücklich darüber war.«

»Ich habe auch nicht erwartet, daß sie Freudensprünge machen würden.« In solchen Augenblicken war sie eine echte Harper, hart und unnachgiebig. »Aber du hast es durchgedrückt. Alles andere interessiert mich nicht.«

»Du kannst dich immer auf mich verlassen, Stephanie ...« Wieder zauderte er.

»Nun, was hast du auf dem Herzen?« fragte sie gelassen. »Findest du, daß ich eine Vollidiotin bin?«

Sie waren unter einem Porträt von Max stehengeblieben, einer Kopie des Originals, das auf Eden die Erinnerung an ihn wachhielt. Bill spürte beinahe den Habichtsblick im Nacken und antwortete mit einem wehmütigen Grinsen: »Ich kenne keine Idioten namens Harper. Wenn du wolltest, könntest du Harper Mining und die anderen Firmen auch ohne meine Hilfe managen. Du hast alles gelernt, was ich dir beizubringen vermag, und du bist eine wahre Naturbegabung – auch wenn du’s nicht glauben willst. Du brauchst mich nicht.«

»Oh, doch!« entgegnete sie emphatisch. »Ohne dich hätte ich all diese Jahre nicht überstanden.« Sie lächelte ein wenig befangen. »Anscheinend brauche ich einen Mann, auf den ich mich stützen kann.«

»Vielleicht. Aber es wäre klüger – und diskreter gewesen, wenn du deinem künftigen Ehemann ein Privatkonto zur Verfügung gestellt und Harper Mining aus dem Spiel gelassen hättest. Der Aufsichtsrat ist völlig aus dem Häuschen, weil Greg Marsden ein Mitspracherecht in der Firma erhalten soll.«

»O Bill!« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Verstehst du mich denn nicht? Was glaubst du, wie sich ein Mann fühlt, wenn er von einem Taschengeld leben muß, das ihm seine Frau gibt? Mein Vermögen könnte Greg sogar daran hindern, mich zu heiraten.«

Wohl kaum, dachte Bill. Wie vertrauensselig und naiv du bist, Steph ...

»Mein Geld war in meinen früheren Ehen stets ein Problem«, fuhr sie fort. »Und ich möchte dieselben Fehler nicht noch einmal begehen. Greg soll von Anfang an finanziell unabhängig sein und sein eigenes Einkommen beziehen. Und es darf keinesfalls wie ein Almosen aussehen.« Ihre Augen funkelten gefährlich, das Kinn schob sich vor. Bill kannte diese Anzeichen.

»Schon gut, mach dir keine Sorgen. Greg steht auf der Gehaltsliste.«

Stephanie atmete auf. »Danke.«

»Es geht mir wirklich nur um dein Glück, Steph. Und wenn du meine Hilfe benötigst, brauchst du’s mir nur zu sagen.«

»Ich weiß.« Er neigte sich zu ihr, um sie zu küssen, aber bei ihren nächsten Worten erstarrte er. »Noch etwas, Bill. Ich habe über das alles nachgedacht, und ich glaube, ich bin noch nicht weit genug gegangen. Ich möchte Greg mit einem leitenden Posten betrauen. Er soll eine richtige Funktion erhalten, nicht nur ein paar Aktien und einen belanglosen Titel. Würdest du die erforderlichen Schritte in die Wege leiten?«

Bill blinzelte verblüfft und versuchte seinen wachsenden Zorn zu kontrollieren. Gleichmütig erwiderte sie seinen Blick. Das war Max’ Tochter, die ihn vor fast vollendete Tatsachen stellte. Seine Meinung war nicht gefragt und völlig überflüssig. Er zwang sich zu einem Lächeln, nickte und hauchte einen Kuß auf ihre Wange. »Überlaß das alles mir. Viel Glück, meine Liebe«, fügte er hinzu, dann wandte er sich ab.

Durch eine offene Tür sah er das Speisezimmer, wo lange weißgedeckte Buffets bereitstanden, beladen mit Speisen und Getränken für die Feier nach der Trauung. In der Halle waren die Geschenke aufgebaut, große und kleine, und durch die Wohnzimmerfenster konnte er in den schönen Garten schauen, wo der Bräutigam und die Hochzeitsgäste auf die Braut warteten. Jilly kam zu ihr, mit einem großen Bukett für Stephanie und einem kleineren für sich selbst. Schwerer Blumenduft erfüllte die Halle.

Die Bühne war bereit. Bill hatte das ohnmächtige Gefühl, daß die Ereignisse der Kontrolle gewöhnlicher Sterblicher entglitten und ihren vorbestimmten schicksalshaften Lauf nahmen. Und so beugte er sich dieser Macht und ergriff Stephanies Arm. »So, nun wollen wir dich verheiraten, meine Liebe.«

Warme, windstille Spätsommerluft lag über dem Garten. Vor kurzem war ein heftiger tropischer Regenguß erfolgt, und es hatte so ausgesehen, als müßte die Zeremonie im Haus stattfinden, in einem für so viele Gäste etwas beengtem Raum.

Doch der Regen war so schnell vorüber gewesen, wie er begonnen hatte, und nun schimmerten die Rasenflächen und blühenden Bäume wie frisch gewaschen. Mittag, die Hochzeitsstunde, war angebrochen, und die Sonne strahlte vom Zenit herab auf die Gäste, die – geschützt von schattenspendenden Bäumen – die milden, warmen Strahlen genossen.

Im Herzen dieses grünen Tempels stand Greg mit seinem Trauzeugen vor dem schlichten, improvisierten Altar. Zu seiner Rechten, jenseits des Gartens, lag der Hafen. Jachten kreuzten fröhlich umher oder schaukelten, näher beim Kai, an ihren Ankerplätzen. Weiter draußen spannte sich der große, glänzende Bogen der Harbour Bridge, zu beiden Seiten von der City flankiert. Eine Million-Dollar-Aussicht, dachte Greg zufrieden. Er liebte Sydney, und obwohl er mit dem Tennis Circuit um die ganze Welt gereist war, kannte er keine Stadt, die ihm besser gefallen hätte. Er blickte auf das glitzernde Wasser, und der kalte Zorn in seinem Innern, ein ständiger Begleiter seit seiner Kindheit, wurde besänftigt. In diesem Moment kam Greg Marsdens Seele ihrem Frieden so nahe, wie es ihr möglich war.

Der kleine Priester musterte ihn neugierig. Schon seit vielen Jahren nahm er Trauungen vor. Die Braut hatte sich schon oft verspätet – der Bräutigam niemals. In christlicher Resignation hatte er die Verzögerung erduldet, gestärkt von seinem Glauben, daß sich alles stets zum Guten wenden würde, und so war es auch gewesen. Jeden Augenblick würde nun die Braut mit ihrem Gefolge aus dem Haus treten und über den samtig glatten Rasen zu der Stelle gehen, wo der Bräutigam und die Gäste unter den Bäumen warteten. Daran zweifelte der Priester nicht, und er wünschte, er könnte ebenso sicher sein, daß dieser hübsche, arrogante Mann in geistiger und emotionaler Hinsicht auf die Ehe vorbereitet war. Lieber Gott, betete er stumm und aus aufrichtigem Herzen, hilf ihm, steh ihm heute bei, lenke seine Schritte. Danach unterzog er Greg einer erneuten Musterung. Der Bräutigam schien in Gedanken zu versinken, und die Stimmung des Priesters hob sich. Man wußte nie, wo sich die Gnade des Herrn zeigen würde. Er kannte viele Menschen, die ihre moralischen Pflichten und die Verantwortung einer Ehe erst vor dem Traualtar begriffen hatten. Geleitete der Allmächtige auch jetzt eines seiner verirrten Schafe zur Herde zurück?