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Nur schwer lässt sich erahnen, worin im Selbstverständlichen "Schwere-Fragen" bestehen könnten. Es wird darauf ankommen, von welchen Selbstverständlichkeiten hier zu reden ist. Die unbewusst von Geburt an gewohnte Wahrnehmung der Gegenstände in der näheren und dann weiteren Umgebung wollen wir hinterfragen. Denn wenn es hier doch schwer zu beantwortende Fragen gibt, wird Selbstverständliches oft fragwürdig. So liegt die unmittelbare Wahrnehmung oft im Widerspruch zu dem Wissen, das sich die Menschen seit der Antike bis in unsere Zeit erarbeiten konnten. Von den vier Grundkräften, die ein Physiker heute ganz abstrakt unterscheidet, ist die Schwerkraft diejenige, die wir von Geburt an wahrnehmen. Sie jedoch blieb bis heute die rätselhafteste. Von diesen "Schwerefragen", Fragen der Schwere, soll hier erzählt werden.
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Seitenzahl: 104
Veröffentlichungsjahr: 2020
Kleines Vorwort
Sternenhimmel mit Milchstraße
Der Morgenstern und die Mondsichel
Vom Gewicht der Dinge und der Schwerelosigkeit
Vom Wasser aufs Land gegen die Schwerkraft
Um uns eine riesige, leere Himmelsblase
Sonnenwärme und Sonnenlicht
Energiesammler in den Urozeanen
Mutter-Erde entsteht
Die Blätter der Pflanzen - Wunderwelt eines Blattkörpers
Zwischenspiel: Reaktionszyklen aus der Urzeit
Das Innenleben eines Blattes
Bäume wachsen nicht in den Himmel
Wirkungen und Ursachen der Schwerkraft
Ehrfurcht vor dem Leben auf unserer Erde
Der Blick in die Tiefe des Vergangenen
Epilog
Für Lasse, Jule und Piet stellvertretend für die Kinder dieser Erde
Nur schwer lässt sich erahnen, was im Selbstverständlichen „Schwere Fragen“ sein könnten. Wenn doch etwas selbstverständlich ist, wie sollte es dazu schwere Fragen, schwer zu beantwortende Fragen geben? Liegt darin nicht ein Widerspruch? Sachverhalte, die wir noch nicht wissen, fraglos übergangene Selbstverständlichkeiten, könnten jedoch neue Fragen hervorrufen. Wenn man einer Sache intensiver auf den Grund geht, wird Selbstverständliches oft fragwürdig.
Andererseits, alle Materie hat Schwere, hat Gewicht. Nach der Wirkung, aber auch nach der Ursache kann man fragen. Das werden dann buchstäblich Schwerefragen, Fragen zur Schwerkraft, genau genommen Fragen, warum ein Gegenstand überhaupt schwer ist, also ein mehr oder weniger großes Gewicht hat. Aus unseren Erfahrungen wissen wir, welche Körper leicht und welche schwer sind. Welche Gegenstände zu schwer sein werden um sie ohne Hilfe tragen zu können. Gehört es also zur Eigenschaft eines Körpers, welches Gewicht, welche Schwere er hat? Das ist wohl das unmittelbare Empfinden. So ähnlich dachten auch die Naturwissenschaftler bis zum Beginn der Neuzeit. Ein Körper könne nur durch unmittelbaren Kontakt hochgehoben, bewegt oder angetrieben werden. Bis in diese Zeit hinein war die über weite Räume reichende Fernwirkung der gravitativen Kräfte völlig unbekannt. Doch heute wissen wir, unter bestimmten Voraussetzungen gibt es auch Schwerelosigkeit, zum Beispiel in der Raumstation der ISS.
In diesem Buch werden Geschichten erzählt, in denen immer wieder von der Schwerkraft die Rede sein wird. Entweder spielt sie im Hintergrund mehr eine Nebenrolle, oder es geht ein anderes Mal direkt um die Wahrnehmung ihrer Wirkung. Für jeden von uns ist diese Kraft von Geburt eine solche Selbstverständlichkeit, dass wir sie kaum bewusst als solche wahrnehmen. Sie wurde überaus spät entdeckt, vor gut 300 Jahren, oder besser gesagt, als eine universal zwischen Massen wirkende Kraft erkannt. Ihre Ursache blieb bis in unsere modernen Zeit rätselhaft. Ihrem vielfältigen, allgegenwärtigen Wirken im vertrauten Erleben wollen wir auf die Spur kommen, auch in Orts- und Zeiträumen, die uns Menschen allgemein unzugänglich sind.
Einen Bezug haben die Erzählungen und Beschreibungen auf die Regelmäßigkeit und Berechenbarkeit der Stern- und Planetenbewegungen, denn hier fanden die Gesetze der Gravitation ihre eindeutige Bestätigung. Der Anfangserzählung liegt eine Sternenkonstellation zugrunde, die im November 2012 und eben auch ziemlich ähnlich zwei Jahre später zu beobachten war. Mit einem Computer-Planetarium kann sie leicht nachvollzogen werden. Die Gültigkeit des von Isaak Newton formulierten Gesetzes der Gravitation, das die universale Wirkung der Schwerkraft und der Körpermassen in und außerhalb unseres Erfahrungsbereiches so beschreibt, dass jede Bewegung genau berechnet werden kann, konnte ja vor allem nur durch die Himmelsmechanik des Planetensystems außerhalb der uns gewohnten Umgebung bestätigt werden. Jedes Planetarium ist in seiner Mechanik oder mit den im Computer hierfür verwendeten Algorithmen des Gravitationsgesetzes Sinnbild dieser Tatsache. Deshalb können die in den Kapiteln 1, 2 uns 13 beschriebenen Konstellationen heute noch nach über acht Jahren von jedem Computer mit Hilfe eines installierten Planetariums sekundenschnell und mühelos nachgestellt werden. Eine Sonnen- oder Mondfinsternis kann man deswegen auf die Sekunde genau vorausberechnen. Für Wettererscheinungen ist dies dagegen nicht möglich, wie eigentlich jedermann weiß.
Es war am Sonnabend des 10. November 2012. Unser Vorhaben an diesem Abend einen klaren Sternenhimmel zu beobachten, am Rande der ebenen Wattwiesen einer Nordseeinsel, fernab von jedem künstlichen Licht. Das war keine Selbstverständlichkeit in heutiger Zeit. Ein kleines Lagerfeuer vermittelte uns Geborgenheit. Vor eineinhalb Stunden sahen wir einen Sonnenuntergang, wie man ihn nur selten erleben kann, als der rotglühende, eigentlich exakt runde Ball elliptisch verformt hinter dem Horizont des Wattenmeeres versank. Einen Sternenhimmel unverfälscht von künstlicher Beleuchtung zu erleben, das war unser Ziel.
Es ist gerade 18.00 Uhr. Nun leuchten die ersten Sterne auf, zum Beispiel noch schwach die Sterne des großen Rechtecks des Pegasus im Südosten. Am klaren Südwesthorizont zeigt sich sogar noch das ruhige, rote Licht des Mars, unseres Nachbarplaneten, der der Sonne in diesem Monat mit fast zwei Stunden Abstand folgt. Unser bescheidenes kleines Feuer könnte dort, auf dem Mars gar nicht entfacht werden, auch auf keinem anderen Planeten unseres Sonnensystems.
So erwarten wir hier eine sternklare Nacht, wie wir sie aus der Zeit unserer Jugend in Erinnerung haben. Noch verbergen die Reste der Abenddämmerung das Band der Milchstraße.
Gut können wir jetzt einer Linie von Nordosten über den Zenit folgend die Sternbilder Großes W (Cassiopeia), Schwan und Adler erkennen. Hier muss auch in weniger als einer Stunde der Rand unserer Weltinsel als Lichtband erkennbar werden. Die Luft wird kühl. Nur von vorn spendet das Feuer etwas Wärme, eine über mehrere Jahre gespeicherte Sonnenwärme, die uns nun sehr willkommen ist, uns vor allem die Hände wärmt. Die Pyramide der Holzscheite sinkt in sich zusammen, weil die weiße Asche sehr leicht ist. Von keinem Luftzug gestört steigt der weiße Rauch zur Mitte des Himmels auf, als könnte er diesen irgendwie erreichen. Wir müssen nachlegen. Flammen züngeln aufwärts, blenden ein wenig unsere Augen. Die Welt um uns herum versinkt in Schwarz. Auf den Glanz des Nachthimmels haben wir hier gewartet.
Vom Feuer müssen wir zurücktreten in die völlige Dunkelheit, die Augen gewöhnen. Uns bietet sich nun ein überwältigender Anblick. Das silbergraue Band der Milchstraße spannt sich über den gesamten Himmel, vom südwestlichen bis zum östlichen Horizont. Das tiefschwarze Himmelszelt übersät mit einem unzählbaren Gewimmel von Sternen unterschiedlichster Leuchtkraft. Schwer fällt es uns sogar, in dem verwirrenden Gefunkel die uns eigentlich bekannten Sternbilder aufzufinden. Eine gute Hilfe bietet uns nun das den Himmel überspannende Band der Milchstraße, da uns die Sternbilder des Nordhimmels entlang dieses grauweißen Bandes einigermaßen bekannt sind. Dort, wo im Südwesten vor einer Stunde der rote Planet Mars unterging, finden wir nun die Sterne des Schützen. Von dort weiter der galaktischen Straße folgend den Himmel hinauf können wir den Adler erkennen, dessen hellster Stern Atair sozusagen den Ursprung für die beiden großen Schwingen bildet, die ihn weiter zu tragen scheinen zum Schwan, dem großen Kreuz des Nordens mit Deneb, seinem hellen Kopfstern. Über die unscheinbare Eidechse, fast ein zu kleines und unscheinbares "W", finden wir schließlich das bekannte, zu jeder Jahreszeit sichtbare Sternbild der Cassiopeia, das große "W". Diese "Straße" weiter verfolgend über die Sternengruppe des Perseus stoßen wir schließlich im Osten auf die sich ankündigenden Wintersternbilder Fuhrmann mit der hellen Capella und noch horizontnah den Stier, dessen Hörner noch längs der Horizontlinie zu liegen scheinen. Und dort, zwischen diesen Hörnern ein strahlender Stern mit auffallend ruhigem Licht. Es ist Jupiter, der größte Planet unseres Sonnensystems.
Dieser riesige Gasplanet wird als hellstes Nachtgestirn im kommenden Winter den Himmel beherrschen. All dies zeigt uns dieser klare Novembernachthimmel, etwa eine Stunde nachdem der rote Mars am westlichen Horizont versank. Dessen Licht brauchte etwa 18 Minuten um uns zu erreichen, weil er zur Zeit in weiter Entfernung jenseits der Sonne langsam seine Bahn zieht. Wir sehen den sehr hellen Jupiter im Südosten, dessen Licht schon mehr als eine halbe Stunde bis zu unseren Augen unterwegs war. Das Licht der helleren Nachbarsterne, die am Himmelszelt schon in der Dämmerung erkennbar wurden, war mindestens 5 Jahre und bis zu 100 Jahren zu uns unterwegs, also über eine gesamte mögliche Lebenszeit des Menschen. Das Licht des überwältigenden "Heeres" der glitzernden, kleineren Sterne, die wir bei diesem klaren Wetter sehen können, kommt oft erst nach tausenden von Jahren, das von der Milchstraße nach zehn- bist hunderttausend Jahren bei uns an. So schauen wir nicht hinauf an ein hohes "Himmelszelt", sondern tief hinein in die Vergangenheit des Universums. Licht erreicht uns aus Entfernungen, die sich überhaupt jedes menschlichen Maßes und jeder Vorstellungskraft entziehen müssen. Wir fragen uns, auf welchen Wegen wir Menschen zu einem Wissen gelangen konnten, das unsere eigene Vorstellungskraft übersteigt. Dies alles ist aber sichtbar für unsere Augen in einer klaren Nacht ohne Mondschein. Was wir so sehen können gehört zu der uns umgebenden Welteninsel, von denen es in unendlichen Entfernungen abertausende geben soll. Was aber hält diese unsere Welteninsel zusammen?
Die gleiche Kraft soll es sein, die uns hier auf dem Boden hält, auf dem wir stehen. So erleben wir Erde und Himmel in der vertikalen Schwerkraftlinie. Es erfüllt unser "Gemüt mit Bewunderung und Ehrfurcht: der bestirnte Himmel über uns [.....]", formulierte schon Immanuel Kant beim Blick von unten nach oben. Von den unermesslichen Dimensionen des Weltraumes konnte er noch nichts wissen. Lediglich die Planeten, vor allem der Mond und auch die Sonne bewegen sich in Entfernungen, und sie werden in diesen gehalten, für deren Maße wir noch eine gewisse Vorstellungskraft besitzen. Sie bestimmen die uns vertrauten Zeitmaße unserer Tage, Monate und Jahre.
Nun wird uns kalt. Für uns, die wir uns für den Sternenhimmel begeistern können, eine vertraute Erfahrung. Doch zurück müssen wir, uns an der verbliebenen Glut wärmen, noch ein paar kleine Scheite nachlegen. Kleine, helle Flammen lodern auf, der Sauerstoff der frischen, kühlen Luft gibt ihnen Nahrung. Alles, was lebt, ob schlafend oder wachend, braucht ihn als ständige Nahrung um weiter leben zu können, um Lebensenergie zu tanken. Selbst die Blätter aller Pflanzen brauchen ihn nun, um weiter Energie für die vielfältigen Stoffwechselprozesse bereit zu stellen, solange das Sonnenlicht fehlt. Nur im ständigen Fluss der Energie schreitet das Leben fort. Mit Immanuel Kant müssten wir sagen: “Die Vernunft entrüstet sich bei dem Gedanken, all das dem Zufall zuzuschreiben."
Doch in unserer Zeit sind wir der Gefahr ausgesetzt, diese Natur zu verdrängen, sie unserer Gleichgültigkeit und Ignoranz auszusetzen. Die künstliche, virtuelle Menschenwelt verdeckt diese einmalige Welt des Lebens und der Gestirne, doch nur in dieser können wir leben. Nein, noch haben wir es hoffentlich nicht vergessen, auch nicht in heutiger Zeit, dies Selbstverständliche; diesen Himmel über uns und diese Erde, auf der wir staunend stehen; dieses Feuer, Wärme aus dem Ursprung des immer strömenden Sonnenlichtes, dieses Gleichmaß von Tag und Nacht, das unsere Zeit bestimmt.
Nach all dem Erleben drängt es uns aber in unsere Zelte, in die warmen Schlafsäcke. Vorher ist noch das Feuer zu löschen. Die letzte Glut zischt auf unter dem kleinen Wasserschwall, den wir in einem Eimer bereitgestellt hatten. Noch die Scheite auseinander ziehen, damit kein Glutherd verbleibt, und eine Feuerwache sich erübrigt. Wir wollen wieder früh heraus, kurz vor 5 Uhr, um den Aufgang des hellen Morgensterns, der Venus und dann die ganz schmale Mondsichel zu erleben.
Dunkel ist es noch. Schlaf aus den Augen reiben, die Gedanken ordnen, die Freunde wecken. Ach ja, den Mondaufgang gleich in der Nachbarschaft des Morgensterns erwarten wir. Jetzt aufstehen, das ist keine Selbstverständlichkeit. Ist es denn schon soweit? Die Leuchtziffern der bereitgestellten Uhr bestätigen: Es ist kurz vor halb fünf. Jetzt aus dem warmen Schlafsack in die noch kalte Morgenluft. Das kostet doch einige Überwindung. Vielleicht reicht es, den Zeltverschluss zu öffnen. Wir haben ja mit Vorbedacht den Eingang nach Osten ausgerichtet.
Dicht am Boden einige Nebelschwaden. Zum Glück ist der Blick zum Horizont einigermaßen frei. Eine Handbreit darüber erblicken wir das trapezförmige Sternbild des Löwen, als stiege es hinauf im Himmelsgewölbe. Etwas weiter nach Nordosten hin sendet Arktur im Bärenhüter sein Licht zu uns. 36 Jahre war das Licht, das wir sehen zu uns unterwegs. Wir können in unsern Schlafsäcken ein wenig warten, müssen uns nicht erheben. Unaufhaltsam rollt der Erdplanet gegen den Uhrzeigersinn gen Osten, lässt scheinbar die Sterne dort aufgehen. Es ist ja noch vor 5 Uhr, früher Morgen. Hell strahlt im Osten als Morgenstern die Venus etwa eine Handbreit über dem Horizont mit ihrem ruhigen, silberweißen Licht. Rechts davon sehen wir die noch schmale Mondsichel etwas höher über dem Horizont. Mond und Venus leuchten wie Partner am Morgenhimmel.