Im Spannungfeld von Ökonomie und Ethik - Cornelius Keppeler - E-Book

Im Spannungfeld von Ökonomie und Ethik E-Book

Cornelius Keppeler

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Beschreibung

Jeder Umgang mit Menschen steht unter einem ethischen Anspruch, der jedoch stets in Konflikt mit anderen Zielen gerät. Besonders deutlich zeigt sich dies im Bereich der Wirtschaft. Die in diesem Buch zusammengestellten Beiträge beschäftigen sich zunächst mit Personalführung aus den Perspektiven des Vorgesetzten und des Mitarbeiters, um dann prinzipiell nach der Ethik des ökonomischen Paradigmas zu fragen.

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Cornelius Keppeler

Im Spannungfeld von Ökonomie und Ethik

Orientierungen für eine gelingende Personalführung und eine grundsätzliche Anfrage

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einführung

Perspektivische Personalführung auf anspruchsvollen Anwendungsfällen

»Eine gute Führungsperson verhält sich wie ein Bauer«

»Sich führen lassen – eine Kunst«

Das Zinsverbot als Stachel im Fleisch der Wirtschaft?

Impressum neobooks

Einführung

Im Spannungsfeld von Ökonomie und Ethik

Orientierungen für eine gelingende Personalführung und eine grundsätzliche Anfrage

Cornelius Keppeler

Dem modernen westlichen Paradigma der Wirtschaft, wie es durch Adam Smith begründet wurde, liegt unter anderem das Prinzip der Aufwand/Nutzen-Relation zugrunde. Dieses führt dazu, dass für Entscheidungen ausschließlich erhebbare Kennzahlen die Grundlage sind und als Ziel des Handelns eine höhere Wirtschaftlichkeit erreicht werden soll. Unter »Wirtschaftlichkeit« werden dabei eine hohe Produktivität, eine hohe Effizienz, eine hohe Rendite und eine hohe Innovationskraft verstanden. Der Mensch scheint dabei gar nicht mehr vorzukommen – jedenfalls nicht in prominenter Rolle. Je mehr die Ökonomie den Menschen als ihren eigentlichen Bezugspunkt aus den Augen verliert, desto mehr rutscht sie in eine Selbstbezüglichkeit ab. Der Prozess dieser Ökonomisierung führt sogar so weit, dass sich dieses Denken auf andere Gesellschaftsbereiche überträgt.1

Dass der Mensch, der als Person über eine „unantastbare Würde“2 verfügt, nicht auf einen Faktor unter anderen reduziert werden darf, ruft die katholische Kirche in Erinnerung, wenn sie auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil den Menschen als „Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen“3 qualifiziert. Daraus ergeben sich zwei grundlegende Konsequenzen. Zum einen wird dadurch allen gesellschaftlichen Institutionen, wozu auch die Wirtschaft gehört, ein Dienstcharakter zugewiesen. Zum anderen erhält der Mensch in seinen unterschiedlichen Rollen innerhalb der verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Prozesse einen spezifischen Charakter. Da der Mensch als Person in diesen Prozessen beteiligt ist, erhalten sie eine ethische Dimension. Rekurrierend auf Immanuel Kant und seinen kategorischen Imperativ ist nur der Mensch Selbstzweck.4 Wirtschaftliche Aktivität sollte demzufolge nur Mittel dafür sein, dass die daran beteiligten Menschen „mehr Mensch“5 werden; sie darf niemals Selbstzweck werden.

Innerhalb des ökonomischen Horizonts sind personale Würde und die damit verbundenen Kategorien wie Freiheit, Solidarität oder Liebe unverständlich, weil sie anhand von Kennzahlen nicht gemessen werden können. Da der ökonomische Blick dafür blind ist, bleiben sie in einer Wirtschaft, die nicht mehr am Menschen ausgerichtet ist, sondern zum Selbstzweck mutierte, ausgeblendet. Dadurch würde das Wirtschaftsgeschehen insgesamt inhuman, weil das spezifisch Menschliche übersehen wird.

Damit die Ökonomie jedoch menschlich bleibt, sind ihr durch die Ethik Grenzen zu setzen. Dort, wo der Mensch nicht nur als Ressource oder Funktionsträger, sondern als Person betrachtet und behandelt wird, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die Art und Weise der Personalführung. Wie solch eine Führung, die sich an den Prinzipien der katholischen Soziallehre orientiert, aussieht und wie sie sich auch in herausfordernden Führungskontexten bewähren kann, zeigt der erste Beitrag dieses Buches.

Dass eine gute Personalführung keine abstrakte Gedankenspielerei sein muss, sondern sich zu ihren Erfolgsfaktoren überraschende Parallelen in anderen Zusammenhängen finden lassen, demonstriert der zweite Artikel.

Der dritte Text wechselt die Perspektive und nimmt den Geführten in den Blick. Er führt vor Augen, dass dieser nicht nur das Objekt von Personalführung ist, sondern dass er ein autonomes Subjekt innerhalb einer intersubjektiven Führungsbeziehung darstellt. In dieser Sichtweise ist er dem Vorgesetzten nicht ohnmächtig ausgeliefert. Vielmehr ist er in der Lage, durch eigene »Führungsinterventionen« sich und seinen Chef zu steuern. Zuletzt wird eine prinzipielle Anfrage an das Selbstverständnis der Ökonomie gestellt. Anhand verschiedener Interpretationsmöglichkeiten des biblischen Zinsverbots wird das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ethik verdeutlicht. Dabei zeigt sich, dass »Wirtschaftsethik« im wortwörtlichen Sinn ein hölzernes Eisen ist, weil Ökonomie und Ethik unterschiedlichen Kategorien angehören. Da sich Ethik nicht ökonomisch verrechnen lässt, bleibt das Verhältnis zwischen beiden spannend.

1 Vgl. Rosa, Hartmut, Unverfügbar, Berlin 2020, 14f.

2 Art. 1 GG.

3 Gaudium et spes, Nr. 25.

4 „Handle so, dass Du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel gebrauchst“, Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga 1785, 429.

5 Laborem exercens, Nr. 9 (3).

Perspektivische Personalführung auf anspruchsvollen Anwendungsfällen

Wie die katholische Soziallehre hilft, die Herausforderungen des Führungsalltags zu bewältigen

(Bereits erschienen in: Trierer Theologische Zeitschrift 123 (2014) 322-341.)

Der Personalführung kommt aktuell eine immer größere Bedeutung zu. Dies liegt neben der veränderten Arbeitsmarktsituation – als Stichworte seien der demographische Wandel und der »war of talents« genannt – primär an dem veränderten Selbstverständnis der Mitarbeiter. Aufgrund ihrer fundierten Ausbildungen, die nicht nur fachliche Inhalte, sondern auch Methodenkompetenz vermitteln und auf persönliche und soziale Entwicklung wertlegen, verfügen die heutigen Arbeitnehmer über ein Selbstbewusstsein, mit dem sie eine Arbeitsstelle beanspruchen, auf der sie sich selbst verwirklichen können und wo sie ihre Arbeit als sinnvoll erleben. Diese Veränderung hat für die Unternehmen grundlegende Auswirkungen, wenn sie für neue Mitarbeiter attraktiv sein möchten oder sie ihre Beschäftigten an sich binden wollen. Dabei sind Vergütungssystematik, Karriereaussichten oder Arbeitsplatzgestaltung sicher von großer Bedeutung, den entscheidenden Faktor hierfür stellt jedoch die Beziehung zum direkten Vorgesetzten dar.1 Dieses Verhältnis beginnt nicht erst mit dem ersten Arbeitstag, sondern bereits mit dem Recruiting, welches man als »Ouvertüre« des Führungsprozesses bezeichnen kann. Denn in den Bewerbergesprächen präsentiert sich das Unternehmen und wirbt mit der Möglichkeit der Umsetzung von Ideen, mit der persönlichen wie fachlichen Weiterentwicklung oder mit Raum für Selbstverwirklichung. Darüber hinaus wird über den genauen Zuschnitt des Aufgabengebietes und den Umfang des Verantwortungsbereiches gesprochen. Alle diese Rahmenbedingungen haben den Charakter von Versprechungen, die der direkte Vorgesetzte dann aus Sicht des neuen Mitarbeiters im Alltag einlösen soll. Gelingt ihm das nicht oder unvollständig, führt dies zu Frustration, Vertrauensverlust sowie Reduktion der Bindung und Loyalität. Durch das gestiegene Ausbildungsniveau der Belegschaft und das damit verbundene ausdifferenzierte Kompetenzprofil jedes Einzelnen kann es sich ein Unternehmen nicht nur auf Führungspositionen, sondern im allgemeinen Umgang mit den Beschäftigten nicht leisten, Mitarbeiter in ihrer Potenzial- und Leistungsentfaltung zu bremsen. Für die Gestaltung einer Personalführung, die sowohl diesen Rahmenbedingungen wie auch dem modernen Mitarbeitertypus entspricht, bietet die katholische Soziallehre1 mit ihren vier Prinzipien – Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit – ein stabiles Fundament.

1 „Wenn Mitarbeiter kündigen, dann kündigen sie nicht ihrem Unternehmen, sondern ihrem unmittelbaren Vorgesetzten“, Rohrhirsch, Ferdinand, Zur Bedeutung von Wert und Würde in der Selbst- und Mitarbeiterführung, auf: www.stmgp.bayern.de/pflege/fachtage/doc/ftfl-rohrhirsch.pdf, abgerufen am: 17.04.2014, 1.

2 Vgl. Nell-Breuning, Oswald von, Katholische Soziallehre, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 3, Freiburg 71987, 349-363.

1. Die vier Prinzipien der katholischen Soziallehre als Grundlage für eine »Perspektivische Personalführung«

Die Personalität1 ist das Kardinalprinzip der katholischen Soziallehre, auf das sich die drei anderen Prinzipien beziehen. Darin drückt sich zum einen aus, dass – wie die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils formuliert – die menschliche Person „Wurzelgrund (…), Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist und [sein]muß“2, zum anderen, dass die weiteren Prinzipien erst mit ihrem Bezug auf das Personalitätsprinzip ihre ethische Dignität erreichen.3 Während die katholische Soziallehre grundsätzlich ihre Aussagen philosophisch begründet, um mit ihr »alle Menschen guten Willens« ansprechen zu können,4 gehört zur christlichen Anthropologie die zentrale schöpfungstheologische Aussage, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist (vgl. Gen 1,26-28). Hieraus leiten sich die den Menschen kennzeichnenden Charakteristika Wahrheitsfähigkeit, Transzendentalität, Freiheit und Gewissen ab. Der Personenbegriff ist jedoch nicht einseitig individualistisch geprägt, sondern erscheint ausbalanciert, da er stets die Dimension der socialitas mit umfasst.5 Daher gehört zur Personalität im Verständnis der katholischen Soziallehre auch die Leiblichkeit und daraus resultierend das Mitsein und die Sprache. Wie realistisch das der Soziallehre zugrundeliegende Menschenbild ist, zeigt sich daran, dass die Grenzen der Leiblichkeit wie Alter, Krankheit und Tod oder die Schuld (als sich verfehlende Freiheit) nicht ausgeblendet werden.

Nach dem Menschenbild der katholischen Soziallehre gehört zum Personsein wesenhaft das Miteinander mit anderen Personen. Während beim Personalitätsprinzip das Individuum im Fokus steht, legt das Solidaritätsprinzip6 den Schwerpunkt auf die zwischenmenschlichen Strukturen und die daraus resultierende Verantwortung. Der Begriff der Solidarität, wie er sich in der Folge der Französischen Revolution herausgebildet hat und in der katholischen Soziallehre jenen des Solidarismus verdrängte, mag schillern, als Seinsprinzip prägt er jedoch eine spezifische Bedeutungsgestalt aus.

Solidarität ist nur zwischen Personen möglich.Die Solidarität ist wesenhaft an das Personsein gebunden und ist Ausdruck der „wechselseitige[n] Bezogenheit der Personen untereinander und auf die gesamte Gesellschaft, woraus sich dann zugleich die gegenseitige Verpflichtung zum Mit-sein, zur wechselseitigen Achtung der Menschenwürde ergibt.“7

Solidarität ist universell zu begreifen. Aufgrund der Gottebenbildlichkeit des Menschen ist ihm eine Würde eigen, die eine grundsätzliche Verweigerung von Solidarität ausschließt. Die faktische Ungleichheit der Menschen ist demnach Anlass und Grundlage, um Solidarität zu üben.

Solidarität setzt eine konkrete Gemeinsamkeit voraus.Während das personale Gegenüber die Voraussetzung für Solidarität ist, so braucht es zudem eine konkrete Situation, in der sich solidarisches Handeln aufdrängt. Solidarität kann daher verstanden werden als „das Sich-Zusammen-Tun im Hinblick auf ein gemeinsames Interesse (…), sei es ein Nutzen oder eine Not, sei es eine gemeinsame Aufgabe oder Freude.“8

Solidarität ist auf Gemeinwohl hin orientiert. Die Perspektive wahrer Solidarität ist das Gemeinwohl, welches „nicht die Summe aller Werte beinhaltet, sondern nur jener Werte, die Voraussetzung dafür sind, dass alle ihre Werte verwirklichen können.“9 Solidarisches Handeln darf also nicht mit Gruppenegoismus verwechselt werden, in dem sich Menschen mit gleicher Interessenlage im Konflikt gegen andere »solidarisieren«, um sich Vorteile zu verschaffen. Solidarität ist Ausdruck einer personalen Verpflichtung innerhalb einer Gemeinschaft und niemals Methode zur Stärkung der eigenen Gruppe nach außen.

Solidarität versteht Hilfe als Hilfe zur Selbsthilfe.DasSolidaritätsprinzip verpflichtet nicht nur den Stärkeren den Schwächeren zu unterstützen, sondern fordert vom Schwächeren Aktivität, seine prekäre Situation zu überwinden.10 Solidarische Hilfe kann daher nur subsidiär, also als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden werden, die die Eigenverantwortung wach hält und stärkt.

Solidarität steht im Spannungsfeld von Freiwilligkeit und institutionalisierter Forderung.Der Charakter interpersonaler Beziehungen hat massive Auswirkungen auf das Verständnis von Solidarität. Denn ist die Beziehung durch Liebe (emotional) geprägt, so ist die Solidarität eine freie und selbstverständliche Reaktion. Ist dagegen die Beziehung gesellschaftlich (rational) begründet, steht solidarisches Handeln unter der Maßgabe der Gerechtigkeit und ist einforderbar. Dass dabei eine freiwillig geübte Solidarität, die sich auf eine konkrete Person bezieht, eine ganz andere Qualität aufweist als eine über Institutionen anonym verwaltete Solidarität (z.B. Leistungen des Sozialstaates), versteht sich von selbst.

Das Subsidiaritätsprinzip11, das sich in seiner klassischen Formulierung in der Enzyklika Quadragesimo anno findet,12 spielt für die katholische Soziallehre eine besondere Rolle, weil es in der Außenwahrnehmung als ihr spezifisches Erkennungsmerkmal gilt. Interessant dabei ist die Tatsache, dass es „expressis verbis als sozialphilosophischer Grundsatz eingeführt [wird].“13 Diesem Prinzip kommt demnach in allen gesellschaftlichen Gebilden Gültigkeit zu, ohne dass es hierzu einer gesonderten theologischen Begründung bedarf. Es fungiert als eine „Kompetenzbegrenzungsregel“14 für intermediäre Gruppen und den Staat, nach der grundsätzlich der Einzelperson die Entscheidungskompetenz in ihren Angelegenheiten zukommt und die übergeordneten Ebenen nur Aufgaben übernehmen dürfen, wenn die Einzelperson nicht in der Lage ist, diese selber zu erledigen. Auf der anderen Seite sieht der Subsidiaritätsgedanke vor, dass „die umfassenden Gemeinschaften (…) sich in den Dienst der je kleineren Sozietäten zu stellen und Rahmenbedingungen zu schaffen [haben], die deren Funktionsfähigkeit fördern.“15 Bei auftretenden Kompetenzkonflikten bildet der individuelle Mensch den entscheidenden Maßstab, so dass „keine zwangsläufige Priorität der kleineren gegenüber den größeren sozialen Einheiten [besteht].“16