Immer Ärger mit der Famiglia - Beate Boeker - E-Book
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Immer Ärger mit der Famiglia E-Book

Beate Boeker

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Familie Mantoni unter Mordverdacht Carlina und Commissario Stefano Garini sind gerade erst zusammengezogen, da wird Lucio, der frisch gebackene Ehemann von Carlinas Cousine, in einer kompromittierenden Situation gefunden: Er liegt bewusstlos in den Armen einer erstochenen Prostituierten. Als Stefano ihn befragt, kann Lucio sich an nichts erinnern. Wieder einmal gezwungen, gegen die Mantonis zu ermitteln, gibt der Commissario sein Bestes, um einen Beweis für Lucios Unschuld zu finden. Doch mit jedem neuen Indiz zieht sich die Schlinge um Lucios Hals nur noch enger zu. Dabei hilft es auch nicht, dass die Familienoberhäupter, Tante Violetta und Onkel Teo, an einer neuen Geschäftsidee arbeiten, die sie in der Mordnacht zufällig direkt zum Tatort treibt … 

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Immer Ärger mit der Famiglia

Die Autorin

BEATE BOEKER ist neben ihrem Beruf als Autorin Betriebswirtin mit internationalem Schwerpunkt, arbeitet im Marketing und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Deutschland. Der erste Roman der USA Today Bestseller-Autorin wurde 2008 vom Verlag Avalon Books in New York veröffentlicht. Heute ist eine große Auswahl ihrer romantischen Komödien, Krimis und Kurzgeschichten auf Englisch verfügbar. Ihre Bücher wurden für viele Auszeichnungen nominiert, z.B. den Golden Quill Contest, den National Readers' Choice Award und den Best Indie Books. Obwohl sie Deutsche ist, entschied sie sich, zunächst nur auf Englisch zu schreiben, weil sie in den USA mehr Hilfe bei der Entwicklung ihrer schriftstellerischen Fähigkeiten fand. Inzwischen schreibt sie sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch.

Das Buch

Familie Mantoni unter Mordverdacht

Carlina und Commissario Stefano Garini sind gerade erst zusammengezogen, da wird Lucio, der frisch gebackene Ehemann von Carlinas Cousine, in einer kompromittierenden Situation gefunden: Er liegt bewusstlos in den Armen einer erstochenen Prostituierten. Als Stefano ihn befragt, kann Lucio sich an nichts erinnern. Wieder einmal gezwungen, gegen die Mantonis zu ermitteln, gibt der Commissario sein Bestes, um einen Beweis für Lucios Unschuld zu finden. Doch mit jedem neuen Indiz zieht sich die Schlinge um Lucios Hals nur noch enger zu. Dabei hilft es auch nicht, dass die Familienoberhäupter, Tante Violetta und Onkel Teo, an einer neuen Geschäftsidee arbeiten, die sie in der Mordnacht zufällig direkt zum Tatort treibt …

Beate Boeker

Immer Ärger mit der Famiglia

Aus dem Amerikanischen von Beate Boeker

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei MidnightMidnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinApril 2021 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021© Beate Boeker 2019Titel der englischen Originalausgabe: Tricky DeathUmschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95819-308-6

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Über die Autorin

Leseprobe: Hochzeitstorte mit Todesfall

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Das schrille Klingeln an der Tür riss Carlina aus ihren Träumen. Sie fuhr hoch und sprang aus dem Bett, bevor sie überhaupt wusste, wie ihr geschah, nur von einem einzigen Gedanken getrieben: »Mamma ist etwas zugestoßen!«

Ihre instinktive Reaktion war ganz natürlich: Wenn es mitten in der Nacht an der Tür klingelte, musste eine Katastrophe passiert sein. Und wenn es um eine Katastrophe ging, war es nur logisch, dass ihre Mutter mittendrin steckte.

Ihre nackten Füße berührten die Terrakottafliesen. Sie fühlte die Kälte der Aprilnacht nicht, aber ihr Kreislauf war durch die schnelle Bewegung überfordert, sodass sie sich für einen Augenblick am Regal festhalten musste. In ihrem Kopf drehte sich alles und kleine Sternchen erschienen vor ihren geschlossenen Augen. In diesem Augenblick stellte sie etwas fest, das sie sofort hätte bemerken müssen: Ihr Mann Stefano befand sich nicht im Raum. War er schneller aus dem Bett gewesen, seine Reaktionen durch all die Jahre bei der Kripo in Florenz trainiert?

Es klingelte erneut.

Carlina zuckte zusammen. Vielleicht war es gar nicht mamma an der Tür. Vielleicht hatte Stefano die Wohnung aus irgendeinem Grund verlassen und den Schlüssel vergessen? Sie schnappte sich einen Bademantel, warf ihn über und ging zur Tür. Im Vorbeigehen bemerkte sie die Zeit, 2.15 Uhr morgens. Furchtbar.

Sie war noch im Flur, als sie hörte, wie die Haustür geöffnete wurde. Dann sprach Stefano beruhigend auf jemanden ein. Also war es doch mamma. Sie eilte zur Tür und blieb erstaunt stehen, als sie Stefano in Schlafanzughosen sah, der die Tür für ihre Cousine Emma aufhielt.

Emmas normalerweise perfekte Frisur war völlig verwüstet, Tränen strömten ihr über das Gesicht und sie hielt ihr Baby an sich gedrückt, als ob jemand ihr das Kind entreißen wolle.

»Emma!« Auf einmal war Carlina hellwach. Sie lief auf ihre Cousine zu. »Ist etwas mit der kleinen Zoe?«

»Nein, nein.« Emma jammerte laut auf. »Es ist Lucio. Er hat mich verlassen.«

Carlina warf Stefano einen entsetzen Blick zu. »Blödsinn, Lucio betet dich an. Ihr seid doch noch nicht mal zwei Jahre verheiratet.«

Emma unterdrückte einen Schluckauf. »Er betet mich nicht mehr an. Er … er …«

»Komm erst mal rein.« Stefano legte eine Hand auf Emmas Schulter und zog sie sanft in die Wohnung, dann schloss er die Tür hinter ihr. »Es ist kalt, und du musst dich erst mal hinsetzen.«

Carlina blickte ihn dankbar an. Er schaffte es, immer ruhig und ausgeglichen zu bleiben, sogar wenn ihre Familie hysterische Anfälle bekam. Heute hatten sie allerdings ein neues Niveau erreicht. Bis jetzt waren noch nie Mantonimitglieder mitten in der Nacht in die Wohnung gestürmt.

Sie nahm ihre Lieblingsdecke aus falschem Leopardenfell und wickelte sie um Emmas Schultern. Dann gab sie ihr ein Taschentuch, setzte sich neben sie und tätschelte ihr Knie, während sie versuchte, einen Blick auf das Baby zu erhaschen. Das Gesicht der kleinen Zoe war kaum sichtbar, so sehr war sie eingewickelt, aber sie schien ganz friedlich zu schlafen.

Carlina seufzte erleichtert, dann wandte sie sich ihrer Cousine zu. »Nun erzähl erst mal.«

Stefano setzte sich ihnen gegenüber und hörte konzentriert zu, während sein forschender Blick auf Emma ruhte.

»Ich … ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.« Emma schluckte.

»Fang ganz am Anfang an.« Stefanos Stimme war ruhig. »Und dann erzählst du alles bis zum Ende.«

»Der Anfang.« Emmas Gesicht zuckte. »Ich glaube, es begann mit Zoes Geburt.«

»Ja?« Carlina lächelte ihr ermutigend zu.

»Na ja, es hat Lucio wirklich schockiert. Die Geburt, meine ich. Die Schmerzen. Als es vorbei war, hat er gesagt, dass er mich nie wieder so einer Tortur aussetzen möchte.«

Carlina schluckte. »Das lag daran, dass er sich solche Sorgen um dich gemacht hat. Er liebt dich so sehr, und es war ja nun wirklich keine einfache Geburt.«

Emma schloss die Augen. »Das habe ich auch zuerst gedacht, und ich fand, es war so lieb von ihm. Aber dann begann Zoe mit ihren … ihren Anfällen.« Sie hob ihren tragischen Blick zu ihnen. »Warum muss sie jeden Tag von fünf bis neun weinen?«

Carlina fühlte sich unwohl. Sie war keine Baby-Expertin, aber sie hatte Zoes Weinen sogar durch die dicken Wände zum Nachbarhaus hin gehört. Die Mantonis hatten schon alle möglichen Lösungen diskutiert, doch egal, was Emma ausprobierte, es half nichts. »Sie wird bestimmt damit aufhören, wenn sie drei Monate alt ist.«

»Aber sie ist erst drei Wochen alt, und ich drehe jetzt schon durch!« Emmas Gesicht zuckte. »Ihr habt keine Ahnung, wie das wirklich ist. Und jetzt hat Lucio mich verlassen, und ich bin ganz alleine mit ihr.«

»Warum denkst du, dass Lucio dich verlassen hat?« Stefanos Stimme klang ruhig.

»Weil er heute Nacht nicht nach Hause gekommen ist.«

Carlina setzte sich aufrecht hin. »Aber das ist doch kein Grund, anzunehmen, dass er dich verlassen hat. Vielleicht hatte er einen Unfall!«

»Nein.« Emma schüttelte den Kopf. »Ich fühle es. Er hat mich verlassen. Ich habe die Anzeichen gesehen.«

»Was für Anzeichen?« Carlina starrte ihre Cousine an. Ein Unfall war viel wahrscheinlicher. Sie sollten jetzt eigentlich die Krankenhäuser anrufen, anstatt hier herumzusitzen und zu jammern.

»Er … er hat mir immer wieder gesagt, dass er länger arbeiten muss.«

»Aber das ist doch nicht immer ein Anzeichen dafür, dass ein Mann untreu wird.« Carlina fuhr sich mit beiden Händen durch die Locken. »Er hat seinen neuen Job erst einige Wochen vor Zoes Geburt angetreten, also muss er sich etablieren und einen guten Eindruck hinterlassen.«

Emma schüttelte den Kopf. »Das dauert aber nicht bis Mitternacht.«

»Manche Geschäftsessen können so lange dauern«, sagte Stefano.

Carlina lächelte ihn an. Er sah entschieden sexy aus mit seinem verwuschelten Haar und seinem nackten Oberkörper. Seine Schlafanzughose war aus dunkelblauer Seide, ein Geschenk aus ihrem Unterwäschegeschäft Temptation. Sie stand ihm ziemlich gut. Mühsam riss sie ihre Gedanken von ihrem Mann los und konzentrierte sich wieder auf Emma.

»Das sind keine Geschäftsessen!« Emmas Stimme wurde lauter und die kleine Zoe jammerte leise im Schlaf. Emma küsste sie vorsichtig. »Er hat mir gesagt, dass er mit wichtigen Interessenten in Nachtclubs gehen muss. Mindestens zweimal pro Woche!«

»In Nachtclubs? Geschäftlich?« Carlina blinzelte.

»Ja. Das ist doch ziemlich unwahrscheinlich, oder? Und dann, kaum dass Zoe geboren war, musst er plötzlich noch länger arbeiten und jetzt ist er nur noch ganz selten Zuhause.« Ihre Tränen fielen wieder. »Und … und ich bin so fett und hässlich geworden, und jetzt verlässt er uns und …« Schluchzen schüttelte sie.

Carlina legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Ach, Emmachen, du bist immer noch wunderschön. Mach dir keine Sorgen! Und natürlich ändert sich das Leben, wenn man ein Baby bekommt, aber ich bin sicher, dass er euch beide sehr liebt. Wenn er zu Hause ist, trägt er Zoe doch non-stop herum und der Blick in seinen Augen ist einfach unbeschreiblich, so zärtlich und liebevoll.«

»Aber er ist eben nicht mehr zu Hause! Hörst du mir denn gar nicht zu? Er geht morgens um acht aus dem Haus, unfreundlich und genervt, und kommt erst gegen Mitternacht zurück, erschöpft und noch schlechter gelaunt. Aber so spät wie heute war er noch nie und zwei Uhr morgens ist wirklich das Limit! Ich glaube nicht mehr an seine Ausreden. Kunden um Mitternacht! Zweimal die Woche! Ha! Er muss mir jetzt endlich die Wahrheit sagen. Ich muss es wissen, selbst wenn es mir das Herz bricht!« Sie blickte auf ihre Tochter. »Ich hätte nie gedacht, dass unsere Ehe sich so schnell auflösen würde, und ich dachte, dass es traumhaft sei, ein Baby zu bekommen. Natürlich ist es pure Magie, aber es ist auch so wahnsinnig anstrengend und so schwierig.«

Carlina erkannte ihre Cousine kaum wieder. Emma war sich ihres Wertes immer sehr bewusst gewesen. Sie wusste, wie schön sie war und war absolute fokussiert auf die Dinge, die sie erreichen wollte. Sie war ganz und gar nicht der Typ für Nervenzusammenbrüche, aber andererseits hatte sie natürlich auch noch nie so wenig geschlafen und vermutlich waren ihre Hormone völlig durcheinander, sodass sie empfindlich und unglücklich wurde. »Nun ziehe keine voreiligen Schlussfolgerungen, Emma.« Das klang selbst in ihren eigenen Ohren schwach. »Lass uns erst mal Lucio finden. Ich bin sicher, dass er eine vernünftige Erklärung für sein Verhalten hat.«

Stefano stand auf. »Ich rufe auf der Wache an. Wenn es einen Unfall gab, wissen sie es auf jeden Fall.«

Emma schniefte. »Vielleicht bin ich ja schon Witwe.«

»Emma, nun reicht‘s!« Carlina schüttelte sie ein wenig. »Sieh nicht alles schwarz! Ich mache dir einen Kräutertee zur Beruhigung.« Sie stand auf und ging in die Küche. Durch die offene Tür sah sie, wie Stefano das Telefon in die Hand nahm. Er lächelte Emma beruhigend zu, dann folgte er Carlina in die Küche und schloss die Tür leise hinter sich. Einen Augenblick später sprach er in den Hörer. »Gloria, hier ist Stefano Garini.«

»Stefano! Wie kommt es, dass du mich mitten in der Nacht anrufst? Du hast doch heute keinen Dienst, oder?« Ihre Stimme war so laut wie eine Trompete und klang durch die stille Küche wie eine Fanfare.

Carlina konnte jedes Wort verstehen.

»Nein, ich bin zu Hause, aber ich mache mir ein paar Sorgen um … einen Cousin von mir.«

Carlina lächelte in sich hinein. Lucio hatte genau wie Stefano in den Mantoni-Clan eingeheiratet, also waren sie nicht blutsverwandt, aber es war schön zu sehen, dass Stefano ihn als Verwandten betrachtete.

Stefano klemmte sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter und begann damit, eine Tasse Kaffee zu machen. »Gibt es irgendwelche Unfallberichte heute Nacht?«

»Ein paar. Soll ich dir die Namen vorlesen?«

»Ich suche nach Lucio Casanuova. Könntest du bitte mal schauen, ob er irgendwo aufgeführt wird?«

»Na klar!« Gloria trällerte wie ein glücklicher Vogel. »Lass mich nur schnell diese Datei hier öffnen. Weißt du, es ist ein echtes Vergnügen, deine Stimme so unerwartet zu hören. Du sprichst tagsüber ja kaum mit mir. Immer so beschäftigt.«

Stefano verdrehte die Augen und antwortete nicht.

»Aber jetzt bist du natürlich auch ein verheirateter Mann.« Gloria seufzte so tief, dass ihr Atem wie ein Wüstensturm durchs Telefon kam.

Carlina stellte den Wasserkocher an und schüttelte den Kopf.

»Genau.« Stefanos Stimme klang trocken. »Und meine Frau ist sehr besorgt um ihren Cousin, daher wäre ich dankbar, wenn du schnell durch die Meldungen schauen könntest.«

»Immer mit der Ruhe, immer mit der Ruhe. Du kennst doch unser System, das ist nicht das Schnellste. Ahhhh, hier ist es ja schon. Lass mich mal sehen …« Sie fing an, unverständliche Namen vor sich hinzumurmeln. »Hast du Lucio gesagt? Wir haben einen Lucio hier. Autounfall.«

Carlina blickte Stefano entsetzt an.

Er legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Sein Name ist Lucio Casanuova.«

»Dann ist er es nicht. Dieser hier heißt Lucio Dalla. Lustig. Wie der Sänger. Aber der ist ja schon 2012 gestorben. Der Sänger, meine ich. Also kann er es nicht sein.«

Carlina biss die Zähne zusammen.

»Gibt es noch eine andere Info, die sich auf den Lucio beziehen könnte, nach dem ich suche?« Stefano klang immer noch ganz ruhig.

»Nee, hier ist gar nichts. Obwohl … lass mich noch mal in die anderen Meldungen schauen. Wäre ja blöd, wenn wir etwas übersehen. Wie ist es denn bei dir so? Schrecklich ungemütlich heute Nacht, oder? Viel zu kalt für April. Ich kann es kaum erwarten, bis der Frühling kommt. Ich habe geplant, neue Blumen für meinen Balkon zu kaufen und –« Sie brach ab. Schlagartig veränderte sich die Atmosphäre von entspannt zu bedrohlich. »Sagtest du Lucio Casanuova?« Ihre Stimme klang auf einmal ernst.

»Ja.«

Carlina kuschelte sich enger an Stefano, die Wange an seiner Brust. Das gleichmäßige Schlagen seines Herzens war beruhigend, obwohl es sich jetzt etwas beschleunigte.

»Lucio Casanuova, mit C, richtig?«

»Ja.« Stefano sprach durch zusammengebissene Zähne.

»Es tut mir leid.« Gloria schluckte so schwer, dass sie es durch das Telefon hören konnten. »Er ist im Gefängnis.«

Kapitel 2

Stefano fühlte, wie Carlina an seiner Seite zusammenzuckte. Gott sei Dank hatte er die Tür geschlossen. Es würde ein ganzes Stück an Diplomatie nötig sein, um Emma diese Nachricht schonend beizubringen. »Weshalb?« Seine Stimme klang scharf.

Gloria schluckte wieder hörbar. »Mord.«

Stefano und Carlina schauten sich ungläubig an.

Stefano runzelte die Stirn. »Es muss absolut offensichtlich gewesen sein, wenn sie ihn auf der Stelle verhaftet und ins Gefängnis mitgenommen haben.«

»Der Eintrag gibt keine weiteren Details her. Er wurde erst … lass mich mal sehen … vor zwei Minuten eingegeben.«

»Wer ist für den Fall zuständig?« Stefanos Frage kam hart und scharf wie ein Geschoss.

»Sergio Marasi.«

Stefano atmete auf. Sergio war sein Kollege und er wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Noch viel besser, wenn Sergio offiziell zuständig war, konnte niemand auf die Idee kommen, Stefano den Fall zu übertragen. Dies war das erste Mal, dass ein Mantoni-Fall nicht von ihm direkt untersucht wurde. Gott sei Dank. »Gut. Ich rufe ihn an.«

»Tu das. Wir sehen uns morgen.«

Er legte auf und starrte Carlina an.

Der Kessel fing an zu pfeifen. Wie in Trance drehte Carlina sich herum, legte sorgfältig einen Teebeutel in eine Tasse und goss das kochende Wasser darüber. Ein aromatischer Duft zog in die Höhe. Carlina holte tief Luft. »Wirst du deinen Kaffee trinken, bevor du losfährst?«

Er schaute seine Frau mit einem Lächeln an. Man konnte sich darauf verlassen, dass Carlina nicht hysterisch wurde. Wie hatte sie es bloß geschafft, so normal zu werden, mit dem ganzen verrückten Mantoni-Clan im Hintergrund? »Ich trinke ihn noch, aber vorher muss ich Sergio anrufen.« Während er sprach, tippte er schon die Nummer ein.

Sergio ging sofort an den Apparat. »Pronto!«

»Sergio, hier ist Stefano. Bitte entschuldige, dass ich dich mitten in der Nacht störe.«

»Kein Problem, Stefano. Ich bearbeite eh gerade einen Fall.« Sergios pfeifender Atem vermittelte den Eindruck, er stünde in einem Sturm.

»Ich weiß. Ich rufe an, weil wir ein Mitglied der Mantonis vermissen. Gloria sagte mir, dass du ihn gerade ins Gefängnis gesteckt hast.«

»Lucio Casanuova ist ein Mantoni?« Sergio klang entsetzt.

»Er hat eine geheiratet, und sie ist die Cousine meiner Frau.«

Sergio schluckte hörbar. »Porca miseria.«

»Genau.« Stefano gab seinem Kollegen einen Augenblick, um die schlechte Nachricht zu verdauen, dann fragte er: »Was ist geschehen?«

Der Sturm wurde zu einem Tornado, während Sergio Luft holte und sie langsam wieder ausstieß. »Ich würde dir das lieber persönlich sagen.«

Stefano runzelte die Stirn. Das klang nicht gut. »Ich habe seine Frau und meine hier, und beide machen sich riesige Sorgen. Kannst du mir nicht wenigstens ein paar Details nennen?«

»Du kommst besser hierher.«

Stefano kannte diese Stimmlage. Sergio war zwar der sanfteste Mann unter der Sonne, aber er konnte auch extrem dickköpfig werden. »Gut. Ich bin schon auf dem Weg.« Er legte auf, stellte das Telefon in die Ladeschale zurück und schaute Carlina an. »Hast du mithören können?«

»Nein. Da schien irgendwie viel Wind zu sein, sodass ich nichts verstehen konnte.«

»Sergio möchte mir nicht sagen, was geschehen ist. Ich muss zur Wache.«

»Jetzt, auf der Stelle?«

»Ja.« Er nahm seine Tasse und kippte den Kaffee hinunter.

Sie schloss die Augen. »Das klingt ziemlich übel.«

»Ja.«

»Danke, dass du mitten in der Nacht hingehst. Das ist lieb von dir.« Sie schloss beide Hände um ihre Tasse. »Ich vermute mal, dass ich nicht mitkommen kann, oder?«

»Du vermutest ganz richtig. Außerdem ist es besser, wenn du hier bei Emma bleibst.«

»Ja, natürlich.« Ihre Augen weiteten sich. »O Madonna, wie bringen wir das Emma bei?«

»Du sagst ihr erst mal nur, dass ich zur Wache gegangen bin, um mehr herauszufinden. Es bringt ja nichts, wenn wir sie noch nervöser machen, als sie schon ist.«

»Vielleicht zieht sie es vor zu hören, dass Lucio in einen Mord verwickelt wurde, als weiterhin zu glauben, dass er bei seiner Geliebten ist.«

Stefano legte den Kopf schief. »Wirklich? Das ist dann wohl ein Mantoni-Ding.«

Sie lächelte. »Nein. Ich finde das völlig nachvollziehbar.«

»Wieso?«

»Weil es durchaus möglich ist, durch einen blöden Zufall in einen Mord verwickelt zu werden. Das sucht man sich nicht aus. Aber eine Geliebte bekommt man nicht mal eben so durch ein wenig Pech. Das ist etwas, wofür man sich bewusst entscheidet, und daher bietet es mehr Sprengpotential für eine Ehe.«

»Verstehe.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. «Von dieser Seite aus hätte ich es niemals betrachtet. Weißt du was? Ich überlasse es dir, zu entscheiden, wie du sie behandeln willst. Du hast mehr Erfahrung.«

Sie nickte und öffnete langsam die Tür. »Gut.«

Emma hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt, die kleine Zoe in der Armbeuge. Beide schliefen tief und fest.

»Gut.« Stefano beugte sich vor und küsste Carlina auf die Wange. »Versuche auch ein wenig zu schlafen. Ich komme so schnell zurück, wie ich kann.«

Er zog sich eilig an und verließ geräuschlos die Wohnung. Jede Müdigkeit, die er noch gefühlt hatte, wurde von dem scharfen Aprilwind draußen davongefegt. Dieses Jahr schien der Sommer gar nicht kommen zu wollen. Sein Motorrad klang lauter als sonst, als er den Motor anwarf. Er fuhr rasch die Via delle Pinzochere hinab, bog rechts auf die Piazza di Santa Croce ab, vorbei an der Marmorstatue von Dante Alighieri, der seinen marmornen Mantel in einer Hand hielt, als ob er dankbar für die Wärme sei.

Zu dieser nachtschlafenden Zeit war ganz Florenz im Tiefschlaf, also brauchte er nicht lange zur Polizeiwache. Fröstelnd lief er nach drinnen, winkte Gloria an der Rezeption zu und eilte die Stufen zu Sergios Büro hinauf. »Nun erzähle mir bitte alles.«

Sergio hievte seinen massiven Körper aus dem Stuhl heraus und schaute ihn mit einem Ausdruck an, der irgendwie mitleidig wirkte. »Es sieht leider nicht gut aus.«

»Das habe ich begriffen.«

»Setz dich.«

Garini warf sich in den Stuhl, auf den Sergio gezeigt hatte. Er wünschte, Sergio würde endlich zum Thema kommen. Nichts konnte so schlimm sein wie die Dinge, die er sich gerade vorstellte.

»Ich habe um ein Uhr morgens einen Anruf von den Kollegen im Drogendezernat erhalten.«

»Vom Drogendezernat?« Sofort spukten furchtbare Möglichkeiten in Garinis Kopf herum. Aber was konnte Lucio damit zu tun haben? Er hatte ihn immer als vorsichtigen Typen eingestuft, konservativ bis ins Mark – wenn er nicht gerade wütend wurde.

»Die Kollegen haben schon seit einiger Zeit einen Nachtclub beobachtet, weil sie vermuteten, dass dort mit Drogen gedealt wird.«

Ein Nachtclub. Garini zuckte zusammen. Hatte Lucio Emma also doch die Wahrheit gesagt? Hatten seine Geschäftsverabredungen im Nachtclub stattgefunden? Aber was war das für ein Geschäft?

Sergio schaute ihn an. »Der Club heißt Inferno d'Oro. Schon mal gehört?«

»Nein.«

»Nun, sie machen auch keine Werbung. Da kommt man nur auf Einladung rein. Heute bekam das Drogendezernat einen Tipp und stürmte den Club, so um Mitternacht herum. Sie fanden keine Spur von den Dealern, die sie eigentlich erwischen wollten. Stattdessen fanden sie … eine Leiche.«

»Eine Leiche?«

»Ja.« Sergio seufzte so tief auf, dass sein ganzer Körper erzitterte. »Und das war wirklich schade, denn sie war gerade ausgesprochen nützlich für uns geworden.«

Stefano verstand sofort. »Du meinst, sie war ein Spitzel? Und sie wurde umgebracht?«

»Ja. Sie war eine der regulären Prostituierten in dem Club. Anscheinend hatte der große Boss eine Vorliebe für sie, aber irgendwie ist diese Beziehung schief gegangen, und daraufhin hat sie sich entschieden, ihm eins auszuwischen, indem sie ein wenig Insiderwissen an die Polizei weitergab.«

»Wieviel hatte sie uns schon verraten?« Er war jetzt ganz Polizist.

»Genug, um uns klar zu machen, dass unser Verdacht auf soliden Füßen stand. Der Club war ein Verteilerzentrum, aber wir wissen nicht, wo das Material herkommt und vor allem wissen wir noch nicht, wer die Fäden im Hintergrund zieht und wer den Import organisiert. Darum hat das Drogendezernat die Sache auch erst einmal nur beobachtet. Letzte Nacht hat die Prostituierte ihnen das vereinbarte Zeichen gegeben, um den Laden hochgehen zu lassen. Sie hat ihnen versprochen, dass sie Beweise finden würden, sowie eine direkte Spur zu dem, der an der Spitze der ganzen Organisation steht.«

»Und?«

Sergio seufzte wieder tief auf. »Und sie stürmten den Club und das Einzige, was sie fanden, war die Prostituierte selbst … erstochen.«

»Verdammt.«

»Ja.« Sergio blickte traurig auf seine gefalteten Hände.

»Du meinst, der Club war leer?«

»Nein, nein, nicht leer. Es waren jede Menge Leute da, und wir müssen ihre Hintergründe alle im Detail prüfen. Es ist noch zu früh, um zu wissen, was genau geschehen ist. Vielleicht können wir ja noch etwas retten. Vielleicht auch nicht. Unsere wichtigste Informationsquelle ist heute Nacht gestorben.«

»Und Lucio war einer der Leute, die euch dabei ins Netz gegangen sind?«

»Hmm.« Sergio zog eine Grimasse und starrte auf seine gefalteten Hände, als ob sie ihn retten könnten.

»Sergio?«

»Ja?« Er blickte immer noch nicht hoch.

»Was verbirgst du vor mir?«

Sergio zuckte zusammen. »Dieser Lucio Casanuova, ist er ein echter Mantoni?«

»Er hat in die Familie eingeheiratet, genau wie ich, aber er hat Emma schon im September vor eineinhalb Jahren geheiratet.« Er würde das Datum nie vergessen. Am Tag nach Emmas und Lucios Hochzeit hatte er Carlina kennengelernt.

»Verstehe.« Sergio schluckte sichtbar. »Es ist ein ziemlich enger Familienverband, oder?«

»Sehr.« Mit jedem Wort fühlte sich Garini unwohler. »Jetzt hör auf, hier herumzudrucksen, und sag mir, was los ist.«

Sergio nahm die Schultern zurück. »Ich erzähl dir alles, was ich weiß, aber bitte merke dir, dass das alles nur Informationen aus zweiter Hand sind. Die Drogenleute haben mir diese Infos gegeben, als ich am Tatort ankam.«

»Okay.«

»Nun, sie haben die zwei Eingänge, die ihnen bekannt waren, blockiert – einen Hinterausgang, einen vorne. Dieser Club liegt übrigens nicht irgendwo draußen auf dem Land, wie sonst üblich, sondern mitten in der Innenstadt, nur eine Straße vom Santa Maria Novella Bahnhof entfernt. Von außen würdest du nie auf die Idee kommen, dass das ein edler Nachtclub ist. Nur hohe Wände, ein paar Graffitis, ein zerbeulter Mülleimer, der nach verrottetem Fleisch riecht, und eine kleine Tür mit abblätternder Farbe.«

»Sergio?«

»Ja?«

»Erspare mir die malerischen Beschreibungen. Bitte.«

»Oh. Gut.« Sergio räusperte sich. »Wo war ich?«

»An der Tür.«

»Genau. Die Tür. Na ja, du klopfst auf eine bestimmte Art und Weise an und dieses Klopfen wird regelmäßig geändert. Wir haben noch nicht herausgefunden, wie sie das neue Klopfsignal kommunizieren. Es scheint kein System dahinter zu stecken, zumindest ist es nicht erkennbar. Die Kollegen vom Drogendezernat wussten sehr wohl, dass es vielleicht noch weitere Geheimausgänge gibt und haben alles geprüft, aber bis jetzt haben sie sie noch nicht gefunden.« Er schaute einmal flüchtig hoch, dann wieder weg. »Es gibt sogar ein Gerücht über einen versteckten Tunnel oder Keller oder so, der direkt in den Club führt. Und du weißt ja, dass das hier in Florenz gar nicht so unwahrscheinlich ist. Denk nur an den Vasarikorridor.«

»Der Vasarikorridor ist kein Tunnel.«

»Nein, natürlich nicht, aber es war eine Art Geheimgang, dank dem man es sogar schaffte, den Arno zu überqueren, also kann man sich gut vorstellen, dass die Medici noch ein paar andere gebaut haben, oder?«

Garini zwang sich, ruhig zu bleiben. »Lass uns jetzt nicht die möglichen Aktivitäten der Medici besprechen. Du warst in deiner Beschreibung am Eingang des Clubs stehengeblieben.«

»Ach, ja. Na ja, mit der Info, die wir von der Prostituierten erhalten hatten, die übrigens Ambrosia Amore hieß, haben wir –«

»Das ist nicht dein Ernst.«

Sergio zuckte mit den Schultern. »Nun, ich gehe davon aus, dass es ein Künstlername ist. Sie hat niemandem ihren richtigen Namen verraten.«

»Okay. Entschuldige, dass ich dich unterbrochen habe.«

»Ambrosia Amore hat den geheimen Klopfcode an das Drogendezernat weitergegeben und ihnen gesagt, dass sie um Punkt Mitternacht den Laden stürmen sollten.«

»Klingt wie ein Roman.«

»Na und?« Sergio breitete die Hände aus. »Das Leben ist seltsamer als Fiktion, das weißt du genau wie ich.« Er stieß die Luft aus. »Wo war ich?«

»Am Eingang. Schon seit mindestens fünf Minuten.«

Sergio beäugte ihn. »Du verlierst nicht die Geduld mit mir, oder? Denn wenn das so ist, wäre ich lieber nicht in der Nähe.«

»Ich verliere meine Geduld keinesfalls, aber ich möchte wirklich gern wissen, warum du es für notwendig gehalten hast, Lucio Casanuova vom Fleck weg zu verhaften, und es sieht so aus, als ob wir diesem Thema irgendwie überhaupt nicht näher kommen.«

Sergio schluckte schwer. »Wir kommen gleich zum Punkt.«

»Ich nehme an, die Tür öffnete sich aufgrund des richtigen Codes, und die Drogenleute stürmten den Laden.«

»Richtig.« Sergio nickte. »Und dann brach das Chaos aus. Irgendjemand schoss auf das Licht, sodass es stockduster wurde. Die Leute schrien und rannten wild durcheinander. Das Drogendezernat hatte die Eingangstür offen gelassen, was sehr praktisch war, denn sie war so schmal, dass die Gäste des Clubs nur einer nach dem anderen herauskamen. So konnten sie vom Willkommenskommittee, das sie dort aufgebaut hatten, abgefischt werden. Die Kollegen hatten damit gerechnet, dass das Licht ausfallen würde, also hatten sie starke Taschenlampen mitgebracht. Sie fanden einige verschüttete Getränke, sogar die eine oder andere Ratte–«

»Was? Mitten in der Schlacht?«

»Ja. Komisch, oder? Ich dachte immer, dass Ratten wissen, wann sie das sinkende Schiff verlassen müssen. Aber wie dem auch sei, in kürzester Zeit war der Laden komplett leer. Nur der Inhaber, Salvatore Ditto, blieb drin. Er stand hinter der Bar, polierte seine Cocktailgläser und verfluchte die Polizei dafür, dass sie sein Geschäft ruinierten.«

»Er hat weiter die Gläser poliert?«

»O ja. Als ob sein Leben davon abhinge. Aber sie ignorierten ihn und durchsuchten akribisch die ganze Anlage. Hinter einer Tür, die nur schwer zu entdecken war, weil sie dunkelgrau gestrichen war wie alle Wände in dem Gebäude, fanden sie einen geheimen Raum.«

»Was für einen geheimen Raum?«

»Einen Raum, in dem du eine Prostituierte treffen kannst, mit einem großen Bett und sonst nichts.«

»Verstehe. War er verschlossen?«

»Ja. Wir haben den Schlüssel später in der Tasche von Ambrosia Amore gefunden. Die Angestellten haben alle Schlüssel zu den Geheimräumen. Eines der anderen Mädels gab uns ihren, und so sind wir hineingekommen. Auf dem Bett haben wir Ambrosia Amore gefunden, von hinten erstochen.«

»Ich verstehe immer noch nicht, was Lucio damit zu tun hat.«

Sergio schluckte wieder so schwer, dass sein Adamsapfel hüpfte. »Lucio Casanuova war auch in dem Raum.« Seine Stimme klang, als ob er sich weit weg wünschte.

»Im gleichen Raum wie die tote Prostituierte?« Garinis Herz sank.

»Ja.« Sergio hob eine zitternde Hand an die Stirn. »Weißt du was? Ich glaube, ich bekomme Fieber. Ich fühle mich ganz seltsam. Ausgesprochen seltsam. Und es juckt ganz fürchterlich auf meiner Kopfhaut.«

»Oh, nein, mein Lieber.« Garini schüttelte grimmig den Kopf. Er kannte die Tendenz seines Kollegen, sich jede Krankheit unter der Sonne zuzuziehen. »Denk noch nicht einmal daran. Du wirst nicht krank und du wirst mir jetzt ganz genau sagen, wie du Lucio vorgefunden hast.«

»Aber ich sag‘s dir doch schon!«

»Bis jetzt habe ich nur eine lyrische Beschreibung des Nachtclubs mit ekelhaften Details wie Gerüchen und Ratten gehört, aber die Details, die ich wirklich wissen will, verschweigst du mir.« Garini stand auf und beugte sich über den Tisch. »Was war mit Lucio? Er war im gleichen Raum wie die tote Frau, hast du gesagt?«

»Ja«, krächzte Sergio. »Im gleichen Raum.«

»Wo genau?«

»Auf … auf dem Bett.«

»Auf dem Bett?« Garini blinzelte.

»Ja. In ihren Armen.«

Garini war sprachlos. Dann schaffte er es, zu wiederholen, was er gehört hatte. »Er hielt die tote Prostituierte in seinen Armen?«

»Ja.« Sergio zog eine Grimasse.

»Versuchst du mir gerade sanft beizubringen, dass Lucio auch tot ist?«

»Oh, nein, nein, nein. Das würde ich niemals tun. Nein, nein, es geht ihm gut. Er ist unverletzt. Na ja, wenn man die eine Sache nicht mitzählt …« Sergios Stimme wurde leiser.

»Was nicht mitzählt?« Er würde Sergio erwürgen, wenn er sich weiterhin die Nachrichten so aus der Nase ziehen ließ.

»Na ja, den Alkohol.«

»Welchen Alkohol?«

»Er hatte eine schwere Alkoholvergiftung. Er war nicht bei Sinnen. Ist es vermutlich immer noch nicht.«

»Du meinst, er hielt eine tote Prostituierte in den Armen, so sturzbetrunken, dass er es noch nicht mal bemerkte?«

»Äh.« Sergios blasse Wangen röteten sich. »Ja.«

»Und darum habt Ihr ihn festgenommen?«

»Nein.« Sergio schüttelte betrübt den Kopf. »Nein, deshalb haben wir ihn nicht festgenommen.«

»Sergio. Sprich jetzt endlich Klartext mit mir. Du bringst mich schier um. Warum hast du ihn auf der Stelle verhaftet?«

»Ich …« Sergio verzog das Gesicht. »Ich habe ihn verhaftet, weil seine Fingerabdrücke auf dem Messer waren, das in Ambrosia Amores Rücken steckte.

Kapitel 3

Carlina fuhr aus dem Schlaf hoch. Emma, in Tränen aufgelöst an der Tür – war das ein Traum oder Wirklichkeit gewesen? Die Ereignisse der letzten Nacht standen auf einmal wieder klar vor ihr. Nein, es war kein Traum gewesen. Leider. Vorsichtig hob sie Stefanos Arm hoch, mit dem er sie eng an sich gezogen hatte, und schlüpfte aus dem Bett.

Er bewegte sich nicht. Wenn er so tief schlief und sich noch nicht einmal rührte, wenn sie das Bett verließ, musst er völlig erschöpft sein. Wann war er von der Wache zurückgekommen? Und warum hatte er sie nicht geweckt und ihnen gesagt, was er herausgefunden hatte?

Mit gerunzelter Stirn verließ sie das Schlafzimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Auf dem Sofa saß Emma wie eine verstimmte Schönheitskönigin. Sie gab Zoe gerade die Brust, aber ihre Aufmerksamkeit war von einem Zettel in Anspruch genommen, den sie in einer Hand hielt. »Nun schau dir das mal an!« Ihre Stimme klang verächtlich.

»Ich wünsche dir auch einen schönen Morgen.« Carlina gähnte und nahm den Zettel in die Hand. Sie erkannte Stefanos charaktervolle Handschrift sofort. »Lucio hatte keinen Unfall, und er ist nicht bei einer anderen Frau. Mehr später.« Sie schluckte. Das klang nach einer sorgfältig formulierten Nachricht, bei der eine Menge an Informationen weggelassen worden waren. Aber um Emmas Willen schaffte sie es, ein Lächeln herauszuquetschen. »Aber das sind doch gute Nachrichten, oder?«

»Nicht wirklich.« Emma zog eine Grimasse. »Wenn er gesund ist und nicht bei einer anderen Frau, wo zur Hölle steckt er dann? Warum kam er letzte Nacht nicht nach Hause? Und warum hat Stefano uns nicht mehr gesagt? Ich wette, er weiß mehr, aber er versucht, es zu verstecken. Das ist alles andere als beruhigend.« Ihre Stimme wurde lauter.

Zoe hob den Kopf und wimmerte leise.

Sofort beugte sich Emma über sie. »Schhhh, mein Liebling«, flüsterte sie. »Es wird alles wieder gut.« Dann wandte sie sich wieder an Carlina. »Würdest du mit zu mir kommen? Ich hasse den Gedanken daran, ganz alleine in der Wohnung rumzusitzen, bis Lucio endlich kommt oder anruft.«

Carlina zögerte, aber nur einen Augenblick. Dies war eine Krise, und sie musste Emma helfen, obwohl ihr luxuriöses Unterwäschegeschäft in der historischen Altstadt von Florenz sie auch brauchte. Aber die Familie hatte Vorrang. »Natürlich. Meine Assistentin wird den Morgen alleine schaffen, doch es kann sein, dass ich später hingehen muss.«

Emma nickte nur, wickelte Zoe ein, die jetzt satt und müde war, und stand auf. »Dann lass uns gehen. Zoe ist morgens immer ein Sonnenschein, also werden wir einige ruhige Stunden haben.«

Emma lebte im Nachbarhaus, zusammen mit dem größten Teil des Mantoni-Familienclans. Die Wohnungen zogen sich über vier Etagen, zwei auf jeder Seite. Auch Carlinas und Stefanos Wohnung war ein Teil davon, doch aus unerfindlichen Gründen, konnten sie ihre Wohnung nur durch das Treppenhaus des Nachbarhauses betreten. Laut Stefano war das der Hauptgrund, warum er sich bereiterklärt hatte, in diese Wohnung zu ziehen. Carlina hoffte, dass mitternächtliche Familienbesuche ihn nicht dazu bringen würden, seine Meinung zu ändern und eine größere Distanz zu suchen.

Sie öffneten die schwere Holztür der Via delle Pinzochere 10 und wurden von einem wütenden Zischen und einen Schrei begrüßt. »Schließt sofort die Tür!«

Sprachlos starrte Carlina auf die versammelte Familie, die sich im Eingangsbereich des alten Hauses tummelte. Die Jüngeren lagen auf ihren Knien, und die Älteren standen aufgereiht auf der Treppe, wie Generäle, die ein Schlachtfeld überwachten. Sie schienen alle nach etwas zu suchen.

»Nun steht da nicht rum wie Salzsäulen! Kommt rein und schließt die Tür!«, bellte Tante Violetta, die Matriarchin der Familie. Ihre Stimme klang sehr viel kräftiger, als man von einer Neunundneunzigjährigen eigentlich erwarten konnte. Tante Violetta war ausladend und stark und normalerweise in einem Rollstuhl unterwegs, doch heute stand sie auf der untersten Treppenstufe und strahlte Energie aus.

Carlina gehorchte rasch, indem sie Emma und Zoe mit durch die Tür zog.

»Ahhh, da ist ja mein kleines Mädchen!« Benedetta, die Mutter von Emma, kam mit einem hingerissenen Lächeln und ausgestreckten Armen auf sie zu, um ihre Enkelin in Empfang zu nehmen. »Wie geht es dir, meine Süße?«, gurrte sie. Ihr Erkennungszeichen, der leuchtend rote Lippenstift, war selbst in der schwach ausgeleuchteten Eingangshalle gut zu sehen.

Zoe gluckste.

»Kann jemand mal für etwas mehr Licht sorgen?« Fabbiola, die Mutter von Carlina, stand ebenfalls auf der Treppe, zwei Stufen über Tante Violetta. Sie hatte ihren weiten Rock eng um sich gewickelt und sah aus wie ein beleidigter Storch. »In diesem schlechten Licht finden wir ihn nie.«

»Wen?« Carlina blickte sich um.

Ernesto, mit seinen neunzehn Jahren der Jüngste im Haus, der auf allen Vieren auf dem Boden herumgekrabbelt war, hockte sich nun hin und fuhr sich mit einer Hand durch das leuchtend rote Haar. »Gustavo II«, sagte er mit einem Grinsen.

Carlina blinzelte. »Gustavo der Zweite? Wer um alles in der Welt ist das?«

Ernestos Grinsen wurde breiter. »Es ist ein Meerschweinchen.«

»Ein reinrassiges Exemplar«, erklärte Tante Violetta. »Ich habe jede Menge Geld für ihn bezahlt, und wir können ihn jetzt nicht einfach verlieren, nachdem wir letzte Nacht schon –« Sie brach ab und wechselte einen verschwörerischen Blick mit Onkel Teo, dem Patriarchen der Familie, der zwanzig Jahre jünger war als sie.

Er stand vor der rot gestrichenen Tür, die zu seiner Wohnung führte, und betrachtete die Familie mit einem besorgten Gesichtsausdruck. »Gustavo II kann nicht weit weg sein«, sagte er. »Ich bin sicher, wir finden ihn bald. Hier ist ja schließlich kaum Platz, um sich zu verstecken.«

»Seit wann haben wir Meerschweinchen?«, fragte Carlina.

»Seit Tante Violetta entschieden hat, dass das das nächste große Ding ist«, fauchte Fabbiola.

»Das nächste große Ding?«, wiederholte Emma langsam, während sie den Flaum auf dem Kopf ihrer Tochter streichelte. »Inwiefern?«

»Es ist meine neue Geschäftsidee.« Tante Violetta hob ihr faltiges Kinn.

Carlina hielt die Luft an.

»Und es ist so viel cooler, als ein Bordell für Frauen zu eröffnen!«, sagte Ernesto vom Boden. Er grinste immer noch von Ohr zu Ohr.

Benedetta fuhr zu ihrem Jüngsten herum, den roten Mund an den Ecken nach unten gezogen. »Ernesto!«

»Was denn?« Ernesto hob beide Hände. »Das hat Tante Violetta doch wirklich vorgehabt, bevor sie auf die Idee mit den Meerschweinchen kam.«