In alle Himmelsrichtungen - Joseph Deiss - E-Book

In alle Himmelsrichtungen E-Book

Joseph Deiss

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Beschreibung

Als unermüdlicher Wanderer stellt sich Joseph Deiss der Herausforderung, die vier geografischen Extrempunkte der Schweiz zu Fuss zu verbinden. Die 1700 Kilometer lange Route führt ihn von Chancy GE, dem westlichsten Punkt, nach Bargen SH, dem am weitesten vorgelagerten nördlichen Wipfel, dann zum Gipfel des Piz Chavalatsch im Val Müstair, im fernen Osten der Schweiz, bevor er die äusserste Südspitze bei Pedrinate TI berührt. Indem er sich an der Peripherie des Landes bewegt, hofft er dessen ausgedehnte geografische, historische, kulturelle und politische Vielfalt zu erforschen. Dem Zufall seiner vielen Beobachtungen und Begegnungen entsprechend ermöglicht sein Reisebericht, nicht nur eine bezaubernde und lebendige, sondern oft auch überraschende, manchmal ungewöhnliche, aber immer faszinierende Schweiz zu entdecken. Das farbenfrohe Fresko voller Eindrücke weckt die Abenteuerlust, selbst loszuziehen.

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Seitenzahl: 477

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Inhalt

Cover

Karte der Wanderroute

Impressum

Titel

Die Schweiz in allen Himmelsrichtungen

1. Ein Bier des Kardinals im Glas des Calvinus

Von Chancy GE nach St-Cergue VD (63 km)

Chancy – Pregny (22. Juni 2020)

Pregny – Château de Bossey (23. Juni 2020)

Château de Bossey – St-Cergue (24. Juni 2020)

2. Wenn das Erbgut planetarisch ist

Von St-Cergue VD nach Ste-Croix VD (74 km)

St-Cergue – Le Brassus (22. Juli 2020)

Le Brassus – Vallorbe (23. Juli 2020)

Vallorbe – Ste-Croix (24. Juli 2020)

3. Der Jura und die Herausforderungen des technologischen Wandels

Von Ste-Croix VD nach Le Noirmont JU (90 km)

Ste-Croix – Les Verrières (31. August 2020)

Les Verrières – La Brévine (1. September 2020)

La Brévine – La Chaux-de-Fonds (2. September 2020)

La Chaux-de-Fonds – Le Noirmont (3. September 2020)

4. Der Clos du Doubs, Bindeglied zwischen den Franches Montagnes (Freibergen) und der Ajoie

Von Le Noirmont JU nach Porrentruy JU (51 km)

Le Noirmont – Soubey (29. September 2020)

Soubey – Porrentruy (30. September 2020)

5. Von der Muttergottes zu Erasmus von Rotterdam

Von Porrentruy JU nach Rheinfelden AG (70 km)

Porrentruy – Lutter (21. Oktober 2020)

Lutter – Basel (22. Oktober 2020)

Basel – Rheinfelden (23. Oktober 2020)

6. Der Aargau in seiner ganzen Vielfalt

Von Rheinfelden AG zum Rheinfall SH (104 km)

Rheinfelden – Frick (16. November 2020)

Frick – Baden (17. November 2020)

Baden – Eglisau (18. November 2020)

Eglisau – Schaffhausen (19. November 2020)

7. «Kein Winterdienst» bis zum Grenzstein Nummer 593

Der Schwarze Staa  von Oberbargen SH (25 km)

Schaffhausen – Bargen, Schwarzer Staa (20. Januar 2021)

8. Auf der alten Konstanzerstrasse vom Jura in die Alpen

Von Bargen SH nach St. Gallen SG (100 km)

Bargen – Stein am Rhein (15. Februar 2021)

Stein am Rhein – Kreuzlingen (16. Februar 2021)

Kreuzlingen – Amriswil (17. Februar 2021)

Amriswil – St. Gallen (18. Februar 2021)

9. Drei Länder und vier Kantone für eine abwechslungsreiche Geografie

Von St. Gallen SG in den Prättigau GR (92 km)

St. Gallen – Appenzell (9. März 2021)

Appenzell – Feldkirch (10. März 2021)

Feldkirch – Balzers (11. März 2021)

Balzers – Schiers (12. März 2021)

10. Frühlingsschnee zwischen Landquart und Landwasser

Von Schiers GR nach Davos GR (40 km)

Schiers – Klosters (16. April 2021)

Klosters – Davos (17. April 2021)

11. Von der Nordsee ins Schwarze Meer und in die Adria

Von Davos GR nach Müstair GR (72 km)

Davos – Susch (17. Mai 2021)

Susch – Il Fuorn (18. Mai 2021)

Il Fuorn – Müstair (19. Mai 2021)

12. Schneewechten, Gneis, Murmeltiere und Soldanellen am Piz Chavalatsch

Von Müstair GR auf den Piz Chavalatsch GR und den Berninapass GR (89 km)

Müstair – Stilfs (14. Juni 2021)

Stilfs – Stilfser Joch (15. Juni 2021)

Stilfser Joch – Torri di Fraéle (16. Juni 2021)

Torri di Fraéle – Pass da Val Viola (17. Juni 2021)

Pass da Val Viola – Bernina Hospitz (19. Juni 2021)

13. Steinblöcke statt Steinböcke

Vom Berninapass GR nach Sondrio I (62 km)

Bernina Hospitz – Munt da Campasc d’Ur (9. September 2021)

Munt da Campasc d’Ur – Alpe Prabello (10. September 2021)

Alpe Prabello – Rifugio Val di Togno (11. September 2021)

Rifugio Val di Togno – Sondrio (12. September 2021)

14. Von den höchsten Pässen zum tiefsten Abgrund Europas: die Adda

Von Sondrio I nach Pedrinate TI (117 km)

Sondrio – Forcola (10. Oktober 2021)

Forcola – Colico (11. Oktober 2021)

Colico – Varenna – Bellagio (12. Oktober 2021)

Bellagio – Como (13. Oktober 2021)

Como – Pedrinate – Chiasso (14. Oktober 2021)

15. Das Zentrum der Schweiz liegt im Süden der Alpen

Von Chiasso TI nach Olivone TI und Motto Crostel (138 km)

Chiasso – Riva San Vitale (16. November 2021)

Riva San Vitale – Taverne (17. November 2021)

Taverne – Bellinzona (18. November 2021)

Bellinzona – Biasca (19. November 2021)

Biasca – Olivone (20. November 2021)

Motto Crostel (21. November 2021)

16. San Nicolao von Giornico und Gola del Monte Piottino, Wahrzeichen der Leventina

Von Biasca TI nach Airolo TI (44 km)

Biasca – Faido (21. Januar 2022)

Faido – Airolo (22. Januar 2022)

17. Energieknoten am Griesgletscher

Von Airolo TI nach Ulrichen VS (39 km)

Airolo – Corno Gries (3.–4. Oktober 2022)

Corno Gries – Ulrichen (5. Oktober 2022)

18. Edle Schlichtheit und frommer Jubel des Barocks im winterlichen Goms

Von Ulrichen VS nach Brig VS (39 km)

Ulrichen – Ernen (8. März 2022)

Ernen – Brig (9. März 2022)

19. Auf den Spuren von Kaspar Stockalper

Von Brig VS auf den Simplonpass VS (17 km)

Brig – Simplonpass (10. Mai 2022)

20. Am 1. August über den Augstbordpass

Vom Simplonpass VS nach Gruben VS (60 km)

Simplonpass – Visperterminen (29. Juli 2022)

Visperterminen – Kalpetran (30. Juli 2022)

Kalpetran – Jungenalp (31. Juli 2022)

Jungenalp – Gruben (1. August 2022)

21. Es sind nur zehn Kilometer vom Weisshorn zur Dent Blanche

Von Gruben VS nach Arolla VS (58 km)

Gruben – Hotel Weisshorn (6. Oktober 2022)

Hotel Weisshorn – Grimentz – Bendolla (7. Oktober 2022)

Bendolla – Becs de Bosson (8. Oktober 2022)

Becs de Bosson – Evolène – Les Haudères (9. Oktober 2022)

Les Haudères – Arolla (10. Oktober 2022)

22. Gletscherpracht und Steinwüsten

Von Arolla VS nach Bourg-St-Pierre VS (82 km)

Arolla – Cabane des Dix (18. September 2022)

Cabane des Dix – Cabane de Prafleuri (19. September 2022)

Cabane de Prafleuri – Cabane de Louvie (20. September)

Cabane de Louvie – Mauvoisin (21. September 2022)

Mauvoisin – Cabane de Brunet (22. September 2022)

Cabane de Brunet – Bourg-St-Pierre (23. September 2022)

23. Zurück ins Tal, dort, wo die Menschen leben

Von Bourg-St-Pierre VS nach Martigny VS (41 km)

Bourg-St-Pierre – Orsières (23. Oktober 2022)

Orsières – Champex – Martigny (28. und 29. Oktober 2022)

24. Sechzehn Jahre, um den Genfersee zu füllen

Von Martigny VS nach Vevey VD (54 km)

Martigny – Aigle (12. November 2022)

Aigle – Vevey (13. November 2022)

25. Vom gegenüberliegenden Ufer aus hat man die beste Sicht auf seine eigene Küste

Von Vevey VD nach Chancy GE (82 km)

Vevey – Evian-les-Bains (24. November 2022)

Evian-les-Bains – Douvaine (25. November 2022)

Douvaine – Chancy (26. November 2022)

Abbildungsverzeichnis

Über den Autor

Gipfelpunkt der Route

Backcover

JOSEPH DEISS

IN ALLE HIMMELSRICHTUNGEN

Der Autor dankt Marie-Rose Wandeler für die aufmerksame Lektüre und die zahlreichen Verbesserungen des Textes. Er trägt alleine die Verwantwortung für den Inhalt.

© 2024 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, BaselAlle Rechte vorbehaltenLektorat: Angelia SchwallerKorrektorat: Tobias WeskampFotografien: Joseph DeissCoverbilder: Die Fotos beziehen sich auf folgende Örtlichkeiten: «Nebel über dem Jura in Le Cerneux-Péquignot» (oben links), «Diessenhofen» (oben rechts), «Blick von der Cabane des Dix auf die Aiguille de la Tsa» (unten links), «Lagh da Val Viola» (unten rechts).

Joseph Deiss

IN ALLE HIMMELSRICHTUNGEN

Wanderungen in verborgene Winkel der Schweiz

Die Schweiz in allen Himmelsrichtungen

Als ich meine Mund- und Nasenmaske überstülpe, um in den Zug zu steigen, der mich nach Genf Cornavin bringen soll, hege ich gemischte Gefühle. Das hygienische Visier belästigt mich zwar nicht allzu sehr, auch wenn jeder Brillenträger das Problem des Dunsts lösen muss, der sich ständig auf den Gläsern ansammelt. Dennoch erinnert mich diese karnevalistische Maskerade an die Frustrationen, die mir die fast dreimonatige Blockade im Zusammenhang mit der durch das Coronavirus verursachten Pandemie beschert hat. Noch nie in meinem Leben verstand ich besser, was es bedeutet, auf der Stelle zu treten.

Beizeiten, an diesem sonnigen Montag des Frühsommers, im Monat Juni 2020, dominiert aber die gute Laune. Endlich darf ich mich wieder für eine längere Marschroute auf Schusters Rappen fortbewegen. Und die erfrischende Brise kündigt ideale Bedingungen an. Mein Vorhaben lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen:

– Die vier geografischen Extrempunkte der Schweiz zu Fuss miteinander verbinden.

Für den Start beabsichtige ich heute nach Chancy GE zu reisen, wo sich der Grenzstein Nummer 1 befindet, der erste von etwa 7000 Steinblöcken, die versuchen, die Schweiz von ihren Nachbarn zu trennen. Es ist der westlichste von allen. Als nächster kommt dann der Schwarze Staa von Oberbargen SH. Dieser ist diesbezüglich der nördlichste, bevor es auf den Piz Chavalatsch GR hinauf geht, wo der am weitesten gegen Osten gerichtete Grenzpunkt wartet. Schliesslich folgt dann der Punto estremo sud della Svizzera, in Pedrinate TI. Insgesamt eine Wanderung von beinahe 1700 Kilometern.

Die Regel, die ich mir für diesen Rundgang auferlege, ist sehr einfach: Die gesamte Strecke muss zu Fuss zurückgelegt werden. Jede Etappe beginnt dort, wo die räumlich vorausgehende endet. Ansonsten nichts. Höchstens die Absicht, sich auf das Glück der Launen des Zufalls zu verlassen.

In Wirklichkeit ist es etwas Grundsätzlicheres als die Barrieren, mit denen man versucht die Pandemie in Schranken zu halten, das meinen Geist beschäftigt. Ich fürchte, man könnte mir vorwerfen, gegen meine eigene Überzeugung zu verstossen, die ich meinen Taten stets vorgegeben habe. Was hat mich denn dazu bewogen, eine Expedition zu unternehmen, die an Grenzorte führt, die eigentlich meinem ausgeprägten Geist der Öffnung widersprechen?

Die vier Himmelsrichtungen – auch Kardinalpunkte genannt – sind geografische Orientierungshilfen. Nord, Süd, Ost und West auf der Windrose (Stern mit 32 Unterteilungen) dienen dazu, sich an der Erdoberfläche zurechtzufinden und zu positionieren. Sie sind entscheidend, um die Schweiz auf dem unendlichen Schachbrett des Solarsystems und sogar im Universum zu orten. Auf dem Meridian (Breitengrad) wird die Entfernung zum Nordpol oder zum Südpol gemessen, mit dem Längengrad wird die Entfernung in Richtung der Drehung des Globus im Osten oder in der rückwärtsgewandten Richtung zum Westen, unter Bezugnahme auf den Greenwich-Meridian, angegeben.

Die Schweiz liegt grosso modo zwischen dem 6. und 10. östlichen Meridian und zwischen dem 46. und 48. nördlichen Breitengrad. Der am wenigsten vom Nordpol entfernte Punkt des Landes, in Oberbargen SH, hat gemäss dem Bundesamt für Landestopografie swisstopo die Koordinatenwerte 47° 48' 30,446'' N und 8° 34' 4,906'' O. Der südlichste Punkt, in Pedrinate TI, hat die Masse 45° 49' 4,686'' N und 9° 0' 59,373'' O, der östlichste Punkt, auf dem Piz Chavalatsch GR, 46° 36' 46,640'' N und 10° 29' 31,818'' O, und der westlichste, Ausgangspunkt dieser Reise, in Chancy GE, 46° 7' 56,482'' N und 5° 57' 21,246'' O. Das Schöne an dieser Verteilung ist, dass es für jede Landessprache einen Extrempunkt gibt. Es ist wohl überflüssig zu erklären, welcher Extrempunkt zu welcher Landessprache und Kultur gehört.

Dieser Streifzug wird mich als unermüdlichen und vorurteilsfreien Wanderer über Stock und Stein zur Begegnung mit der helvetischen Identität der Schweizer und Schweizerinnen führen. Ausgehend von der Nummer eins, in Chancy GE, von einem Extrempunkt zum anderen, ist die Hoffnung gross, mehr über die Geografie und die Geschichte des Landes zu erfahren. Vor allem, weil mich das Abenteuer mit zufälligen, glücklichen, ungewöhnlichen, erstaunlichen, manchmal enttäuschenden oder oft verwirrenden, aber immer unerwarteten Begegnungen und Entdeckungen überraschen soll.

Der nach Heldentaten begierige Weltenbummler motiviert sich meistens mit der Höhensuche. Man rühmt sich zum Beispiel, den höchsten Gipfel des Landes, die Dufourspitze, im Monte-Rosa-Massiv, mit seinen 4634 Metern bezwungen zu haben. Im Gegenteil betrachtet man es nicht als aussergewöhnliche Leistung, die 193 Meter des niedrigsten Punktes der Schweiz, am Ufer des Lago Maggiore, erreicht zu haben. Die 48 Viertausender der Schweiz zu erklimmen, oder, als letzter Fund, die Höchstpunkte der 26 Kantone, sind Gymkhanas, die nicht für jeden gewöhnlichen Sterblichen gedacht sind. Man hat jedoch noch nie gehört, dass sich ein Wanderer in den Kopf gesetzt hätte, die Tiefpunkte der 26 Kantone zu verbinden. Das ist oft nicht nur ein Punkt, sondern eine Linie. Die Oberfläche des Genfersees, zum Beispiel, vereint die tiefsten Punkte für Wallis und Waadt. Dies führt dazu, dass die 372 Meter Höhe der Schweizer Küste des grössten Alpen- und Subalpinsees Europas die Untergrenze dieser beiden Kantone bilden.

Wassertiefe kann auch ein Sport sein, wie unser Landsmann Jacques Picard gezeigt hat. Am 23. Januar 1960 eroberte er an Bord der Bathyscaphe mit Don Walsh den Mariannengraben auf -10 916 Meter, dem tiefsten Punkt aller Ozeane. Erst mehr als fünfzig Jahre später, am 25. März 2012, erreichte ein dritter Abenteurer, der berühmte Filmemacher James Cameron, solo, diese Tiefen (-10 898 m). Im April 2019 folgte der Amerikaner Victor Vescovo, der mit -10 927 Meter den Tiefenrekord schlug und etwas später, zusammen mit der ersten Frau, der Astronautin Kathy Sullivan, diese Leistung wiederholte.

Der Lago Maggiore ist mit 372 Meter der tiefste See der Schweiz, direkt vor dem Genfersee, der 310 Meter unter die Wasseroberfläche absteigt. Das Tessiner Gewässer hält also die Rekorde der niedrigsten Höhe an der Oberfläche und des tiefsten Abgrunds, der in seinem Fall deutlich unter den Meeresspiegel fällt, inne. Es ist ein statistischer Zufall, dass der Tiefenrekord des Lago Maggiore (-372 m) mit der Höhe ü. M. der Oberfläche des Genfersees identisch ist (+372 m)!

Die Gipfel, die ich anstrebe, sind also die äussersten Enden der Schweiz auf der Landkarte: der nördlichste, südlichste, östlichste und westlichste Punkt unserer nationalen Grenzen. In Luftlinie gemessen sind die Geraden, welche die vier Extrempunkte der Schweiz miteinander verbinden, insgesamt etwa 850 Kilometer lang. Das ist weniger als die Hälfte der 1935 Kilometer der Aussengrenze der Schweiz mit ihren fünf Nachbarn: Italien 800 Kilometer (inkl. Enklave Campione), Frankreich 585 Kilometer (inkl. Genfersee), Deutschland 364 Kilometer (inkl. Enklave Büsingen und Bodensee), Österreich 180 Kilometer (inkl. Bodensee) und Liechtenstein 41 Kilometer. Die beiden Diagonalen, welche die Nord–Süd und Ost–West-Extreme verbinden, werden mit einer Länge von 350 Kilometer und 220 Kilometer angegeben. Wie wir noch sehen werden, ist deren Schnittpunkt von besonderem Interesse. Aber auch die Fläche des durch diese beiden Geraden gebildeten Rechtecks würde 77 000 Quadratkilometer betragen, weit mehr als die 41 285 Quadratkilometer des tatsächlichen Territoriums unseres Landes. Der gewundene Weg unserer nationalen Grenzen hinterlässt also viele Leerstellen und viele Sonderfälle.

Die Wahl des Ausgangspunkts für eine solche Reise führt logischerweise nach Chancy im Kanton Genf, wo sich der berühmte Grenzstein Nummer 1 befindet. Dies wäre der erste der über 7 000 Meilensteine, die, wie es scheint, unser Territorium umrahmen. Er geht zurück auf das Abkommen von 1816 zwischen dem Königreich Piemont-Sardinien einerseits, der Schweiz und Genf andererseits, nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Reiches und dessen Aufteilung unter den Siegermächten. Er stammt aus dem Jahr 1816, aber es ist möglich, dass seine genaue Einsetzung Gegenstand eines Protokolls aus dem Jahr 1819 war.

Dieses einleitende Beispiel zeigt, dass der Ansatz nicht nur räumlich ist. Jeder Punkt auf der Karte hat seine Geschichte. Es besteht kein Zweifel, dass diese weltliche Pilgerfahrt auch an die Extremitäten der Vergangenheit unseres Landes führen wird. Es sind die Schlüsselmomente, in denen es sein Schicksal geschmiedet hat, in welchen es die Grundlagen seines Erfolgs gelegt hat, aber auch die Kanten der politischen Abgründe, wo die Völker in ihrer Existenz bedroht sein können.

Damit wären wir auf der Karte und in der Zeit geortet. Aber ein Land kann die Frage seiner Grenzen auch auf eine spirituelle, kulturelle, sprachliche oder politische Ebene heben und erforschen, welche Werte die Nation auf dem Schachbrett der grossen Prinzipien begleiten. Es geht um Menschenrechte, Frieden, Demokratie, individuelle Freiheiten, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit oder das Wirtschaftssystem. Auf dieser Ebene sind die Grenzen und Extreme, die als Referenz dienen können, zahlreicher und weniger offensichtlich.

Man spricht auch von den vier Kardinaltugenden – Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mässigung – als Ergänzung zu den drei göttlichen Tugenden – Liebe, Hoffnung und Glaube –, wie sie im berühmten Fresko von Raphael dargestellt sind, das 1511 zur Zeit der Renaissance gemalt wurde. Im Gegensatz dazu gelten die Laster nicht als kardinal, sondern sind unheilbringend und man nennt sie sogar die sieben Todsünden. Das ist kein Unglück, denn so ergibt sich keine Gelegenheit Geiz, Zorn, Neid, Gier, Lust, Stolz oder Faulheit in Verbindung zum Thema der kardinalen Schweiz zu bringen.

Für eine Nation sind moralische Bezugspunkte genauso entscheidend wie räumliche und zeitliche Abgrenzungen. Man kann also gespannt sein, ob das Bummeln am Rande des Landes, neben dem geografischen und historischen Abdruck dieses «Kleinen Staates», mehr über seine tugendhafte Grösse und seine Volksseele vermitteln kann.

Um aufrichtig zu sein, gebührt es sich daran zu erinnern, dass ich eigentlich die Grenzsteine nicht mag. Für mich sind die Grenzen da, um übertreten zu werden. Die vorgegebenen Linien zu übergehen ist auch eine Philosophie. Vor allem, wenn die Grenze von anderen, von einer höheren, unbekannten oder gar unsichtbaren Gewalt festgelegt wurde. Diese Haltung wende ich zuerst im Raume an. Reisen, wenn möglich auf der ganzen Welt, ist in meinen Genen verankert. Es stört mich nicht, wenn in meiner Umgebung diese Unrast als pathologisch betrachtet wird. Und ich komme ja aus einem Binnenland, das sich in der Mitte des Kontinents befindet, ohne direkten Zugang zum Meer, mit Kantonen, von welchen deren elf, worunter mein eigener, Freiburg, nicht einmal eine gemeinsame Grenze mit dem Ausland haben.

Dieses Bedürfnis, die von der Geografie oder der Politik festgelegten Gehege zu durchbrechen, übertrage ich gerne in andere Dimensionen der menschlichen Existenz. Die Geschichte, zum Beispiel, lädt uns ein, durch die Zeit zu reisen, die Fiktion, dann, erweitert den Horizont nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Welt der Fantasie, der Spekulationen und sogar der Verbote. Natürlich bleibt alles auf der Ebene des Geistes. Aber ich habe mir das Sprichwort gemerkt, das mir meine Mutter mitgegeben hat:

– Gedanken sind zollfrei.

Die höhere Gewalt, die das Covid-19 darstellt, das derzeit Auslandsreisen verbietet, hat auch ihre guten Seiten. Sie regt an, sein eigenes Land auf neuen Wegen zu entdecken. Das führt dazu, den Grenzen zu folgen, hindert aber nicht daran, auf die eine und die andere Seite auszuschweifen, von einer Sprache oder Kultur zur anderen zu wechseln, um diese sensitiven und subtilen Gebiete zu erleben, in denen sich die Völker nahekommen und sich über ihre Unterschiede wundern.

Leichten Herzens mache ich mich auf den Weg und erinnere mich dabei an den Refrain eines Liedes von Gilles Vigneault:

«Das Glück reist immer zu Fuss

   Das Glück schlummert zutiefst in einem alten Schuh»

Gilles Vigneault (L’étranger, 1983)

1.Ein Bier des Kardinals im Glas des Calvinus

Von Chancy GE nach St-Cergue VD (63 km)

Chancy – Pregny (22. Juni 2020)

Gewiss bin ich schon öfters in Genf gewesen. In Cointrin, für einen Flug, für Konferenzen an der Universität, Treffen im Rahmen internationaler Organisationen, Konzerte, für einen Besuch in den zahlreichen Museen und natürlich zum Essen in den Restaurants oder für Spaziergänge am Seeufer entlang, insbesondere um den einzigartigen Wasserstrahl zu bewundern. Bis heute ist es mir jedoch zeitlich nie gelungen, mir ein konkretes Bild der Geografie dieses Kantons und seines engen Territoriums zu machen.

Nur die beiden Appenzell, Basel-Stadt, Nidwalden und Zug verfügen über noch weniger Raum, und sogar ein Bezirk wie jener des Greyerz, im Kanton Freiburg, ist deutlich grösser. Für die Demografie, mit fast 2000 Einwohnern für jeden der 282 Quadratkilometer Fläche, ergibt dies insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen. In Bezug auf die Bevölkerung ist Genf der sechstgrösste Kanton des Landes! Nur in Basel-Stadt lebt man noch dichter beisammen (5000 Einwohner pro km2).

Das schliesst ein Hinterland, das heisst eine echte Genfer Landschaft, nicht aus. Das merkt man, sobald man in Cornavin ankommt, von wo aus man zuerst den neuen Annemasse-Zug bis nach Lancy-Pont-Rouge und dann den Bus nach Chancy-Dorf nimmt. Eine Fahrt, die mindestens eine Dreiviertelstunde dauert. Jedes Mal beeindruckt die Dichte und Qualität des Netzes der tpg (Transports publics genevois, Öffentlicher Verkehr Genf).

Um 9:30 Uhr sitzen die Stammgäste des Cafés de la Place, in Chancy, bereits vor ihren cafés-croissants. Aber man scheint hier nicht im Bilde zu sein:

– Grenzstein Nummer 1? Das sagt uns nicht viel. Auch nicht der Ortsname Vers Vaux. Gehen Sie doch schon bis zum Zoll. Kurz bevor Sie dort ankommen, biegen Sie leicht nach links ab. So werden Sie auf jeden Fall ans Ufer der Rhone gelangen.

Auch der Inhaber der Beiz, mit mediterranem Akzent, hat noch nie davon gehört.

Ein Bauer, der gerade das Gras mähen will, ist nicht viel besser informiert:

– Vers Vaux liegt wohl ganz am Ende dieses Weges. Aber den Grenzstein habe ich noch nie gesehen. Wissen Sie, ich wohne jenseits der Grenze, in Frankreich, und ich nutze einige Parzellen hier in der Schweiz.

– Das ist schon ein starkes Stück. Da hat man einen geschichtsträchtigen Ort, den man anderswo sogar zu einem Reiseziel gemacht hätte. Und hier gibt es nicht einmal ein Anzeigeschild!

Wie auch andere verabscheue ich es, im Ungewissen herumzutappen. Denn die ins Leere zurückgelegten Kilometer zählen doppelt. Am Schluss muss man sie ja zusätzlich rückwärts begehen, um wenigstens wieder beim Ausganspunkt anzulangen. Glücklicherweise erscheint schliesslich das befreiende Signal, das die Richtung zu den Meilensteinen 1.1, 1.2, 1.3, 1.4 und 1.5 angibt. Aber kein Grenzstein, der einfach die Nummer 1 tragen würde.

Folgt man dem schmalen Pfad durch das hohe Gras und das Gestrüpp des wildwüchsigen Waldes, was man den Wilden Westen Genfs nennen könnte – und sogar der Schweiz, denn es wird ja verzweifelt nach dem westlichsten Ende des Landes gesucht – stösst man ziemlich schnell auf den Grenzstein mit dem Zeichen 1.4. Dieser stammt aus dem Jahr 1946, was seltsam ist, denn es ist auch mein Geburtsjahr. Ein paar Meter weiter steht dann logischerweise die Inschrift 1.5. Dieser Markstein ist zwei oder drei Meter vom Wasser entfernt, das in der Rhone vorbeifliesst. Das ist der Ort, an dem dieser grosse Strom von der Schweiz nach Frankreich zieht. Nach gewissen anderweitig gefundenen Quellen soll der westlichste Extrempunkt der Schweiz genau dort in der Mitte des Flusses liegen.

– Hier haben wir jedenfalls die Höhe von 340 Meter über Meer, den tiefsten Punkt des Kantons Genf und auch der gesamten Westschweiz erreicht.

Aber etwas bleibt mir trotzdem im Halse stecken. Ich komme auf den Pfad zurück, um mich auf die Suche nach den drei anderen Grenzsteinen zu machen, die durch das Anzeigeschild angekündigt worden waren (1.1, 1.2 und 1.3). Ich finde sie locker. Aber keiner stimmt mit dem überein, was im Internet abgebildet war. Und siehe, da stösst man auf einen Grenzstein mit der Nummer 2. Nun wird es heiss, sage ich mir und entdecke endlich, ganz in der Nähe, das historische Exemplar, datiert aus dem Jahr 1816 und geschmückt mit den eingemeisselten Wappen des Königreichs Sardinien auf der einen Seite und denen von Genf und der Schweiz auf der anderen Seite. Der Stein trägt keine Nummer, muss aber wohl jener sein, dem man die Nummer 1 zuordnet.

Erst jetzt bin ich wirklich beruhigt. Ich gönne mir eine wohlverdiente Pause, indem ich mich auf die kleine Brücke setze, die den Bach überquert, der sich in die Rhone ergiesst, ein Bauwerk, das «vom Staat Genf mit dem Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Genfer Wäldern» gebaut wurde, wie das angebrachte Schild verkündet.

– Hier beginnt die Schweiz, wenn man aus dem Westen kommt!

Dieser Ort muss Charles Pictet-de-Rochemont besonders am Herzen gelegen haben, der im Namen Genfs auf den grossen internationalen Kongressen verhandelte, an denen nach dem Fall Napoleons die Landkarten auf kontinentaler Ebene neu gestaltet wurden. Auf französischer Seite wurde die Genfer Grenze durch den Pariser Vertrag (1815) und auf der Savoyen-Seite durch den Vertrag von Turin (1816) bestätigt.

Um den Beginn meines ausgedehnten Bummels in allen Himmelsrichtungen des Landes zu markieren, habe ich einen symbolischen und historischen Ort in mehr als einer Hinsicht gewählt. Es ist nicht nur der westlichste Punkt des Landes, haarscharf vom Breitengrad 6° O (genau 5°58' O) entfernt, und gleichzeitig der tiefste Punkt der Westschweiz und des Kantons Genf, sondern vor allem auch eine historische Stätte, die an das Ende des napoleonischen Reiches und den Eintritt Genfs in die Eidgenossenschaft erinnert. Es ist deshalb sowohl ein geografischer als auch historischer Extrempunkt des Landes.

Das Jahr 1816 auf dem ehrwürdigen Grenzstein erklärt sich aus den Detailverhandlungen, die auf die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1815 folgten und logischerweise darüber hinausliefen. Es ist symptomatisch, dass für den Start der Tour, die an die vier Enden der Schweiz führen wird, der Kanton gewählt wurde – den Kanton Jura ausgenommen –, der 1815 als letzter der Konföderation beitrat und deshalb lange Zeit am Ende der Aufzählung figurierte, die im Artikel 1 der Bundesverfassung steht.

– Und nun, haben Sie ihn gefunden, Ihren Grenzstein, fragt mich der franko-schweizerische Bauer, der immer noch in der Nähe sein Gras abmäht. Ich habe meine Schwester deswegen angerufen, und sie hat ein ehemaliges Mitglied des Gemeinderates alarmiert.

– Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wie Sie wissen, bin ich jetzt auf dem Weg nach Schaffhausen.

– Das mindeste, was man sagen kann, ist, dass Sie noch ein langes Pensum vor sich haben.

Indessen mache ich mich munter auf den Weg. Ich hatte mir maximal eine Stunde vorgenommen, um diesen mysteriösen Markstein zu finden. Danach hätte ich sicherlich nicht länger gesucht. Die Tatsache, dass ich ihn schliesslich aus eigener Kraft gefunden habe, erfüllt mich mit Genugtuung. Im Moment fühle ich mich von allen Orientierungsfragen befreit. Denn um nach Schaffhausen zu gelangen, ist es egal, welche Route ich durch den Kanton und die Stadt Genf wähle. Eines ist sicher: Ich werde den Quai du Mont-Blanc begehen, um die Gedenkstätte Sissis, Kaiserin von Österreich, vor dem Hôtel Beau-Rivage, zu besuchen.

Ich bin noch nicht sehr weit vorangekommen, als ein Auto auf meiner Höhe anhält:

– Bouvier, ehemaliger Gemeindepräsident von Chancy. Sind Sie es, der den Grenzstein Nummer 1 sucht?

– Ja, ich habe ihn schliesslich gefunden.

– Dann bin ich beruhigt. Ich habe Ihnen einen Pin mit dem Denkmal mitgebracht. Wir schufen das Abzeichen in der Zeit, als ich an der Spitze der Gemeinde stand.

– Danke für die Sorge, die Sie zu unserem Erbe tragen. Das war für mich ein sehr sinnbildlicher und bewegender Moment.

– Wir sind uns der Bedeutung dieses Ortes bewusst. Ich bin heute Morgen herumgekommen und habe gesehen, dass ein Baum umgefallen ist und den Weg versperrt. Ich habe es der Stadt bereits gemeldet. Ich wünsche Ihnen einen guten Marsch!

Nun aber verweile ich nicht zu lange, denn es ist bereits spät am Tag, um eine ziemlich ausgedehnte Etappe zu beginnen. Vorerst geht es zum Dorf Chancy zurück, um dann die Genfer Landschaft in Richtung Stadtzentrum zu durchqueren. Über Champlong, Avusy, Laconnex, Sézenove, Bernex, Confignon, Onex, Petit- und Grand-Lancy erreicht man die Rhone und die Promenade am See. Indem man sich zusehends von der idyllischen Atmosphäre der grünen und reichen Landschaft Genfs in die fortschreitende Urbanität der Stadt und ihres Zentrums bewegt, beeindruckt vor allem die Dichte und Vielfalt der natürlichen, historischen und architektonischen Merkmale dieses Stadtkantons und internationalen Zentrums.

Entlang des Weges erinnern zahlreiche Zeugen aus der Vergangenheit daran, wie sehr Genf an den entscheidenden Wendepunkten der Geschichte präsent war. Angefangen mit dem Grenzstein von 1816, von dem bereits die Rede war. Aber es gibt auch den Park La Grange, wo 1864 der Abschluss der Genfer Konvention unter dem Vorsitz von Henri Dunant gefeiert wurde, einer der wichtigsten Beiträge der Schweiz zur Wahrung von Frieden und Menschenrechten.

Wir sind da auch nicht weit von den Niton-Steinen entfernt, zwei Findlinge, die Guillaume-Henri Dufour als Referenz dienten, um die Höhen der Schweizer Topografie zu bestimmen. Dieser Ingenieur, General und Kartograf war 1847 die Schlüsselfigur, die verhinderte, dass die Schweiz im Sonderbund-Krieg – ein weiterer Markstein unserer historischen Extrempunkte – in einen blutigen Bürgerkrieg geriet. All dies brachte ihm schon 1863 die Ehre ein, dem vertikalen geografischen Extrempunkt des Landes, der Dufourspitze im Monte-Rosa-Massiv, seinen Namen zu geben.

Der berühmte Wasserstrahl, 140 Meter hoch, ist leider nicht in Betrieb. Im Hintergrund dagegen erhebt sich die Kathedrale Saint-Pierre, deren Ursprünge bis ins 4. Jahrhundert zurückreichen und die einen weiteren historischen Wendepunkt in der Geschichte des Landes darstellt. Als Sitz des Bischofs von Genf bis zur Reform im Jahr 1535 ist sie ein symbolischer Ort für die Christen der Westschweiz und der gesamten Christenheit. 23 Jahre lang unterrichtete dort Jean Calvin die Heilige Schrift. Der Weg der schwierigen Beziehungen zwischen den Protestanten und den Katholiken der Westschweiz war lang und schmerzhaft.

– Trotzdem überraschend also, dass es Jahrhunderte später, in der Nähe des Espace Madeleine, am Fusse der Cathédrale Saint-Pierre, immer noch eine Rue du Purgatoire (Fegfeuer) gibt, die in die Rue d’Enfer (Hölle) mündet, sage ich zu mir.

Erst nach der Errichtung der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg, im Jahre 1924, und der Erhebung der Basilika Sankt Nikolaus von Freiburg zum Dom und Bischofssitz konnten sich diese Beziehungen schrittweise entkrampfen. Einer der Tiefpunkte dieser Streitigkeiten war der Landesverweis des Bischofs und späteren Kardinals Gaspard Mermillod, im Jahr 1873, obwohl er aus Carouge stammte und Schweizer Staatsbürger war.

Heute sind die Beziehungen zwischen den christlichen Gemeinschaften glücklicherweise entspannter. Der letzte konfessionelle Artikel der Bundesverfassung von 1874, der sich gerade auf die Bistümer bezog, wurde 2001 fast diskussionslos vom Schweizer Volk aufgehoben. Das ökumenische Wohlwollen ist heute derart fortgeschritten, dass zum ersten Mal seit fast 500 Jahren an Pfingsten 2020 in der Cathédrale St-Pierre eine katholische Messe gefeiert werden sollte. Leider musste das verheissungsvolle Projekt infolge von Covid-19 verschoben werden.

Glücklicherweise war dies nur eine vorübergehende Vertagung. Am Samstag, den 5. März 2022, konnte dann dieses «Ereignis mit sehr starker Symbolik», wie es von Pfarreipräsident Daniel Pilly definiert wurde, in Anwesenheit von 1500 Gläubigen, stattfinden. Wegen Platzmangel schafften es nicht alle Teilnehmer bis ins Innere des Gotteshauses. Nach 486 Jahren, ein bemerkenswerter Erfolg, wenn man an die leider verlassenen Tempel und Kirchen unserer Zeit denkt.

Sucht man nach statistischen Informationen über die Religionen in diesem Kanton, der oft als das Rom des Protestantismus der Westschweiz oder der ganzen Schweiz und Europas bezeichnet wird, ist man verblüfft: Heute sind 43 % der Genfer Bevölkerung römisch-katholischer Konfession, viermal so viele wie die Protestanten, die nur 10 % der Einwohner ausmachen. Nicht ein Hinterbliebener des Sonderbunds behauptet dies, sondern das Coup d‘oeil Nummer 58 vom Dezember 2016, eine offizielle Veröffentlichung der Republik und des Kantons Genf.

Am eleganten Quai du Mont-Blanc angekommen, erinnert ein Denkmal an das Drama, das die ganze Welt erschütterte und für welches dieser Ort Schauplatz war. Eine wunderschöne Skulptur aus dem Jahr 1998 gedenkt Elisabeth von Wittelsbach, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, allgemein bekannt unter ihrem charmanten Spitznamen «Sissi», die 1898 hier vor dem Hôtel Beau-Rivage, wo sie wie gewohnt abgestiegen war, von einem italienischen Anarchisten ermordet wurde.

Auf einem gemütlichen Spaziergang entlang der Seepromenade gelangt man zum Quai und zum Palast Woodrow Wilson, benannt nach dem 28. Präsidenten der Vereinigten Staaten und Initiator des Völkerbundes. Er war 1919 nach Europa gekommen, um den Vertrag von Versailles zu unterzeichnen, der den Ersten Weltkrieg beendete. In diesen turbulenten Zeiten des Coronavirus sei daran erinnert, dass sich der Präsident der Vereinigten Staaten bei dieser Gelegenheit die Spanische Grippe zugezogen hatte. Wahrscheinlich wusste das Präsident Trump nicht, sonst hätte er die Pandemie gründlicher bekämpft. Das ist umso unverzeihlicher, als sein Grossvater, Frederick Trump, am 27. Mai 1918, mitten in New York, Opfer dieses mörderischen Virus wurde.

In einem sehr engen Umkreis kann der Wanderer noch zum IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz), zu den Vereinten Nationen, zur IAO (Internationale Arbeitsorganisation), zur WHO (Weltgesundheitsorganisation), zum Menschenrechtsrat und schliesslich, in der Nähe des Botanischen Gartens, in das William-Rappard-Zentrum gehen, in dem heute die WTO (Welthandelsorganisation) untergebracht ist. Es ist atemberaubend und es gibt viele Metropolen, die teuer dafür bezahlen würden, um nur eine dieser bedeutenden Organisationen beherbergen zu können.

Auf dem Weg Richtung St-Cergue durchquere ich noch den herrlichen botanischen Garten, um auf die Erhebung von Pregny zu gelangen. Man ahnt nicht, dass die imposanten Schmiedegitter entlang der Dorfstrasse jene des Schlosses sind, in dem Sissi am 9. September 1898, einen Tag vor ihrem tragischen Tod, bei Baroness Julie de Rothschild zu Besuch war. In der Nähe befindet sich auch das Schloss von Penthes, in dem das Museum der Schweizer in der Welt untergebracht ist, und das Schloss von Tournay, das Voltaire persönlich für einige Zeit gemietet hatte. Ganz zu schweigen von den vielen Berühmtheiten, die ausser Voltaire in Genf lebten oder die Region durchquerten: Calvin, Rousseau, de Staël, Dunant, Dufour, um nur einige zu nennen. Heute sind es vor allem die Beamten der internationalen Organisationen, die sich mit Vorliebe hier niederlassen. Man sagt, sie würden in dieser Gemeinde bis zu 50 % der gesamten Wohnbevölkerung darstellen. Eine Herausforderung für den Finanzchef, wenn man bedenkt, dass aufgrund der multilateralen Abkommen diese Personen von jeglicher Steuer befreit sind.

Für die Nacht habe ich in einem kleinen Hotel in Pregny Unterschlupf gefunden. Mit der morgendlichen Fahrt von Freiburg nach Chancy und dem 28 Kilometer langen Marsch nach Pregny-Chambésy war der Tag wohl belastet. Mit einem gesunden Appetit geniesse ich den Rübensalat und den Kabeljau, den Claudia-Lucia vom Hotel La Fontaine zubereitet. Das Ganze wird von einem auserlesenen, ungefilterten Chardonnay von Christian Guyot, Winzer in Bernex, gekrönt. Köstlich!

Die untergehende Sonne ist wohltätig bis sehr spät. Eine gute Gelegenheit, um in Gedanken versunken einen Verdauungsspaziergang durch das stille Dorf zu machen. Die schweren Schmiedeeisengitter des Schlosses der Rothschild sind imposant. Verblüffenderweise öffnet sich das monumentalste plötzlich automatisch, sobald man sich ihm nähert. Es würde aber mehr Dreistigkeit voraussetzen, den weiten Park zu betreten, der das herrschaftliche Gebäude vollständig umgibt, zumal solche Gebäude normalerweise von wachsamen und bissigen Hunden gehütet werden. Mit der zusätzlichen Gefahr, dass sich das riesige Portal ebenso automatisch hinter einem schliessen könnte, zu später Zeit, in der es schwierig wäre, um nach Hilfe zu rufen.

Es ist eine Art Höhepunkt, der den allgegenwärtigen Wohlstand unterstreicht, der während der gesamten Überquerung der Metropole am Seeende zu beobachten ist. Niemand ist aber blauäugig genug, um zu glauben, dass die gesamte Bevölkerung mit dem gleichen Prunk wie die Rothschilds untergebracht ist. Trotzdem beeindrucken entlang des Weges die zahlreichen komfortablen Villen, inmitten von kurz gemähtem Rasen, die Dichte der Verkehrsmittel, die geräumigen Schulgebäude und breiten Strassen, die vielen Baustellen mit ihren rührigen Kränen, die Golfplätze und, als überraschender statistischer Indikator, die stattliche Zahl landwirtschaftlicher Betriebe, die in Stallungen für Reitpferde umgewandelt worden sind. Ganz zu schweigen von den luxuriösen Hotels für wohlbetuchte Gäste. Dieser Reichtum, der oft in übertriebener Pracht vorgeführt wird, ist paradox für eine Stadt, die sich auf Calvin beruft, aber auch irreführend für eine Agglomeration, die für ihren Wohnungsmangel und die Armut bekannt ist, wie sie durch die Verteilung von Nahrungsmitteln am Rande der Covid-19-Krise an den Tag gekommen ist.

Dieser letzte Punkt hatte mich verärgert, denn ein solches Elend ist unerträglich, in einem Land, das folgenden Passus in seine Verfassung geschrieben hat:

– Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind (BV Art. 12).

Es ist zudem nicht statthaft, dass die Initiative, diesem Grundsatz nachzukommen, der privaten Wohltätigkeit überlassen wird. Nach meinem Verständnis richtet sich dieses Mandat der Verfassung an die öffentlichen Körperschaften, vor allem in einem wohlhabenden Kanton, der zusätzlich von einer komfortablen sozialistischen Mehrheit regiert wird.

Pregny – Château de Bossey (23. Juni 2020)

Am nächsten Morgen schafft die nachhaltig helle Sonne, gepaart mit einer erfrischenden Brise, ideale Bedingungen für das Marschieren. Sie hat es bald erledigt, diese ketzerische, nächtliche Melancholie zu zerstreuen, als ich am nächsten Morgen loslege. Auch bereue ich den mühsamen Aufstieg durch den botanischen Garten nach Pregny-Chambésy vom Vortag nicht mehr, denn einmal auf diesem Buckel angelangt, geniesst man einen atemberaubenden Blick auf den See, den das glitzernde Morgenlicht geradezu feudal gestaltet.

Die Weite dieses Süsswasserbeckens ist überwältigend. Der Genfersee – oder der Léman – mit seinen 580 Quadratkilometern ist der grösste See in Westeuropa. Er ist etwas kleiner an der Oberfläche als der Plattensee, sein östliches Pendant in Ungarn (592 km2). Da er aber deutlich tiefer ist, stellt er mit 89 Kubikkilometern ein viel grösseres Volumen von Süsswasser dar als die 1,9 Kubikkilometer seines magyarischen Konkurrenten. Freilich sind es 265-mal weniger als die 23 600 Kubikkilometer des Baikalsees, der 20 % des Trinkwassers der Seen und Flüsse der Welt enthält. Dennoch würde diese Reserve ausreichen, um den direkten Trinkwasserbedarf der ganzen Schweiz für mehr als zwei Jahrhunderte zu decken ... bei einer jährlichen Quote von 50 m3 per Einwohner ... Ohne dabei jedoch zu vergessen, dass der Genfersee nur zu 60 % zur Schweiz gehört. Vor allem, ein wahrer Naturreichtum, der auch in Zukunft uneingeschränkten Schutz verdient.

Am Ende des Abstiegs ins Innere des Territoriums in Richtung Jura erreicht die Route das östliche Ende der Start- und Landebahnen des Flughafens, wo heute Morgen ein Grossteil der vom Coronavirus stillgelegten easyJet-Flotte schlummert. Im Hintergrund grüssen der Crêt de Neige (1720 m), der Reculet (1718 m) und der Colomby de Gex (1688 m), die drei höchsten Gipfel der ganzen Jurakette. Sie befinden sich im Département de l‘Ain, also bereits in Frankreich.

Der Autofahrer, der auf der Autobahn vorbeirast, ist sich des Engpasses, den dieser Sektor darstellt, nicht bewusst. Der Flughafen Cointrin, der im Norden an die Grenze Frankreichs stösst, lässt nur ein zwei Kilometer breites Band gegenüber dem See übrig, der sich im Süden befindet. Und genau auf diesem schmalen Landstreifen wurde der riesige Autobahn-Kreisel aufgestellt, ganz zu schweigen davon, dass man noch die Züge und den lokalen Verkehr durchfahren und Platz für Wanderer und Radfahrer lassen muss. Und es geht weiter, am Rande des Pays de Gex, an Ferney-Voltaire vorbei, mit der Parade der Luxusvillen, die von aggressiven Hunden bewacht werden, vor welchen mit gut polierten Messingplatten ausdrücklich gewarnt wird, hinter den unüberwindbaren, schmiedeeisernen Gittern, inmitten der sanften Rasenflächen und der reichhaltigen Blumenbeete.

Für den Rest des Weges ist ein Verlauf abseits vom See vorzuziehen. So ist man näher am Aufstieg, der nach St-Cergue führen wird. Auf diese Weise zieht man durch Collex und dann in Richtung von La Bâtie und dem Naturreservat der Douve weiter. Die Wälder sind schön und die Versoix ist bereits mehr als nur ein kleiner Bach. Die Überquerung des Grand Bois ist belebend. Die Natur ist hier grosszügig, ein Eindruck, der den ganzen Tag über dominiert. Erstaunlich ist, dass diese Landschaft immer noch zum Kanton Genf gehört, der doch als städtisch und eingeengt betrachtet wird.

Nicht lange, denn unmittelbar nach dem Hof Courtois, wo für die Mittagspause knackige schwarze Kirschen zu finden sind, steht der Grenzstein, der den Übergang zum Kanton Waadt, am Eingang von Chavannes-des-Bois, markiert. Wieder ein schönes Dorf, in dem man erahnt, dass die Schweizer die Mittel besitzen, um die Dinge zu hegen. Es folgt Chavannes-de-Bogis, eine weitere grosszügig angelegte Wohngemeinde, die den Autobahnbenutzern gut bekannt ist. Der Weg führt nun entlang der Landesgrenze. Sauverny, Gex und Frankreich sind nicht weit.

Das Ziel des Tages ist das Schloss von Bossey. Eine zufällige Wahl, die im Internet beim Buchen der Unterkunft für die Nacht getroffen wurde. Die Kriterien der Auslese waren jene der Entfernung und des Preises, ohne zu ahnen, dass der Ort das vom Ökumenischen Rat der Kirchen gegründete Institut beherbergt. Und erst einige Wochen später werde ich erfahren, dass Papst Franziskus bei seinem Besuch in Genf am 21. Juni 2018 die Nacht an diesem entzückenden und symbolischen Ort verbracht hatte.

Die Geschichte des Schlosses von Bossey geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Während der Reformation, der Berner Herrschaft und der Französischen Revolution erlebte das Anwesen viele Umwälzungen. Es wurde in seiner jetzigen Form im 18. Jahrhundert von Jean Turrettini, einem italienischen protestantischen Flüchtling, gebaut. Seit 1946 wird das Schloss vom Ökumenischen Kirchenrat genutzt, der es dann 1950 kaufte. Er organisiert unter anderem Seminare und Workshops, die sich an «alle Menschen richten, die einen Sinn suchen und einen persönlichen inneren Werdegang finden möchten».

Der Ort, der den Genfersee überragt, ist eine Oase der Ruhe, auch für diejenigen, die bloss auf einer Wanderung sind und nur eine Unterkunft für die Nacht brauchen. Das Hotel bietet komfortable Zimmer, die dem modernen Standard entsprechen, alles zu vernünftigen Preisen. Die idyllische Umgebung ist geeignet für die Erholung und die Besinnung im Schatten der majestätischen Bäume des Parks. Es gäbe sogar die Möglichkeit, die lange Allee hinunter zum See zu beschreiten, einer der längsten Zufahrtswege, der zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts von Alice-Marguerite Chenevière, der letzten Besitzerin vor der Übernahme durch den Ökumenischen Rat, geschaffen wurde.

Aufgrund der Tätigkeit des Instituts verfügt das Hotel über ein Restaurant, das auch den Gelegenheitspensionären Mahlzeiten anbietet. Angesichts der sommerlichen Zeit besteht die Möglichkeit, das Essen auf der Terrasse vor dem Schloss, mit Blick auf den Garten und auf den Genfersee, einzunehmen.

Für mich ist es eine Gelegenheit, auf die Überlegungen über die Beziehungen zwischen den Christen der Schweiz, die ich am Vortag bei der Kathedrale Saint-Pierre begonnen hatte, zurückzukommen. Und dies auf eine unerwartete und heitere Art.

Bei der Auswahl des Getränks und angesichts meines Dursts am Abend dieses Sommertages entscheide ich mich für ein Bier. Auf der Getränkekarte finde ich das unausweichliche Heineken, aber auch das Cardinal sowie das Bier einer Genfer Kleinbrauerei mit dem Namen Calvinus. Als Freiburger, der sich mit den extremen Kardinalpunkten des Landes beschäftigt, entscheide ich mich ohne zu zögern für ein Cardinal, obwohl dieses nicht mehr in Freiburg gebraut wird. Nach dem Marsch ist der erste Schluck immer der beste. Das bringt mich zu guter Laune. Mit amüsiertem Erstaunen stelle ich nämlich fest, dass das Bier des Kardinals in einem Glas mit dem Label des Calvinus serviert wird.

– Wie angenehm und einfach ist es doch, diese Art von Ökumene zu pflegen. Wenn unsere Vorfahren es nur gewusst hätten! Das ist an sich die Westschweizer Version der Milchsuppe von Kappel, die Freiburger bringen das Bier, die Genfer die Gläser.

Dieses zufällige Zusammenkommen ist umso köstlicher, weil das Cardinal-Bier 1890 in Freiburg anlässlich der Erhebung von Monseigneur Gaspard Mermillod zur Kardinalswürde kreiert wurde. Angesichts des kommerziellen Erfolgs des Getränks hielt Paul Blancpain, Besitzer der Brauerei, diese Marke aufrecht. Dieser geniale Brand hat auch die Übernahme durch Feldschlösschen überlebt, das seinerseits später von der Carlsberg-Gruppe geschluckt wurde. Ob sich der Gründer der letzteren, Carl Jacobsen, als er ein Sprichwort der französischen Aristokratie zu seiner Losung machte, seiner Treffsicherheit bewusst war, sei dahingestellt: «Bien faire. Laisser dire» (rechtschaffen und schweigsam).

– Das ist wohl das ökumenischste Bier, das ich je getrunken habe.

Und unbekannt ist, ob Papst Franziskus während seines Aufenthaltes denselben ökumenischen Cocktail bekommen hat.

Château de Bossey – St-Cergue (24. Juni 2020)

Am nächsten Tag – ich habe den weisen Schoppen des Vortags gut verdaut – verlasse ich das Schloss Bossey bei Sonnenaufgang. Zunächst geht es bergab Richtung Crassier und über die Autobahn. Auf dem Steg, beim Überqueren dieser Schlagader, die selbst zu einer so frühen Zeit schon sehr lärmig ist, kann man das Beben einer hyperaktiven Schweiz am besten beobachten. Der Ansturm der Autos, die nach Lausanne oder Genf unten durchrasen, erinnert an die kleine Brücke in der Nähe des Grenzsteins Nummer 1, die «mit Genfer Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern» gebaut wurde. Eine sympathische Geste, die angesichts der Hektik, die unter den Füssen des Fussgängers vorbeirasselt, umso naiver und hilflos erscheint. Um die Konfrontation zwischen Urbanisierung und biologischer Vielfalt zu unterstreichen, kommen die Baustellen hinzu, die hier in rauen Mengen wachsen: Stadtplanung am Waldrand, inmitten der Rapsfelder.

Auf dem gesamten Weg fasziniert die Skyguide-Sternwarte, die auf dem Gipfel des Berges in der Nähe von La Dôle (1677 m) thront. Hier beginnt der Schweizer Jura, direkt mit seinem zweithöchsten Gipfel, flankiert von der Pointe de Poêle Chaud (1628 m), die den dritten Platz in der nationalen Rangliste einnimmt. In der Schweiz gibt es nur noch den Mont Tendre (1679 m), der die Vallée de Joux überragt und auch im Kanton Waadt liegt, der noch höher hinauswill. Wohlwissend, wie bereits vermerkt, dass die drei allerhöchsten Juragipfel in Frankreich liegen.

Die Ankunft in dieser riesigen, 340 Kilometer langen Bergkette, die sich von Voreppe im Departement Isère (Frankreich) bis nach Dielsdorf im Kanton Zürich erstreckt und im Wesentlichen den ganzen Norden des Landes begleitet, erfolgt also durch den kulminierenden Teil des Juras. Zuerst mit den drei Champions, die sich noch in Frankreich befinden, und dann mit den viert- bis sechsthöchsten Gipfeln, die sich in der Schweiz erheben.

In Chéserex ist man nicht weit von der ehemaligen Abtei von Bonmont entfernt, die aus dem Jahr 1125 stammt. Am Ausgang von Gingins bietet ein bequemer Rad- und Fussgängerweg einen Übergang auf die Kantonsstrasse nach St-Cergue. Das völlige Fehlen des Autoverkehrs überrascht. Erst als sich das Ziel nähert, erklären zwei Arbeiter, dass die Strasse gesperrt sei, nachdem die Ausfahrt von St-Cergue in Richtung Nyon verschüttet und blockiert worden war. Der Fussgänger verfügt also für sich allein über eine verlassene Hauptverkehrsader.

St-Cergue ist ein hübscher kleiner Sommer- und Winterkurort auf einer Höhe von 1048 Meter. Er entwickelte sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Um die damalige Jahrhundertwende profitierte er vom Impuls des Grand-Hôtel und von der Inbetriebnahme der attraktiven kleinen Eisenbahn Nyon–St-Cergue–La Cure. Diese Schmalspurbahn endet heute in La Cure. Der französische Teil bis nach Morez wurde 1958 von Frankreich geschlossen. Es gibt neuere Projekte, welche die Strecke bis zum Ferienort Les Rousses verlängern möchten. Heute bieten die Skilifte von Télé-Dôle den Sportlern attraktive Möglichkeiten für Skitouren.

Die Tagesetappe war 18 Kilometer lang. Ab St-Cergue wäre es möglich, auf der von SchweizMobil empfohlenen Route der Jurahöhen weiterzuwandern.

2.Wenn das Erbgut planetarisch ist

Von St-Cergue VD nach Ste-Croix VD (74 km)

St-Cergue – Le Brassus (22. Juli 2020)

«Born in Le Brassus, Raised Around the World» (In Le Brassus geboren, rund um die Welt aufgewachsen), lautet das Motto der Uhrmacher Jules Louis Audemars und Edward Auguste Piguet, mit dem der Besucher bei seiner Ankunft in diesem grossen Dorf, das einst fürs Skispringen bekannt war, empfangen wird. Es könnte meine Überzeugung, die ich immer wieder verkündet habe, nicht besser zusammenfassen. Bereits am Kollegium Sankt Michael, dessen Leitspruch «Der Vergangenheit gilt unser Lob, unser Leben aber der Gegenwart» vom lateinischen Dichter Ovid stammt, hatte ich verstanden, dass es immer inspirierend ist, Gegensätze gegenüberzustellen.

Am Ende des 25 Kilometer langen Abschnitts von St-Cergue nach Le Brassus geht mir vorerst nicht der von Ovid angeprangerte sterile Wettstreit zwischen Jung und Alt durch den Kopf, sondern viel mehr die zunehmende Feindseligkeit zwischen den Anhängern des Rückzugs auf sich selbst und jenen, die sich für Offenheit einsetzen. Die Rivalität zwischen Protektionismus und Freihandel dauert nun schon mehrere Jahrhunderte. Aber sie hat neue Impulse erhalten, dank dem primären Populismus und dem verschärften Nationalismus, die durch die Angst vor der Globalisierung angekurbelt wurden. Audemars Piguet und mit ihr die ganze Vallée de Joux verneinen diesen vermeintlichen Widerspruch, zugleich seinen Wurzeln treu zu bleiben und weltweit handeln zu können.

Diese Art von Losungen verfolgt mich während der ganzen ausschliesslich waadtländischen Etappe von St-Cergue bis Ste-Croix. Die Strecke führt durch eines der idyllischsten und am besten erhaltenen Naturreservate des Landes. Sie öffnet gleichzeitig die Tore zum Cluster der Uhrenindustrie der Vallée de Joux, eine der dynamischsten und innovativsten Industrieregionen der Schweiz, seit mindestens zwei Jahrhunderten. Ich fühle mich hier in meiner Überzeugung bestätigt, dass Offenheit nicht den Verzicht auf seine Identität oder die Werte seines lokalen Erbgutes impliziert, sondern dass sich die beiden scheinbaren Gegensätze ergänzen und einen fruchtbaren Wetteifer fördern.

Das andere Paradox dieser Überquerung des Waadtländer Nordens, natürlich eher anekdotischer Art, ist die Tatsache, dass sich sowohl der Startort als auch der Ankunftsort, wie auch die Gemeinde L'Abbaye in der Vallée de Joux, auf die Seligkeit beziehen. Für einen Freiburger, der sich in eine vom Protestantismus geprägte Region gewagt hat, stellt dies eine beeindruckende Anzahl von Heiligen dar. Ein Grund mehr, die Realität und das Bewusstsein der Botschaft zu vertiefen, die durch die Namensgebung vermittelt wird.

– Kennen Sie die Herkunft Ihres heiligen Schutzpatrons Cergue? Ich habe dazu nichts gefunden, weder auf der offiziellen Website der Gemeinde noch in der Dokumentation des Fremdenverkehrsbüros. Und das Wappen der Gemeinde – ein Tannenbaum, ein befestigter Turm und ein Stern – hilft auch nicht weiter.

Der Chef vom Cheese N 'Beef, wo ich zum Abendessen Älplermagronen geniesse, sieht mehr als verblüfft aus. Der Name des Restaurants, das er gleichzeitig mit dem Hôtel de la Poste betreibt, verrät, wenn auch in einem für amerikanische Touristen gehaltenen Slang, seine Verbundenheit mit der lokalen Scholle, die hier aus Kühen (Beef) und Greyerzer (Cheese) besteht. Dennoch kommt er nicht umhin, seine Unwissenheit zu gestehen.

– Wahrhaftig, ich muss es zugeben, ich habe keine Ahnung. Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Aber machen Sie sich keine Sorge. Da sind ein paar Ortsansässige im Saal. Ich bin gleich zurück.

Er verschwindet, um sie zu fragen. Er kommt nicht zurück. Nicht einmal mit leeren Händen. Das ist nicht verwunderlich. Erstens, weil es die mangelnde Neugier von uns allen beweist. Die Versuchung ist gross, Dinge für gegeben hinzunehmen, ohne um das Warum zu fragen. Auf der anderen Seite ahne ich, aufgrund meiner bisherigen erfolglosen Nachforschungen, ein beinahe unlösbares Rätsel aufgegeben zu haben.

In den Schriften wird eine römische Einrichtung erwähnt, was die frühzeitige Kolonisierung des Ortes bestätigt. Jüngere Spuren erwähnen einen Sancti Cyrici oder Sanctus Ciricius, und dies ab 1173. Es handelt sich wahrscheinlich um den jüngsten bekannten christlichen Märtyrer, saint Cyrique, «eines der Opfer der grossen Christenverfolgungen, die anno 300 vom römischen Kaiser Diokletian verordnet wurden», wie es in der später von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Dokumentation steht (J.-M. Volet, Saint-Cergue, Commune de Saint-Cergue, 2001, S. 8). Dennoch muss dieser Heilige die Gemüter der Region geprägt haben, denn es gibt ein Saint-Cergues – mit der Endung «s» – im Departement Haute-Savoie, 14 Kilometer Luftlinie von Genf entfernt. Es heisst, dieser Ortsname sei vom heiligen Cyr abgeleitet, ein Name, den auch die berühmteste Militärakademie Frankreichs trägt.

Ansonsten ist nichts Konkretes zu erfahren. Das ist symptomatisch. Das Cheese N'Beef beweist mit der Speisekarte seine lobenswerte Anstrengung, lokale Produkte zu servieren, insbesondere Schweizer Käse, genauer Greyerzer, hergestellt im Waadtländer Jura, und Double crème (Doppelrahm) der gleichen Herkunft. Aber niemand macht sich Gedanken darüber, wer diesem Landfleck den Namen gegeben hat. Letzte Hoffnung ist die katholische Kirche hinter dem Bistro. Sie ist nicht dem heiligen Cergue gewidmet, sondern der heiligen Magdalena. Ich gebe auf und erinnere mich an eine ähnliche Erfahrung in der Toskana, in San Quirico d'Orcia. Der arme Santo Quirico, ein Kind, das mit seiner Mutter Giulitta zu Beginn des 4. Jahrhunderts den Märtyrertod erlitt, war ebenso unbekannt im Dorf, das seinen Namen trägt ...

Niemand ist gegen Fehleinschätzungen, die sich aus fälschlicherweise selbstverständlich gehaltenen Tatsachen ergeben, gefeit. Für den Kanton Waadt gilt zum Beispiel das Klischee eines zutiefst protestantischen Kantons. Mit Ausnahme von Echallens, vielleicht. Man ahnt nicht, dass es aufgrund der Migration, aber auch wegen der vielen Abtrünnigen in allen christlichen Konfessionen – wer hätte das gedacht – heute im Kanton Waadt und sogar in der Stadt Lausanne mehr Katholiken als Reformierte gibt. Wahrscheinlich wissen selbst die Waadtländer nichts davon, denn die offiziellen Statistiken darüber sind sehr diskret. Bei Wikipedia muss man auf die englische Version umschalten, um die Religionen erwähnt zu sehen. In St-Cergue hingegen ist die Situation ausgeglichen, wobei die beiden Konfessionen jeweils etwa 30 % ausmachen (Zählung des Jahres 2000). In der Vallée de Joux schliesslich sind die Katholiken eindeutig in der Minderheit, in einem Verhältnis von 5 zu 2.

St-Cergue – 2583 Einwohner – ist der erste Etappenort des Jura-Höhenweges, der den ganzen Schweizer Jurabogen von Nyon bis nach Dielsdorf durchläuft. Es handelt sich um die nationale Route Nr. 5, die von SchweizMobil angeboten wird. Für den Abschnitt St-Cergue–Ste-Croix sind die vorgeschlagenen Etappenorte der Col du Marchairuz (1447 m), Le Pont und Vallorbe. Aber es ist nicht verboten, eine eigene Wahl zu treffen. Um die Distanz in drei gleiche Teile von etwa 25 Kilometern zu gliedern, empfiehlt es sich in Le Brassus und in Vallorbe anzuhalten und sich für eine Strecke leicht westlich des Col du Marchairuz zu entscheiden. Unter anderem durchquert man dabei die bezaubernde Combe des Amburnex, Vorzeigebeispiel des regionalen Naturparks im Waadtländer Jura.

In St-Cergue, Verkehrskreisel für Grenzgänger, ist es nicht schwer, früh am Morgen aufzuwachen. Der unablässige Pendlerverkehr von Rousses und Morez beginnt um 5 Uhr. Glücklicherweise ist die nationale Route Nummer 5 gut gekennzeichnet. Sie führt an der reformierten evangelischen Kirche vorbei – natürlich auch hier keine Spur des Heiligen Cergue. Dann zweigt man in der Nähe des Bahnhofs in Richtung der Ruinen des Klosters Oujon ab. Um die Combe des Amburnex zu erreichen, ist es besser, nicht bis zu den Ruinen zu gehen, sondern durch Prangine und Borsatte bis zum Mont Roux (1255 m), ein erster Höhepunkt, zu steigen. Über Bioles, Petite Enne, Grande Enne, Pralets und Bassine – wo Greyerzer Alpkäse hergestellt wird – betritt man dieses unbekannte Kleinod des Waadtländer Juras. Der Weg säumt stellenweise die französische Grenze, eine Art Niemandsland, in dem man ständig in Höhen von 1200 bis 1350 Meter wandern kann, ohne jemanden zu treffen, mit Ausnahme der puren Natur.

Das hinderte die automatischen Melkmaschinen – Selbstbedienungsstellen für Rinder – nicht daran, zu den entfernten Alphütten vorzudringen, wo man die Kühe beobachten kann, wie sie anstehen, um von ihrem kostbaren Nahrungsmittel befreit zu werden. Während der Stosszeiten stockt es durch den Rinderstau.

Sehr anmutig wirken die Mauern, die mit aufgetürmten Natursteinen ohne Mörtel gebaut wurden, die sich durch die Wiesen schlängeln und in sanften Wellen alle Unebenheiten des Reliefs widerspiegeln. Diese Umzäunungen, ähnlich einer miniaturisierten Grossen Chinesischen Mauer, erhalten als einzige Replik in der Landschaft die kolossalen Betonblöcke der Panzerabwehr-Befestigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Diese sind aufgereiht wie die Zähne einer Toblerone (man nennt sie auch Drachenzähne), und bringen mit unbeugsamer Entschlossenheit den Willen des Landes zum Ausdruck, sich gegen jeden Eindringling verteidigen zu wollen.

Entlang der ausgedehnten Wälder der Benignes, der Vue de Genève oder des Crêt de la Neuve spürt man ein intaktes Glück in einer prächtigen Landschaft, einer unberührten Umwelt, inmitten einer ungewöhnlichen, fast unbewohnt scheinenden Schweiz, einem Sauerstoffreservat, das uns am Vorhandensein einer globalen ökologischen Bedrohung zweifeln lassen könnte.

Ganz in Gedanken versunken verpasse ich jedoch die Gelegenheit nicht, die Abkürzung quer über die Höhenzüge zu wagen, um die Kantonsstrasse des Col du Marchairuz zu vermeiden. Auf der Höhe des Pré aux Vaux, mit 1340 Meter der Gipfelpunkt des Tages, folge ich vertrauensvoll dem Schild, das einen direkten Weg nach Le Brassus verspricht. Die Aussicht auf diese Zeitersparnis verleitet mich zur Unaufmerksamkeit und nach einer Stunde tauche ich wieder etwas weiter vorne in der Combe des Amburnex auf, nicht weit von Trois Chalets. Es ist nicht zu glauben. Ich bin wütend auf mich selbst: eine Stunde zu Fuss, um nur einen Kilometer weiterzukommen! All das, um vielleicht ein Murmeltier zu treffen! Ein schwacher Trost. Glücklicherweise halten ein Autofahrer, ein ehemaliger Notar aus Aubonne, und seine Frau an, um mich aus der Verlegenheit zu ziehen.

– Können Sie mir die Richtung für Le Brassus zeigen?

– Sie müssen einfach der Combe-Route folgen. Sie führt zu der Kantonsstrasse, die vom Col du Marchairuz herabkommt.

– Genau das wollte ich vermeiden. Aber ich habe mich verirrt. Mir scheint, das GPS auf meinem Handy funktioniert nicht mehr.

– Kein Wunder, denn die Umweltschützer haben die Abschaffung der Telefonversorgung in diesem Sektor durchgesetzt. Dieses Reservat ist derart von allem abgeschnitten, dass sich die ersten Wölfe hier wieder angesiedelt haben.

– Ihre Erklärungen beruhigen mich. Ich hatte schon begonnen, an meiner Orientierungsfähigkeit zu zweifeln. Aber es ist so schön hier, dass man es den Umweltschützern nicht übelnimmt.

– Ihre Schwierigkeiten sind nicht neu. Überall im Jura ist es umständlich, von einem Tal ins andere zu gelangen. Nehmen Sie meine Landkarte im Massstab 1:25 000. Sie können sie mir zurücksenden, sobald Sie wieder zu Hause sind.

Diese neue Erfahrung der Hilfsbereitschaft und des praktischen Sinns der Schweizer erbaut mich. Eine kardinale Tugend des Landes! Ich erreiche Le Brassus in der Nähe der Fabrik Blancpain, die ich vor mehr als 10 Jahren besucht habe.

Geht man vom Col du Marchairuz zu Fuss in die Vallée de Joux hinunter, ist man vom Wohlstand beeindruckt, der von den Uhrenwerkstätten zur Schau getragen wird. Trotz der durch die Covid-19-Epidemie verursachten Verlangsamung explodiert Le Brassus geradezu mit 1403 Einwohnern, wie auch die gesamte Gemeinde Chenit mit insgesamt 4605 Einwohnern, als Folge des Aufschwungs der Aktivitäten der Haute Horlogerie. Blancpain besitzt komplett renovierte Gebäude, CHH-Microtechnique der Swatch Group baut eine neue geräumige Fabrik, während Audemars Piguet gerade sein berühmtes Spiralmuseum eingeweiht hat und ein weiteres stattliches Gebäude fertigt, dessen Arbeiten weit fortgeschritten sind. Gleiches gilt für die beiden anderen Fraktionen der Gemeinde Chenit, in L'Orient für Breguet und in Le Sentier mit den Hauptsitzen für Jaeger-LeCoultre und Blancpain.

Man sollte sich aber vom Luxus und der gedämpften Atmosphäre in den Empfangsräumen und Schaufenstern dieser berühmten Marken nicht allzu sehr blenden lassen. Denn aus Marketinggründen müssen diese Firmen natürlich der schillernden und prachtvollen Präsentationen ihrer Modelle auf den glänzenden Papieren der Luxuszeitschriften, die in den Fünf-Sterne-Hotels und den Business- oder First-Class-Abteilen der Flugzeuge aufliegen, gerecht werden. Zwei verschiedene Welten kommen da zusammen, das prunkvolle Bling-Bling der Eingangshallen der Meister der Haute Horlogerie, im Gegensatz zur ländlichen Einfalt der umliegenden Dörfer.