In Annum - Michael T. Köhler - E-Book

In Annum E-Book

Michael T. Köhler

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Beschreibung

Das In Annum - Eine Sammlung von 52 Kurzgeschichten aus verschiedensten Genres. Geboren aus der Idee zu einem vorgegebenen Stichwort eine Kurzgeschichte zu schreiben, soll das In Annum, mit einer Geschichte für jede Woche des Jahres, ein Freund und Begleiter sein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 257

Veröffentlichungsjahr: 2022

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IN ANNUM

Kurzgeschichten für ein Jahr

Michael T. Köhler

© 2020 Michael T. Köhler

Covergrafik von Cover-Design: © I.S. & Michael T. Köhler

Foto Frontcover: © Elena Schweitzer – AdobeStock 71806972

Foto Backcover: © Michael T. Köhler

ISBN Softcover: 978-3-347-53391-2

ISBN Hardcover: 978-3-347-53393-6

ISBN E-Book: 978-3-347-53405-6

ISBN Großschrift: 978-3-347-53406-3

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Der Ring und die Höhle

Hochmut

Der Köder

Nahe Null

Laß Dir helfen

Verlorene Sekunden

Kindheitszauber

Jahrgangsheld

Astrophysik

Der Umhang

Die Kammer unter der Treppe

Das Geheimnis des goldgelben Drachens

Auf tödlichem Kurs

Im Meer

Legende

Das Kind

Morsins letzter Zauber

Der Alte in der Hütte

Der letzte Tag auf Kilk

Tante Elisabeths Wohnung

Großvaters Schatz

Geisterstunde

Die Wächter

Lucie und Mari

Soljanka

Und finster ist die Zeit

Der Mantel

Schweinsritt

Unglückliche Verkettung

Der Fang

Der Apfel

Entführt

Der Maler

Robotergesetze

Das Chamäleon

Unverhoffte Rettung

Sonnenbrand

Ritter Eike

Mick und das Wasserglas

Der Schlüssel zum Labor

Treibholz

Die Premiere

Prompt bedient

Ausflug mit Leah

Max und Fritz

Eine Nacht in der Arena

Die letzte Schlacht

Mondphasen

Orkan>

Treibgut in Kupfer

Die Statue

Finale im Ratskeller

Vorwort

Das In Annum soll ein Begleiter sein, das mit seinen kurzen Geschichten Unterhaltung und Spannung, aber auch Anlaß zum Nachdenken geben soll.

Zweiundfünfzig Geschichten, für jede Woche des Jahres eine.

Doch wie kam es dazu?

Vor einigen Jahren schuf ein amerikanischer Künstler einen virtuellen Event für Zeichner, indem er für jeden Tag des Oktobers ein Stichwort vorgab bzw. vorgibt, zu dem Zeichner in aller Welt dann je eine Zeichnung oder ein Cartoon erstellen. Er nennt dieses Event „Inktober“.

Ich wurde 2019 darauf aufmerksam. Und da ich kein Zeichner bin, entschloß ich mich die vorgegebenen Stichworte, als Basis für Kurzgeschichten zu nutzen. Eine Kurzgeschichte pro Woche des Jahres. Entsprechend habe ich mir zu den 31 Stichworten noch weitere aus meinem Freundeskreis vorgeben lassen, um alle 52 Wochen des Jahres auszufüllen.

Die entscheidenden zwei Kriterien waren hier zum einen, die jeweilige Geschichte innerhalb der entsprechenden Woche zu schreiben und vor allem, zu dem vorgegebenen Stichwort eine Geschichte zu finden. Letzteres hat mir das ein um das andere Mal durchaus Kopfschmerzen bereitet.

Alles in allem, ist es mir mit sehr wenigen Ausnahmen, gelungen beide Vorgaben einzuhalten.

Die entstandenen Geschichten können grundsätzlich in beliebiger Reihenfolge gelesen werden, da sie alle eigenständig sind. Mit einer Ausnahme, der letzten Geschichte, da sich diese auf die vorherigen bezieht.

Zwei der Geschichten habe ich unter Verwendung von Charakteren der Tintenklecksreihe bzw. dem Tennyson-Universum geschrieben.

Unter dem Titel jeder Geschichte ist das zugrundeliegende Stichwort aufgeführt.

Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen.

1

Der Ring und die Höhle

Stichwort: Ring

Pitt hatte die Höhle entdeckt. Daniel und Moni zögerten zuerst, dann stimmten sie zu, sie zu erkunden.

Der Gang war schmal und eng und roch nach feuchtem Stein. Kaum in der Höhle trat Moni in eine Wasserlache und beschwerte sich fortan über ihre nassen Füße. Doch Pitt drängte sie weiter.

Gefolgt von den anderen beiden, betrat er nun einen großen Hohlraum. Sie richteten sich auf und folgten dicht beieinanderstehend dem Lichtkegel von Pitts Taschenlampe, der die Höhlenwände abtastete.

Plötzlich hörten sie hinter sich ein knirschendes Geräusch. Erschrocken drehten sie sich um. Und dort, wo gerade noch der Zugang zu dem Raum war, befand sich nun eine Felswand. Im Schein der Taschenlampe erkannten sie in deren Mitte matt orange leuchtend eine kleine ringförmige Einkerbung.

„Ich will hier wieder raus!“, kreischte Moni.

In diesem Moment begann die Höhlenwand an mehreren Stellen in warmen Gelbtönen zu leuchten und erfüllte nun den Raum mit Dämmerlicht.

Die Kinder staunten.

Dann erklang eine tiefe Stimme und scheinbar aus der Wand gegenüber erschien eine diffuse Gestalt.

„Besteht die drei Aufgaben oder seid für immer mit mir in dieser Höhle gefangen.“

Moni jammerte und Daniel war kreideweiß. Nur Pitt wirkte von der Situation nicht eingeschüchtert, sondern eher herausgefordert.

Zur Linken öffnete sich die Felswand wie eine Tür.

„Das, und das allein, sind Eure Hilfsmittel“, hallte die tiefe Stimme und die Gestalt verschwand.

Die gegenüberliegende Wand fing im Licht an zu glitzern und dann mehr und mehr wurde aus dem Glitzern ein reflektieren. Es wurde eisigkalt. Die Wände überzogen sich zunehmend mit einer Eisschicht.

„Was machen wir denn jetzt? Wir werden erfrieren!“ Moni war den Tränen nahe.

Pitt und Daniel sahen sich kurz an und eilten hinüber zur offenen Felswand, um zu sehen, welche Hilfsmittel ihnen zur Verfügung standen.

„Wir müssen Feuer machen!“, schlug Daniel vor.

„Hier sind zwar Streichhölzer aber kein Holz“, entgegnete Pitt.

„Dann müssen wir unsere Jacken anzünden“, erwiderte Daniel darauf.

„Das reich nicht, um das Eis zu schmelzen und uns lange genug warm zu halten.“

Pitt kramte weiter.

Unterdessen nahm Daniel ein rostiges Schwert heraus und fing damit an, auf das Eis einzuschlagen. Einige Brocken brachen heraus und fielen zu Boden.

„Schau her, damit schaffen wir es!“

Pitt sah herüber und dann an Daniel vorbei auf die Wand, in der sich die geschlagenen Lücken gerade wieder schlossen. Er wies nach hinten und Daniel blickte enttäuscht auf die Eisfläche.

„Ich will nicht für immer hier drinbleiben“, klagte Moni und zitterte vor Kälte.

Ganz hinten unter den Utensilien entdeckte Pitt nun ein kleines Säckchen. Er zog es hervor, löste die Schnur, die es verschloß und sah herein.

„Salz!“, rief er aus.

Sogleich begann er die Wände damit einzureiben.

„Macht mit!“, forderte er die anderen auf und sie folgten seinem Beispiel.

Und in der Tat, das Eis begann zu schmelzen und die Temperatur stieg.

Die Gestalt erschien wieder.

„So, die erste Aufgabe habt Ihr gelöst. Doch werdet Ihr auch der zweiten widerstehen?“

Schon verblaßte er wieder und die Kinder bemerkten, daß das schmelzende Eis die Höhle langsam mit Wasser füllte. Schon standen sie knöcheltief im Naß. Und es stieg unaufhörlich.

„Wir müssen ein Loch bohren! Gibt es einen Bohrer?“ Daniel begann mit Pitt die Hilfsmittel zu durchsuchen.

Moni watete zu ihnen und schaute ihnen über die Schulter.

Dann sagte sie nachdenklich: „Vielleicht müssen wir mehr um die Ecke denken.“

Die beiden Jungen drehten sich herum.

„Ja, ja genau!“, rief Pitt und kratzte sich am Kopf.

„Aber wie?“, murmelte Daniel und grübelte ebenfalls.

Sie standen inzwischen bis über die Knie im Wasser.

„Etwas, das das Wasser aufsaugt vielleicht“, warf Moni ein und wurde langsam nervös, als das Wasser ihre Hüfte erreichte.

„Hier ist nichts, das so viel Wasser aufsaugen könnte“, gab Pitt zurück.

„Vielleicht können wir es ja wieder gefrieren?“, schlug Daniel nun vor.

Pitt richtete sich auf: „Eine tolle Idee. Selbst, wenn wir das tun könnten, wären wir dann mit eingefroren.“

„Oh, stimmt“, erkannte Daniel kleinlaut.

Inzwischen mußte Pitt tauchen, um an die Hilfsmittel zu kommen.

Sie standen bis zum Hals im Wasser.

Plötzlich kam Pitt eine Idee. Er schnellte hoch.

„Hört mal. Das alles ist doch ein Zauber, eine Illusion. Was, wenn das Wasser gar kein Wasser ist und wir untergetaucht atmen können?“

„Mir kommt es sehr echt vor, Pitt. Ich habe Angst!“ Moni klammerte sich an Daniel.

Pitt wartete nicht länger und ließ sich sinken.

Und er hatte recht. Er konnte atmen.

So zog er die beiden anderen nach unten und mit großen Augen sahen sie ihn an, als sie merkten, daß sie nicht ertranken.

Mit lautem Plätschern verschwand das Wasser in den Wänden und die Kinder sahen sich wieder der Gestalt gegenüber. Seine Stimme klang jetzt grimmiger als zuvor.

„Auch die zweite Aufgabe konntet Ihr lösen. Aber die dritte wird Euer Schicksal besiegeln!“ Schallend hallte sein Lachen durch den Raum, als hinter ihm wilde Flammen aus der Wand drangen und sich langsam ausbreiteten.

Moni kreischte, Daniel begann mit seiner Jacke zu wedeln.

Pitt wich zwar wie die anderen zurück, beobachtete jedoch nur die Situation.

Die Gestalt stand noch immer da und an seinem Finger leuchtete in blassem Blau ein Ring.

Der Junge drehte sich herum und blickte auf die Felswand. Der Ring, der Ring war der Schlüssel!

„Alles ist nur Illusion“, sagte er mehr zu sich als zu den anderen.

Dann schnellte er vor inmitten der Flammen.

Seine Hand griff nach dem Ring am Finger der Gestalt. Das Feuer züngelte um ihn, doch es strahlte keine Hitze aus.

Die Gestalt schrie auf, wich zurück und die Flammen erloschen.

Der Ring fiel zu Boden und die Gestalt löste sich auf.

Pitt bückte sich und hob den Ring auf.

Dann ging er zur Felswand und setzte ihn in die orange leuchtende Einkerbung.

Moni und Daniel beobachteten ihn stumm.

Der Fels vibrierte, knirschte und zerfiel schließlich zu Staub.

Vor ihnen lag der Weg in die Freiheit.

Etwas kitzelte an Pitts Nase.

„Hey, Pitt! Du Schlafmütze.“

Das war Monis Stimme.

Pitt blinzelte und öffnete die Augen.

Über ihn gebeugt standen Moni und Daniel.

„Wir hätten Dich in dem hohen Gras fast nicht gefunden. Hast Du uns nicht rufen hören?“ Moni schüttelte den Kopf. Und Daniel sagte: „Du hast geschlafen wie ein Bär. Du bist nicht einmal aufgewacht, als ich Dir das kalte Schlüsselbund an die Wange gehalten habe.“

„Und auch nicht, als ich Dir Wasser ins Gesicht getröpfelt habe“, führte Moni fort.

„Ja, nicht einmal, als ich Dir mit dem Spiegel die Sonne ins Gesicht gelenkt habe“, schüttelte ´Daniel den Kopf.

Pitt richtete sich auf.

Um sich herum sah er die blühende Sommerwiese, auf der er auf die beiden gewartet hatte und offensichtlich eingeschlafen war.

Etwas drückte in seiner Hosentasche. Er griff hinein, zog es heraus und blickte auf einen bläulich schimmernden Ring.

2

Hochmut

Stichwort: Gedankenlos

Miu war wunderschön. Das wurde Asuka gerade wieder bewußt, als ein Lichtstrahl durch einen Spalt in der Überdachung auf ihr Gesicht fiel. Ohne den Blick von ihr zu lassen, winkte er dem Wirt des kleinen Gasthauses und bestellte weiteren Sake. Dieser eilte in das Gebäude und kam nur einem Moment später zurück und stellte das Getränk mit einer Verbeugung vor den jungen Samurai. Ein warmer Windhauch wehte über die Tische und Bänke des überdachten Bereichs vor dem Gasthaus und bewegte Mius Haare.

„Du solltest nicht soviel trinken, Asuka“, sagte sie leise.

Er lächelte nur.

Von der Seite bemerkte er verstohlene neugierige Blicke.

Asuka war hier kein Unbekannter. In der Schlacht hatte er seinem Daimyo treu gedient und entscheidend zum Sieg beigetragen. In vielen Duellen hatte er triumphiert.

Trotz seiner Jugend war er ein ausgezeichneter Schwertkämpfer mit einem natürlichen Talent. Viele betrachteten ihn als einen der besten Schwertkämpfer überhaupt. Mit seinen Verdiensten und seinen Fähigkeiten stand ihm noch eine blühende Karriere offen. Es hieß, daß selbst der Kaiser sich schon nach ihm erkundigt hatte.

Ein Mann in der Mitte seines Lebens, gut zwanzig Jahre älter als Asuka trat unter die Überdachung und ließ sich an einem Tisch am Rande nieder. Er bestellte Tee ohne sich von den Blicken, die ihn trafen beeindrucken zu lassen. Sein Gesicht war von markanten Falten durchzogen, eine alte Narbe auf der rechten Wange zeugte von vergangenen Kämpfen. Er war Samurai, das stand außer Frage.

Am Nachbartisch flüsterte jemand einen Namen.

„Ist das nicht Hironaka Takumi?“

Asuka horchte auf.

Hironaka Takumi war ein berühmter Schwertkämpfer, von dem es hieß, er wäre noch nie im Kampf unterlegen gewesen.

Doch der Mann, der dort saß, war gealtert und spiegelte nichts von dem wider, was die alten Geschichten erzählten.

Asuka stürzte einen Becher Sake herunter und erhob sich. Fragende Blicke seiner Verlobten folgten ihm, als er hinüber zu dem Fremden ging.

„Ich bin Kawashima Asuka“, stellte er sich vor. „Erlaubt, daß ich mich zu Euch setzte?“

Der Mann zeigte mit einer flüchtigen Geste auf die Bank ihm gegenüber und Asuka ließ sich nieder.

„Man sagt, Euer Name ist Hironaka Takumi.“

„Das mag sein“, antwortete der Mann und goß sich Tee nach.

„Es heißt auch, Ihr seid der beste Schwertkämpfer im Land.“

Hironaka Takumi nahm die Teeschale, hob sie an seine Lippen und trank, den Blick auf sein Gegenüber gerichtet. Er wußte sofort, worauf dieser hinauswollte.

Behutsam stellte er die Schale wieder ab.

„Geh wieder zu Deiner hübschen Braut, Junge.“ Seine Augen ruhten ausdruckslos auf Asuka.

Dieser sprang auf und stieß dabei die Bank um. Alle Blicke richteten sich auf die beiden.

„Habt Ihr mich gerade Junge genannt?“

Unbeeindruckt nahm der Mann einen weiteren Schluck Tee.

„Ich bin Kawashima Asuka, erster Samurai des Daimyos!“, brauste er wütend auf und wollte gerade weiter ausholen, als der Mann aufsah und mit demonstrativer Ruhe antwortete.

„Ich weiß, wer Ihr seid. Jetzt geht und bringt kein Unglück über Euch.“

„Was erdreistet Ihr Euch!“, rief Asuka. „Ich fordere Euch zum Duell!“

In seiner Mimik zeigte Hironaka Takumi keine Reaktion.

Einen Moment lang drehte er die Schale zwischen seinen Fingern, dann sagte er emotionslos: „So Ihr denn nicht zur Vernunft zu bringen seid.“ Er sah kurz nach links, wo sich auf der anderen Straßenseite eine verlassene eingezäunte Koppel befand.

„Geht hinüber und sucht Euch eine Seite aus. Ich werde meinen Tee hier austrinken und Euch folgen.“

Mit diesem Satz beendete er offenkundig das Gespräch und füllte seine Schale.

Asuka schnaufte, drehte sich auf der Stelle herum, winkte Miu zu, ihm zu folgen und ging hinüber zum Zaun. Als sie ihn erreichte, sah er nicht ihr besorgtes Gesicht.

„Diesen Sieg schenke ich Dir, Miu.“ Er lachte und schwang sich über den Zaun.

Dann schritt er schräg über die Wiese, sah nach oben zur Sonne und stellte sich so auf, daß sie ihm im Rücken war. Inzwischen eilten die anderen Gäste und Einwohner des Dorfes zum Weidezaun. Keiner wollte das Duell verpassen.

Allein unter der Überdachung, trank Hironaka Takumi in aller Ruhe seinen Tee. Betrachtete dann gedankenversunken die Schale und erfreute sich der kunstvollen Verzierungen, ehe er sie wieder abstellte, eine Münze auf den Tisch legte und sich erhob. Langsam überquerte er die Straße. Am Weidezaun hielt er inne. Bedächtig zog er seinen westenartigen Jinbaori aus, legte sie ordentlich zusammen und hängte sie über den Zaun. Er bückte sich, tauchte unter dem Balken hindurch und schritt langsam über die Wiese. Einige Meter von Asuka entfernt stellte er sich auf, registrierte die Stellung der Sonne und zog sein Schwert aus der Scheide. Er drehte die Klinge einige Male vor sich im Schein der Sonne, schob dann den linken Fuß vor, ging leicht in die Knie und das Schwert mit beiden Händen vor sich haltend, nickte er seinem Gegner zu.

Auch Asuka ging in Angriffsposition.

Einige Minuten visierten sich die Gegner so an. Dann näherte sich Asuka langsam, um schließlich mit einem wilden Schrei anzugreifen. Hironaka Takumi parierte ohne Mühe. Asukas Schwert zeichnete einen Bogen in die Luft und schnellte erneut auf Hironaka Takumi hernieder. Wieder wehrte er ab, ohne seine Position großartig zu verändern. Wieder und wieder schwang Asuka seine Waffe gegen den Gegner. Und jedes Mal stoppte Hironaka Takumi den Angriff mit Erfolg. In Asuka stieg Wut auf. Der alte Mann bewegte sich kaum, während er um ihn herumtanzte. Und doch gelang es ihm nicht, ihm mit seiner Klinge nahe zu kommen. Doch er spürte seine eigene Überlegenheit. Sein Gegner war um so vieles älter als er und ganz offensichtlich war er nicht mehr beweglich genug, um selbst anzugreifen. Geradezu passiv verteidigte er sich nur.

Asuka setzte zu einem erneuten Angriff an. Diesmal würde er die Abwehr durchbrechen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er hinüber zu Miu und schenkte ihr ein Lächeln. So entging ihm eine unscheinbare Positionsänderung seines Gegners. Er verfehlte die Klinge Hironaka Takumi um Haaresbreite. Der Samurai wich aus, schnellte blitzartig vor und traf Asuka mitten ins Herz. Hironaka Takumi zog sein Schwert zurück und Blut tränkte Asukas Haori. Er ging in die Knie, röchelte die Augen weit aufgerissen auf den anderen gerichtet. Dann sackte er nach vorn über und fiel ins Gras. Am Zaun schrie Miu auf.

Hironaka Takumi wischte sein Schwert ab, schob es zurück in die Scheide, ging mit ruhigen Schritten zum Zaun, von dem er seinen Jinbaori nahm und sich überwarf. Dann duckte er sich unter dem Zaun hindurch, trat auf die Straße und ging diese in gleichmäßigem Schritt hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen.

3

Der Köder

Stichwort: Köder

„Gieß noch einmal nach!“, forderte Bill seinen Freund auf.

John nahm die Flasche Bourbon und füllte beide Gläser.

Die beiden Banker saßen auf der Veranda der angemieteten Holzhütte, die einsam in den Bergen lag.

Sie stießen über den kleinen Tisch hinweg an.

„Hier soll es ja Bären in den Wäldern geben“, sagte Bill, als er das Getränk geleert hatte.

„Wirklich?“

Bill nickte selbstsicher.

Dann sahen beide wieder auf die Landschaft.

„Wir sollten einen Bären jagen“, erwiderte John schließlich.

„Ja, das sollten wir“, bestätigte Bill ohne herüberzusehen.

Wieder schwiegen sie einen Moment.

„Hast Du eine Ahnung, wie man das anstellt?“, fragte John unvermittelt.

„Das ist ganz einfach“, gab Bill ruhig zurück.

„Hast Du das schon einmal gemacht?“

„Nein“, schüttelte Bill den Kopf.

„Aber wie kannst Du dann sagen, es wäre einfach?“

„Sowas weiß man“, antwortete Bill und nickte bestätigend.

„Gut, ich weiß es nicht. Wie geht das also?“

Bill sah ihn an.

„Man legt einen Köder aus. In einer Falle. Der Bär riecht die Beute, kommt aus seinem Versteck und tappt in die Falle.“ Bill sprach so selbstsicher, als wäre er seit Jahrzehnten Bärenjäger.

„Aha, und dann?“, wollte John wissen.

„Dann erschießt man den Bären.“

„Bist Du sicher, daß das so geht?“

„Totsicher!“, erwiderte Bill überzeugt und griff nach der Flasche.

John sah ihn ungläubig an.

„Hör zu“, hob Bill wieder an, während er sich einschenkte, „das haben die Indianer früher so gemacht.“

„Die Indianer hatten Bärenfallen aus Eisen?“, wunderte sich John.

„Aber sicher. Wie sollten sie sonst Bären jagen?“ Bill trank in einem Zug.

Dann stützte er sich auf den Tisch und beugte sich zu John herüber.

„Im Schuppen habe ich eine Bärenfalle gesehen. Wir ziehen das jetzt durch und jagen einen Bären!“

„Was!“

„Du hast richtig gehört“, er glitt zurück in den Stuhl.

„Aber mit was schießt man denn auf den Bären?“

„Schrot, John. Schrot.“

„Wirklich?“

„Na klar. Daß weiß doch jeder. Mit Schrot kann man aus großer Entfernung schießen. Eine der vielen Schrotkugeln trifft dann immer. Und es braucht ja nur eine Kugel, um den Bären zu töten.“

Johns Mund stand offen.

„Ich dachte immer, Schrot ist für kurze Distanzen.“

„Ein Irrglaube, mein Freund. Du kannst mir vertrauen, ich kenne mich damit aus.“

Damit erhob er sich.

„Auf geht’s! Hol die Flinte aus dem Wagen, ich bringe die Falle und den Honig. Im Schrank steht ein großes Glas.“

„Und es besteht kein Zweifel, daß man Honig nimmt? Ich meine, wäre ein Stück Fleisch nicht geeigneter?“

„Wo denkst Du hin. Das alte Sprichwort lautet nicht umsonst ‚Mit Honig fängt man Bären.‘“

„Hieß das nicht, mit Speck fängt man Mäuse?“

Bill schien für eine Sekunde irritiert. Dann schüttelte er vehement den Kopf.

„Das ist ein anderes Sprichwort.“

„Aha“, erwiderte John nachdenklich und ging zum Wagen.

Eine halbe Stunde später folgten sie einem schmalen Waldpfad. Jeder hatte einen Rucksack auf dem Rücken, in die sie Verpflegung, eine weitere Flasche Bourbon, ein Fernglas, den Honig und die Falle gepackt hatten. Bill ging mit der Flinte in der Hand voran.

Nach einiger Zeit blieb er stehen und schien die Luft einzusaugen.

„Ja“, sagte er dann, „hier riecht es wie Bär.“

Jetzt schnupperte auch John. Er roch nur Waldboden.

„Wir biegen hier in den Wald ab und suchen eine günstige Stelle.“

Schon bahnte er sich einen Weg durch das Unterholz.

Wenig später erreichten sie eine große Lichtung.

„Das ist sehr gut“, betonte Bill und sah sich um wie ein alter Scout.

„Da“, er wies zum einen Ende der Lichtung, an der ein einzelner Baum stand, hinter dem der Hang abfiel.

„Ein idealer Platz für die Falle“, stellte er fest und sah zur gegenüberliegenden Seite.

Dort lag ein dicker Baumstamm im Gras.

Bills Gesicht hellte sich auf.

„Unsere Deckung, John.“

Dieser folgte dem Blick des anderen.

„Und was ist, wenn wir den Bären verfehlen und er uns angreift?“

„Überhaupt kein Problem“, behauptete Bill selbstbewußt. „Erstens, hängt er ja in der Falle fest und kann gar nicht weg. Aber sollte doch der vollkommen unwahrscheinliche Fall eintreten, daß er die Falle verfehlt und sich uns zuwendet, dann klettern wir einfach auf den Baum da neben unserem Versteck. Bären sind ganz behäbige Tiere. Wir haben genug Zeit, uns in Sicherheit auf den Baum zu bringen. Du mußt nämlich wissen, daß Bären nicht klettern können. Dazu sind sie viel zu dick und zu schwer.“

Er nickte bestätigend.

John glaubte sich an eine an eine Tierdokumentation zu erinnern und darin gesehen zu haben, wie Bären sehr wohl auf Bäume kletterten. Aber vielleicht verwechselte er das auch nur mit der Sendung über Wölfe. Sicher war das so. Schließlich kannte Bill sich aus.

So legten sie die Falle unter dem Baum ins Gras und Bill spannte sie.

„Wozu ist die Kette an der Falle? Zum Befestigen?“

Bill sah zu John und blickte ihn an, als hätte dieser gefragt, ob Bourbon Alkohol enthält.

„Warum sollte man die Falle befestigen. Die ist so schwer, daß sich der Bär nicht mehr fortbewegen kann. Darum nimmt man ja die Falle. Die Kette ist selbstverständlich dafür da, daß man sie besser im Schuppen aufhängen kann.“

„Ah, das wußte ich nicht“, bemerkte John kleinlaut.

Nun nahm Bill das Glas Honig aus dem Rucksack, schraubte es auf und stellte es vorsichtig in die Mitte der Falle.

„So. Und jetzt legen wir uns auf die Lauer. Das dauert keine halbe Stunde, bis hier ein Bär auftaucht.“

Mit großen Schritten lief er auf den umgefallenen Baumstamm zu. John hatte Mühe ihm zu folgen.

Hinter dem Baum lehnte Bill die Flinte an den Stamm, legte das Fernglas neben sich und holte die Bourbonflasche aus dem Rucksack.

„Jetzt gönnen wir uns erstmal einen Schluck, damit wir nicht frieren“, erklärte er mit breitem Grinsen.

Mit lautem Klappern holte er dann die beiden Blechbecher aus dem Rucksack.

„Müssen wir nicht leise machen?“

„Nein, im Gegenteil. Bären selbst hören ja nur ganz schlecht. Das weiß man ja, wegen der kleinen Ohren. Die gehen ganz nach der Nase. Aber mit ein paar lauten Geräuschen verjagen wir das Wild, daß den Bären sonst vom Honig ablenken könnte.“

Mit einer ausladenden Geste wies er auf den Wald hinter ihnen, um sogleich ein Transistorradio aus dem Rucksack zu ziehen.

„Deshalb können wir auch Radio hören, damit uns die Zeit nicht lang wird.“

Er suchte einen Sender mit Country-Musik und stellte das Radio dann zwischen sie ins Gras.

John nickte ehrfürchtig, ob des Wissens seines Kollegen, daß dieser bis heute nicht preisgegeben hatte. Er nahm die Sandwiches aus seinem Rucksack, riß die Plastikverpackung auf und hielt sie Bill entgegen, der ihm im Austausch den Becher entgegenhielt.

So saßen sie die nächste Stunde hinter dem Baumstamm, aßen, tranken, hörten Musik und hielten in regelmäßigen Abständen Ausschau nach der Falle.

„Sollte inzwischen nicht langsam ein Bär in die Falle gegangen sein?“, fragte John schließlich, während er diese mit dem Fernglas anvisierte.

„Ja, eigentlich schon. Aber vielleicht ist die Population hier nicht so dicht und der nächste Bär hat einen besonders langen Weg bis hierher. Das wird schon noch. Ich gieß uns inzwischen mal nach.“

Als John die Verpackungen der Sandwiches in den Rucksack stecken wollte, fragte Bill: „Was tust Du da?“

„Na ich nehme den Abfall wieder mit.“

„So ein Unfug. Im Wald verrottet Plastik innerhalb von Tagen. Wirf es einfach da unter den Busch.“

„Aber die sagen doch immer, daß es…“, wollte John widersprechen.

Doch Bill winkte ab.

„Das gilt nur für Städte. Hier gibt es unzählige Mikroorganismen, die das Zeug regelrecht verschlingen. Oder hast Du auf dem Weg hierher irgendwo Plastikabfälle gesehen?“

John überlegte einen Moment.

„In der Tat nicht. Du hast recht!“

Damit warf er die Verpackungen zur Seite.

Etwas raschelte.

Beide schnellten hoch und sahen zur Falle. Aber es war nichts zu sehen.

„Wollen wir noch lange warten?“, fragte John nun. „Ich fange an zu frieren und mein Hintern tut schon weh.“

Bill warf ihm einen skeptischen Blick zu.

Dann schlug er sich mit der Hand gegen die Stirn.

„Ich Idiot! Wir haben ja Sommer. Da schlafen die Bären doch. Die kommen erst im Winter raus, wenn sie ihre Beute auf dem hellen Schnee besser sehen können.“

„Oh.“

„Okay, komm, laß uns zurückgehen. Ich habe in der Hütte noch ein paar schöne Steaks im Kühlschrank.“

Sie erhoben sich, packten Radio und Fernglas ein, dann gingen sie hinüber zur Falle.

Mit einem Grinsen nahm Bill das Honigglas heraus und stellte es oben in eine Astgabel.

„Wenn der alte Pelz aus seinem Schlaf aufwacht, kann er um den Baum tanzen, bis ihm die Fußsohlen brennen. Da oben kommt er nie ran.“

Er lachte herzhaft und entschärfte die Falle.

Dann gingen sie zurück zum Pfad und weiter in Richtung Hütte.

Als es auf der Lichtung nun wieder still war, raschelte es wenige Meter am Hang unterhalb des einzelnen Baumes, unter dem die Falle gelegen hatte. Aus einer Höhle stapfte ein Bär. Er hob die Nase, schüttelte sich kurz und kam in großen Sätzen den Hang hinaufgerannt. Ohne innezuhalten, sprang er an den Baumstamm und mit kräftigen Zügen erreichte er zwei Sekunden später die Astgabel. Er nahm das Glas zwischen die Zähne zog sich weiter hoch und setzte sich auf den dicken Ast. Dann begann er genüßlich das Honigglas auszulecken.

4

Nahe Null

Stichwort: Einfrieren

Sanft rastete das Landemodul beim Kontakt mit der Bodenstation ein.

Lou und Jim lächelten. Alles lief nach Plan.

Sie waren die ersten Wissenschaftler der modular aufgebauten Station, die vollautomatisch zum Planeten transportiert und zusammengesetzt worden war. Aus dem Orbit, noch in ihrem Raumschiff, hatten sie die Versorgungseinheiten gestartet. Zuerst wurde der Generator hochgefahren. Als dieser die volle Leistung erreichte, starteten sie die Sauerstoffversorgung und danach das Wärmesystem. Zuletzt aktivierten sie die Wasserversorgung, denn die Wasservorräte, die dann in einem Kreislauf fortlaufend aufbereitet wurden, mußten erst auftauen.

Noch einmal überprüften sie jetzt die Werte in der Station – Sauerstoffgehalt, Temperatur, Druck.

„Alles perfekt, Lou.“

„Dann laß uns das Schott öffnen, unser neues Zuhause wartet auf uns“, antwortete er mit einem Lachen.

Mit leisem Zischen öffnete sich die schwere Luke und beide stiegen über eine metallene Leiter hinunter.

Die ganze Station war in Weiß gehalten und hell beleuchtet.

Sie gingen direkt zum Kontrollraum.

„Wow, das ist endlos viel Raum hier“, bemerkte Jim mit Verweis auf den begrenzten Platz des Raumschiffs, mit dem sie hierher gelangt waren. Verschmitzt lächelte ihn Lou an: „Ich wußte, daß Du das sagen würdest. Warte, bis die Versorgungskapsel da ist. Ich habe Dir ein Fahrrad einpacken lassen.“

„Das ist nicht Dein Ernst?“, riß Jim die Augen auf.

„Oh, doch. Das ist es.“

„Wahnsinn“, sagte Jim und nahm seine Position vor den Armaturen neben Lou ein.

Gemeinsam gingen Sie die Checkliste durch. Jeder Wert jeder einzelnen Komponente der Station wurde geprüft. Einige wenige Einstellungen mußten sie anpassen. Die automatische Installation der Station war ausgezeichnet abgelaufen.

„Ich leite das Landemanöver der Versorgungskapsel ein“, sagte Lou und tippte Kommandos in die Konsole vor ihm.

Jim stand auf und schaute aus einem Seitenfenster nach draußen.

„Das ist eine furchtbare Nebelsuppe da draußen. Ich kann nicht einmal zehn Meter weit sehen.“

„Was hast Du erwartet“, kommentierte Lou mit einem Blick über die Schulter, „es ist eine Methanatmosphäre.“

Kopfschüttelnd kehrte Jim zurück.

„Mal sehen, wie die Außentemperatur ist“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu Lou und rief die Werte auf.

„Minus einhundertneunundsiebzig. Verdammt, da können wir Eiswürfel in Sekunden herstellen.“ Jim lachte.

Lou schüttelte den Kopf und meldete: „Die Kapsel ist auf dem Weg.“

Sie enthielt alles, was sie für die nächsten sechs Monate benötigen würden. In etwa einem Monat würde sie der zweite Generator erreichen, der wieder automatisch an die Station angeschlossen würde. Dann folgten redundante Module für die Sauerstoffversorgung und Wasseraufbereitung.

Und in einem halben Jahr würden die weiteren Wissenschaftler und Techniker folgen und die Station voll besetzen. Deren Raumschiff war dann auch für einen Rücktransport ausgelegt und würde fortan jährlich pendeln und die Crew austauschen.

Basierend auf den Erkenntnissen der Wissenschaftler könnten dann später Fabrikmodule und Siedlungseinheiten folgen. Irgendwann in ferner Zukunft würden dann Städte unter Glaskuppeln entstehen.

Lous Gedanken waren weit abgewandert, als Jim neben ihm unruhig wurde.

„Die Werte stimmen nicht“, sagte er aufgeregt. „Die Kapsel ist viel zu schnell und weicht vom Kurs ab!"

"Was sagst Du da?", rief Lou und schaute auf das Display. „Zünde die Bremstriebwerke und bereite das manuelle Auslösen des Fallschirms vor. Wenn wir die Kapsel irgendwo sanft zur Landung bringen, können wir die Vorräte später bergen.“

„Lou, sie reagiert nicht auf Kommandos!“

„Versuch es noch einmal!“

Jim hämmerte wild Befehle in die Konsole, doch die Werte änderten sich nicht.

Schließlich ließ er von der Tastatur ab.

„Es hat keinen Sinn, Lou.“

Dieser preßte die Lippen aufeinander.

Die Station war nur mit Notrationen ausgestattet. Aber wenn sie einer strengen Rationierung folgten, könnten sie es schaffen, bis eine neue Versorgungskapsel sie erreichte.

Stumm verfolgten sie den Kurs der Kapsel.

Dann zeigte Lou auf den Schirm: „Sie driftet ab.“

Auf einer anderen Konsole prüfte er die Koordinaten. Was er befürchtet hatte, traf zu.

„Verdammt, Jim. Sie driftet genau auf unseren Standort zu. Einschlag in zehn Sekunden.“

Sie warfen sich einen Blick zu, dann blickten beide instinktiv zu Decke. Lou zählte in Gedanken rückwärts mit. Bei eins riß sie eine heftige Detonation und Erschütterung von den Beinen.

Das Licht fiel aus.

Nach einigen Sekunden schaltete die Station auf Batteriebetrieb um.

Die Notbeleuchtung ging an und auf der Konsole begannen rote LEDs zu blinken.

Beide Männer richteten sich auf und begannen schweigend die Werte der Station zu prüfen.

Schließlich stützte sich Lou mit beiden Händen an die Konsole und schaute mit einem tiefen Atemzug einen Moment auf den Boden. Dann sah er zu Jim.

„Wir haben den Generator verloren. Alles was bleibt, ist die Ladung der Akkus.“

Jim ließ von seiner Arbeit ab.

„Das ist das Ende. Die Akkus halten nur für ein paar Stunden.“

Mit einem stummen Nicken bestätigte Lou.

„Ich setzte einen Notruf ab.“

„Wer soll den hier draußen empfangen?“, Jim schüttelte resigniert den Kopf.

„Es ist die einzige Chance auf Hilfe. So gering sie auch sein mag, wir müssen sie nutzen.“

Jim nickte und ließ sich in einen der Stühle fallen.

Inzwischen richtete Lou das Notrufsignal ein, mit viertelstündlicher Wiederholung.

Von hinten hörte er Jim fragen: „Der Akkubetrieb umfaßt nur Licht und Sauerstoffversorgung, nicht wahr?“

„Ja“, antwortete Lou und drehte sich herum.

„Also werden wir nicht ersticken, sondern erfrieren.“

Lou schwieg. Was hätte er auch entgegnen können.

Es gab keinen Weg, die Station zu verlassen. Die Kapsel, mit der sie gekommen waren, hatte kein Antriebsmodul, es war eine reine Landeeinheit.

„Komm“, sagte Lou schließlich und wies auf die Nische mit den eingebauten Sitzbänken und dem Tisch, „wir sammeln alles an Decken ein, was wir in der Station finden können und packen uns da drüben so dick wie möglich ein.“

„Und dann?“

„Dann warten wir und hoffen, daß jemand unseren Notruf hört.“