In den Armen des Schotten - Janet Chapman - E-Book
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In den Armen des Schotten E-Book

Janet Chapman

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Beschreibung

Spannend, hoch sinnlich und unwiderstehlich!

Nachdem ihr Freund sie sitzen ließ, kehrt die attraktive Megan MacKeage nach Schottland in den Schoß ihrer Familie zurück. Und die will sie sogleich mit dem neuen Polizeichef der Stadt verkuppeln! Der entpuppt sich als ihr Ex-Freund und behauptet, sich nur zu ihrem Schutz von ihr getrennt zu haben. Kann Megan einem Mann, der sie einmal so verletzt hat, wieder vertrauen? Einem Mann, der voller dunkler Geheimnisse zu sein scheint ...

Die »Highlander«-Reihe:
Band 1: Das Herz des Highlanders
Band 2: Mit der Liebe eines Highlanders
Band 3: Der Ring des Highlanders
Band 4: Der Traum des Highlanders
Band 5: Küss niemals einen Highlander
Band 6: In den Armen des Schotten
Band 7: Lockruf der Highlands

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Seitenzahl: 458

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Buch

Nachdem ihr Freund sie sitzen ließ, kehrt die attraktive Megan MacKeage nach Schottland in den Schoß ihrer Familie zurück. Und die will sie sogleich mit dem neuen Polizeichef der Stadt verkuppeln! Der entpuppt sich als ihr Ex-Freund und behauptet, sich nur zu ihrem Schutz von ihr getrennt zu haben. Kann Megan einem Mann, der sie einmal so verletzt hat, wieder vertrauen? Einem Mann, der voller dunkler Geheimnisse zu sein scheint ...

Autorin

Janet Chapman ist das jüngste von fünf Kindern. Schon immer hat sie sich Geschichten ausgedacht, aber erst mit ihrem ersten Roman »Das Herz des Highlanders« begann die Gewinnerin mehrerer Preise, professionell zu schreiben. Janet Chapman lebt mit ihrem Mann, ihren zwei Söhnen, drei Katzen und einem jungen Elchbullen, der sie regelmäßig besucht, in Maine.

Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.instagram.com/blanvalet.verlag

Janet Chapman

In den Armen des Schotten

Roman

Deutsch von Firouzeh Akhavan

blanvalet

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Secrets Of The Highlander« bei Pocket Star Books, A Division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © der Originalausgabe 2008 by Janet Chapman

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2009 by Blanvalet Verlag,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Covergestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (Intarapong; siam sompunya) und RNC/romancenovelcovers.com LH · Herstellung: sam Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-10622-5 V002

www.blanvalet.de

Für Alex.Halten Sie sich fest, Mr. Right,denn wir werden zusammen die Welt erforschen!

Für diejenigen, die gerade erst dazugekommen sind …

Vor achtunddreißig Jahren hatte ein alter schottischer Druide namens Pendaar den Laird Greylen MacKeage auf eine Zeitreise geschickt, die ihn achthundert Jahre in die Zukunft versetzte. Pendaars Plan sah vor, dass Greylen Grace Sutter kennen lernte und heiratete, damit sie sieben Töchter bekamen  – wobei das siebte Mädchen bestimmt war, Pendaars Erbe anzutreten.

Allerdings verlief nicht alles wie geplant an jenem schicksalhaften Tag, und so verließ nicht nur Greylen auf seiner fantastischen Reise das Schottland des zwölften Jahrhunderts, sondern auch drei seiner Männer und sechs Krieger der MacBains, mit denen sie gerade in ein Scharmützel verwickelt waren. Sogar die Schlachtrösser ergriff der die Zeitlinie verändernde Sog.

Die zehn Männer fanden sich in einem seltsam fremden Land wieder und taten, was jeder gottesfürchtige Krieger in einer solchen Situation getan hätte … sie suchten Zuflucht in der nächsten Kirche. Dort lernten sie den alten Priester Daar kennen, der sie lehrte, wie das Leben in der modernen Gesellschaft ablief, und schließlich auch davon überzeugte, dass ihr Schicksal auf der anderen Seite des Atlantiks lag.

Die MacKeages und Daar zogen nach Pine Creek in Maine, wo sie mehrere tausend Morgen Wald kauften, eine moderne Burg errichteten, welcher sie den Namen Gu Bràth gaben, und das TarStone-Mountain-Skigebiet eröffneten. Die sechs MacBain-Krieger blieben ihrem dickköpfigen Charakter treu und beschlossen, sich in Cape Breton in Neuschottland niederzulassen. Fünf von ihnen starben innerhalb der nächsten zwei Jahre, während sie in der Hoffnung, wieder in ihre eigene Zeit zurückzugelangen, Gewitterstürmen hinterherjagten. Als nur noch Michael MacBain übrig war, zog dieser schließlich auch nach Pine Creek, wo er ein an das Land der MacKeages angrenzendes Waldgebiet kaufte, auf dem Weihnachtsbäume gezogen wurden.

In Das Herz des Highlanders lernt Greylen MacKeage, der sich völlig an das moderne Leben angepasst hat, die Wissenschaftlerin Grace Sutter kennen und heiratet sie. Und genau wie es Pendaar von den Mächten des Universums vorhergesagt worden war, haben sie sieben Töchter … die alle in der Nacht der Wintersonnenwende zur Welt kamen: Heather, die Zwillinge Sarah und Camry, die Zwillinge Chelsea und Megan, Elizabeth und schließlich Pendaars Nachfolgerin Winter.

Was die anderen Krieger betrifft, wären da Morgan MacKeage, der Sadie Quill in Mit der Liebe eines Highlanders kennen lernt, sie heiratet und mehrere Kinder mit ihr hat. Im gleichen Buch heiratet Callum MacKeage Charlotte. Und was Ian betrifft … nun – Sie werden wohl Der Traum des Highlanders lesen müssen, um zu erfahren, was ihm alles widerfährt!

Michael MacBain verliebt sich nur wenige Monate, nachdem er nach Maine gezogen ist, in Mary Sutter, Graces Schwester. Doch Mary stirbt kurz nach der Geburt ihres Sohnes Robbie. In Der Ring des Highlanders ist Robbie gerade mal neun Jahre alt, als Libby Hart nach Pine Creek kommt und Michaels Herz in Aufruhr versetzt.

Eine Generation später wird Robbie MacBains Geschichte in Der Traum des Highlanders erzählt. Drei Jahre später begegnet die fünfundzwanzigjährige Winter MacKeage in Küss niemals einen Highlander ihrem ungebetenen Schicksal von Angesicht zu Angesicht. In dem vorliegenden Buch lernen Sie Greylens und Graces sitzen gelassene (und hochschwangere) Tochter Megan MacKeage kennen.

1

Megan MacKeage schlüpfte durch die Haustür nach draußen und eilte über den Steg vor dem Eingang. Als sie merkte, dass sie ihre Jacke nicht mehr schließen konnte, zog sie sie über ihrem gewölbten Bauch zusammen und ging Richtung Stallungen. Es war jetzt fast zwei Wochen her, dass jemand Gesader gesehen hatte, und Megan nahm es ihrer Schwester Winter nicht ab, dass der halbwilde Panther sich nur vor den Menschenmengen versteckte, die vor acht Tagen nach Gu Bràth gekommen waren.

Das gesellige Beisammensein, das so viel Unruhe mit sich brachte, hatte vier Tage vor Weihnachten mit der Geburtstagsfeier von ihr und ihrer Schwester begonnen und würde sich noch bis ins neue Jahr ziehen. Das alljährliche, zwei Wochen dauernde Fest war seit Heathers Geburt vor dreiunddreißig Jahren zu einer Tradition geworden. Heather waren im Verlauf von zehn Jahren noch sechs weitere Babys – alles Mädchen – gefolgt, die alle in der Nacht der Wintersonnenwende zur Welt gekommen waren. Als Graces und Greylen MacKeages sieben Töchter erwachsen wurden und anfingen, eigene Wege zu gehen, begannen sich die einst gemütlichen Zusammenkünfte auszuweiten, denn die Mädchen kehrten jeden Dezember nach Pine Creek zurück und hatten dabei mehrere Ehemänner und eine immer größer werdende Kinderschar im Schlepptau.

Besorgt sagte sich Megan, dass zwei Wochen, die Gesader nun schon weg war, zu lang waren, als sie die Stalltür aufstieß und zu Goose Downs Box ging. »Na, mein Großer«, sagte sie sanft und tätschelte die Nüstern des riesigen Kaltblüters liebevoll. »Was hältst du davon, mir bei der Suche nach Gesader zu helfen?«

Sie nahm Gooses Trense vom Haken, der unter seinem Namensschild angebracht war, und öffnete die Tür zur Box. »Der Schnee reicht dir nur bis zu den Fußwurzelgelenken, und die Schneedecke ist nicht gefroren, sodass du eigentlich gut vorankommen solltest.« Sie schob ihm das Gebiss ins Maul und zog das Genickstück des Zaumzeugs über die Ohren. »Ich habe diesen schwarzen Teufel vor der Sonnenwende das letzte Mal gesehen, und wenn es kein anderer tut … ich mache mir Sorgen um ihn.« Sie führte Goose in die Stallgasse und band ihn auf der Schwelle fest, dann legte sie die Stirn an seinen großen warmen Kopf. »Was, wenn er verletzt ist?«, flüsterte sie. »Wenn er in eine Kojotenfalle geraten oder von einem Rehbock aufgespießt worden ist, den er reißen wollte?«

Megan ging zur Sattelkammer und griff nach dem schweren Sattel. »Du musst mir dabei helfen, dass ich mich ungesehen davonstehlen kann, Goose, denn noch mehr Predigten darüber, was ich zu tun und zu lassen habe, kann ich nicht gebrauchen.« Mit einem Ächzen gelang es ihr schließlich, den Sattel herunterzuheben. »Ich bin schwanger und nicht krank.«

»Die Predigten halten sie nur, weil sie dich lieben«, sagte eine bekannte Stimme hinter ihr.

Megan wirbelte mit einem Keuchen herum und ließ dabei den Sattel fallen. »Kenzie«, stieß sie hervor.

Sie hatte den beeindruckenden Highland-Krieger vor sechs Tagen auf Winters und Matt Gregors Hochzeit kennen gelernt. Kenzie sei sein lange Zeit verschollener Bruder, hatte Matt erklärt, als er Kenzie stolz allen, die bei der Hochzeit auf der Wiese von Bear Mountain zusammengekommen waren, vorgestellt hatte. Oder um genauer zu sein: er sei sein tausend Jahre alter Bruder. Denn Matt war zugleich unter dem Namen Curam de Gairn bekannt … einem mächtigen Druiden, der tausend Jahre in die Zukunft gereist war, um eine ebenso mächtige Zauberin  – die zufälligerweise Megans jüngste Schwester, Winter war – dazu zu bringen, ihm dabei zu helfen, ein schreckliches Unrecht wiedergutzumachen.

Niemand war von Kenzies mysteriösem Erscheinen überrascht gewesen, was wohl daran lag, dass Megans Vater, Laird Greylen MacKeage, sowie ihre Onkel Morgan und Callum MacKeage und Michael MacBain ebenfalls Zeitreisende waren.

In Megans Kopf drehte sich alles bei der Erkenntnis, dass die Magie, die sie schon von Geburt an spürte, in letzter Zeit außer Kontrolle zu geraten schien. Oder vielleicht drehte sich auch nur deshalb alles, weil sie wieder aufgehört hatte zu atmen  – was ihr ständig zu passieren schien, wenn Kenzie Gregor in ihrer Nähe war.

»Ein Mädchen in deinem Zustand sollte keine schweren Sättel heben«, sagte er und sah sie mit seinen goldenen Augen vorwurfsvoll an. Er nahm den Sattel und legte ihn wieder auf die Halterung. Dann drehte er sich um und verließ die Sattelkammer. »Und es sollte auch nicht reiten.«

Megan starrte die Tür an, durch die er verschwunden war, während sie tief einatmete und langsam bis zehn zählte. Doch als sie hörte, wie Goose wieder in seine Box geführt wurde, verlor sie auch den Rest von Geduld, den sie noch gehabt hatte. Sie rannte in die Stallgasse, riss Kenzie die Zügel aus der Hand und führte ihr Pferd wieder zu der Stelle, wo sie es festgemacht hatte.

»Ich bin sehr wohl dazu in der Lage zu entscheiden, was ich tun sollte und was nicht«, erklärte sie und marschierte wieder zur Sattelkammer.

Kenzies goldene Augen blitzten vor Erheiterung, als er angesichts ihres wütenden Gesichts eine Augenbraue hochzog.

»Ich weiß, dass du gerade mal eine Woche in diesem Jahrhundert bist«, sagte sie. »Aber du wirst schnell feststellen, dass sich die Dinge im Laufe von tausend Jahren ein wenig geändert haben. Frauen des einundzwanzigsten Jahrhunderts – ob nun schwanger oder nicht – mögen es nicht, wenn Männer ihnen Vorschriften machen. Wir können selber auf uns aufpassen.«

»Aber es scheint immer noch üblich zu sein, dass man heiratet«, entgegnete er. »Was bedeutet, dass immer noch zwei nötig sind, um ein Kind aufzuziehen.« Sein Blick richtete sich auf ihren Bauch, schweifte dann durch den Stall, um schließlich wieder zu ihr zurückzukehren. »Trotzdem sehe ich keinen Ehemann, der dir hilft.«

Jäh schoss glühende Hitze in Megans Wangen. Wie zivilisiert Kenzie auch mit seiner modernen Kleidung, dem glattrasierten Gesicht und den kurzen Haaren aussehen mochte – er hatte doch immer noch eine fast schon altertümliche Denkweise. »Es ist mir egal, wie alt du bist. Du hast trotzdem kein Recht, dich in meine Angelegenheiten einzumischen.«

Sie machte auf dem Absatz kehrt und führte Goose nach draußen zur Aufsitzhilfe. Doch ehe sie auch nur den Schnee von dem Treppchen fegen konnte, hoben große Hände sie plötzlich auf Gooses sattellosen Rücken. Und sie quiekte noch vor Überraschung, als sich auch schon Kenzie hinter ihr auf den Rücken des Pferdes schwang.

»Und wo wollen wir jetzt hin?«, fragte er ergeben seufzend, während er ihr die Zügel aus der Hand nahm.

Megan wurde still. »Wir wollen nirgendwohin. Du gehst zurück ins Haus, und ich reite den TarStone hinauf, um nach … meiner Katze zu suchen.«

Ihr ungebetener Begleiter kümmerte sich nicht im Geringsten um ihre Abfuhr, sondern lenkte Goose auf die Hänge zu, auf denen die Skifahrer ihren Winterurlaub genossen.

Megan, die viel Erfahrung im Umgang mit altmodisch denkenden Männern hatte, erkannte, dass sie ihn nicht so leicht loswerden würde. Also konnte sie sich seine Bereitschaft, ihr zu helfen, auch zunutze machen – genau wie die Hitze, die sein riesiger Körper hinter ihr ausstrahlte. Und vielleicht hatte ja auch etwas von der Zauberkraft seines Bruders auf ihn abgefärbt, sodass Kenzie unter Umständen dazu in der Lage war, Gesader herbeizurufen.

»In die andere Richtung«, sagte sie, griff in die Zügel und lenkte Goose auf den schmalen Weg zu, der die bewaldete Seite des TarStone hinaufführte. »Gesader versteckt sich wahrscheinlich in den Wäldern. Er mag Menschenmassen nicht sonderlich.«

Kenzie trieb das Pferd den in den Wald führenden Weg hinauf, der nicht geräumt war. »Die meisten Katzen würden zu dieser Jahreszeit vor dem warmen Ofen liegen, statt durch Schnee zu laufen, der tiefer ist, als sie groß sind.«

»Gesader ist anders«, sagte Megan, die fand, dass es viel praktischer war, ohne Sattel zu reiten. Gooses warmer Rücken von unten und Kenzies Wärme gaben Megan das Gefühl, an einem Ofen zu sitzen. Es konnten natürlich auch ihre Hormone sein, die sich mal wieder bemerkbar machten. »Wenn du aus dem Schottland des zehnten Jahrhunderts stammst, wieso beherrschst du dann die heutige Sprache so gut?«

Kenzie griff um sie herum nach ihrem offenen Kragen. »Ich habe es mehrere Jahre geübt. Du solltest deine Jacke zumachen«, sagte er und versuchte, den obersten Knopf zu schließen.

Sie stieß seine Hand weg. »Das geht nicht. Mein Bauch ist schon zu groß. Also wusstest du schon seit mehreren Jahren, dass du in dieses Jahrhundert kommen würdest? Ist es das, wofür Matt Winters Hilfe brauchte? Das fürchterliche Durcheinander, das er im Kontinuum anrichtete, das fast alle Lebensbäume getötet hätte – war nur dafür da, um dich herzuholen?«

Kenzie zog sie wieder an sich, indem er einen Arm um ihre gerundete Taille legte. »Mehr oder weniger. Gesader ist ein altes gälisches Wort. Warum hast du deine Katze Zauberer genannt?«

Megan machte großes Aufhebens darum, einen angenehmen Sitzplatz zu finden, und lehnte sich wieder nach vorn, um sich an Gooses Mähne festzuhalten.

»Meine Schwester hat ihm den Namen gegeben, denn eigentlich ist er ihr Haustier. Ich bin erst seit vier Monaten wieder in Pine Creek. Aber weil Winter diesen Herbst so viel Zeit mit Matt verbracht hat, schien Gesader meine Gesellschaft der ihren vorzuziehen. Und er ist keine Hauskatze. Er ist ein Panther.«

»In Maine gibt es Panther?«, fragte Kenzie neugierig.

»Nein. Wir haben hier Luchse, und ganz selten wird auch mal ein Berglöwe gesichtet, aber keine Panther.« Megan lächelte. »Unser Cousin Robbie MacBain brachte Gesader vor drei Jahren als kleines Kätzchen mit. Robbie ist derjenige, der die Aufgabe hat aufzupassen, dass Pendaar keinen Unsinn macht. Zumindest hatte er diese Aufgabe, ehe Pendaar seine Zauberkraft verlor.« Sie zuckte die Achseln. »Jetzt muss Robbie wohl auf Winter und deinen Bruder aufpassen. Er ist der Holzfäller, der mit Catherine verheiratet und der Vater von Baby Angus ist.«

»Ja, ich erinnere mich. Er hat dich gestern Abend nach oben ins Bett getragen, als du in deinem Sessel eingeschlafen bist.« Kenzie kicherte. »Und Pendaar ist der kauzige alte Priester, der sich immer als Erstes an den Esstisch setzt und als Letzter aufsteht. Er beäugt mich die ganze Zeit misstrauisch, als denke er, ich wolle ihm den nächsten Bissen klauen.«

Megan lachte. »So ist Pendaar, allerdings nennen ihn heutzutage alle Vater Daar. Er war ein mächtiger Zauberer, ehe er seine Zauberkraft an Winter weitergab. Er war es, der meinen Vater und meine Onkel vor fast vierzig Jahren in dieses Jahrhundert brachte. Aber Daar ist irgendwie … naja, er verpatzte seine Zaubersprüche häufig, und so sorgte er dafür, dass letztendlich noch drei weitere MacKeages sowie sechs MacBain-Krieger und alle Schlachtrösser hier landeten.«

Sie drehte sich zu Kenzie um. »Die MacKeages und die MacBains führten damals Krieg gegeneinander, aber Michael und Papa haben vor Jahren Frieden geschlossen. Die MacKeages ließen sich in Pine Creek nieder, als sie TarStone Mountain kauften. Sie bauten Gu Bràth, errichteten ein Skigebiet und beschlossen dann, sich Frauen zu suchen, um ihren Clan weiterzuführen.«

Kenzie schüttelte den Kopf. »Aber stattdessen hat dein armer Vater sieben Töchter gezeugt.«

Megan warf ihm einen wütenden Blick zu und sah wieder nach vorn. »Eine andere Sache, die Ihr bezüglich des einundzwanzigsten Jahrhunderts feststellen werdet, Mr. Gregor, ist die Tatsache, dass es nicht mehr wichtig ist, einen ganzen Haufen Söhne zu haben. Dank der Emanzipation ist es heutzutage eher eine Stärke denn eine Schwäche eine Frau zu sein. Frauen tun alles, was auch Männer machen.« Sie bedachte ihn mit einem affektierten Grinsen. »Und meistens machen wir es besser.«

Lachend warf er den Kopf zurück, wobei sein gut aussehendes Gesicht von der Nachmittagssonne angestrahlt wurde. Sofort sah Megan wieder nach vorn und begann nach Gesader zu rufen.

»Du hast gesagt, dass ihr unter den Neuen den alten Priester Vater Daar nennt. Was meint ihr mit den Neuen?«, fragte Kenzie, als sie kurz aufhörte zu rufen.

»So nannten mein Vater und meine Onkel immer die Leute hier. Die, die durch die Zeit gereist sind, werden die Alten genannt, und alle aus diesem Jahrhundert sind die Neuen. Wie war das eigentlich … durch die Zeit zu reisen?«

»Heftig. Schrecklich. Nichts, was ich gern wiederholen würde.«

»Robbies Frau, Catherine, ist einmal durch Zufall mit ihm zurückgereist, und sie sagte auch, dass sie es nie wieder machen wolle. Sie erzählte auch, dass sie nackt war, als sie im Schottland des zwölften Jahrhunderts landete.« Megan grinste.

»Ist das der Grund, warum sie und MacBain heiraten mussten?«

»Nein. Genau genommen können Männer und Frauen heutzutage sogar miteinander schlafen, ohne dass sie vorher heiraten müssen – aber das geht dich eigentlich nichts an.«

»Sprechen wir immer noch über Robbie und Catherine?«, fragte Kenzie vorsichtig. »Du reagierst ja schon gereizt, wenn man das Thema Heirat nur erwähnt, Mädchen. Warum eigentlich? Hat der Vater deines Kindes dich nicht gefragt, ob du ihn heiratest?«

»Das geht dich nichts an!«

»Wir sind doch jetzt miteinander verwandt, oder nicht? Geht es mich da nicht sehr wohl etwas an?«

»Dein Bruder ist mit meiner Schwester verheiratet«, entgegnete sie. »Das macht uns nicht automatisch zu einem Liebespaar.«

Kaum waren die Worte heraus, schlug Megan sich die Hand vor den Mund. Liebespaar? Wie zum Teufel kam sie denn auf so was?

Kenzie lachte so schallend, dass sie vom Pferd gefallen wäre, hätte er sie nicht mit seinem starken Arm festgehalten. »Nein«, meinte er lachend, »das macht uns nicht zu einem Liebespaar.« Sein Arm legte sich fester um sie. »Wo also ist der Vater deines Kindes jetzt?«

»Der schmort hoffentlich in der Hölle«, stieß sie hervor.

»Sag mir, wo er ist, dann knöpfe ich mir den Mistkerl vor.«

»Wofür?«, fragte sie und sah ihn über die Schulter an.

»Damit er dich heiratet!«

Megan holte tief Luft und sah wieder nach vorn, während sie sich in Erinnerung rief, aus welchem Jahrhundert er kam. »Ich würde es nicht einmal in Erwägung ziehen, einen Mann zu heiraten, der mich nicht liebt.«

»Liebe hat damit nichts zu tun, Mädchen. Ihr beiden bekommt ein Kind … ob euch das nun gefällt oder nicht.«

»Ich bin sehr wohl in der Lage, mein Kind ohne seine Hilfe aufzuziehen.«

»Daran zweifle ich nicht. Aber hat dein Kind nicht das Recht auf seinen Vater?«

»Er oder sie wird Dutzende von Onkeln und Cousins haben. Ich habe eine ganze Familie hier in Pine Creek, die mir helfen wird. Ich werde mich erst dann mit Wayne Ferris befassen, wenn er wunderbarerweise irgendwann ein Gewissen entwickeln und beschließen sollte, dass er seinen Sohn oder seine Tochter kennen lernen möchte. Aber bis dahin will ich nichts mit dem Idioten zu tun haben.«

»Weiß er von dem Kind?«

»Ja.«

Kenzie schwieg einen Moment lang, dann meinte er sanft: »Unsere Schwester wurde von dem Vater ihres Kindes sitzen gelassen. Sie hieß Fiona, und sie hatte keine Familie, die ihr half. Matt und ich waren unterwegs, um zu kämpfen, und unsere Mutter war ein Jahr zuvor gestorben. Fiona hatte nur unseren Vater, und soweit ich weiß, setzte damals bereits seine geistige Verwirrung ein.«

»Was wurde aus ihr?«

»Sie starb bei der Geburt, und ihr Kind starb kurz darauf.«

Megan schlang die Arme um ihren runden Bauch. »Das tut mir leid. Das erklärt wohl, warum du dir solche Gedanken um mich machst.« Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. »Aber mir wird es wirklich an nichts fehlen.«

Goose stapfte aus dem Wald heraus auf einen Gebirgskamm, um den der Wind pfiff, und von dem aus man einen sagenhaften Blick auf das dreihundert Meter tiefer liegende Pine Creek hatte. Kenzie ließ das Pferd anhalten, saß ab und half ihr dann herunter.

»Ja, dir wird es an nichts fehlen. Dafür werde ich sorgen«, sagte er. »Jetzt zu Gesader«, sprach er weiter und umfasste sanft ihre Schultern. »Es … äh … es gibt da etwas, das ich dir über deine entlaufene Katze sagen muss.«

 

Jack Stone legte die Arme auf die Tür seines Streifenwagens, damit das Fernglas nicht wackelte, als er es auf den nördlichen Hang von TarStone Mountain richtete. Er begann seine Suche bei den schmalen Streifen Schnee, die sich vom Gipfel bis zum Fuß des Berges erstreckten. Er achtete nicht auf die Skifahrer, sondern hielt eher nach etwas Vierbeinigem Ausschau. Nachdem er festgestellt hatte, dass das Pferd nicht am Rande der Skiabhänge oder entlang der Strecke, wo die Skilifte fuhren, trabte, ließ er das Fernglas über den dichten Fichten- und Pinienwald schweifen und besah sich die einzelnen Lichtungen zwischen den Bäumen lange genug, um zu erkennen, dass sie verlassen waren.

»Na, komm schon, Schätzchen. Wohin bist du verschwunden?« , fragte er leise. »Und mit wem bist du unterwegs?«

Jack suchte den Berg weiter sorgfältig ab, obwohl er wusste, dass es bei dem vorliegenden unebenen Terrain so gut wie unmöglich war, das, wonach er Ausschau hielt, zu entdecken. Aber weil ihm dieses Unwahrscheinliche mehr als einmal gelungen war, setzte er seine methodische Suche mit der Geduld eines Jägers fort, dem Misserfolg ein Fremdwort ist.

»Bingo«, sagte er zehn Minuten später, als ein Pferd, auf dem zwei Reiter saßen, auf einen Bergkamm hinaustrat. Jack warf das Fernglas auf den Sitz des Streifenwagens, ging zum Kofferraum und holte einen Gewehrkoffer heraus. Er sah die abgelegene Straße hoch und runter, um dann das Gewehr herauszunehmen, das ihm nicht zusammen mit Handschellen und Marke ausgehändigt worden war, als er letzte Woche seine neue Stelle als Chef der Polizeitruppe von Pine Creek angetreten hatte.

Mit einem verächtlichen Schnauben entsicherte er die Waffe. Tolle Polizeitruppe. Er war der Chef von genau einem Hilfssheriff, der frisch von der Polizeiakademie kam, und einer Sekretärin, die seine Großmutter hätte sein können.

Die Bevölkerung von Pine Creek und den Nachbarstädten Lost Gore und Frog Cove wäre sprunghaft angestiegen, hatten ihm die Mitglieder des Stadtrats bei seinem Vorstellungsgespräch erklärt. Und das County würde zwar über einen Sheriff und die Bundespolizei verfügen, um sie zu beschützen, doch die drei kleinen Urlaubsorte wollten ihren eigenen Arm des Gesetzes, weil irgendjemand meinte, es sei witzig, persönliche Besitztümer unter den Bürgern zu tauschen.

Genau das waren die Worte gewesen, die die Mitglieder des Stadtrates benutzt hatten. Nichts war wirklich gestohlen worden: ein paar Gasgrille, Spielsachen, Urlaubssouvenirs und Briefkästen waren einfach nur neu zwischen den anliegenden Häusern, Ferienlagern und Geschäften verteilt worden. Jack war fast versucht gewesen anzubieten, die Arbeit umsonst zu machen, wenn ein Haufen gelangweilter Teenager für die schlimmste Verbrechenswelle verantwortlich war, die Pine Creek je heimgesucht hatte.

Er ging nach vorn zu seinem Wagen und stützte sich auf der Haube ab, um durch das Zielfernrohr zu schauen, das am Lauf des Gewehrs angebracht war. Er erspähte das Pferd, auf dem nun niemand mehr saß, und dann die beiden Personen, die daneben standen. Ohne das Auge von der Linse zu nehmen, stellte er die Schärfe ein, bis er Megan MacKeage deutlich erkennen konnte.

Jack stockte kurz der Atem, als er sie sah. Ihr schulterlanges rotes Haar wehte ihr immer wieder ins Gesicht, obwohl sie versuchte, es sich hinter die Ohren zu schieben. Ihre leicht sommersprossigen Wangen waren von der Kälte gerötet, und ihre Augen – von denen Jack wusste, dass sie auffallend grün waren – hatte sie wegen der Nachmittagssonne zusammengekniffen, während sie zu dem Mann aufschaute, der ihre Schultern umfasst hatte.

Jack hatte das TarStone-Skigebiet in seine tägliche Runde miteinbezogen, denn er war sich recht sicher, dass Megan ihn nicht wiedererkennen würde, wenn er an ihr vorbeifuhr. Menschen außerhalb ihrer gewohnten Umgebung und insbesondere, wenn sich ihr Aussehen so stark wie bei ihm verändert hatte, wurden leichter übersehen, wenn sie sich nicht versteckten.

Als er heute Morgen über den großen Parkplatz des Skigebietes gefahren war, hatte er gesehen, wie Megan ihr Zuhause auf dem Rücken eines Pferdes und an die Brust eines Mannes gekuschelt verließ, den er noch nie in der Stadt gesehen hatte. Jack konnte sich Gesichter, Mimiken und Gestiken gut merken, und er konnte auch verwandtschaftliche Ähnlichkeiten schnell erkennen. Und obwohl der Mann mehrere hundert Meter entfernt gewesen war, hatte Jack keinerlei Ähnlichkeit mit den MacKeage- und MacBain-Männern erkennen können, die er schon mal gesehen hatte. Nur in Bezug auf die Größe gab es eine gewisse Übereinstimmung.

Jack richtete das Zielfernrohr jetzt auf ihn. Das war wirklich ein riesiger Kerl, mindestens dreißig Zentimeter größer als Megan, die ein Meter sechzig groß war. Er hatte breite Schultern und den Körperbau eines Mannes, den Jack bei einem Kampf gern an seiner Seite hätte.

Ein Cousin? Oder vielleicht ein Onkel?

Oder ihr Freund?

Das Geräusch eines aus Richtung Stadt kommenden Wagens beendete seine Überwachung und damit auch seine Spekulationen. Jack ging mit langen Schritten zum Kofferraum zurück, legte das Gewehr wieder in den Koffer und ließ die Haube gerade in dem Moment zufallen, als ein blau-weißer Pickup um die Ecke gefahren kam und schliddernd anhielt.

Officer Simon Pratt tauchte aus einer Wolke Puderschnee auf, die er aufgewirbelt hatte. »Ihr Funkgerät funktioniert nicht«, sagte er und schaute durch die offene Tür in Jacks Wagen. »Ach, das ist ja noch nicht mal an«, meinte er, während er nach drinnen an die Konsole griff. Er richtete sich wieder auf und sah Jack mit gerunzelter Stirn an. »Ethel und ich haben den ganzen Vormittag versucht, Sie über Funk oder Handy zu erreichen, und ich habe die letzten beiden Stunden damit verbracht Sie aufzuspüren.«

Jack zog sein Handy aus der Tasche, um zu sehen, ob er Empfang hatte, und stellte fest, dass es ebenfalls nicht eingeschaltet war. »Tut mir leid«, meinte er und schaltete das Handy an, ehe er es wieder in die Tasche steckte. »Also, was gibt’s?«

»Letzte Nacht ist in die Bäckerei eingebrochen worden. Alles ist verwüstet.«

»Sie sind tatsächlich eingebrochen? Und haben alles kaputtgemacht?« , fragte er überrascht. »Aber das ist gar nicht ihre übliche Vorgehensweise. Normalerweise nehmen sie sich nur Sachen, die irgendwo draußen herumstehen.«

Simon zuckte die Achseln. »Die Bäckerei hat montags nicht geöffnet, deshalb bemerkte es die Besitzerin erst heute Morgen um acht. Sie wollte sich ein bisschen um den liegen gebliebenen Papierkram kümmern und stellte fest, dass die Hintertür aufgebrochen war und ihre Sachen überall herumlagen. Sie rief bei uns an, und seitdem suchen Ethel und ich nach Ihnen. Wir wollten schon beim Sheriff anrufen.«

»Warum?«

Seine Frage schien Simon zu überraschen. »Weil wir Sie nicht finden konnten!«

Jack sah ihn gelassen an. »Ist es Ihnen je in den Sinn gekommen, einfach ohne mich zur Bäckerei zu gehen und den Tatort zu untersuchen?«

»Ja, klar. Das habe ich getan, das heißt ich habe den Tatort abgesichert. Ich habe ihn mit Bändern abgesperrt und die Besitzerin veranlasst, ein Schild mit der Aufschrift Bis auf Weiteres geschlossen ins Schaufenster zu stellen.«

Jack nahm das Fernglas vom Sitz und schob sich hinters Lenkrad. »Dann lassen Sie uns mal einen Blick auf Ihren Tatort werfen. Auf dem Weg dorthin versuchen Sie sich noch einmal daran zu erinnern, was Sie auf der Akademie über die Vorgehensweise bei einem Einbruch gelernt haben.«

»Mein Tatort?« Simon sah wieder völlig verblüfft aus.

»Sie haben den Anruf entgegengenommen, oder etwa nicht?«

»Ja, doch, schon. Aber Sie sind der Boss.«

»Und ich bin möglicherweise nicht immer erreichbar, oder? Da Sie also mein Vertreter sind, erwarte ich, dass Sie sich um alles kümmern, was so anfällt.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Sie haben doch mit Auszeichnung bestanden, oder nicht?«

Simon nahm die Schultern zurück. »Ich könnte den Tatort sogar im Schlaf untersuchen.«

»Dann schließe ich mich Ihnen einfach nur an«, sagte Jack und schloss seine Tür.

2

Megan sah Kenzie an, als wäre ihm plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. Er zwang sich dazu, ganz ruhig zu bleiben, obwohl er sie am liebsten an seine Brust gezogen und tröstend über ihren Rücken gestrichen hätte. Am liebsten wäre er vor Scham in den Wald gerannt. Er merkte, dass er ihre Schultern zu fest hielt und trat zurück, wobei er die Hände hinter den Rücken legte. Er konnte nur ahnen, wie sie sich fühlte. Bis er die Worte laut ausgesprochen hatte, war sogar er bereit gewesen zu glauben, dass es nichts weiter als ein zweihundert Jahre lang währender Alptraum war.

»Du … du kannst nicht Gesader sein«, flüsterte sie, und ihr Gesicht war so weiß wie der Schnee. »Ich kenne ihn, seit er ein kleines Kätzchen war.«

»Du kennst mich, Mädchen. Du brauchst mich nur anzuschauen, Megan, um zu erkennen, dass es stimmt. Sind das nicht die Augen deines Panthers?«, fragte er und berührte sein Gesicht unter einem Auge. Dann legte er die Hand aufs Herz. »Ich bin das Pantherkätzchen, das MacBain aus dem Schottland des zwölften Jahrhunderts mitgebracht hat.«

Sie trat einen Schritt zurück, als wollte sie sich von dem, was er sagte, distanzieren. »Aber du kannst nicht Gesader sein«, wiederholte sie kaum hörbar und trat noch einen Schritt zurück.

Sein Wunsch sie zu trösten, gewann schließlich die Oberhand, und Kenzie reagierte raubkatzenartig schnell, um sie in die Arme zu schließen. Sofort begann sie sich zu wehren, deshalb ließ er sich einfach mit ihr auf dem Schoß in den Schnee gleiten. »Ich lag sterbend auf dem Schlachtfeld, als Matt mich vor tausend Jahren fand«, erklärte er. »Und das war der Tag, an dem mein Bruder einen Handel mit Providence schloss.«

Da hörte Megan auf sich zu wehren und blickte starr auf Pine Lake. Offensichtlich war ihre Neugier größer als ihr Entsetzen.

»Matt hatte keine Ahnung, was seine Forderung in Gang setzen würde«, fuhr er fort. »Ich war der Einzige aus der Familie, der Matt noch geblieben war, und ich war tödlich verwundet. So nahm mein Bruder seine Berufung zum mächtigen Druiden unter der Bedingung an, dass mein Leben verschont bliebe.«

Sie lag weiter ganz ruhig und wie erstarrt in seinen Armen. Er holte stockend Atem und fuhr fort: »Es war nur so, dass ich bereits begonnen hatte, auf dieses unglaublich helle Licht zuzugehen, welches mir himmlische Erlösung versprach.« Er zog sie enger an sich und strich dabei mit dem Kinn über ihr Haar. »Ich wünschte mir so sehr zu erfahren, was dieses Licht versprach, aber offensichtlich brauchte Matt mich mehr. Doch es war zu spät für mich, um als Kenzie Gregor weiterzuleben, und es schien wie eine Ewigkeit, die ich in einer Art Zwischenstadium verbrachte, bis ich plötzlich als junges Fohlen wiederkehrte  – das von einer Stute dort auf dem Schlachtfeld zur Welt gebracht wurde.«

Megan gab einen leisen, erstaunten Laut von sich.

»In den nächsten zweihundert Jahren schlüpfte ich in die Gestalt von unterschiedlichen Tieren. Ich lebte, starb und wurde unzählige Male als wild lebendes Geschöpf oder als Haustier wiedergeboren.«

»Dann hatte Matt ja gar nichts gewonnen«, sagte sie tonlos. »Du warst nicht Kenzie, sondern ein Tier.«

»Ja, aber trotzdem erkannten wir einander. Und viermal im Jahr, zu den Sommer- und zu den Wintersonnenwenden wurde ich wieder für vierundzwanzig Stunden ein Mensch.«

»Also geriet das Kontinuum durcheinander, weil du ein … ein Tier wurdest?«

Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und schob sie ihr hinters Ohr. »Bei Matts Handel mit Providence wurde das, was ich wollte, völlig außer Acht gelassen, Megan. Ich bekam nie die Gelegenheit zu entscheiden, ob ich lieber tot wäre oder als Tier leben wollte.«

Sie drehte den Kopf, um ihn anzuschauen. »Für was hättest du dich entschieden?«

»Für den Tod. Und das tat ich schließlich nach zwei Jahrhunderten auch, als ich Matt anflehte, doch eine Möglichkeit für mich zu finden, ein letztes Mal und am liebsten als Mensch zu sterben. Er erkannte, dass er Hilfe brauchte, um sein begangenes Unrecht wiedergutzumachen, und fing an, nach einer Möglichkeit zu suchen, deine Schwester kennen zu lernen. Er lockte Robbie MacBain zurück ins Schottland des zwölften Jahrhunderts, damit er die Pfahlwurzel seines Lebensbaumes und mich in diese Zeit holen konnte.«

»Warum brauchte er Winters Hilfe, wenn er solch ein mächtiger Druide ist?«

»Matt ist nicht nur Druide, sondern auch Wächter, und Wächter können eigentlich keinen Einfluss auf unser Leben nehmen. Sie können uns nur vor Magie beschützen.«

»Aber er hat Einfluss auf dein Leben genommen!«

»Ja, das tat er. Und damit brachte er das Kontinuum durcheinander, wofür wir beinahe alle hätten bezahlen müssen.« Er drückte sie kurz an sich. »Aber dank deiner klugen und sehr eigensinnigen Schwester hat sich alles zum Guten gewendet. Ich bin wieder ich selbst, ich werde irgendwann ein letztes Mal eines natürlichen Todes sterben, und durch Providence und ein bisschen Hilfe von Talking Tom haben Matt und Winter jetzt einen noch kräftigeren Lebensbaum.«

Megan rutschte plötzlich von ihm ab und drehte sich mit hochrotem Gesicht zu ihm um. »Winter! Sie hat es die ganze Zeit gewusst!«, rief sie. »Ich habe mir die ganze Woche solche Sorgen wegen Gesader gemacht, und sie konnte mir noch nicht einmal sagen, dass du er warst!«

Genauso plötzlich, wie ihre Wut aufgeflammt war, wurde ihr Gesicht wieder bleich. »Ich … ich habe dir die letzten vier Monate ständig was vorgeheult«, flüsterte sie. »Du hast in meinem Bett geschlafen!«

Kenzie stand auf, weil er sich Sorgen machte, sie könnte rückwärts von der Anhöhe fallen. »Als ein Panther, Megan«, sagte er und bewegte sich auf sie zu. »Nicht als Mann.«

»Ich habe dir meine dunkelsten, tiefsten Geheimnisse anvertraut.« Sie trat noch einen Schritt zurück. »Ich …«

Er machte einen Satz nach vorn, und sie merkte plötzlich, in welcher Gefahr sie sich befand. Aber statt nach ihm zu greifen, um sich helfen zu lassen, nutzte Megan seinen Schwung, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie verpasste ihm einen überraschend kräftigen Stoß gegen die Brust und lief davon.

So fiel Kenzie an ihrer Stelle von der Anhöhe und landete in einer Schneewehe, die so tief war wie er groß. »Megan!«, rief er. »Lauf nicht weg, Mädchen!«

Sie spähte über die Kante, sah, dass er nicht tief gefallen war, aber festsaß, und verschwand.

»Megan!«

Sie kam nicht zurück.

»Goose!«, rief Kenzie, während er seinen Körper vor und zurück warf, um sich aus der Schneewehe zu befreien.

Der Kopf des Pferdes erschien am Rand der Anhöhe, und mit seinen Hufen trat Goose noch mehr Schnee los. »Ich komme hier schon selber wieder raus. Lauf du zu deiner Herrin und bring sie nach Hause.«

Das Pferd verschwand, und Kenzie stieß ein Schnauben aus. Also hatte Matt Recht gehabt: Er konnte tatsächlich mit Tieren reden.

 

Jack musterte die kleine Küche in der Bäckerei von Pine Creek. »Was für ein Geruch ist das?«, fragte er die beiden Personen, die ihn ansahen und offensichtlich darauf warteten, dass er etwas Polizeichefmäßiges sagte.

»Ich habe den Geruch auch bemerkt, als ich heute Morgen reinkam«, sagte Marge Wimple. Die zierliche, grauhaarige Bäckereibesitzerin zog die Nase kraus. »Es riecht irgendwie säuerlich.«

»Hm, wie vergammeltes Gemüse oder so, aber dann auch wieder irgendwie süßlich«, fügte Simon Pratt hinzu.

»Sie müssen dieses Balg Tommy Cleary auf der Stelle einsperren«, sagte Marge. »Alle wissen, dass er der Anführer der Bande ist, und die Clearys wohnen direkt neben einem Sumpf. Daher kommt der Geruch.« Sie deutete auf einen braunen Fleck auf dem Boden. »Wo würde man sonst mitten im Winter Schlamm finden?« Dann zeigte sie mit dem Finger auf Jack. »Sie müssen Tommy die Hölle heiß machen, damit er auspackt, wer seine Komplizen sind. Schauen Sie sich doch nur an, was er mit meinem Laden gemacht hat!« Mit Tränen in den Augen betrachtete sie das Durcheinander. »Ich werde eine Woche brauchen, um alles wieder aufzuräumen und sauber zu machen, und dann noch einmal eine Woche, um meine ganzen Vorräte aufzufüllen. Das sind zwei Wochen Einnahmenausfall in der besten Zeit des Jahres!«

Jack beugte sich vor und berührte einen der braunen Flecken. »Ich brauche schon ein bisschen mehr als die Tatsache, dass Tommy Cleary neben einem Sumpf lebt, um ihn festzunehmen, damit ich ihn verhören kann.« Er roch an dem Schlamm. »Das kommt zwar eindeutig aus dem Sumpf, aber es ist nicht der Geruch, der hier in der Luft hängt.« Er erspähte eine schleimige Substanz an der Kante eines Schaukastens für Donuts und ging hin, um daran zu riechen. »Es kommt hiervon«, sagte er und trat zur Seite, damit Simon daran schnuppern konnte.

»Puh!«, sagte Simon und zuckte zurück. »Das ist ja widerlich. Was ist das?«

»Das wird uns das Labor sagen.«

»Welches Labor?«, fragte Simon.

Jack sah seinen Deputy mit gerunzelter Stirn an. »Der Bundesstaat hat doch ein gerichtsmedizinisches Labor, das wir benutzen können, oder nicht?«

»Ach ja. Klar.« Simon eilte zum Spurensicherungskoffer. »Ich lasse Ethel da mal anrufen, damit die uns sagen, wie wir ihnen das Zeug schicken sollen.«

»Es ist dieser Cleary-Bengel mit seinen Brüdern … das sag ich Ihnen«, erklärte Marge. »Joan Cleary lässt die Jungs machen, was sie wollen. Jeder weiß, dass die das waren, die mir letzten Monat mein Schild geklaut und Rose Brewers Elchgeweih weggenommen haben, das sie vor ihrem Laden stehen hatte. Wir haben unsere Sachen erst nach einer Woche zurückbekommen. Ein Fischer fand sie zwei Meilen auf den See raus an seiner Eishütte hängend.«

Marge pirschte sich an Jack heran. »Wir haben Sie eingestellt, damit dieser Unsinn aufhört, aber es wird nur noch schlimmer.« Sie hob wieder den Finger und wollte ihm offensichtlich damit auf die Brust tippen, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Doch als sie seinen Blick sah, änderte sie ihre Meinung. »Was gedenken Sie dagegen zu tun, Chief Stone?«

»Deputy Pratt und ich werden den Einbruch bei Ihnen genau untersuchen, Mrs. Wimple. Wir werden Fingerabdrücke und Beweismittel sammeln, uns draußen umsehen und mit den Leuten reden in der Hoffnung, dass irgendjemand etwas gesehen hat. Sie können mit dem Aufräumen und Saubermachen anfangen, sobald wir Ihnen das Okay dazu geben, was voraussichtlich morgen Vormittag sein wird.« Er bedachte sie mit einem, wie er hoffte, diensteifrigen Lächeln. »Wir halten Sie über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden. Danke, dass Sie so kooperativ waren, Mrs. Wimple«, meinte er abschließend und wandte sich der Hintertür der Bäckerei zu.

Er blieb neben Simon stehen, der etwas von dem Schlamm in einen Plastikbeutel kratzte. »Mach ein paar Bilder mit dieser schicken neuen Digitalkamera.« Er deutete mit dem Kopf auf den riesigen Spurensicherungskoffer. »Mach hier drinnen ein paar Fotos, und dann auch noch vom Boden draußen und vorne und hinten vom Laden.«

»Mach ich, Chief.«

»Ich heiße Jack«, erklärte er Simon zum tausendsten Mal. »Die Weißen haben schon vor mehreren Jahrzehnten aufgehört, uns Chief zu nennen.«

Simons Augen wurden ganz groß. »Sie … Sie sind Indianer?« , stotterte er und wurde etwas rot dabei.

»Zur Hälfte kanadischer Cree«, sagte Jack. »Also hören Sie mit diesem Chief auf, ja?«

»Ja, Sir.«

Jack stieß ein Schnauben aus und ging nach draußen, wobei er unter dem Plastikband durchschlüpfte, mit dem der Tatort abgesperrt war, ehe er seine Sonnenbrille aufsetzte. Er hielt in der Mitte der Straße an, die zwischen den Läden und Pine Lake verlief, und musterte das Geschäftsviertel in der Stadtmitte. Eine Menge Geld war in die Ladenfassaden auf der Straßenseite geflossen, aber die Rückseiten der Gebäude waren noch beeindruckender. Die Läden lagen alle an die fünfzig Meter vom Ufer entfernt, was die Stadt genutzt hatte, um einen Park mit Bänken und schönen Bäumen anzulegen. Neben Mrs. Wimples Bäckerei befanden sich ein Eisenwarenladen und eine Kunstgalerie. Dann kamen ein Herrenausstatter und schließlich ein Restaurant, dessen große Fenster zum See hinausgingen.

»Finden Sie heraus, ob dieses Geländer schon vorher kaputt war oder ob der Bruch neu ist«, sagte Jack zu Simon, als der Deputy mit seiner Kamera nach draußen kam. »Stammt die Verfärbung auf dem Türknauf auch von dem schleimigen Zeug?«

Simon ging dicht ran, um den Türknauf zu untersuchen und zuckte sofort zurück. »Es ist dasselbe Zeug.«

»Machen Sie ein Foto davon«, trug Jack ihm auf und drehte sich dann um, um den Schnee zu untersuchen. »Was halten Sie davon?«

Simon trat neben ihn und musterte mit zusammengekniffenen Augen die Stelle, auf die Jack zeigte. »Das sind Spuren.«

»Ja, aber was für Spuren?«, fragte Jack, der vorsichtig über den Schneehaufen neben ihnen stieg und dann den Spuren auf dem ansonsten unberührten Schnee folgte, während er den Boden in einem Umkreis von fünfzehn Metern untersuchte. »Sie fangen ganz plötzlich hier an«, sagte er und zeigte auf die Stelle. »Sie kommen aus dem Nichts, als wäre jemand angeflogen gekommen, hier gelandet und dann in die Bäckerei gegangen. Machen Sie auch hiervon ein Foto«, sagte er und hockte sich neben eines der Löcher. »Die Form lässt sich nicht mehr erkennen, weil irgendetwas über den Abdruck gezogen worden ist.«

Simon machte mehrere Bilder, dann fotografierte er wieder den Weg, den die Spuren genommen hatten. »Die sind zu groß, um von einem Vogel zu sein. Vielleicht so ein ferngesteuerter Drachen?«, überlegte er, während er arbeitete. »Oder ein ultraleichtes Flugzeug? Am Wochenende fliegen immer eine ganze Menge von den selbstgebauten Dingern um den See.«

»Sind welche von den Clearys dabei?«, fragte Jack, der ans zugefrorene Wasser ging.

»Nein. Die Clearys haben kaum genug Geld, um sich Essen zu kaufen. Ein kleines Flugzeug wäre wahrscheinlich ziemlich laut gewesen. Vielleicht hat irgendjemand was gehört.«

Jack schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Spuren, die darauf hindeuten, dass es an der Stelle wieder abgehoben hat. Derjenige, der hier reingekommen ist, ist zu Fuß wieder gegangen.«

»Oder hat die Hauptstraße als Fluchtweg benutzt.«

Jack dachte darüber nach. »Ein Drachenflieger oder ein großer Drachen erscheinen mir logischer als ein Flugzeug, auch wenn es ein kleines wäre. Und wenn man einen Gleiter hinter sich herzieht, könnte das diese Spuren ergeben.« Er schüttelte wieder den Kopf. »Aber das ist eine ziemlich ungewöhnliche Art, um auf Diebestour zu gehen. Vielleicht haben die Spuren gar nichts mit dem Einbruch zu tun.«

»Aber warum führen sie dann direkt zur Bäckerei?«, fragte Simon.

»In keins der anderen Geschäfte ist eingebrochen worden?«

»Nein. Ich habe die Geschäfte auf beiden Straßenseiten überprüft. Alles ist so, wie die Ladeninhaber es gestern Abend zurückgelassen haben.«

3

Ich hatte mir schon gedacht, dass du hier unten bist.« Megan schaute von ihrem Computerbildschirm auf und sah ihre Schwester finster an. »Geh weg«, sagte sie und wandte sich wieder der Internetseite zu.

Natürlich ignorierte Camry die freundliche Aufforderung. Sie schlenderte in das Labor von Gu Bràth, zog sich einen Stuhl heran und vergrub das Kinn in den Händen, während sie ebenfalls auf den Monitor schaute. »Ich habe mich gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis dir die Arbeit in Winters Kunstgalerie zu langweilig wird.« Sie streckte die Hand aus und drückte eine Taste auf der Tastatur, um den Bildschirminhalt nach unten zu scrollen. »Ich bin überrascht, dass du drei Monate durchgehalten hast. Nein, nicht die Osterinseln«, murmelte sie und drückte wieder die Taste. »Und auch nicht Costa Rica. Da ist es zu heiß. Da!«, rief sie und zeigte auf eine neue Internetseite. »Du kannst vor der Küste Sibiriens Riesenseeadler zählen. Das ist eindeutig weit genug weg, um uns allen eine Lehre zu erteilen.«

Megan schaltete den Monitor aus.

Camry machte ihn sofort wieder an. »Nein, ich glaube, du hast da was gefunden, Meg. Du solltest so weit und so schnell wegrennen, wie du kannst, und zum Teufel mit allen. Du bist eine erwachsene Frau, also warum hängst du hier noch herum, wo die ganze Familie um dich herumscharwenzelt, weil sie dich liebt?«

Megan schaute nach unten in ihren Schoß. »Es bringt mich um, Cam. Mom und Dad behandeln mich wie ein zerbrechliches Stück Glas, das jeden Moment zerspringen könnte.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Dad hat sich gestern doch tatsächlich hingekniet und mir die Schuhe zugebunden.«

Camry legte ihre Hände auf Megans. »Er kann einfach nicht anders. Er kommt aus einer Zeit, in der es nichts Schlimmeres für eine Frau gab, als schwanger und allein zu sein. Wir können nichts daran ändern, dass wir uns deinetwegen Sorgen machen  – wir lieben dich. Mom erzählte, dass du unter Tränen von deiner Feldforschung in Kanada zurückgekommen wärst und fast einen Monat lang geweint hättest, als Wayne Ferris dir das Herz gebrochen hat.«

»Aber dadurch, dass alle sich Sorgen machen, wird es nur noch schlimmer. Ich kam nach Hause, um Beistand zu haben, nicht Mitleid. Von dir hatte ich auch etwas anderes erwartet. Wir sind uns ähnlicher als unsere Zwillingsschwestern, und ich war mir eigentlich sicher, dass zumindest du erkennen würdest, dass ich mich nicht in eine hilflose Idiotin verwandelt habe. Warum hast du mir also nichts über Kenzie erzählt?«

»Aaah«, sagte Camry und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Das ist also der Grund, warum du nach einem Job suchst. Dann könntest du nämlich wieder weglaufen! Nur wäre es diesmal ein Weglaufen vor … ja, vor was eigentlich, Megan? Warum sollte dich die Vorstellung, dass Kenzie Gesader ist, so aus der Bahn werfen? Es kann nicht die spürbare Magie sein; denn damit sind wir aufgewachsen. Was ist es also?«

»Warum hast du es mir nicht gesagt?«

»Und wie hätte ich dir wohl erklären sollen, dass der Panther, mit dem du die letzten vier Monate in einem Bett geschlafen hast, in Wirklichkeit ein Mann ist?« Sie beugte sich vor. »Alle wussten, in was für eine Verlegenheit dich das stürzen würde.«

»Und keiner von euch ist auf die Idee gekommen, dass ich irgendwann von allein darauf kommen würde, wenn Gesader nicht wieder auftaucht? Cam, ich habe dieser Katze alles erzählt«, flüsterte sie. »All meine dunkelsten, verborgensten Geheimnisse.« Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Mein Gott, ich habe ihm sogar erzählt, wie ich Wayne die Kleider vom Leib gerissen und unterm Sternenhimmel mit ihm geschlafen habe!«

»Und Gesader hat dich nackt gesehen, wenn du dich bettfertig gemacht hast. Das ist es, worüber du dich in Wirklichkeit aufregst, nicht wahr? Das und dass du – obwohl du noch nicht ganz über Wayne hinweg bist – Kenzie irgendwie attraktiv findest. Aber wer hat es dir überhaupt gesagt?«

»Er. Und es ist nicht so, dass mir Kenzie … gefallen würde.«

»Warum nicht? Er sieht außerordentlich gut aus, außerdem hat er dich in deinen schlimmsten Momenten gesehen und nimmt trotzdem nicht Reißaus vor dir. Was spricht also dagegen, wenn er dir … gefallen würde? Ich bin ja selber versucht, mit ihm zu flirten.«

»Er ist ein Krieger.«

Camry zog eine Augenbraue hoch. »Und was genau ist mit Kriegern verkehrt? Der größte Teil unserer Familie besteht aus ihnen, sogar der aus unserer Generation. Die Hälfte unserer Cousins hat in der Armee gedient.«

»Das ist der Grund, warum ich so begeistert von Wayne war. Dessen erste Reaktion auf ein Problem ist es nicht, erst einmal mit roher Gewalt alles seinem Willen zu unterwerfen, sondern er sucht nach friedlichen Lösungen. Er ist kein bisschen aggressiv. Er interessiert sich für dieselben Dinge wie ich, er ist schüchtern, sanft und sensibel, und dann ist da noch seine entzückende leichte Unbeholfenheit.«

»Die Männer in unserer Familie können auch sanft und sensibel sein.«

»Wayne hat keine Ahnung, wie man ein Schwert überhaupt hält«, entgegnete Megan, »und wie man mit einem Gewehr umgeht, weiß er schon gar nicht. Du hättest ihn mit den Studenten draußen in der Tundra sehen sollen, Cam. Egal, wie hitzig deren Diskussionen wurden … Wayne entschärfte die Situation jedes Mal, ohne dabei auch nur die Stimme zu erheben.«

»Ehrlich gesagt hört sich das an, als ob er ziemlich trottelig wäre.«

»Das ist er. Herrlich, wundervoll, sensibel trottelig. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist außerdem, dass er nur knapp einen Meter achtzig groß ist. Das heißt, dass ich keine Nackenstarre bekomme, wenn ich mit ihm rede. Ich liebe die Männer unserer Familie, Cam, ich will nur nicht mit einem von ihnen verheiratet sein. Ich will Wayne.«

»Dann hol ihn dir!«, fuhr Camry sie an. »Statt nach einem neuen Job am anderen Ende der Welt zu suchen, beweg deinen armseligen Hintern zurück nach Kanada!«

»Und was soll ich dann tun?«, entgegnete Megan genauso heftig. »Soll ich Wayne etwa bitten, mich zu heiraten?«

»Die MacKeages bitten nicht.« Camry zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. »Die Megan, mit der ich aufgewachsen bin, hätte um den Mann gekämpft, den sie liebt. Sie würde sich auf gar keinen Fall in der elterlichen Festung verstecken und sich vier Monate lang in Selbstmitleid suhlen.«

Megan hob störrisch das Kinn. »Ich verstecke mich nicht. Ich plane sogar, mich Wayne zu stellen.«

»Wann?«

Megan begann wieder die Seite nach unten zu scrollen. »Sobald ich alles geregelt habe«, murmelte sie. »Darum suche ich nach einem neuen Job. Ich besorge mir wieder eine gut bezahlte Arbeit, nehme mir eine Wohnung, und dann werde ich Wayne aufspüren und ihm zeigen, was er weggeworfen hat.«

»Das ist die Schwester, mit der ich aufgewachsen bin.« Camrys Gesicht begann plötzlich zu strahlen. »Weißt du, was das bedeutet, Meg? Wenn du diesem Versager Wayne einen Tritt verpasst, würdest du den Fluch von uns Frauen nehmen, gleich beim ersten Mal schwanger zu werden, wenn wir mit unserem zukünftigen Ehemann schlafen!« Sie ließ ihre Augenbrauen tanzen. »Und das bedeutet auch, dass ich mich wieder verabreden kann. Vielleicht mach ich mich tatsächlich noch an Kenzie ran!«

Doch Megan konnte nicht die gleiche Begeisterung entwickeln wie ihre Schwester. »Warum hat der Fluch bei mir nicht funktioniert? Und bist du noch … Jungfrau?«

»Nein«, sagte Camry und wurde etwas rot. »Warst du es?«

Megan schüttelte den Kopf.

»Hmm … das heißt also, dass nicht der Beischlaf selbst gefährlich ist, sondern dass wir von den Männern schwanger werden, die dazu bestimmt sind, uns zu heiraten.«

»Aber was ist dann bei mir passiert?«

Camry zuckte die Achseln. »Wer weiß? Das Durcheinander, das Matt im Kontinuum angerichtet hat, könnte alle Magie so verändert haben, dass der Fluch aufgehört hat zu wirken. Aber egal. Komm mit«, sagte sie und stand auf. »Das Abendessen ist fertig.«

Megan drehte sich wieder zum Computer um. »Ich habe keinen Hunger.«

»Irgendwann musst du Kenzie wieder gegenübertreten, Meg. Er wird nicht weggehen.«

»Nein, aber ich. Schau mal! Hier gibt es eine offene Stelle für einen Biologen, gleich hier in Maine.«

Camry beugte sich über ihre Schulter und las die Anzeige. »Für das Pine-Lake-Gebiet.« Sie runzelte die Stirn und richtete sich wieder auf. »Wie groß sind deine Chancen?«

»Gering bis gar keine.«

»Genau. Und es ist auch nicht im öffentlichen Dienst, sondern wird privat gefördert. Ich glaube, du solltest dich gar nicht erst bewerben, Meg. Du erinnerst dich doch, was Tante Sadie passiert ist, oder? Sie dachte, sie wäre von einer Entwicklungsgesellschaft eingestellt worden, aber dann stellte sich heraus, dass es nur die Fassade von irgendeinem Typen war, der nach einer nicht vorhandenen Goldmine suchte.«

»Das hier ist bestimmt echt.« Megan zeigte auf den unteren Teil der Internetseite. »Es ist eine Voruntersuchung für ein neues Erholungsgebiet, das im Norden des Sees errichtet werden soll. Ein Mann namens Mark Collins sucht jemanden, der die anfallende praktische Arbeit erledigen soll. Ich mache lieber praktische Arbeit als Organisation oder Schreibkram – das wäre also perfekt für mich.«

»Ich sag dir, das ist irgendwie unheimlich«, entgegnete Cam. »In letzter Zeit ist die Magie so durcheinander, dass man nicht weiß, warum dieser Job hier auftaucht und noch viel weniger, warum gerade jetzt.«

»Aber das würde bedeuten, dass ich aus Gu Bràth ausziehen und mir eine Mietwohnung in der Stadt nehmen könnte. Ich werde mit Mom und Dad fertig, wenn ich eine Fluchtmöglichkeit habe und sie nicht ständig um mich herum sind. Ich muss wieder mein eigenes Leben führen.«

»In Pine Creek?«, fragte Camry, die offensichtlich immer noch Zweifel hegte.

»Das Pine-Lake-Gebiet umfasst hunderte von Quadratmeilen. Ich werde versuchen, etwas weiter außerhalb eine Wohnung zu bekommen.«

»Weiter außerhalb gibt es nur Bären und Bäume.«

»Und herrliche Ruhe.«

Camry schüttelte den Kopf. »Ich behaupte immer noch, dass das ein zu großer Zufall ist.«

»Vielleicht versucht Providence ja etwas wieder gutzumachen, nachdem er mein Leben so durcheinandergebracht hat«, überlegte Megan und plötzlich war ihr viel leichter ums Herz. »Lass uns essen gehen. Ich bin am Verhungern. Aber erzähl niemandem etwas davon«, sagte sie, während sie das Licht ausmachte. »Versprich mir, dass du es nicht erwähnst.«

»Du weißt doch noch nicht einmal, ob du den Job überhaupt bekommst.«

»Machst du Witze? Die Magie schuldet mir noch was. Aber ich will es Mom und Dad erst erzählen, wenn ich eine Wohnung gefunden habe.«

»Dad wird einen Anfall bekommen.«

»Das überlebe ich. He, du hast seine Vorhaltungen schließlich auch überstanden, dass du im reifen Alter von einunddreißig Jahren immer noch unverheiratet bist.«

»Ich bin noch nicht bereit für Heim, Herd und Ehemann. Ich muss noch ganze Galaxien erforschen.«

»Mom hat eine Möglichkeit gefunden, beides zu tun.«

»Aber sie hat vergessen, ihr Multitasking-Gen an mich weiterzugeben. Ich kann mich zurzeit nur auf eine Sache konzentrieren.«

Megan hakte sich bei Camry ein und ging auf die Treppe zu. »Ja, aber du hast das gute Aussehen geerbt. Sitz beim Abendessen neben mir und lenk das Tischgespräch von unangenehmen Themen ab. Würdest du das für mich tun?«

Camry seufzte übertrieben laut. »Verstehst du jetzt, warum ich Angst davor habe, schwanger zu werden? In nur fünf Monaten bist du vom Satansbraten zum verhuschten Mäuschen mutiert.«

»Ach, ein paar Asse habe ich vielleicht doch noch im Ärmel«, meinte Megan lachend.

 

Megans Befürchtungen bezüglich des Abendbrots legten sich schnell, denn das Gespräch bei Tisch kreiste um den Einbruch in Mrs. Wimples Bäckerei … und um den neuen attraktiven Polizeichef.

Zwar bezeichneten die Männer Jack Stone natürlich nicht als sexy, doch Megans Zwillingsschwester Chelsea war in dieser Hinsicht eindeutig – sehr zum Verdruss ihres Ehemannes. »Er ist nicht besonders groß, aber er macht wirklich eine gute Figur in seiner Polizeiuniform«, meinte Chelsea zu Camry. »Und dann hat er so eine gewisse stolze Arroganz. Du solltest ihn mal bitten, mit dir auszugehen.«

»In vier Tagen bin ich wieder weg«, rief Cam ihr in Erinnerung. »Was hätte ich also davon?«

»Ein paar nette Dates?«, meinte Chelsea fragend. »Du musst wieder anfangen, dich zu verabreden, und mit Jack Stone könntest du üben.«