Innerer Kompass Intuition - Renato Kruljac - E-Book

Innerer Kompass Intuition E-Book

Renato Kruljac

0,0

Beschreibung

Wie können wir eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung erreichen, die sowohl logisches als auch intuitives und emotionales Denken umfasst? Ein Gleichgewicht zwischen Intuition und Rationalität zu finden, ist herausfordernd, besonders weil ein tägliches Übermaß an Informationen uns sehr dabei behindern kann, in uns hineinzuhören. Doch ab und zu braucht es eben eine bestimmte Herangehensweise an wichtige Entscheidungen, ob nun intuitiv oder rational. Wie aber wägen wir ab, welche Form der Entscheidungsfindung die bessere ist? Und muss es immer ein Entweder-oder sein? Dieses Buch hilft, die Konzentration wieder ganz auf uns zu legen, um fokussiert und lösungsorientiert an die wichtigen Fragen des Lebens heranzugehen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 158

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Renato Kruljac

Innerer Kompass Intuition

Orientierung finden und sich selbst vertrauen

VANDENHOECK & RUPRECHT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2025 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe

(Koninklijke Brill BV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)

Koninklijke Brill BV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Brill Wageningen Academic, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: ekosuwandono/Shutterstock

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

EPUB-Erstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

E-Mail: [email protected]

ISBN 978-3-647-99267-9

Inhalt

Einleitung

1Mehr als nur die Intuition

1.1Wissen oder Fühlen?

1.2Formen der Intuition

2Die Intuition im Kopf

2.1Intuition und Hirnforschung

2.2Das Wissen des Unbewussten

2.3Inspiration für den Alltag: Unbewusstes zu Papier bringen

2.4Inspiration für den Alltag: Von bewusster Anstrengung zur intuitiven Perfektion

2.5Inspiration für den Alltag: Intuition fördern durch die autonome Gestaltung von Innen und Außen

3Die Intuition im Körper

3.1Inspiration für den Alltag: Körperübungen zur Schulung von Intuition und Entspannung

3.2Der Körper ist weiser, als wir denken

3.3Inspiration für den Alltag: Die Weisheit des Körpers nutzen

4Intuition unter Druck: Der Einfluss von Stress

5Achtsamkeit als Schlüssel zur Intuition

6Zur Vorbereitung auf Ihre Reise: Erfahrungsberichte und »Koffer packen«

7Loslassen und achtsam werden: Praxisbeispiele zur Entwicklung der Intuition

Übung I: Die Neun-Punkte-Übung

Übung II: Den Atem beobachten

Übung III: Ressourcenarbeit – Position of Power/Absorptionstechnik

Übung IV: Einfach nur sein

Übung V: Die Schlüsselfrage

Übung VI: Perspektivwechsel und innerer Dialog

Übung VII: Das weise Wesen

Übung VIII: Intuitives Schreiben

Übung IX: Reflexion der Lebensreise

8Intuition und Transzendenz

8.1Die mystische Erfahrung

8.2Visionen und Offenbarungen

8.3Inspiration für den Alltag: Momente der Stille und Reflexion

9Die Intuitionsprüfung

9.1Impulse zur Entscheidungsfindung

9.2Herausforderungen bei intuitiven Entscheidungen

9.3Die Zeitreise-Technik

9.4Erleichterung und erlaubte Fehler

9.5Impulse, Signale, Körpersprache – Intuition bewusst wahrnehmen

9.6Bestmögliche Entscheidung für den Moment

Dank

Literatur

Lösung für die »Neun-Punkte-Übung«

Einleitung

Vor einigen Jahren fuhr ich mit meiner Familie von Deutschland nach Kroatien in den Urlaub. Nach acht Stunden Autofahrt entschloss ich mich intuitiv, an der letzten Kreuzung rechts abzubiegen und in einem fremden Ort nach einem Ferienquartier zu suchen. Meine Frau und die Kinder machten zum Glück mit und wir hatten anschließend eine wunderschöne Zeit.

In der Regel planen die meisten Menschen ihren Urlaub schon Monate im Voraus bis ins Detail. Das war bei mir eigentlich nie so: Die meisten Entscheidungen habe ich intuitiv getroffen, im Beruf wie im Privatleben. Nicht immer bekam ich dafür Zuspruch und verständnisvolle Blicke. So zum Beispiel, als ich nach über 16 Berufsjahren kündigte und mit Ende dreißig ein Studium begann, um – wie ich begriff – intuitiv meiner Berufung zu folgen. Die Skepsis war sicher verständlich, denn ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwei minderjährige Kinder und eine in Teilzeit arbeitende Ehefrau. Im Laufe meines Lebens hatte ich jedoch erkannt, dass es für das eigene Glück und Wohlergehen wichtig ist, eben diese wahre Berufung zu finden. Nicht allein Geld oder die Aussichten auf eine steile Karriere sollten daher meine Berufswahl bestimmen. Ich suchte nach einer Tätigkeit, die mich wirklich erfüllt, und wurde so auf Umwegen zum Trainer für Achtsamkeit, Intuition und ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung. Ein solcher Schritt erfordert viel Arbeit und Mut. Wir alle haben zahlreiche Wünsche und Ängste, die uns meist nur zum Teil bewusst sind. Wir werden stark geprägt durch unsere Erziehung und gesellschaftlichen Werte, dadurch ist unsere Sichtweise oft verzerrt. Es ist dann nicht leicht, sich von falschen Sicherheiten und Abhängigkeiten zu lösen und sich einem eigenen, authentischen Weg zu öffnen. Wir brauchen dafür ein tieferes Verständnis, ein intuitives Erkennen dessen, was wir im Innersten sind, denn das, was unsere tiefste Motivation offenbaren kann, ist etwas Ganzheitliches und geht in diesem Sinne über unser Denken hinaus.

Was bedeutet das nun? Müssen Sie zwangsläufig intuitiv besonders begabt sein, um aus Ihrem Leben das Beste rauszuholen? Nein, das müssen Sie nicht. Auch ich wäre mit Intuition allein nicht weit gekommen, wenn es um Prüfungen während meiner Ausbildungen ging oder um praktische Fragen wie Finanzierung oder Budgetplanung. Neben vielen positiven Erfahrungen mit meiner Intuition waren Objektivität, das kritische Hinterfragen von Konzepten, Theorien und Erfahrungen für mich stets sehr wichtig. Heute sehe ich in beiden Aspekten, sowohl in der Intuition als auch in der Rationalität, wichtige Werkzeuge, um Probleme zu lösen und die Lebenssituation zu verbessern. Es geht also darum, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden herzustellen.

Schnell sind wir bei der Gegenüberstellung von Intuition und rationalem Denken auch bei der generellen Unterscheidung zwischen emotionaler Intelligenz (EQ) und klassisch-traditioneller Intelligenz (IQ). Beides ist fluide und hat jeweils in sich mehrere Abstufungen: Howard Gardner, Professor für Psychologie an der Harvard University, definierte den Begriff von Intelligenz neu. Er spricht von multiplen Intelligenzen: Dazu gehören die sprachliche Intelligenz, die logisch-mathematische Intelligenz, die räumliche Intelligenz, die musikalische Intelligenz, die körperlich-kinästhetische Intelligenz, die intrapersonale Intelligenz (Selbstwahrnehmung), die interpersonale Intelligenz (Einfühlungsvermögen), die naturalistische Intelligenz und die existenzielle Intelligenz (Spiritualität). Gardner betont, dass jede dieser Intelligenzen in jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt ist und dass die Förderung durch die Umwelt eine entscheidende Rolle spielt (Gaßner, 2017, S. 73 ff.). So kann jemand ein sehr gutes logisches Verständnis besitzen, aber seine emotionale Intelligenz wenig entwickelt haben. Andererseits gibt es Menschen, die sich prima in andere einfühlen und förmlich ihre Gedanken lesen können, aber bei einfachen Rechenaufgaben versagen, die mathematisches Denken erfordern. Da vor allem Logik und Sprachvermögen in Jugendjahren unmittelbar gefördert werden, bleiben die Fähigkeiten der körperlichen und emotionalen Wahrnehmung und Regulierung sowie das Verständnis für intuitive Eingaben ab und an auf der Strecke. Für die Verbesserung dessen möchte das vorliegende Buch eine Anregung sein.

Lassen Sie mich hier noch einen persönlichen Impuls zur Einstimmung mit auf den Weg geben. Vor langer Zeit nahm ich in einem weit abgelegenen Winkel Deutschlands an einem Achtsamkeitstraining im Sinne von Zen und Kontemplation teil. Dabei machte ich die Erfahrung, dass ich meine Gedanken, Gefühle und überhaupt mein ganzes Leben wahrnehmen konnte, ohne darüber zu urteilen, ohne mich damit zu identifizieren oder mich in der Geschichte zu verlieren. Das war das erste Mal, denn wann sonst war ich ohne äußere und innere Ablenkungen einfach nur da? Ohne Gespräche, Internet, Filme, Bücher oder Zeitungen? Wann war ich vorher je frei von inneren Gefühls- und Gedankenprozessen? Stattdessen gab es eine andere Form der Wahrnehmung meiner Gedanken: Der Gedanke ist da, aber ich bin nicht der Gedanke; das Gefühl ist da, aber ich bin nicht das Gefühl. Ich muss mich von ihnen nicht zu bestimmten Stimmungen, Haltungen und Verhaltensweisen führen lassen. Und die Frage, die sich dann stellte, war: Wer oder was ist das, das alles wahrnimmt? Die Erfahrung war toll. Es war, als ob ich einen Resetknopf am PC gedrückt hätte. Mein persönliches Betriebssystem wurde quasi wieder neu aufgesetzt. Der Abstand zu mir selbst und der Welt führte dazu, dass ich meine Umgebung gesehen habe, wie sie ist, nicht so, wie ich sie haben wollte. In einem alten Zitat aus dem Zen-Buddhismus heißt es: »Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser tragen. Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser tragen.« Die Dinge bleiben, wie sie sind, was sich ändert, ist unsere Sicht darauf.

Was erfahren Sie in diesem Buch noch? Neben den verschiedenen Ausprägungen von Intuition, angereichert mit wissenschaftlichen Erklärungsmodellen, finden Sie Inspirationen, um Achtsamkeit und meditative Übungseinheiten in Ihren Alltag zu integrieren. Denn das Intuitive ist ohne beides nicht denkbar, es führt uns zu Anteilen in uns, die relevant sind für die Wahrnehmung des eigenen Gefühls und damit für intuitive Entscheidungsgrundlagen. In diesem Zusammenhang gebe ich Ihnen Einblicke in Möglichkeiten zur Entscheidungsfindung – wie entscheide ich mich intuitiv, wie analytisch, und wann unterscheide ich zwischen beidem?

Intuition hat auch mit Spiritualität zu tun. Es gibt Wendungen im Leben, die man nicht erklären kann, oftmals fallen dann die Begriffe »Schicksal« oder »Fügung«. Ein kleines Kapitel befasst sich auch mit diesen Aspekten, denn Spiritualität, so verborgen sie auch sein mag, ist Teil der menschlichen Natur.

Ich hoffe, Ihnen zu allem gute Grundlagen geben zu können, bis ich Ihre Hand mit dem letzten Kapitel loslasse. Denn schließlich ist Intuition vor allem eines: persönlich und individuell.

1Mehr als nur die Intuition

Sie haben die folgenden Begriffe sicherlich schon einmal gehört: »Aha-Effekt«, »Bauchgefühl«, »Vorahnung«, »Gefühl«, »Instinkt«, »sechster Sinn«, »Eingebung«, »Vision«, »Innenschau«, »Erleuchtung«, »Einfall« … Bestimmt kennen Sie auch, liebe Leser:innen, Situationen, in denen Sie intuitiv Entscheidungen getroffen haben. Vielleicht haben Sie erlebt, dass Ihr Kopf »Ja« sagte, während Ihr Gefühl eher »Nein« signalisierte. Oder Sie hatten einen Geistesblitz, eine plötzliche Erkenntnis oder eine Idee, die sich wie aus dem Nichts einstellte, und doch wussten Sie sofort, dass sie richtig war, ohne genau erklären zu können, warum. Vielleicht haben Sie auch schon einmal inneren Kontakt zu einem Menschen gespürt und etwas über ihn wahrgenommen, ohne dass er Ihnen näher bekannt war? Die Erfahrung einer Intuition kann, genau wie ihre Bezeichnungen, verschiedene Merkmale aufweisen, sie ist nicht einheitlich definierbar und somit kaum eingrenzbar. Trotzdem kann sie unter anderem plötzlich Klarheit in eine Situation bringen, die zuvor verworren erschien. Dieses intuitive Fühlen und Erfassen von Zusammenhängen und Lösungen ist ein faszinierendes menschliches Phänomen, das in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. So zeigt etwa die Unconscious Thought Theory, dass unbewusstes Denken bei komplexen Entscheidungen oft bessere Ergebnisse liefert als bewusstes Nachdenken, da es mehr Informationen gleichzeitig verarbeitet und diese kohärenter integriert (vgl. Dijksterhuis u. Nordgren, 2006, S. 95–109), also Informationen zu einem stimmigen Gesamtbild verknüpft und in einen größeren Kontext der Problemstellung einordnet.

Aber woher kommt Intuition genau? Und wer oder was trifft letztlich unsere Entscheidungen? Im Folgenden nehme ich Sie mit auf eine Entdeckungsreise. Sie lernen diverse Aspekte der Intuition kennen, indem wir uns diesen sowohl mithilfe von Erklärungsmodellen der Kognitionswissenschaften und der Psychologie als auch mithilfe philosophischer und religiöser Weisheitslehren annähern. Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle: Kann man Intuition auch lernen? Lassen Sie es mich so formulieren: Wir können sie schulen.

1.1Wissen oder Fühlen?

Die Halbwertszeit des Wissens ist durch rasante technische Entwicklungen und die Globalisierung extrem gesunken. Die Welt ist komplexer und das Wissen zur wichtigsten Ressource geworden. Wettbewerbsfähig zu sein, meint auch oft, viele Informationen zur Verfügung zu haben, häufig einhergehend mit der Angst, nicht genug zu wissen. Und tatsächlich wird es immer schwieriger, einen Überblick zu behalten: Denn die Menge an Informationen steigt stetig und die Zeit, um diese zu verarbeiten, sinkt immer mehr. Die Autor:innen Christiane Schiersmann und Heinz-Ulrich Thiel stellen fest: »In den nächsten zehn Jahren [muss] die Menschheit mehr Wissen verarbeiten als in den letzten 2500 Jahren zusammen« (Schiersmann u. Thiel, 2011, S. 340). Andreas Zeuch, Autor und Unternehmensberater, erklärt, dass sich die produzierten Daten schon im Jahr 2002 auf rund fünf Exabyte1 beliefen und sich in einem Zyklus von drei Jahren verdoppeln. Um dies zu veranschaulichen, weist er auf das folgende Gedankenexperiment hin:

»Bereits die 5 EB [Exabyte, Anm. d. Verf.] übersteigen die in der Library of Congress gespeicherten Daten um das 37.000 fache! Die Library of Congress verfügt momentan über ca. 1047 Regalkilometer an Büchern, Manuskripten etc., was in etwa der Strecke von Hamburg nach Genf entspricht. Um an den Büchern vorbeizufahren, die man aus den 5 EB bilden könnte, müssten Sie 100 Jahre lang täglich von Hamburg nach Genf und am nächsten Tag wieder zurückfahren. Was in der Zwischenzeit an neuen Daten gebildet wird, sollten Sie jetzt lieber nicht bedenken …« (Zeuch, o. J., S. 57).

Nun ist es auch nicht förderlicher, dass unendlich viele Nachrichten und Werbeinformationen auf uns einprasseln. Nach einer Studie von Schwartz (2004) soll ein Amerikaner etwa 3000 Werbebotschaften am Tag bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das sind bei durchschnittlich acht Stunden Schlaf ca. 200 Botschaften pro Stunde bzw. drei pro Minute (vgl. Dijksterhuis, 2010, S. 64). »Wir haben das Gefühl, wir sähen diese Botschaften nicht, vielleicht mit Ausnahme einiger besonders auffälliger TV-Werbespots. Doch das ist ein Irrtum« (S. 64). Bei diesem Übermaß an Informationen wird es immer schwieriger, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und Entscheidungen zu treffen, Verstand bzw. Logik reichen bei dieser Überkomplexität oft nicht aus: »Die Rolle des Verstandes ist so doktrinär in uns verankert, dass kaum jemand fragt, ob wir nicht noch andere Werkzeuge besitzen, um zu lernen, zu reagieren, uns zu entwickeln, mit Dingen und Menschen umzugehen« (Hobohm, 2013, S. 10). Eines dieser Werkzeuge ist die Intuition. Sie kann uns zusätzlich bei der Entscheidungsfindung helfen, wenn Rationalität nicht mehr greift (vgl. Gigerenzer, 2023).

Lassen Sie uns vorab ein paar Beispiele aus dem Alltag betrachten, in denen Entscheidungsfindung unumgänglich ist:

–Eltern, die ihr Kind auf eine weiterführende Schule bringen möchten und nicht sicher sind, welche die beste wäre.

–Eine Managerin, die vor der Entscheidung steht, welche Investition sie tätigen sollte.

–Ein Mann, der sich ein Paar Schuhe kaufen möchte, vor einer immensen Zahl an Angeboten steht und überfordert ist.

–Ein Hauskauf: ja oder nein?

Auch junge Menschen, die nach der Schule eine Berufsausbildung oder einen Studiengang wählen müssen, stehen vor einer großen Herausforderung. 2022 gab es allein in Deutschland 18.206 Studiengänge (CHE, 2022) und 327 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe (BIBB, 2022).

Der bekannte Spruch »Wer die Wahl hat, hat die Qual« bringt es auf den Punkt: Wir haben auf der einen Seite mehr Möglichkeiten, auf der anderen wiederum das Problem, das Wichtige vom Unwichtigen und das Richtige vom Falschen zu trennen. Sollen wir denn nun aber einfach spontan aus dem Bauch heraus, also intuitiv handeln oder gut überlegt, rational entscheiden? Und bedeutet »gut überlegt«, viele Informationen zu sammeln und diese wie mit einer mathematischen Formel zu berechnen? Zu behaupten, dass eine Methode besser sei als die andere, wäre falsch. Meist geht es um das Sowohl-als-auch, nicht immer nur um das Entweder-oder: Handelt es sich um weniger komplexe Entscheidungen, wie zum Beispiel das Planen einer Reise unter Berücksichtigung fester Faktoren wie Budget, Reisedauer und verfügbare Transportmittel, ist das bewusste Denken von Vorteil. Handelt es sich hingegen um Entscheidungen, bei denen viele unklare oder schwer messbare Faktoren eine Rolle spielen – wie etwa bei der Einschätzung der Dynamik in einem Teammeeting, um das Verhalten der Anwesenden besser verstehen und darauf reagieren zu können –, ist das intuitive Denken oft vorteilhafter. Diese »Formel« wird uns im Folgenden noch häufiger begegnen.

Nehmen wir noch einmal das Beispiel des Hauskaufs: Sicher werde ich mir im Vorfeld Gedanken über grundlegende Dinge machen, wie zum Beispiel die Quadratmeterzahl, die Lage, die Kosten und weitere für mich wichtige Faktoren, die ich rational fassen und berechnen kann. Das kann ich mit einer Checkliste gut machen. Habe ich mir dann einige Häuser angeschaut und stelle die Kennzahlen gegenüber, kann ich gut vergleichen. Wenn dann aber drei Häuseroptionen nach rationalen Gesichtspunkten sehr nah beieinanderliegen, werde ich – und das machen wir Menschen in der Regel – das Bauchgefühl walten lassen. Auch wenn die Rationalist:innen unter uns behaupten würden, dass die Logik und die Ratio für sie entscheidend seien und sie danach handelten, werden auch sie bei einer Entscheidung unbewusst einem Impuls nachgehen. Denn wir sind nie ganz rational. Das Gegenteil von rational meint hier aber nicht etwas Unvernünftiges. Es ist das Potenzial, das im Unbewussten liegt, also unserem bewussten Denken verborgen ist, und das wir später noch eingehender betrachten werden.

1.2Formen der Intuition

Intuition, so klang bereits eingangs an, wird generell unterschiedlich wahrgenommen: Manchmal als ein »diffuses Erleben«, als subtil und nicht offenkundig, manchmal als klarer, überzeugender Hinweis oder als Erfahrung, als ein »evidentes Erleben«. Die Spielformen der Intuition, die gar einen übersinnlichen Aspekt aufweisen und unsere gewohnten Wahrnehmungskategorien sprengen, können zum Teil in den spirituellen Kontext eingeordnet werden.

Intuitionsformen, die mit kognitiven Prozessen verknüpft sind und nach einer langen Phase des Suchens und Forschens zu einer Idee, einer klaren Erkenntnis oder zu einem konkreten Ergebnis führen, können als »rational/funktional« bezeichnet werden.

Abbildung 1: Synonyme für den Begriff »Intuition« und eine mögliche Kategorisierung (Quelle: Renato Kruljac)

Intuition, die als »Eingebung« erlebt wird, ist eine plötzliche Erkenntnis, die nicht durch bewusstes Nachdenken entsteht, sondern aus dem Unbewussten stammt. Diese Erkenntnis geht weit über die rational-logischen Denkprozesse hinaus und erlaubt tiefere Einsichten in größere Zusammenhänge. Es handelt sich um ein »Begreifen«, das nicht in Worte gefasst werden kann, um eine Verbindung mit dem tiefsten Urgrund oder eine Art »Herzensweisheit«. Es ist das Gefühl von Stimmigkeit und Richtigkeit, das oft wortlos ist, aber dennoch klar und eindeutig wahrgenommen wird, es ist nicht dualistisch und oft im Körper verortet. Achtsamkeitsforscher:innen und Meditationspraktizierende erklären, dass Intuition in einem Bewusstseinszustand auftreten kann, der uns mit »unbewussten Quellen« in Verbindung bringt. Ken Wilber, amerikanischer Philosoph und Autor, der vor allem für seine Arbeiten im Bereich der Transpersonalen Psychologie und Integralen Theorie bekannt ist, spricht in diesem Zusammenhang von »der Ebene des transpersonalen Zeugen, des archetypischen Selbst« (Wilber, 1991, S. 178), auf der es möglich ist, »eine fundamentale Intuition« (S. 178) wiederzugewinnen.

»Im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema ›Intuition‹ befragte ich Stefan Bauberger, Professor für Naturphilosophie an der Münchener Hochschule für Philosophie und Leiter des Instituts für philosophische Grenzfragen der Physik und Biologie. Er erklärte, dass ›in der Praxis immer eine Mischung aus Vermittlung und Unmittelbarkeit‹ existiere: ›Um ein Beispiel aus der wissenschaftlichen Praxis zu schildern, glaube ich, dass Intuition vor allem bei Mathematikern eine wichtige Rolle spielt. Es heißt, dass die großen mathematischen Entdeckungen meist von Forschern unter 30 Jahren gemacht wurden, da der junge Geist noch ungehemmter denkt. Auch in meinem eigenen Physikstudium, während Diplom- und Doktorarbeit, habe ich mathematische Fragen bearbeitet. Dort machte ich die Erfahrung, dass man zwar durch Studium, Lesen und Nachdenken vorbereitet, aber dann plötzlich eine Idee »auf einmal« da ist. Allerdings muss man diese Idee anschließend sorgfältig überprüfen. Sogar in der harten und nüchternen Wissenschaft spielt Intuition also eine große Rolle – neben logisch-rationalem Vorgehen‹« (Kruljac, 2017, S. 68).

So oder so ist unsere Intuition ein mächtiges Werkzeug, das uns helfen kann, die Vielzahl an Informationen zu verarbeiten und zu sinnvollen Entscheidungen zu kommen. Sie bringt uns in Kontakt mit unserem inneren Wissen und erlaubt es uns, auch in einer komplexen Welt klar und zielgerichtet zu handeln. Lassen Sie mich zur Verdeutlichung noch einmal beispielhafte Situationen anführen, in denen Intuition eine zentrale Rolle spielt, damit wir uns ihr im Verständnis noch weiter annähern können:

Das »komische Gefühl«