Ins Kraut geschossen - Adele Stein - E-Book

Ins Kraut geschossen E-Book

Adele Stein

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Beschreibung

Erneut nimmt uns Adele Stein mit in ihre Wahlheimat: die einzig wahre Provence der Welt. Sie erzählt augenzwinkernd die westfälische Version eines berühmten Erotik-Bestsellers und berichtet, was explodierende Rotweinsoßen mit Kunst zu tun haben. Außerdem halten die Gewichtsprobleme von Katze Polly und die grüne Hölle im Vorgarten die Heldin des Alltags auf Trab. Was für ein Glück, dass auf dem Land praktische Hilfe nie weiter entfernt wohnt als der nächste Nachbar!

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Seitenzahl: 85

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Über dieses Buch:

In diesem Buch nimmt Adele Stein uns ein weiteres Mal mit in die einzig wahre Provence der Welt. Sie erzählt augenzwinkernd die westfälische Version eines berühmten Erotik-Bestsellers und erklärt, was explodierende Rotweinsoßen mit Kunst zu tun haben. Die Geschichte Harte Fakten widmet sich den bislang unterschätzten Gefahren ökologisch-korrekten Verhaltens. Zu altbekannten Dorfbewohnern wie Hart, Ingrid, Ella, Jo und Hund Pablo gesellt sich diesmal Katze Polly, deren Gewichtsprobleme die Heldin des Alltags ebenso auf Trab halten wie die grüne Hölle in ihrem Vorgarten. Was für ein Glück, dass auf dem Land schnelle und praktische Hilfe nie weiter entfernt ist als der nächste Nachbar!

Andere Geschichten in diesem Band geben - ganz nebenbei - Antworten auf mehr oder minder existenzielle Fragen des Daseins: zum Beispiel, was man macht, wenn die eigene Schwester in der New Yorker U-Bahn verloren geht, warum das Goethe-Haus in Weimar zum Wallfahrtsort für Teenager geworden ist oder wie man trotz unlustigem Studentenleben in Göttingen das Lachen nicht verlernt... .

www.adelestein.jimdo.com

www.facebook.com/pages/Adele-Stein

Bisher bei BoD von Adele Stein erschienen:

Westfälische Provence und andere Geschichten

ISBN 978-3-7322-4681-6

Landeier und andere Spezialitäten. Neue Geschichten

aus der Westfälischen Provence

ISBN 978-3-7357-2122-8

Außerdem lieferbar:

Adele Steins Kriminalromane – natürlich mit westfälischem Lokalkolorit!

Tödliches Feld

ISBN 978-1501088940

Endstation Silo

ISBN 978-1542316521

Alle Figuren in meinen Geschichten sind frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten sind unbeabsichtigt und zufällig.

Für meine Kinder.

INHALT

Ein paar Vorworte

Ins Kraut geschossen

Katzennest

Mara allein in New York

Shades of Grey auf dem Dorfe

Explodierte Rotweinsoßen oder: Ist

das

Kunst?

Weimarer Klassik 2.0

Gerdie war meine Freundin

Pumpernickel Curtain

Harte Fakten

Ein paar Vorworte

Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde.

Jean Paul

Aller guten Dinge sind drei.

Überlieferung

Auch das dritte Buch mit Geschichten aus der Westfälischen Provence entführt euch bzw. Sie, liebe Leser, wieder in die Heimat von Hart und meinen anderen Nachbarn. Längst ist sie auch für mich Heimat geworden. Wer hätte das gedacht? Ich tatsächlich am allerwenigsten.

Die Geschichten in diesem Band machen diesmal auch Ausflüge an andere Orte. Es geht nach New York, Weimar und Göttingen. Ein paar kleine Seitensprünge sind erlaubt, finde ich.

Irgendwie ist es auch so, dass mir mittlerweile fast überall, wo ich bin, ein bisschen Westfälische Provence begegnet. Dafür und für vieles mehr – z.B. für den Hinweis meiner lieben Nachbarin von rechts nebenan auf das Jean-Paul Zitat oben oder den Einsatz meiner allerbesten Lektorin! - bin ich dankbar.

November 2017

Adele Stein

Ins Kraut geschossen

Als meine Mutter noch lebte, wohnten wir in einem Haus mit gepflegtem Gartengrundstück. Meine Mutter war eine ebenso talentierte wie hingebungsvolle Gärtnerin. Offensichtlich tat sie immer alles genau in der richtigen Dosierung und Intensität: Unser, also eigentlich ihr Garten, grünte und blühte, dass es eine wahre Wonne war. Alles wuchs genau da, wo es wachsen sollte. Kein Unkraut der Welt hatte eine Chance gegen ihre Argusaugen, mit denen sie Löwenzahn, Milchdisteln, Vogelmiere, Giersch und andere Gewächse der Kategorie Gärtnerschreck entdeckte, und gegen ihre unermüdlichen Hände, mit denen sie den unerwünschten Keimlingen zu Leibe rückte. Sobald sie auch nur wenige Millimeter aus der Erdoberfläche schauten, wurden sie gnadenlos heraus gezupft.

Erst nach dem Tod meiner Mutter machte ich die Erfahrung, dass es mit einem Garten so ähnlich ist wie mit einem Haushalt: In beiden sieht man die Arbeit nur, wenn man sie nicht erledigt. Im Garten ging das fast noch schneller, stellte ich bald fest. Es dauerte gar nicht lang, und das gepflegte Gartengrundstück von einst verwandelte sich in eine Art grüne Hölle, die mich bis in meine Träume verfolgte. In einem bekämpfte ich Giersch & Co. mit der Machete in der Hand und schlug dabei eine Schneise, um wieder auf den Bach schauen zu können, der an unserem Haus vorbei fließt. Ich wischte mir erschöpft den Schweiß von der Stirn, um festzustellen, das ich einen Tropenhelm trug und dass ich statt auf die Blögge auf den oberen Amazonas blickte. Ungefähr in der Mitte des Stroms paddelten unsere Nachbarn Ingrid und Hart in einem Einbaum und winkten mir fröhlich zu. Während ich noch überlegte, ob Hart den Einbaum wohl auch bei ebay ersteigert und selbst abgeholt hatte – so wie damals (allerdings aus Versehen) seinen dritten Oldie-Trecker1 - wachte ich auf, weil mein Mann mich in die Seite geknufft hatte.

Lass das doch“, murmelte ich.

„Okay“, sagte Johan. „Aber dann hör' damit auf, ständig im Schlaf nach deiner Mutter zu rufen.“

Kurze Zeit darauf sprach ich auch am lichten Tag und im völligen Wachzustand zu ihr. Ich streifte durch den Vorgarten, den ich tags zuvor geradezu manisch in stundenlanger Arbeit vom Unkraut befreit hatte und traf auf eine Art Löwenzahn-Mutation, die gefühlt einen halben Meter hoch war. Diese Pflanze – das hätte ich schwören können - war an dieser Stelle gestern überhaupt noch gar nicht zu sehen gewesen. Die musste über Nacht dort gewachsen sein!

„Mama“, sagte ich, „liebes Mamilein. Ich würde dich so gern noch bei mir haben. Hier, in deinem schönen Garten. Sag' mir bitte, dass ich mir das mit dem Löwenzahn auf gar keinen Fall einbilde. Und wenn du dann schon mal hier bist, könntest du vielleicht dieses Sch...Unkraut in Schach halten? So wie früher?“

Johan war es, der mich aufklärte, dass es heutzutage nicht mehr Unkraut heißt. Man muss ökologisch und politisch korrekt nunmehr von Wildkräutern sprechen. Und ich solle mich mal nicht so über das bisschen Löwenzahn echauffieren. Lieber, so meinte er, möge ich gelassen abwarten, bis er blüht und die Blütenblätter dann Hart für seinen leckeren Aufgesetzten zur Verfügung stellen.

Als wir dann nach einiger Zeit die Sache mit den Wildkräutern in den Beeten so einigermaßen in den Griff bekamen, verzogen sich die tückischen Gewächse in die Fugen des Pflasters vor unserem Haus. Auch die Löwenzahnmutation war dabei. Allerdings wuchs sie jetzt nicht einen halben Meter der Sonne entgegen, sondern ihre Wurzeln hatten beschlossen, dasselbe in umgekehrter Richtung zu tun. Ich zupfte, riss und hackte mir die Finger blutig. Die Löwenzähne wuchsen wie die Köpfe der Hydra immer wieder und ausgedehnter nach. Zusammen mit Sauerklee, Moos und Stinkschnorchschnabel besiedelten sie zunehmend größere Flächen vor unserem Hauseingang und entlang des Gartenzauns, der unser Grundstück zur Straße hin begrenzt.

Meine Mutter kam mir im Nachhinein wie eine Heldin mit magischen Kräften vor. Wie hatte sie es bloß geschafft, diesem ganzen unerwünschten Wachstum auf ökologisch vertretbare Weise – denn sie hatte nie irgendeinen Unkrautvernichter eingesetzt - Einhalt zu gebieten? Und nie, niemals hatte sie auch nur das kleinste bisschen Anerkennung für diese Sisyphos-Arbeit von mir bekommen. Ich kam mir ihr gegenüber posthum ganz schäbig und undankbar vor.

„Das ist doch Quatsch“, sagte mein Mann. „Wie der Gärtner, so der Garten, sagt ein hebräisches Sprichwort. Wir sind eben einfach etwas wilder als deine Mutter. Wen stört's?“

„Mich“, erklärte ich. „Ich will es nicht wild. Jedenfalls nicht auf dem Grundstück. Ich möchte endlich wieder an einem gepflegten Ort wohnen!“

„Dann musst du zupfen! Jeden Tag! Viele Stunden! So hat es deine Mutter wenigstens hinbekommen.“

„Und kannst du mir auch verraten, wann ich das noch machen soll?“

„Frühmorgens vor der Arbeit?“

„Ach nee. Und wieso ich und nicht du?“

„Weil mich die Wildkräuter nicht stören“, sagte mein Mann. „Aber du hättest natürlich noch die Möglichkeit, in der Nachbarschaft um eine kleine Spende von jenem Zeugs zu bitten, dass sie bei Korn & Kokolores im Kanister unterm Ladentisch verticken.“

„Spinnst du? Das ist total giftig, umweltschädlich und so. Auf gar keinen Fall werde ich das tun!“

Trotzdem hatte mich Johan auf eine Idee gebracht. Vielleicht gab es ja eine ökologisch unbedenkliche Variante, irgendeine Substanz, die halbwegs umweltfreundlich war und trotzdem den Löwenzahn und die anderen pflanzlichen Plagegeister in unserem Garten wirksam eindämmen würde. Kurzentschlossen fuhr ich zu Blumen-Klespe in der Nachbarschaft und ließ mich vom Chef, Herrn Klespe junior, persönlich beraten.

„Hm“, sagte der, nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen hatte.

„Hm ja oder hm nein?“, fragte ich zurück.

„Natürlich gibt es da auch was Biologisches... Ich hätte das sogar da. Aber ähm, nun ja. Wenn ich ganz ehrlich bin..., aber man kann es ähm natürlich mal natürlich versuchen. Halten Sie sich genauestens an die Gebrauchsanweisung. Viel ähm Glück damit.“

„Danke, das werde ich“, erwiderte ich knapp, nahm ihm das Fläschchen mit der durchsichtigen Flüssigkeit aus der Hand und steuerte die Kasse an.

Das war mal wieder typisch. So gern ich auf dem Land und mit seiner Bevölkerung (jedenfalls der in unserer Nachbarschaft) lebe, so sehr weiß ich auch, dass die Eingeborenen uns Zugezogene gern, wenn es um Dinge wie Garten und Landwirtschaft geht, als grün-alternative Romantiker belächeln (und dann manchmal eine nahezu lustvolle Freude an kleinen Umweltfreveln entwickeln).

„Immer schön bei Vollmond spritzen“, hörte ich Klespe junior noch leise hinter mir her sagen.

Ich drehte mich noch einmal zu ihm um.

„Klar doch“, sagte ich. „Ich tanze gern auch ihren Namen dabei.“

„Ähm“, kam es von Klespe junior. Sein Gesicht hatte die Farbe der roten Geranien angenommen, die hinter ihm aufgebaut waren.

Zu Hause angekommen, las ich zuallererst die Gebrauchsanweisung des garantiert umweltverträglichen Wildkräuter-Ex & Hopp. Laut dieser sollte es auf trockenem Boden aufgebracht werden, und es sei um so wirksamer, je länger dieser auch trocken bliebe. Ich studierte also als nächstes die Wettervorhersage auf meinem Handy. Kein Regen in Sicht. Zum Glück. Also mischte ich die Flüssigkeit exakt nach der Beschreibung mit Wasser, füllte die Flüssigkeit in eine alte Blumenspritze und begann sorgfältig jeden Quadratzentimeter des Pflasters und des Gehwegs am Gartenzaun damit einzusprühen. Es wurde schon dunkel, als ich damit fertig war und mich zu Johan auf die Gartenbank setzte, um ein wenig zu verschnaufen.

„Und du meinst tatsächlich, dass das Bio-Zeugs wirkt?“, fragte er und grinste. „Wir haben ja derzeit noch nicht mal Vollmond... .“

„Vollidiot“, sagte ich.

Ungefähr eine Woche später begannen sich die Wildkräuter zu verändern. Sie wurden schlapp, verfärbten sich ins Gelbe und schließlich ins Bräunliche. Der etwas später einsetzende starke Regen tat das Übrige: Er schwemmte die abgestorbenen Stängel und Blätter einfach davon.

Ich triumphierte.

„Da siehst du's mal“, sagte ich zu Johan und fühlte mich wie der blaue Umwelt-Engel persönlich. „Von wegen, diese biologischen Produkt taugen nichts... .“