Inspiration 3/2019 - Verlag Echter - E-Book

Inspiration 3/2019 E-Book

Verlag Echter

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Beschreibung

Das Heft Inspiration 03.2019 steht das Thema Leerstelle Kirche im Sinne der Frage nach der Kirche als spirituellen Ort im Mittelpunkt. Die Kirche nahm und nimmt eine Zwitterfunktion ein. Sie ist zweifelsohne ein Ort der Versammlung, die Versammlung der konkreten Glaubenden in einer Gemeinde, die halt Kirche ist. Aber sie ist auch Institution, die in einer schweren Krise ist. Da sich Kirche nun als moralischer Kompass nicht mehr in der Öffentlichkeit gefestigt ist, dies übrigens jenseits konfessionellen Grenzen, leidet aber gleichzeitig auch das Selbstverständnis der Gemeinde als Kirche, als spiritueller Ort, der das individuelle Leben maßgeblich beeinflusst. Nun möchten wir uns nicht dem einfachen und zurecht als billig empfundenen Satz hingeben, dass jede Krise auch eine Chance berge. Trotzdem soll sich das Heft der Frage annähern, wie dieser spirituelle Ort vielleicht ein Kristallisationspunkt der Wandlung zu einer anderen Gestalt der religiös motivierten Sozialität werden kann. Man könnte im übertragenen Sinn also die Frage stellen: Wenn sich die Kirche in einer tiefen Depression, einem Burnout befindet (und dafür sprechen ja viele Handlungsmuster in der Öffentlichkeit), welche verschütteten Ressourcen kann die Gemeinschaft aktivieren und welche Glaubenssätze muss sie verändern, um weiterhin zu sein. Für dieses Heft haben wir uns bewusst um Autorinnen und Autoren aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs bemüht - denn gefühlt ist vieles schon gesagt und oft genug wiederholt worden. Da lag es doch nahe, neue Stimmen einzufangen und so hoffentlich auch neue Perspektiven einzufangen.

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Impressum

45. Jahrgang – Heft 3, September 2019

ISSN 2366-2034

Die Zeitschrift »inspiration« erschien bis zum 41. Jahrgang 2015 unter dem Titel »meditation« mit der ISSN 0171-3841

Verlag: Echter Verlag GmbH, Dominikanerplatz 8, 97070 Würzburg

Telefon (09 31) 6 60 68-0, Telefax (09 31) 6 60 68-23, Internet: www.echter.de

Satz: Crossmediabureau, Jürgen Georg Lang, Gerolzhofen

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.

Redaktion: Maria Gondolf, E-Mail: [email protected], Tel.: 0 22 26/8 90 05 29

Redaktionsbeirat: Gotthard Fuchs, Katrin Gergen-Woll, Klaus Kießling, Irene Leicht, Lisa Straßberger, Burkard Zill

inspiration erscheint viermal im Jahr

Bezugspreis: jährlich: 30,00 €, Einzelheft 8,50 € zuzüglich Versandkosten

Auch als digitale Ausgabe erhältlich.

Informationen unter www.echter.de/zeitschriften/inspiration

Abonnementskündigungen nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs

Bildnachweis:

Titelmotiv: Panka Chirer-Geyer – www.panka.info

S. 49: picture alliance / AP Photo Fotograf: Philippe Wojazer

Inhalt

inspiration

Heft 3.19 ·Leerstelle Kirche

Editorial

Johannes Lieder

Kirche auf der Höhe der Zeit: Vision oder Illusion?

Judith Krain

Wie geht Kirche?

Christian Handschuh

Brüche als ambivalente Chance zur Erneuerung

Fünf Fragen an Doris Strahm

Alexander Schimmel

Gemeinsam Gutes tun

Irene Leicht und Gotthard Fuchs

»Ecclesia semper transformanda«

Maria Gondolf

Am Schluss bleibt (nur) das Kreuz

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Das Heft Inspiration 03.2019 steht das Thema Leerstelle Kirche im Sinne der Frage nach der Kirche als spirituellen Ort im Mittelpunkt. Die Kirche nahm und nimmt eine Zwitterfunktion ein. Sie ist zweifelsohne ein Ort der Versammlung, die Versammlung der konkreten Glaubenden in einer Gemeinde, die halt Kirche ist. Aber sie ist auch Institution, die in einer schweren Krise ist. Da sich Kirche nun als moralischer Kompass nicht mehr in der Öffentlichkeit gefestigt ist, dies übrigens jenseits konfessionellen Grenzen, leidet aber gleichzeitig auch das Selbstverständnis der Gemeinde als Kirche, als spiritueller Ort, der das individuelle Leben maßgeblich beeinflusst.

Nun möchten wir uns nicht dem einfachen und zurecht als billig empfundenen Satz hingeben, dass jede Krise auch eine Chance berge. Trotzdem soll sich das Heft der Frage annähern, wie dieser spirituelle Ort vielleicht ein Kristallisationspunkt der Wandlung zu einer anderen Gestalt der religiös motivierten Sozialität werden kann. Man könnte im übertragenen Sinn also die Frage stellen: Wenn sich die Kirche in einer tiefen Depression, einem Burnout befindet (und dafür sprechen ja viele Handlungsmuster in der Öffentlichkeit), welche verschütteten Ressourcen kann die Gemeinschaft aktivieren und welche Glaubenssätze muss sie verändern, um weiterhin zu sein.

Für dieses Heft haben wir uns bewusst um Autorinnen und Autoren aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs bemüht – denn gefühlt ist vieles schon gesagt und oft genug wiederholt worden. Da lag es doch nahe, neue Stimmen einzufangen und so hoffentlich auch neue Perspektiven einzufangen.

Ich wünsche Ihnen ein inspirierendes Lesevergnügen.

Ihre

Johannes Lieder

Kirche auf der Höhe der Zeit: Vision oder Illusion?

Geistliche Begleitung

In dieser Artikelreihe aus der Perspektive der Geistlichen Begleitung hatte ich für die Kirche nur dann eine Zukunft gesehen, wenn sie sich zu einer geschwisterlichen und spirituell kompetenten Begleiterin von Menschen von heute auf ihren inneren und äußeren Suchwegen entwickelt. Dazu gehören eine suchende, ich nenne es herzoffene Grundhaltung, die sich in wirklichen Dialog mit den heutigen Menschen, Spiritualitäten, Religionen und Wissenschaften begibt und völlig neue partnerschaftliche Teamleitungsstrukturen und Entscheidungsprozesse kreiert.

Sehr viele Seelsorgende und gläubige Menschen in den Kirchen versuchen, dieses Verständnis einer persönlichkeitsentwickelnden Spiritualität und Gestalt von Kirche zu leben.

Die Wahrnehmung der Realität: Eine kurze Diagnose

Aber schauen wir auf die ganze Realität, mit der es diese Vision zu tun hat, also auch auf die traurige und ärgerliche Kehrseite dieser Medaille. Denn quer durch die ganze Kirche wehren sich viele mit aller Kraft gegen eine solche offene Zukunftsvision und setzen ihre Macht ein, um diese Entwicklung zu verhindern. Dazu ein paar zufällig ausgewählte Schlaglichter aus allen Ebenen der Institution:

»Ich habe 20 Jahre keine Exerzitien gebraucht!« sagte ein Priester stolz über seine ununterbrochene pastorale Arbeit. Ob ein Ehemann stolz verkünden könnte, er habe 20 Jahre lang keine längere Zeit allein mit seiner Frau verbracht? Oder ein Pianist, er habe so lange keine Intensivzeit zum Üben genommen?

»Warum haben wir so viel Geistliche Begleitung, aber so wenig Aufbruch?« sagte ein Bischof, der wohl keinen Einblick hat in die Befreiungsprozesse, die sich in den intensiven Gesprächsbegegnungen in der Geistlichen Begleitung ereignen und grundlegend sind für eine Kirchenbildung der Zukunft.

»Nichts mit warmen Socken!« äußerten Priesteramtskandidaten zu Beginn eines Besinnungstages als ihre Befürchtung, es könnte körperorientierte Übungen zur Selbsterfahrung geben.

»Wir haben doch einen Du- und keinen Es-Glauben!« konstatierte ein Bischof, der Gott wohl sehr genau kennt, als ich im Gespräch auf der tiefen Geheimnishaftigkeit Gottes bestand, die niemals mit Bildern eines reinen Gegenübers zu fassen sei.

»Wir als Pfarrgemeinderat sind zum Organisieren da, nicht dazu, selber einen Glaubensweg zu gehen.« sagten Mitglieder dieses Gremiums, das die Mitverantwortung aller Gläubigen zur Gestaltung der Kirche im Geiste Jesu wahrnehmen soll.

»Wo der Bischof spricht, spricht Gott.« hörte man in letzter Zeit von mehreren Bischöfen, wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn sie sehen könnten, dass auch aus ganz vielen Lebenserfahrungen und Einsichten der übrigen Glaubenden Gott heute zu uns spricht.

»Auch wenn sie von der Schwulenlobby regelrecht dämonisiert werden, gibt es Therapien und Männer, die sie erfolgreich bestanden haben.« kann der Leiter eines Theologenkonvikts kürzlich zum Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität verkünden, ohne seine Stellung zu verlieren.

»Jesus hat keine Frauen zu Aposteln berufen, dann dürfen wir das auch nicht.«

»Die Ehe ist ein für allemal unauflöslich und duldet daher keinerlei neue eheliche Bindung nach einer Trennung.« … verkündet die zementierte Lehre der katholischen Kirche nach einem überholten Bibel- und Jesusverständnis, das sich ängstlich hinter historisch bedingten Aussagen Jesu versteckt. Oder sollen wir uns wieder Sklaven anschaffen, weil Jesus offensichtlich nichts dagegen hat (siehe Mt 10,24)?

Dies ist nur eine kleine Sammlung von Aussagen von Leitungsverantwortlichen und sogenannten Hirten in unserer Kirche. Wehe den Schafen, die nur auf sie hören! Gott sei Dank gibt es ja immer weniger von ihnen.

Preisfrage: Was haben all diese Aussagen gemeinsam?

Ein statisches, de-finiertes, also ab-gegrenztes, fundamentalistisches Gottesbild.

Diese Erstarrung wiederum kommt aus einem angstbesetzten Herzen, nicht aus dem herzoffenen Dasein im Fluss des schillernden göttlichen Lebens. Darin gedeiht kein Vertrauen in die Wachstumskraft jedes einzelnen Menschen, sondern er muss dann als Schaf gesehen werden, das behirtet, manipuliert, instruiert, mit einem Wort missbraucht werden muss. Natürlich alles zu seinem »Heil«, das einzig in der Erfüllung bestimmter ewiggültiger Lehren und Regeln besteht.

Die Erstarrung kommt aus einem angstbesetzten Herzen, nicht aus dem herzoffenen Dasein im Fluss des schillernden göttlichen Lebens

Glauben: Haben oder Sein

Erich Fromms Buch einer prophetischen Gesellschaftsanalyse »Haben oder Sein« (von 1976!) im Widerstreit von Biophilie, der Liebe zum Leben und Nekrophilie, der Liebe zum Toten, Starren, Kontrollierbaren ist immer noch der passende Schlüssel, um dies zu verstehen. Auf die religiöse Haltung bezogen sieht das etwa so aus:

Sein oder nicht

Den Glauben haben

 

im Glauben sein

in der Tasche

 

durch den Wind

ein Standpunkt

 

im Kommen und Gehen

ohne Wenn und Aber

 

fallen und aufstehen

im Griff

 

ein Luftkuss in die Wirklichkeit

ein für allemal

 

immer neu

ins Wort gefasst

 

sprachlos

ins Bild gepresst

 

staunen

eingemacht

 

als täglich Brot

besessen

 

bedürftig

ablesbar

 

um Worte ringen

abgedruckt

 

in verschwebendem Schweigen

aufgedrückt

oder

einladen zum Reigen

– das ist hier die Frage!

(aus: Johannes Lieder, herzoffen – Inspirationen zur Zukunft der Religionen, Echter Verlag 2017, S. 22)

Was mag in einem solchen »Haben-Herzen« vorgehen? Da hilft es immer, in das eigene zu schauen. Denn der eigenen Wahrheit nicht gern ins Gesicht zu schauen, ist uns allen wohl gemein. Doch hängt daran leider alles auf dem spirituellen Weg.

Was für eine gewaltige Anstrengung, immer perfekt sein zu müssen, moralisch über alle und alles erhaben als ein Würdenträger oder einfach ein »guter Christ«, der sowas wie die anderen, die Ungläubigen doch nicht tut, ja nicht einmal denkt oder fühlt – und damit alle anderen Gefühle gleich mit ausreißt. Wut, Hass, Neid, Habgier, erotische Leidenschaft … Ich doch nicht! Was nicht sein darf, ist dann auch nicht. Jesus spricht vom verstockten Herzen der Menschen: »Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz.« (Mk 3,5), die »wie getünchte Gräber« sind (Mt 23,27).

Der eigenen Wahrheit nicht gern ins Gesicht zu schauen, ist uns allen wohl gemein. Doch hängt daran leider alles auf dem spirituellen Weg.

Die größte Versuchung im Leben eines Menschen: Mehr und besser scheinen zu wollen als man ist. Was für eine Not: Bloß die Fassade hochhalten! Sich nur nicht die eigene nackte Menschlichkeit mit ihrer Begrenztheit, Gefühlskälte, Liebesunfähigkeit und Ohnmacht zum Guten eingestehen. Daher so viele potemkinsche Dörfer in der Kirche: Ämter, Ehrentitel, Gewänder, Gebäude, Prunk …

Lange Zeit war die bestimmende Selbstdefinition der Kirche »Societas perfecta«, die perfekte Gesellschaft. Natürlich nie als menschliche Leistung, sondern nur von Gott her, der dies in »Seine« Kirche eingestiftet hat. Wenn es denn so wäre. Dies muss doch durchs Herz jedes Einzelnen gehen, das hat Mann wohl leider vergessen. Was für eine Überforderung dann. Stellvertreter Christi – als bräuchte er einen. In persona Christi am Altar, sodass manche Priester Sprachstörungen bekamen aus Angst davor, ein falsches Wort über Brot und Wein zu sprechen. Und dann die unfehlbaren, endgültig wahren Aussagen eines Papstes als Spitze dieses Eisberges, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Was für eine übermenschliche Last auf den Schultern einer Existenz, auch wenn man sie Exzellenz oder Eminenz oder wie auch immer nennt. Also: Alles Infragestellende lieber vertuschen, verdrängen, beseitigen – koste es, was es wolle!

Die Erlösung vom angstvollen Festhaltenmüssen

Der bloße Wille und Zwang zur Perfektion reicht eben einfach nicht. Nur »Gott« allein, die »Gnade«, oder moderner formuliert eine grundlegende sichere Annahme- und Bindungserfahrung der Liebe, von der wir alle von unseren