Intimität mit Gott - Rainer Harter - E-Book

Intimität mit Gott E-Book

Rainer Harter

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Beschreibung

Mit starken Bildern und mit wertvollen Erkenntnissen aus seiner reichen Erfahrung lädt Rainer Harter (Gebetshaus Freiburg) zu einer ganz neuen Ebene im Leben mit dem Gott der Liebe ein! Gott stellt sich uns in der Bibel als Liebhaber vor, der sich nach einer innigen Beziehung mit uns sehnt. Wird sie zur Grundlage unseres Glaubens, fällt die Anstrengung von uns ab und wir können unser Leben mit Zuversicht, Selbstbewusstsein und neuer Autorität gestalten. Was uns vorher eine Pflicht war, ist nun ersehntes Vorrecht.

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Rainer Harter

Intimität mit Gott

Wie wir zum wahren Leben finden

SCM R. Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-22947-9 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26882-9 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2019 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Die Bibelverse wurden, soweit nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.

Weiter wurden verwendet:

Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis – Brunnen Basel. (HFA)

Lutherbibel, revidiertert 2017 © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart. (EÜ)

Zürcher Bibel © 2007 Verlag der Zürcher Bibel beim Theologischen Verlag Zürich. (ZB)

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen. (NLB)

Lektorat: Christiane Kathmann, www.lektorat-kathmann.de

Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch

Titelbild: istockphoto.com/TERADAT SANTIVIVUT

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Inhalt

Über den Autor

Vorwort von Schwester Anna-Maria aus der Wiesche

Vorwort von Ralf Elsner

Einleitung

Teil 1 – Geschaffen für die Liebe

1 Intimität

2 Nie mehr einsam

3 Geschaffen für Beziehung

4 Männer und Intimität

5 Die wilde Seite von Intimität

6 Die größte Liebesgeschichte aller Zeiten

7 Gott ruft uns in die Intimität

8 Endlich leben

9 Von Zwängen befreit

10 Das erste Gebot

11 Gott der Vater

12 Gott der Bräutigam

13 Das Lied des Bräutigams und der Braut

14 Für immer vereint

Teil 2 – Intimität mit Gott

15 Intimität und Zerbrochenheit

16 Das sanfte Joch

17 Intimität und Vertrauen

18 Die dunkle Nacht

19 Der leuchtende Berg

20 Gott schauen

21 Die Schönheit im Inneren

22 Intimität und Gebet

23 Intimität und das Geheimnis der Transzendenz

24 Autorität durch Intimität

25 Wenn Intimität den Alltag durchdringt

Teil 3 – Einübung in die Intimität mit Gott

Eine Woche der Annäherung an Gottes Herz

Tag 1 – Einübung ins Erzählen und Zuhören

Tag 2 – Neue Worte und Gedanken finden

Tag 3 – Gott sei Dank

Tag 4 – Mutige Schritte gehen

Tag 5 – Einübung ins Stillwerden

Tag 6 – Wurzeln schlagen

Tag 7 – Einübung ins Bleiben

Schlussgedanken

Dank

Anmerkungen

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Über den Autor

RAINER HARTER (Jg. 1964) lebt in Freiburg, wo er 2003 ein überkonfessionelles Gebetshaus gründete, welches er seither leitet. Er ist gefragter Sprecher auf Seminaren und Konferenzen. Sein Herz schlägt für Einheit und dafür, dass die Kirche wieder neu von Jesus fasziniert ist.

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Vorwort von Schwester Anna-Maria aus der Wiesche

Seit 44 Jahren lebe ich in der Communität Christusbruderschaft. Ich folge der Liebe Christi und habe mich damals auf den Suchweg begeben, der vom Finden ins tiefere Suchen mündet. Es fasziniert mich, wie ähnlich der alte Gebetsweg der Klöster und der neue Gebetsweg in den Gebetshäusern verläuft, nach den gleichen geistlichen Prozessen und mit dem gleichen Ziel: in der innersten Liebe zu Jesus Christus zu leben, der sich ganz an uns und in uns hineinschenkt, und mit ihm die Menschen zu lieben. Unsere Gründerin Hanna Hümmer drückt es so aus:

Gott sagt zu dir: „Du bist kostbar für mich. Ich weiß mir nichts Lieberes als dich. Siehe, ich habe mein Liebstes für dich gegeben, es soll in dir leben: Jesus Christus.“

Rainer Harter lädt uns genau dazu ein: den innersten Raum des Geheimnisses Gottes zu entdecken. Er geht von außen nach innen, Schritt für Schritt, benennt Hindernisse in der Kultur, im eigenen Leben und ermutigt, sich nicht mit einem äußerlichen Glauben zufriedenzugeben, sondern der inneren Sehnsucht nach mehr zu folgen. So wird die Reise von der Entdeckungsfahrt zur Sehnsuchtsreise und mündet in die Liebesgeschichte zwischen Gott und uns. Am Ende jedes Kapitels, nachdem unser Verstand und unser Herz mitgegangen sind, öffnet Rainer Harter uns eine Tür, damit wir in Freiheit selbst hindurchgehen und uns an den wenden können, der uns liebt und dessen große Sehnsucht ein intimes Verhältnis zu allen Menschen ist.

„Intimität mit Gott“ ist ein Buch, das uns ins innere Schauen mitnimmt. Es ist die Schau des Herzens: Wir schauen Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, im Feuer der Liebe, das brennt und doch nicht verbrennt. Und dann sehen wir uns, wie der Heilige uns sieht, als seine geliebten Schwestern und Brüder, Töchter und Söhne Gottes.

Wagen Sie das Abenteuer der Liebe. Gehen Sie Ihren Weg auf den zu, der auf Sie zueilt.

Anna-Maria aus der Wiescheehemals Priorin der Christusbruderschaft Selbitz

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Vorwort von Ralf Elsner

Wir leben in einer wahrhaft aufregenden Zeit voller gewaltiger Spannungen, Brüche und Radikalisierungen, die wir in politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Zusammenhängen international und direkt vor unserer Haustür wahrnehmen. Und mitten in alledem gibt es auf all diesen Ebenen eine Bewegung, die ein diametral entgegengesetztes Ziel verfolgt, nämlich die Wiederherstellung von Beziehungen. Es ist eine Bewegung, die sowohl von der starken Sehnsucht der Menschen nach gesunden Beziehungen als auch von der Leidenschaft Gottes für die Verwandlung dieser Welt getragen wird. Sie ist überall zu finden und tritt im Kontrast zu den destruktiven Tendenzen dieser Welt auf.

Diese Bewegung ist an einigen Phänomenen zu beobachten: In Therapie und Beratung sind wir mit Vereinsamung, Isolation und Zerrüttung von Beziehungen konfrontiert und gleichzeitig mit einem neuen, echten Hunger nach fruchtbaren Beziehungen und Authentizität.

In der Wirtschaft sehen wir einerseits zunehmend Konkurrenz, Profitgier und globalisierte Ausbeutung und andererseits ernsthaftes Bemühen um Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit, neue Modelle von Besitz und Teilhabe, neue Organisationsformen für die Arbeitswelt, die evolutionär auf die Entwicklung von Sinn und Ganzheitlichkeit abzielen und einen heilsamen Bewusstseinswandel bezüglich Verantwortung, Führung und dem Umgang mit Hierarchien einläuten.

In gesellschaftlichen Zusammenhängen gibt es auf der einen Seite zunehmende Radikalisierung und Verwirrung politischer Positionen, auf der anderen Seite das Bedürfnis der Bürger nach mehr Beteiligung sowohl in gegebenen Strukturen (Beteiligungsprojekte) als auch selbst organisiert (Schülerproteste zum Klimawandel).

In Gemeinden und christlichen Werken sehen wir ein ähnliches Bild von schmerzhaften Zusammenbrüchen von Leitungs- und Gemeindestrukturen und beglückenden Bewegungen, die den Charakter der Familie Gottes über das funktionelle Arbeiten in der Gemeinde stellen und wieder zum Kern des Glaubens zurückkehren: Gott lieben und den Nächsten wie sich selbst. Bis in kleinste Zellen des Leibes Christi sind wir konfrontiert mit der Frage: „Bleiben wir in unseren funktions- und leistungsorientierten Beziehungsmustern oder leben wir endlich, wozu wir eigentlich berufen sind?“ Diese Sehnsucht nach Beziehung, nach Echtheit, nach dem Ursprünglichen, nach wahrhaftiger Liebe leuchtet überall auf und führt uns zu der spannenden Frage, wo der Urgrund für eine solche Beziehung eigentlich zu finden ist.

Mose, einst Prinz, dann Schafhirte, und Gott-Jahwe, der Allerhöchste, der Allmächtige, müssen wohl so eine offene, ehrliche und liebevolle Beziehung gehabt haben. In 2. Mose 33 baut Mose das „Zelt der Begegnung“ außerhalb des Lagers auf, um sich dort mit Gott zu treffen (übrigens aus eigener Initiative, nicht auf Geheiß Gottes!). In diesem Zelt spricht der Herr mit Mose „von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund redet“ (2. Mose 33,11). Ein Raum für offene, freundschaftliche, herzliche Begegnung– und für intensives Ringen, wie die nächsten Zeilen zeigen. Ein Raum für Intimität mit Gott. Hier wird die besondere Beziehung zwischen Mose und Gott verglichen mit einer (Männer-)Freundschaft und es wird einfach vorausgesetzt, dass die Leserinnen und Leser wissen, was Freundschaft ist. Mose und der Herr jedenfalls lebten in freundschaftlicher Nähe und es ist davon auszugehen, dass ihre Intimität wiederum die Beziehung zwischen Mose und Aaron, Mose und Mirjam, Mose und Josua prägte. Wer eine solche Beziehungsqualität mit Gott erlebt, der kann und will sie auch im Kontakt mit seinen Nächsten in Familie, Gemeinde und Freundeskreis leben. Und andersherum: Wer tiefe Freundschaft mit Menschen erlebt, der kann und will nichts anderes in der Beziehung zum Allmächtigen leben. Es lohnt sich, einmal die Qualität der eigenen besten Freundschaften zu untersuchen– wie offen, ehrlich, nah, intensiv, heilig und vollmächtig sind meine Freundschaften?– und sie in Relation zur Gottesfreundschaft zu setzen. 2. Mose 33 zeigt eines sehr deutlich: Es gibt immer mehr an Nähe, an Freundschaft, an Intimität mit Gott und er bietet sie uns offenherzig an.

Hier setzt dieses wunderbare Buch von Rainer Harter an: Die intime, freundschaftliche, leidenschaftliche und vollmächtige Beziehung zum Herrn beschreibt er so lebendig und plastisch, dass seine Leidenschaft sofort überspringt. Nicht nur, dass er theologische Offenbarung und schlüssige Systematik vermittelt, er nimmt uns auch sehr ehrlich in eigene innere Welten hinein, öffnet seinen intimen Raum, den wir vorsichtig betreten dürfen, er zeigt sein eigenes Herz und ermöglicht es uns so, selbst Gott zu finden. Dann entlässt er uns wieder aus seinem Herzensraum und regt uns freundlich an, diese Intimität zu Gott in unserem Gebet, in unserem Inneren, unserem Alltag und unseren Herausforderungen in Familie, Beruf und Gesellschaft zu fördern.

Und hier schließt sich der Kreis: Intimität mit Gott und ihre Auswirkung auf die Teilhaber dieser Intimität verändert unsere Gesellschaft. Sie ist der notwendige Sprengstoff für unheilige Verkrustungen in Kirche und Gesellschaft und sie ist das Fundament für die transformierende Herrlichkeit Gottes auf Erden, die wir heute mehr brauchen als jemals zuvor. Dieses Buch regt zu Tiefe und zu Selbstreflexion an. Wer abschließend die Anleitung zur Gebetswoche ernst nimmt und wahrmacht, öffnet einen neuen Raum der authentischen Gottesfreundschaft, gewinnt neue Autorität in seinem Wirkungsfeld und verändert die Welt.

Ralf ElsnerTherapeut (Surrexit e.V.) und Organisationsentwickler

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Einleitung

Sucht die Nähe Gottes, dann wird er euch nahe sein.

Jakobus 4,8; HFA

Dieses Buch ist das letzte einer dreiteiligen Serie, die mit der Absicht geschrieben wurde, Menschen darin zu unterstützen, einen tieferen, vielleicht sogar neuen Zugang zu Gott zu finden. Die Themen, die darin behandelt werden, sind nicht nur grundlegend für ein Leben als Christ, sondern führen zu einem wahrhaft reichen und erfüllenden Leben in der Nachfolge Jesu, wenn wir ihnen nachspüren, sie erfassen und ihnen einen festen Platz in unserem Alltag geben.

Sowohl der erste Titel „Brannte nicht unser Herz“1, in dem es um Leidenschaft für Jesus geht, als auch das zweite Buch „Majestät“2, mit dem ich die Faszination für den heiligen Gott und für die Schönheit eines heiligen Lebens wecken möchte, stehen für sich und können unabhängig von „Intimität mit Gott“ gelesen werden. Zusammengenommen projizieren die drei Teile ein dreidimensionales Bild von Gott in das Herz der Leserinnen und Leser, durch das sie das Wesen Gottes besser erkennen können.

Alle drei Bücher haben nicht den Charakter einer Sammlung von starren Rezepturen, sondern laden zu einer Reise ein, deren Ziel das Herz des liebenden Gottes ist. Ich möchte Sehnsucht nach Gott in Ihnen wecken und Sie behutsam, biblisch fundiert, sehr praktisch und unter Rücksichtnahme auf Ihre individuelle „Reisegeschwindigkeit“ anleiten. Ich möchte in Ihrem Herzen ein Feuer der Liebe entfachen, das Sie anschließend nicht mehr verlieren. Deshalb finden sich im Buch praxiserprobte Hilfestellungen, die helfen können, dieses Feuer am Brennen zu halten. Es soll irgendwann so hell brennen, dass es andere Menschen anzieht, die in seinem Schein das Licht der Welt finden: Jesus Christus.

„Intimität mit Gott“ ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die ganz reale Möglichkeit, Gottes Liebe im Alltag zu erfahren. Der Glaube an den Gott der Bibel ist viel mehr als nur ein Fürwahrhalten alter Überlieferungen. Wer mit einem wachen Geist und der Sehnsucht des Entdeckers in der Heiligen Schrift liest, erkennt, dass es um etwas Größeres gehen muss, etwas, um das herum sich alles andere anordnet und aus dem heraus der Glaube erst Sinn ergibt. Die biblischen Texte sprechen tatsächlich die Einladung Gottes aus, als einer der Hauptakteure in die größte Liebesgeschichte der Welt einzutauchen. Wir Menschen sind für eine Liebe geschaffen, die unser Herz vollkommen ausfüllt und zum Überfließen bringt. Doch warum erleben nur wenige Christen so eine Fülle? Können wir vielleicht selbst etwas dafür tun, Zugang zu ihr zu finden?

Ohne die Erfahrung der Liebe Gottes und ohne Intimität in der Beziehung zu Gott bleibt nur eine Religion übrig, die uns zu einem moralisch korrekten Leben auffordert, aber unser Herz einsam und hungrig zurücklässt. Religion an sich führt niemals zu Intimität, sondern hält uns auf Distanz zu Gott. Religiosität muss einer lebendigen Gottesbeziehung entspringen und kontinuierlich in diese eingebettet sein, um nicht zu einem inhaltslosen Ritual zu werden oder den Glaubenden in die Knechtschaft der eigenen Werkgerechtigkeit zu führen. Religionsausübung ohne Gottesbeziehung ist ein von vornherein zum Scheitern verurteilter Versuch, aus eigener Kraft Regeln einzuhalten, die ohne die Kraft der göttlichen Liebe und Gnade gar nicht eingehalten werden können. Dieser Weg ist äußerst mühsam und führt zu einer ungesunden Leistungsorientierung. Er lässt das Herz hart werden und alle Freude am Glauben schwinden.

Ganz anders sieht es aus, wenn Gott mit seiner Liebe in unser Leben kommen darf: Dann wird die Distanz zu ihm aufgehoben. Die Gewissheit und Erfahrung, dass er uns zutiefst und bedingungslos liebt, verändert nach und nach unsere Sichtweise auf ihn, andere Menschen und uns selbst. Als Folge gestalten sich unsere Motivationen um und führen schließlich zu einem neuen Verhalten. Unser Handeln wird dann nicht mehr nur von unseren Bedürfnissen und Eitelkeiten bestimmt, sondern speist sich aus einer Liebe, die unsere Seele wirklich satt macht. Weil durch das Leben in Gottes Nähe eine so große Faszination und Zufriedenheit in uns entstehen, wollen wir keine billigen Ersatzlösungen mehr. Sünde tritt zurück, wenn Liebe einzieht. Moralisch und ethisch richtiges Handeln entspringt ganz selbstverständlich dem Herzen, das vom Guten geprägt und von Gott gesättigt ist.

Gottes verändernde Liebe lässt sich tatsächlich finden. Sie ist jedem Menschen zugänglich, nicht nur einigen besonders frommen. Ihre Bedingungslosigkeit macht sie revolutionär. Sie ist ohne Ende, überfließend, lebensspendend und heilend.

Wie konnte es nur geschehen, dass sie in Vergessenheit geraten ist? Warum suchen wir stattdessen nach Rezepten, die uns doch nur immer gleichen Abläufen verpflichten und uns in eine Glaubenspraxis hineinführen, die so arm an Liebe und Leben ist? Warum verbringen wir einen großen Teil unserer Zeit damit, uns fromme Techniken anzueignen, anstatt Gott selbst zu begegnen? Warum suchen wir nach Erfolg versprechenden Formulierungen für unsere Gebete, den optimalen Gemeindestrukturen und den besten technischen Präsentationsformen für unsere Predigten, aber nicht nach ihm? Warum fragen wir uns nicht einmal ehrlich, wie viel all unsere Mühe für uns und die Menschen um uns herum eigentlich bringt?

Könnte es sein, dass eine Kirche, die zuallererst von der Liebe Gottes geprägt ist und die es gelernt hat, in der Nähe der freundlichsten Person zu leben, ganz von allein anfängt, in die Dunkelheit der Welt hineinzustrahlen? Vielleicht hält uns vieles von dem, was wir tun, vom Eigentlichen ab, weil wir versuchen, unseren Glauben und unsere Gemeinden wie eine Firma zu strukturieren und zu führen.

Meines Erachtens ist es an der Zeit, dass wir die Prioritäten wieder neu setzen und Ursache und Wirkung in der von Gott festgelegten Reihenfolge verstehen: Alle unsere Aktionen für Gott können schlussendlich nur Reaktionen auf seine unfassbar große Zuneigung und Liebe uns gegenüber sein. Wer hingegen seine Aktionen zur Ursache für das Wirken Gottes machen will, entfernt sich von der Intimität mit Gott und endet in einem die Liebe abtötenden Legalismus.

Alles, was wir brauchen, findet sich im Herzen Gottes. Wir müssen uns nur auf die Reise dorthin begeben, um Gott nahezukommen. Dazu lade ich Sie ein. Persönlich möchte ich meine Lebenswurzeln nirgendwo anders eingraben als an diesem erstaunlichen Ort. Ich habe über Jahrzehnte hinweg viele geistliche Trends verfolgt und einige davon selbst ausprobiert. Das meiste davon hat in mir zwar eine temporäre Begeisterung geweckt, aber es hat meine Liebe zu Gott nicht sonderlich wachsen lassen. Allein die Entscheidung, ihn mehr als alles andere zu wollen und dann aufzubrechen, um ihm zu begegnen, hat dies bewirkt. Seine Gegenwart ist zu meinem wahren Zuhause geworden.

Die meisten Menschen denken, dass der Weg in die Zweisamkeit mit Gott nichts besonders Spektakuläres bietet. Wir sind es gewohnt, dass alles bunt, laut und schnell sein muss, um möglichst „cool“ zu sein. Intimität mit Gott aber ist auf ganz andere Art und Weise spektakulär. Während all das Bunte, Laute, Schnelle und Coole von außen hektisch auf uns einströmt und unsere Seele doch nicht wirklich satt macht, bedeutet die Intimität mit Gott, dass wir in unserem wahren Zuhause angekommen sind, wo unsere Seele keinen Mangel mehr leidet. Ohne dass es die meisten Menschen wissen, sehnen wir uns alle nach diesem Ort, wo wir die sein dürfen, die wir wirklich sind, und wo Liebe nicht von unserer Leistung abhängt. Unser Leben lang zeugen unsere Handlungen von dieser Sehnsucht. Manchmal ist uns das bewusst, manchmal nicht, doch wir werden von dem Bedürfnis nach Liebe geleitet.

Wo aber kommt die Sehnsucht nach Intimität eigentlich her? Ist sie darin begründet, dass wir unseren Herausforderungen, Krisen und dem persönlichen Leid entfliehen möchten, oder gibt es vielleicht noch einen anderen Grund? Woher wissen wir denn überhaupt, dass es eine berechtigte Hoffnung für unsere Sehnsucht gibt?

Die Antwort lautet: Weil wir uns erinnern.

Tief in uns klingt der Nachhall einer Zeit, in der die Welt heil gewesen ist. Die Sehnsucht nach Intimität ist keine Illusion, sondern ein Verlangen, dessen Erfüllung der Mensch schon einmal erlebt hat. Gerade deswegen ist sie so groß. Es ist lange her, aber etwas in uns kann nicht vergessen, wie es damals in Eden war, als die Sünde unsere Beziehungen zueinander und zu Gott noch nicht zerstört hatte und Mensch und Gott in vertrauter Intimität miteinander lebten. Kein Wunder also, wenn unsere Seele „weiß“, dass ihr Zuhause in der Gemeinschaft mit Gott zu finden ist, und darunter leidet, dass sie im Exil leben muss. Beständig spürt sie die unstillbare Sehnsucht nach der Rückkehr in die paradiesischen Zustände, für die sie geschaffen wurde, eine Welt der Intimität zwischen dem Menschen, Gott und der ganzen Schöpfung.

Die gelebte Intimität mit Gott ist die Voraussetzung dafür, dass wir bereits in der Gegenwart möglichst viel von der Welt erleben, für die wir geschaffen wurden. Es gibt diese Welt, in der alles gut ist. Jesus hat uns den Weg dorthin eröffnet. Wir tragen in uns die Erinnerung an Eden, die uns nicht in Ruhe lässt, und spüren die Verheißung auf einen noch wunderbareren, aber noch unentdeckten Ort, die uns ständig zu neuer Hoffnung veranlasst. Als Jesus auf die Erde kam, am Kreuz für unsere Sünden starb und am dritten Tag auferstand, wurde uns eine Zukunft geschenkt und der Weg dorthin offenbart. Die ewig bleibende, uns ganz erfüllende Intimität mit Gott ist mit einem Schlag in greifbare Nähe gerückt. Wir werden einmal zu Hause ankommen und untrennbar mit dem Vater verbunden sein. Intimität mit Gott ist das Ziel der menschlichen Reise. All unser Streben zielt auf diesen einen Punkt hin. Und auch wenn wir jetzt noch nicht dort angekommen sind, wo wir ewig mit Gott zusammen sein werden, können wir bereits heute damit beginnen, in einer intimen Beziehung mit ihm zu leben. Während wir auf dem Weg nach Hause sind, kommt Gott uns entgegen, um bereits jetzt in uns zu wohnen (Johannes 14,23). Der Weg ist bereitet, Gottes Arme sind ausgebreitet. Es liegt an uns, ihm nahezukommen.

Aus der Ferne lässt es sich nur schwer lieben oder Liebe empfangen. Je weiter wir uns von Gott entfernen, desto mehr verblasst das Bild des Geliebten und wird schließlich zu einer diffusen Vorstellung. Die Distanz zwischen Mensch und Gott hat immer die Schwächung der Liebesbeziehung zur Folge. Dann wird das Herz kalt und der Glaube gerät zu einer anstrengenden Formsache. Man glaubt vielleicht nach wie vor an Gott, doch man liebt ihn nicht mehr so wie einst und erfährt wenig von Gottes glücklich machender Liebe.

Mit diesem Buch möchte ich Ihnen dabei helfen, Gott wiederzufinden und ein Leben in der Intimität mit ihm zu führen. Ich möchte Ihnen das Allerkostbarste zeigen, was ich in den Jahrzehnten meines Christseins entdeckt habe.

Nehmen Sie sich Zeit, um diese Reise ganz bewusst zu erleben. Ich empfehle Ihnen, jeweils nur wenige Abschnitte zu lesen, statt durch den Text zu hasten. Legen Sie sich Stifte bereit, um Aussagen zu markieren, die Sie besonders ansprechen, und sich Notizen zu machen. Halten Sie an den Stellen inne, die in Ihrem Herzen einen Widerhall in Form von Sehnsucht, Liebe oder Hoffnung erzeugen. Schließen Sie Ihre Augen und nehmen Sie Ihre innere Regung mit in ein ehrlich formuliertes Gebet. Geben Sie Ihren Lebenswurzeln Zeit, sich in der Nähe Gottes und in seine Liebe zu versenken.

Entdecken Sie mit mir die Intimität mit Gott.

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Kapitel 1

Intimität

In deiner Nähe finde ich Frieden, und es gibt nichts mehr,was mich von dir trennt.In deiner Nähe bin ich sicher, du bringst mein Herz zur Ruhe.Du stillst den Sturm meiner Gedanken,glättest die Wogen meiner Furcht.Zu deinen Füßen will ich bleiben, in deine Augen will ich schauen.

Rainer Harter, aus dem Lied „Dir will ich immer folgen“

„Intimität mit Gott“– das klingt für manchen zunächst einmal befremdlich, weil wir den Begriff „Intimität“ vorrangig mit einer erotischen Beziehung zwischen Menschen verbinden. Doch Intimität ist viel umfassender als der Bereich der körperlichen Liebe. Für unseren Glauben an Jesus Christus spielt sie eine geradezu grundlegende Rolle. Wo sie fehlt, ist der Glaube anstrengend, wo sie gelebt wird, da bedeutet Glauben zugleich Staunen, Sichfreuen und die Erfahrung einer Liebe, die in ihrer Intensität alles übertrifft, was die Welt zu geben vermag.

DIE BEDEUTUNG VON INTIMITÄT

Bevor ich auf die Intimität mit Gott eingehe, möchte ich zunächst den Begriff „Intimität“ an sich beleuchten. In erster Linie beschreibt das Wort einen ganz besonderen Zustand, der zwischen zwei Personen besteht. Dieser Zustand kann nicht durch äußere Dinge erreicht oder formal verliehen, sondern nur dann erlangt werden, wenn die Betreffenden sich dafür entscheiden und sich auf den Weg zueinander machen. Manche Paare haben nie gelernt, in eine intime Beziehung miteinander zu treten, obwohl sie bereits lange zusammen sind. Bei anderen ist die Intimität mit der Zeit verkümmert, weil sie nicht gepflegt wurde. In solchen Beziehungen zieht irgendwann Sprachlosigkeit ein, ein typisches Symptom für fehlende Intimität. Die Neugier und das Interesse verstummen. Die Partner leben zwar noch zusammen, aber ihr jeweiliges Inneres bleibt dem anderen weitestgehend unbekannt, und so ist ihre Beziehung eher ein gewohnheitsmäßiges „Nebeneinander“ als ein durch Nähe lebendig gebliebenes „Miteinander“. Die Intimität, die solche Paare miteinander teilen, beschränkt sich auf den sexuellen Aspekt, während der emotionale und andere körperliche Anteile, wie Berührungen oder Worte, die Wertschätzung und Zuneigung zum Ausdruck bringen, selten sind.

Ganz bewusst möchte ich zwischen diesen beiden Formen körperlicher Intimität unterscheiden, obwohl zur ersten immer die zweite gehören sollte. Körperliche Intimität ist viel mehr als Sex. Sie kann sich in einer Umarmung äußern, die einem Freund Trost spendet oder ihm unsere Zuneigung zeigt, oder im zärtlichen Abschiedskuss eines Ehepaars, bevor jeder das Haus verlässt. Wer auf solche kleinen Gesten achtet, stellt fest, dass seine Beziehungen dadurch sehr bereichert werden. Berührung an sich ist eine intime Handlung. Nicht umsonst entfährt einem Menschen ein „Fass mich nicht an!“, wenn ihn jemand berühren will, der ihm nicht nahesteht oder mit dem er im Moment zerstritten ist. Wir sprechen diesbezüglich auch von unserer „Intimsphäre“ und meinen damit die Grenzen, bis zu denen ein Außenstehender an uns herantreten darf.

Intimität meint jedoch noch viel mehr als körperliche Nähe. Echte und umfassende Intimität beschreibt eine Beziehung, in der die Partner zu einer tiefen gegenseitigen Vertrautheit gelangt sind, die sich aus der Hingabe füreinander, dem Teilen von Emotionen und einer gemeinsamen Geschichte speist. Für alle drei Aspekte der Intimität gilt, dass zu diesen Bereichen zwischen zwei Menschen Dritte keinen oder nur einen eingeschränkten Zutritt haben. Erzählt man dem besten Freund von persönlichen Herausforderungen oder Momenten des Scheiterns, tut man dies im geschützten Rahmen des gegenseitigen Vertrauens und unter vier Augen. Der Bereich der Intimität ist ein Raum der besonderen Nähe, den wir nach außen hin abgrenzen, schützen und bewahren. Der Zugang steht nur demjenigen offen, dem er verliehen wurde. Wer versucht, ihn zu erzwingen, tut dem anderen Gewalt an, sexuell, emotional oder körperlich.

Vielleicht sind Sie schon Menschen begegnet, die die inneren Grenzen ihres Gegenübers nicht spüren können oder aus einem Gefühl der Überlegenheit heraus nicht akzeptieren möchten. Wenn man mit so einer Person zu tun hat, erlebt man deren Verhalten als unangenehm. Solche Menschen „treten einem zu nahe“, man fühlt sich bedrängt oder hat das Gefühl, dass da jemand versucht, über unsere Grenzen hinweg in unser Innerstes vorzudringen. Der Raum der Intimität ist privat. Jeder Mensch muss selbst entscheiden dürfen, wem er Zugang dazu gibt. Der Schlüssel ist nicht Macht, Stellung oder intellektuelle Überlegenheit, sondern Liebe. Jeder Versuch, sich auf andere Weise Zugang zum Intimbereich eines Menschen zu verschaffen, missachtet dessen Würde.

Intimität ist der Bereich in unserem Inneren, der gänzlich ungeschützt ist. Deswegen sind wir an dieser Stelle besonders verletzlich und darum achten wir sehr genau darauf, wen wir so nah an uns heranlassen. Die Bereitschaft zur Intimität mit einer anderen Person birgt immer auch das Risiko der Verletzung in sich. Wer schon oft schlechte Erfahrungen gemacht hat, wenn er sich anderen gegenüber geöffnet hat, dem fällt es nicht leicht, dieses Risiko einzugehen. Doch um einschätzen zu können, ob wir uns einem Menschen, den wir vielleicht gerade erst kennengelernt haben, wirklich öffnen können, müssen wir ihn ein Stück weit an uns heranlassen. Erst wenn er vor unserem inneren Schlagbaum steht, spüren wir, ob er unsere Grenzen respektieren wird oder nicht. Ganz ohne diese Bereitschaft halten wir andere auf Distanz und verpassen die Möglichkeit, echte Freunde zu finden. Ich habe schon mehrfach erlebt, dass mich mein erster Eindruck von einem Menschen getäuscht hat und ich mein neues Gegenüber erst dann „fassen“ konnte, wenn ich ihm die Gelegenheit gegeben hatte, mir nahezukommen.

BLICK IN DIE SEELE

Mit seinem 1997 veröffentlichten Bericht „The Experimental Generation of Interpersonal Closeness– A Procedure and Some Preliminary Findings“3 hat der US-amerikanische Psychologieprofessor Arthur Aron weltweit Aufsehen erregt. Er behauptete, eine Art Formel dafür gefunden zu haben, mit der man zwischen zwei sich fremden Menschen sehr schnell Intimität schaffen kann. Sechsunddreißig ausgewählte Fragen und eine vierminütige Übung sollten dies angeblich möglich machen. Was zunächst befremdlich klingt, stellt sich bei näherer Betrachtung als bemerkenswert richtig heraus. Tatsächlich gibt es bestimmte Dinge, die dabei helfen können, Intimität zu schaffen oder zu vertiefen. Die Ergebnisse der Studie von Aron zeigen auf, dass sie dann entsteht, wenn zwei Menschen sich einander öffnen, indem sie einander vertrauliche Auskünfte über sich selbst geben. Ein Fazit der Studie lautet: „Wir glauben, dass der beste Weg, um Ihrem Partner nahzukommen, darin liegt, ihm von Ihnen zu erzählen und ihn von sich erzählen zu lassen.“4

Die praktische Übung, die Aron in seiner Studie zur Intimität verwendet hat, ist ganz einfach und zugleich höchst sensibel: Er stellte seinen Probanden die Aufgabe, einander ohne Worte vier Minuten lang direkt in die Augen zu sehen. Wie würden Sie sich bei dieser Übung fühlen? Ein Fremder schaut Sie an, minutenlang. Dieser Gedanke ist den meisten unangenehm. „Die Augen sind die Fenster der Seele“ (Hildegard von Bingen). Einen tiefen, das heißt intensiven Blick schenken wir nur den Menschen, die uns nahestehen oder mit denen wir ganz bewusst eine intime Verbindung aufnehmen möchten. Es gleicht fast einer Forschungsreise in die Personalität des anderen, wenn wir ihn offen anschauen und er uns seinen Blick öffnet. Das ist etwas anderes als ein reines Anstarren, ungesagt wird dabei die Botschaft kommuniziert: „Ich möchte dich erkennen“, und in den Augen des Gegenübers steht: „Du darfst mir nahekommen.“

Echte Intimität muss verliehen werden und entstehen dürfen. Wer versucht, sie sich mit Gewalt zu nehmen, macht sich der Vergewaltigung schuldig. Intimität braucht eine sichere Umgebung, damit sie wachsen kann. Wenn zwischen zwei Menschen erst einmal ein intimes Freundschafts- oder Liebesverhältnis besteht, dann ist ihre Beziehung über die Phase des Kennenlernens hinausgewachsen. Die beiden haben einander Zugang zu ihrem Herzen gegeben und einander erkannt. Sie wissen um die Stärken und Schwächen des anderen und haben ihre Beziehung auf einen der Grundpfeiler der Intimität gestellt: gegenseitige Annahme. Zwischen ihnen ist die Säule des gegenseitigen Vertrauens gewachsen, das unabdingbar für echte Intimität ist, da sie immer mit der Bereitschaft einhergeht, sich dem anderen gegenüber verletzlich zu zeigen.

Wenn wir einer anderen Person unser Herz geöffnet haben und sie sich als vertrauenswürdig erwiesen hat, erhält sie eine andere, bedeutsamere Stellung in unserem Leben. Weil wir ihr Zugang zu unserem Inneren gegeben und sie hinter den Panzer unseres Selbstschutzes haben schauen lassen, also dahin, wo wir weich und verwundbar sind, ist sie uns fortan näher als andere Menschen. Wenn wir dann von ihr enttäuscht oder verletzt werden, schmerzt das sehr. Wenn uns ein Fremder verletzt, können wir das eher an uns abprallen lassen, die Verwundung durch einen Freund oder eine Freundin trifft dagegen unser Inneres.

Der Ort der Intimität ist der, an dem wir alle Masken ablegen und so sein können, wie wir wirklich sind. Im Schutzraum einer intimen Beziehung können wir unsere Gefühle und innersten Gedanken offenbaren, ohne uns vor Verurteilung oder Ablehnung (= Distanz) fürchten zu müssen. Zuneigung (= Nähe) ist nicht primär davon abhängig, ob wir alles richtig machen. Fehler können zwar schmerzhaft sein, doch wo Intimität vorherrscht, ist die Kraft der Zuneigung und Vergebung größer als die der Ablehnung.

INTIMITÄT IST LEBENSNOTWENDIG

Die Möglichkeit und die Fähigkeit, Intimität mit einem geliebten Menschen zu erfahren und zu teilen, ist eines der faszinierendsten und beglückendsten Geschenke, die Gott uns gemacht hat. Von ihm wurden wir mit den sozialen Anlagen ausgestattet, die wir benötigen, um zu lieben und Liebe zu empfangen. Ohne die Erfahrung der Intimität bliebe dem Menschen nur die Einsamkeit. Wo Intimität fehlt, ist das Leben oftmals geprägt vom mühsamen Kampf um Anerkennung durch Leistung. Intimität bildet den Ort, an dem wir schwach sein können. Sie gibt uns Sicherheit und in ihr erfahren wir Geborgenheit. In einer intimen Beziehung dürfen wir ganz wir selbst sein und in ihr wird ein positives Selbstwertgefühl gestärkt. Eine Beziehung der Intimität ist wie ein ummauerter Garten, in dem die Frucht des Vertrauens in einem geschützten Umfeld heranreifen darf.

Obwohl wir heute via Social Media mit mehr Menschen in Beziehung treten können als jemals zuvor, fühlen sich immer mehr Menschen einsam. Die Anzahl von Freunden, Followern oder Abonnenten wirkt sich auf die emotionale Gesundheit deutlich weniger positiv aus als liebevolle Umarmungen oder tröstende Worte, bei denen der andere uns in die Augen sieht.

Wo Intimität fehlt, kann sich der Mensch nicht entfalten, denn dazu ist eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zuwendung nötig. Wer sich freiwillig entschließt, sich anderen gegenüber zu verschließen– was meist dem Wunsch entspringt, nicht verletzt zu werden–, begibt sich zugleich in die Gefahr, emotional und sozial zu vereinsamen. Die Erfahrung von Intimität ist grundlegend für unsere seelische Gesundheit. Sie bietet uns einen sicheren Boden, auf dem unser Leben fest gegründet werden kann.

Intimität umfasst alle unsere Sinne: Wir sehen den geliebten Menschen, wir können seinen unverwechselbaren Geruch wahrnehmen, seine Worte hören, in einer Paarbeziehung auch seine Haut schmecken und sein Gesicht ertasten. Alle unsere Sinne funktionieren dann am besten, wenn wir dem Objekt nahe sind, das wir mit ihnen erfassen wollen. Fühlen und Schmecken funktioniert aus der Distanz überhaupt nicht.

Forscher der Universität Harvard haben über fast achtzig Jahre eine Langzeitstudie zu der Frage durchgeführt, welche Faktoren dazu beitragen, ob wir im Alter gesund bleiben. Obwohl die Ernährung und ein möglichst gesunder Lebenswandel eine große Rolle spielen, entdeckte Robert Waldinger, Professor für Psychologie und Leiter der Studie, drei weitere elementare Faktoren, deren Bedeutung man hinsichtlich der Fragestellung der Studie nicht unbedingt erwarten würde. Er benennt sie wie folgt5:

1. Beziehungen zu Freunden und Familie

Ärzte messen oft den Cholesterinspiegel, um den Gesundheitszustand eines Menschen zu bestimmen. Das Team um Waldinger hat allerdings herausgefunden, dass sich der Gesundheitszustand im Alter besser mit der Anzahl der zwischenmenschlichen Beziehungen vorhersagen lässt. Waldinger warnte bei einem Vortrag in Boston: „Einsamkeit tötet. Sie ist so mächtig wie Rauchen oder Alkoholismus.“

2. Qualität der Beziehungen zu den Mitmenschen

Die Forscher fanden heraus, dass nicht die Menge an Freunden maßgeblich für unsere Gesundheit ist, sondern die Qualität der Beziehungen. Waldinger erklärt: „Überraschend ist, dass unsere Beziehungen und wie glücklich wir in unseren Beziehungen sind, einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit hat.“

3. Beziehung zum Ehepartner

Waldinger fasst zusammen: „Wer eine glückliche Ehe führt, ist zufriedener und psychisch gesünder.“ Diejenigen, die unglückliche Ehen führten, spürten sowohl emotionale als auch körperliche Schmerzen.

Wie zahlreiche andere bestätigt diese Studie die Bedeutung von Intimität. Sie ist wichtig für unsere Entwicklung, unsere psychische Gesundheit und sogar für unser körperliches Wohlbefinden. Wenn nun Intimität zwischen oftmals zerbrochenen Menschen schon solch segensreiche Auswirkungen hat, wie wäre es erst, wenn wir mit Gott in einer Beziehung vertrauter Nähe leben würden?

INTIMITÄT MIT GOTT

Die Schönheit der Intimität mit Gott ist etwas Einmaliges. Für sie sind wir geschaffen und in ihr können wir umfassende Erfüllung finden. Intimität zwischen Menschen ist für uns zunächst vielleicht fassbarer, aber Intimität mit Gott ist etwas, das weit über vertrauensvolle Nähe zu einem anderen Menschen hinausgeht. Beziehungen zu anderen Menschen sind zwar ein großes Geschenk, weil sie uns beispielsweise Geborgenheit vermitteln, Trost spenden und Liebe geben, aber diese Akte der Intimität sind temporär. Gott hingegen schenkt uns nicht nur Liebe, er ist die Liebe in Person. Er ist uns– im Unterschied zu unseren engsten Bezugspersonen– immer ganz nah. Er tröstet nicht ein wenig, er ist die Quelle des Trostes (2. Korinther 1,3). Gott ist nicht nur ein Beschützer, er ist unser Vater und unser Zuhause (Psalm 90,1; 91,9; Johannes 14,2).

Menschliche Intimität ist ein Vorgeschmack auf die Intimität mit Gott, die wir in der Ewigkeit in vollem Umfang erleben werden. Doch bereits heute können wir sie erfahren, wenn auch noch nicht mit allen Sinnen. Intimität mit Gott in unserem Alltag spielt sich hauptsächlich auf einer anderen Ebene ab, nämlich in unserer Innenwelt. Wir nehmen Gott mit unserem Geist wahr, den er uns gegeben hat. Unsere tiefsten Emotionen werden von seiner Nähe und Liebe berührt, wenn wir ihm begegnen. Unser Bewusstsein erkennt nicht nur, dass wir selbst als Individuen existieren, sondern kann sich auch Gottes Gegenwart bewusst werden. Damit durchdringt die Intimität mit Gott unser eigentliches Sein, wenn wir sie suchen und pflegen. Gott lädt uns ein, ihm nahezukommen, um das Glück zu entdecken, das auf diejenigen wartet, die ihm nahe sind.

Glücklich, den du erwählst und nahen lässt, dass er wohne in deinen Vorhöfen! Wir werden gesättigt werden mit dem Gut deines Hauses, dem Heiligen deines Tempels.

Psalm 65,5

David beschreibt in diesem Psalm, dass unsere Seele in Gottes Gegenwart satt wird. Dort beschenkt uns Gott mit „dem Heiligen“, also dem Reinen, Vollkommenen und Heilsamen. In der Intimität mit Gott entspringt unser Glück. Um dorthin zu gelangen, müssen wir uns aufmachen, um Gott zu suchen, und lernen, in seiner Gegenwart zu leben– Erkenntnis allein reicht nicht aus.

Natürlich ist unsere Kenntnis über Gott bedeutsam, das Erkennen der Wahrheit macht uns frei (Johannes 8,32). Doch wenn Wissen und Erkenntnis zu größerer Intimität mit Gott führen würden, dann gäbe es die Fragen gar nicht, die dieses Buch stellt. Noch nie zuvor hatten wir so viele Möglichkeiten, zu theologischem Wissen zu gelangen. Das Internet bietet freien Zugang zu mehr Bibelübersetzungen, Büchern, Artikeln, Predigten und Vorträgen, Filmen, Interviews, Dokumentationen und Musik, als wir jemals in unserem Leben lesen, hören oder sehen könnten. All das aber, was wir an Information über Gott aufnehmen, wird uns nur dann zum Segen werden, wenn wir es in seiner Gegenwart auch persönlich erfahren. Es ist zwar schön, zu wissen, dass Gott uns liebt, aber es ist viel schöner, seine Liebe zu erleben. Die Bibel will mit ihren Worten nicht nur einfach Erkenntnis verleihen, sondern sie spricht in einer Sprache der Intimität und Sinnlichkeit. Immer wieder ist von Nähe und dem Gebrauch der Sinne die Rede, um Gott zu erkennen (Psalm 34,9). Jesus hat Kranke und Aussätzige mit seinen Händen berührt, er kam ihnen in ihrer Not ganz nah. Er schaute den Bedürftigen in die Augen und sprach in ihre ganz persönliche Lebenssituation hinein, statt sie mit Allgemeinplätzen abzuspeisen.

Der dreieinige Gott stellt sich uns in den stärksten für uns Menschen fassbaren Beziehungsgestalten vor. Er offenbart sich als Vater, der uns seine Kinder nennt. Er zeigte sich in Gestalt des Sohns, der zugleich unser Bräutigam ist. Und er kommt uns als Geist so nah, wie es kein Mensch je könnte, denn er möchte in uns wohnen. Das hebräische Wort „Ruach“, welches im Alten Testament für den Heiligen Geist verwendet wird und dort fast vierhundertmal vorkommt, wird primär in seiner weiblichen Form verwendet. Der Prophet Jesaja stellt uns den Vater-Gott als jemand vor, der wie eine Mutter tröstet (Jesaja 66,13). Es gibt wohl kaum ein schöneres Bild für Intimität und Geborgenheit als das einer Mutter, die ihr Kind an ihr Herz drückt, es küsst und liebkost und leise Worte der Zuneigung und Liebe zu ihm spricht.