Irish Nights: Ist er's? Oder nicht? - Anna Staub - E-Book

Irish Nights: Ist er's? Oder nicht? E-Book

Anna Staub

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Beschreibung

Cat ist bekennender Horrorfilm-Fan und es passt ihr gar nicht, als ausgerechnet aus ihrem Leben eine Seifenoper wird. Auf dem Junggesellinnenabschied einer Freundin in Dublin lernt sie Ryan kennen und glaubt zuerst einen Schauspieler, dann einen netten Kerl und schließlich einen Lügner vor sich zu haben. Doch ist er wirklich der gefeierte Nachwuchsstar oder geht ihre Phantasie mit ihr durch? Oder könnte Ryan am Ende einfach nur eins sein? Der richtige Mann für sie?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

17. Mai

Eine Stunde später

Gegen 21 Uhr

Nach Mitternacht

18. Mai

29. Mai

6. Juni

Eine Stunde später

15 Minuten später

9. Juni

13. Juli

17. Juli

Irish Nights – Ist er’s? Oder nicht?

von

Anna Staub

Dieser Roman war bereits unter dem Namen

„DUBLIN AFFAIRS – IST ER‘S? ODER NICHT?“

erschienen. Dies ist keine Fortsetzung.

Alle Namen, Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright© 2014 by Anna Staub

Bildmaterialien © by iStock.com/Iryna1

Impressum

V.i.S.d.P.

Autorencentrum.de

Ein Projekt der BlueCat Publishing GbR

Gneisenaustr. 64

10961 Berlin

E-Mail: [email protected]

Tel.: 030 / 61671496

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Für Cata

und die Geschichten, die uns verbinden

17. Mai

"Das glaube ich nicht!" Emilys Stimme war nur ein ehrfurchtsvolles Hauchen, das Cat über dem Klappern der Guinnessgläser kaum verstand. Sie wartete mit ihrer besten Freundin darauf, dass der Barmann das letzte der sechs Gläser befüllte, damit ihr verspätetes Mittagsmenü endlich komplett wäre. Auf dem Flug von London nach Dublin hatte es nur Kekse gegeben und dementsprechend hungrig war sie jetzt, als sie an ihr Stew und ein Guinness dachte.

"Was glaubst du nicht?", fragte Cat, eigentlich mit bürgerlichen Namen Catleen Stornoway, während sie dem Barkeeper sehnsüchtig zusah.

Begeistert war sie nicht gewesen, als Emily verkündet hatte, dass die Junggesellinnen-Abschiedsreise von ihrer Freundin Beth in die irische Hauptstadt gehen würde. Cat stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Das Land der Feen und Trolle mit seiner mystischen Folk-Musik wäre nicht ihre erste Wahl für so eine Reise gewesen. Doch der Geruch des Irish Stew, das an ihrem Platz auf sie wartete, und das geschäftige Treiben in der Innenstadt hatten sie ein wenig versöhnt. Es war zwar nicht Paris oder Berlin, aber Dublin schien durchaus ein paar nette Ecken zu haben.

"Das glaube ich nicht…", stammelte Emily wie eine Schallplatte mit Sprung, während Cat ihre knapp1,80 Meter große Freundin von unten herauf musterte.

"Du siehst aus, als wäre dir einer dieser Kobolde auf einer rosa Wolke erschienen", frotzelte Cat amüsiert, während ihr Blick durch das Innere des "Brazen Head" wanderte. Die rustikale Einrichtung des Pubs gefiel ihr überraschenderweise.

"Die heißen hier Leprechauns und halten sich in der Nähe von Regenbögen auf. Nicht auf rosa Wolken", war die abwesende Antwort, während ihre Freundin weiter auf die andere Seite des Raumes starrte. Was auch immer sie sah, es ließ sie nicht ihre Irlandbegeisterung vergessen. Nur leider überblickte Cat mit ihrer Durchschnittsgröße die Menschen im Pub nicht halb so gut wie Emily.

"Gut, dann eben kein irischer Leprechaun", antwortete sie mit einem Schulterzucken. Für sie war es gerade von größerem Interesse, dass der Barmann endlich seine Arbeit beendet hatte und das letzte Glas auf den Tresen stellte.

"Nein, eher ein walisischer Knocker." Jetzt hörte sich die Größere wieder geerdeter an und Cat verzog überrascht das Gesicht.

"Ein walisischer was?", fragte sie irritiert und hielt mitten in der Bewegung inne, nach den gefüllten Guinnessgläsern zu greifen.

"Was hier die Leprechauns sind, nennt man in Wales Knockers." Mit einem Mal packte die Größere Cat bei den Oberarmen und beugte sich zu ihr herunter.

"Du musst jetzt ganz stark sein und darfst nicht in Ohnmacht fallen", bat ihre Freundin ernst. Cat konnte sich ein leises Glucksen nicht verkneifen.

"Ok, ich versuche mich zusammenzureißen. Wo ich sonst so zu Ohnmachtsanfällen neige." Sie bemühte sich um einen halbwegs ernsthaften Ton, doch Emily merkte immerhin noch, wenn sie auf den Arm genommen wurde. Das triumphierende Lächeln, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete, sprach jedoch Bände. Mit irgendetwas glaubte ihre Freundin, sie aus der Fassung bringen zu können.

"Ich glaube, da drüben sitzt…" Emily legte eine theatralische Pause ein, deren Dramatik jedoch durch den Barmann zunichte gemacht wurde.

"25 Euro", bellte er dazwischen. Erst nachdem Cat ihm zwei Scheine auf den Tresen geschmissen hatte, konnte ihre Freundin zur finalen Erklärung ansetzen.

"Jasper Bowen!", war schließlich alles, was die verwirrte Emily herausbrachte.

Eine Ansage, die Cat dazu brachte, mindestens so entgeistert zu schauen wie ihre beste Freundin. Jasper Bowen konnte unmöglich in diesem Pub sein! Ein Newcomer-Schauspieler mit seinem ersten abgedrehten Hollywoodfilm in petto hatte sicher Besseres zu tun, als zufällig in der gleichen Bar zu sitzen wie sie.

Das immer noch verwirrte "Ich glaube es zumindest" ihrer Freundin nahm sie nur am Rande wahr. Doch lange hielt Cats wachkomatöser Zustand nicht an. Nachdem sie mehrmals irritiert geblinzelt und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft geschnappt hatte, gewann ihre pragmatische Seite die Oberhand. Wenn hier wirklich ein angehender Superstar herumsaß, wollte sie wenigstens einen Blick auf ihn werfen. Es hatte sie schon immer interessiert, ob die Stars in Wirklichkeit auch so beeindruckend wirkten. Oder war am Ende alles nur ein fauler Zauber aus Make-up, guter Belichtung, schicken Klamotten und wohl gewählten Aussagen in Interviews? Der walisische Nachwuchs-Schauspieler wäre ein lohnendes Studienobjekt in dieser Hinsicht.

Mit etwas Mühe schaffte sie es, auf den Barhocker zu klettern. Von dort oben hatte sie einen besseren Ausblick.

"Wo denn?", zischte sie. Doch noch im selben Augenblick schien ihr Herz stehen zu bleiben, als sie über einige Köpfe hinweg einen Blick aus dunklen Augen auffing. Cat fühlte sich, als hätte ihr jemand ein Goldfisch-Glas über den Kopf gestülpt. Das Lachen und Reden der vielen Menschen klang plötzlich so verschwommen, als wäre sie unter Wasser. Gleich darauf sackte sie zusammen und damit verschwand das markante Gesicht mit dem Bartschatten aus ihrem Sichtfeld.

Für die nächsten Sekunden herrschte in ihrem Kopf ein ziemliches Vakuum, doch Emilys Grinsen holte sie in das Hier und Jetzt zurück.

"Und? Ist er‘s? Oder nicht? Gehst du ihn nach einem Autogramm fragen? Soll ich mitkommen?", wollte ihre Freundin wissen.

Cat registrierte, dass Emily fast aufgeregter war als sie. Wenn sie ehrlich sein sollte, war sie nicht sicher, wen sie auf der anderen Seite des Pubs gesehen hatte. Was aber außer Frage stand, war die Tatsache, dass der Blick aus diesen dunklen Augen ihr das heftigste Herzklopfen der letzten drei Jahre beschert hatte.

"Auf gar keinen Fall!", war ihre brüske Antwort, die Emily überrascht die Augenbrauen nach oben ziehen ließ.

"Ich… ich weiß nicht. Es ist so… so anders, wenn er nicht im Fernsehen ist. Außerdem werde ich mich hier nicht zum Deppen machen, indem ich einen fremden Kerl frage, ob er zufällig Schauspieler ist", stellte sie klar. Cat verschränkte demonstrativ die Arme, nur um dann kleinlaut hinzuzufügen: "Außerdem würde ich den Mund gar nicht aufbekommen, wenn ich vor ihm stehe."

Emily war allerdings ganz die beste Freundin. "Ich kann ja mitkommen und für dich fragen", bot sie großherzig an und jetzt musste Cat lachen. Das Herz schlug ihr immer noch bis zum Halse, aber langsam wurde ihr bewusst, wie lächerlich die Situation war.

Wenn der Mann dort drüben wirklich Jasper Bowen war, wollte sie ihm nicht als die Frau in Erinnerung bleiben, die sich auf ihn gestürzt hatte wie eine kreischende 15-Jährige auf eine Boy-Band.

Der Waliser galt in der Schauspielwelt als ein Geheimtipp und manche hatten ihm eine Karriere wie Colin Firth prophezeit. Am Ende würde er noch denken, dass sie eine verrückte Stalkerin war.

"So versessen bin ich auch nicht auf den Kerl. Ob ich eine Unterschrift auf einer Serviette von ihm habe oder nicht, wird mein Leben nicht dramatisch verändern."

"Da sitzt der Mann deiner Träume und du weigerst dich, ihm Guten Tag zu sagen. Selbst Schuld", nörgelte Emily, während Cat grinsend einen Schluck von ihrem Guinness nahm.

"Du wirst dich grün und blau ärgern, wenn er in zehn Jahren richtig berühmt ist und du deine Chance vertan hast", ging die freundschaftliche Schelte weiter.

Cat konnte nicht verhindern, dass sich ein vergnügtes Funkeln in ihre Augen schlich.

"Dass er der Mann meiner Träume ist, behauptest lediglich du. Ich habe nur gesagt, dass ich ihn sehr attraktiv finde. Aber vielleicht sollten wir doch rüber gehen."

Emily war natürlich sofort in Habachtstellung, zog aber einen ärgerlichen Flunsch, als sie die nächsten Worte hörte.

"Autogramme von berühmten Persönlichkeiten sind eine gute Einnahmequelle. Ich könnte Millionärin werden, wenn ich so etwas im Internet versteigere", erklärte sie lächelnd, nur um sich im nächsten Moment zur Seite zu lehnen. Irgendwer hatte sie am Ellenbogen berührt, als er sich zur Bar durchdrängelte.

"Du bist eine selten doofe Kuh", stellte Emily trocken fest und schüttelte den Kopf.

"Meinetwegen, aber wenigstens hat die doofe Kuh ihren Stolz", antwortete Cat lachend. "Komm, lass uns den Kram zu den anderen bringen." Mit einer Kopfbewegung in Richtung ihres Tisches glitt sie von dem Barhocker herunter. Einerseits kam sie sich unheimlich dumm vor, diese Chance nicht zu nutzen und herauszufinden, ob das Jasper Bowen war. Andererseits fühlte es sich kindisch an, diesen Mann zu belästigen, nur weil er vielleicht berühmt war.

"Meinetwegen." Damit zog eine enttäuscht wirkende Emily drei der Guinnessgläser an sich, nur um im nächsten Moment überrascht inne zu halten.

"Ich habe zwar schon von der Trinkfestigkeit der Iren gehört, aber das beeindruckt mich jetzt doch", erklang eine tiefe Stimme hinter Cat.

Sie fühlte, wie ihr eine Gänsehaut den Rücken hinauflief. Das war zwar komplett unmöglich, aber sie kannte diese Stimme! Sie musste sich nicht einmal umdrehen, um eine Bestätigung für ihre Vermutung zu erhalten. Emilys entsetzter Gesichtsausdruck sprach Bände. Selbst ihre Freundin, als erklärter Nicht-Jasper-Bowen-Fan, schien das plötzliche Auftauchen ihres Gesprächsobjekts vor Artikulationsschwierigkeiten zu stellen.

Cat fragte sich unwillkürlich, ob dieser Kerl wirklich wie Jasper Bowen klang, oder ob ihr verrücktes Hirn ihr einen Streich spielte. Es war ja durchaus möglich, dass der Fremde sich für sie nur wie dieser Schauspieler anhörte, weil sie es erwartete.

"Äh, ich bin Engländerin", war alles, was Emily nach schier endlos erscheinenden Sekunden herausbrachte. Gleich darauf schob sie die Biergläser vorsichtshalber wieder auf den Tresen zurück. Cat entging nicht, dass die Hände ihrer Freundin leicht zitterten.

Ein leises Lachen erklang hinter ihr. Der Typ amüsierte sich anscheinend königlich. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, ob er ihren Kommentar über das Autogramm gehört hatte. Doch im Moment konnte sie auch gar nicht nachdenken. Sie war viel zu beschäftigt damit, wenigstens einen normalen Eindruck zu machen, auch wenn ihr das Atmen gerade etwas schwer fiel. Auf ihrem Rücken machte sich ein warmes Prickeln breit, welches sie vermuten ließ, dass der Vielleicht-Jasper noch einen Schritt an sie herangetreten war. Oder eher an Emily, sie stand da anscheinend nur im Weg. Sie fühlte einen leichten Stich in der Herzgegend, aber die nächsten Worte des Schauspielers lenkten sie von diesem Gefühl ab.

"Das macht die Sache nicht besser, dass eine Frau sich gleich drei Guinness auf einmal bestellt", stichelte er belustigt.

Cat sah, wie ihrer Freundin die Kinnlade herunter fiel. Noch bevor sie wusste, was sie tat, hatte sie sich umgedreht.

"Ach? Aber wenn ein Mann sich dermaßen viel hinter die Binde kippt, dann wäre es in Ordnung?", fragte sie. Ärgerlicherweise stolperte ihr Herz beim Anblick des Mannes, der sie um einen Kopf überragte, als hätte sie sich besagte drei Guinness auf einmal einverleibt.

Sie konnte sehen, dass das charmante Lächeln für einen Moment verschwand. Anscheinend hatte der Herr nicht mit Widerworten gerechnet, doch dann grinste er wieder jungenhaft.

"War ich mal wieder politisch unkorrekt?", fragte er schuldbewusst. "Tut mir leid." Damit streckte er Emily seine Hand entgegen. "Hi, ich bin Ryan."

Cats Freundin stand immer noch der Mund offen, als sie dem Mann mit den wüsten, schwarzen Locken die Hand schüttelte. "Em-ily", antwortete sie stockend.

Gleich darauf fühlte auch Cat den warmen, festen Händedruck. Der Fremde hatte einfach ihre Hand ergriffen.

Im nächsten Moment zog sie überrascht die Augenbrauen nach oben, als ihr klar wurde, was sie gerade gehört hatte.

Ryan. Ryan?

Mit einem Stirnrunzeln schaute sie zu ihm auf. Doch, dieser Mann sah Jasper Bowen zum Verwechseln ähnlich, aber irgendwie auch nicht. Etwas war anders. Vielleicht lag es daran, dass er jetzt live und in Farbe vor ihr stand und nicht in Kleinformat hinter einer Glasscheibe steckte.

"Darf ich meine Verfehlung wieder gutmachen, indem ich euch tragen helfe?", fragte er und deutete auf die sechs Gläser.

Emily schien zwar nachhaltig verwirrt zu sein, nickte aber, während Cat sich schulterzuckend mit den ersten zwei Gläsern durch die Pub-Besucher kämpfte. Schauspieler hin oder her, er hatte Emily angegraben. Und auch wenn sie nicht prinzipiell neidisch auf die Flirt-Erfolge ihrer Freundinnen war, in diesem besonderen Fall gab es ihr einen Stich, nicht die erste Wahl zu sein.

Ein paar Augenblicke später saß sie neben Beth, der Braut in spe, auf der Bank, während Emily ihren Begleiter der Runde vorstellte.

Beth war von Haus aus nicht scheu und schüttelte dem grinsenden Ryan-Jasper die Hand. Im selben Atemzug hatte die quirlige Anwaltsgehilfin mit den braunen Naturlocken ihn eingeladen, sich zu setzen. Der stete Redefluss ihrer Freundin ging völlig an Cat vorbei, während sie immer noch versuchte diesen Dschungel aus Verwirrung und Ärger in ihrem Kopf zu lichten.

"…haben Emily und die Mädchen mich mit einer Reise nach Dublin überrascht. Und nächste Woche ist es dann so weit. Und du bist ganz allein hier? Ich dachte, Iren wären ein geselliges Volk." Mit dieser Frage an ihre neue Bekanntschaft holte Beth Cat zurück ins Hier und Jetzt. Auf die Antwort war sie gespannt.

"Nein, da muss ich dich leider enttäuschen. Mit mir habt ihr euch auch nur einen Landsmann eingefangen. Ich dachte, ich hätte mit Emily eine waschechte Irin aufs Korn genommen." Der angebliche Ryan zwinkerte der Blondine freundschaftlich zu und konzentrierte seine Aufmerksamkeit dann wieder auf Beth.

"Ich arbeite für eine Fluggesellschaft und habe hier nur einen Zwischenstopp. Gestern London-Dublin und morgen wieder zurück. Ich dachte, ich schau mir bei der Gelegenheit mal das älteste Pub Irlands an."

Cat konnte nicht verhindern, dass ihr ein leises Schnaufen entwischte, als sie diese Geschichte hörte. Was ihr einen fragenden Blick von Emily und Nora, der Jüngsten im Bunde, einbrachte. Der Höflichkeit halber tarnte sie diesen unvermuteten Ausbruch als ein Pusten, um ihr Stew abzukühlen.

Nicht, dass der ominöse Lockenkopf ihr unsympathisch war, aber Ryan, der Flugbegleiter? Wenn er gleich noch behauptet für Ryanair zu arbeiten, würde sie sich nicht beherrschen können.

Während der vermeintliche Ryan von seinem turbulenten Hinflug berichtete, nahm Cat sich die Freiheit, den "Flugbegleiter" genauer in Augenschein zu nehmen.

Unwillkürlich zuckte sie leicht zusammen, als der dunkelhaarige Mann über irgendetwas auflachte. Er ließ dabei in ziemlich Jasper-Bowen-ähnlicher Art und Weise die Spitze seiner Zunge zwischen den Zähnen sehen. Also das konnte doch kein Zufall sein, fuhr es ihr durch den Kopf. War es wirklich möglich, wie ein Schauspieler auszusehen und auch noch seine Eigenarten zu besitzen, ohne es wirklich zu sein?

Für einen Moment blitzte in ihrem Kopf die Frage auf, ob sie dem Fremden gegenüber nur so skeptisch eingestellt war, weil er Emily angesprochen hatte und nicht sie. Aber sie schob mit Vehemenz diesen Gedankengang beiseite. Sie war sonst nicht der eifersüchtige Typ, warum sollte es jetzt so sein?

Cat merkte es nicht, aber ihre ganze Aufmerksamkeit war auf den Fremden fixiert. Als er sich über die Stirn rieb, fiel ihr Blick auf eine Narbe, die seine linke Augenbraue in zwei akkurate Hälften teilte. Das war ihr bei Jasper Bowen allerdings nie aufgefallen. Und er war ihr im Fernsehen immer größer erschienen. Also noch größer als der Kerl vor ihr.

Gedankenverloren zerbröselte sie ein Stück von ihrem Guinnessbrot, bevor Beths laute Stimme sie aus ihren Gedanken riss: "Schön, dann sehen wir dich heute Abend im Gogartys."

Cats riss den Kopf nach oben und runzelte die Stirn. In ihrem Hirn ging es immer noch drunter und drüber. Die Tatsache, dass sie den Vielleicht-oder-auch-nicht-Jasper-Bowen heute Abend wiedertreffen würde, brachte nicht gerade Ordnung in ihr Gedankenchaos.

Der Grund für das Durcheinander in ihrem Kopf stützte sich gerade mit beiden Händen auf den Tisch. Er musterte ausgerechnet sie mit seinen braunen Augen. "Gerne, sofern alle Damen damit einverstanden sind", sagte er schließlich. "Ich habe mich vorhin ein bisschen unbeliebt bei Cat gemacht, fürchte ich."

Am liebsten hätte Cat sich selbst geohrfeigt. Sie zog zumindest in Erwägung, dass dieser Kerl ein schamloser Lügner war, und sie alle auf den Arm nahm, und bekam trotzdem Herzklopfen, wenn er ihr zuzwinkerte. Wann würden ihre Hormone endlich kapieren, dass sie eine erwachsene Frau und kein Teenager mehr war?

"Also? Was sagst du?", hakte der angebliche Flugbegleiter mit einem fragenden Lächeln nach und zog die Augenbrauen nach oben.

Cat hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was sie sagen sollte.

Du siehst aus wie ein gewisser Schauspieler und irgendwie glaube ich auch, dass du es bist, deswegen: Du hast einen Oscar für diese Aufführung hier verdient, aber ein Revival brauchen wir nicht.

Oder doch eher: Zufällig hast du die Optik des Mannes, den ich momentan für Groß-Britanniens attraktivsten Schauspieler halte, also scher dich heute Abend gefälligst in dieses Pub.

"Das ist ein freies Land", brachte sie schließlich heraus, ohne recht zu wissen, was sie sagte. "Bars haben ja normalerweise Sicherheitsmänner. Wenn du mir zu sehr auf die Nerven gehst, kann ich dich immer noch rausschmeißen lassen."

Cat war sich nicht sicher, woher dieser schlagfertige Kommentar kam. Für einen Moment herrschte Schweigen, bevor Emily in leises Lachen ausbrach. Schließlich zeichnete sich auch auf dem Gesicht des angeblichen Flugbegleiters ein vages Grinsen ab und er nickte.

"Ich verstehe das mal so, dass ich es noch nicht ganz versaut hab. Also Ladys, bis heute Abend." Damit verschwand ihre neue Bekanntschaft durch die Menschenmenge nach draußen und Cat lehnte sich mit einem frustrierten Stöhnen zurück. Sie hatte keine Ahnung, was sie von dieser Situation halten sollte.

Eine Stunde später

Kaum war die Tür ihres Zimmers in dem billigen Bed&Breakfast hinter ihnen zugefallen, lachte Emily auf: "Verrückt, aber ich habe dich ganz umsonst angespitzt. Ein Flugbegleiter! Dabei sah er dem Traum deiner schlaflos durchwachten Nächte so ähnlich." Ihre Freundin schien sich herrlich über den seltsamen Zufall zu amüsieren, aber Cat verdrehte die Augen.

"Er ist nicht der Traum meiner schlaflos durchwachten Nächte. Er ist ein guter Schauspieler, den ich zufällig attraktiv finde. Aber glaubst du einem wildfremden Kerl einfach so, was er dir erzählt?", fragte Cat, während sie den Reißverschluss an ihrer Reisetasche öffnete. In zwei Stunden wollten sie zusammen losziehen und den Temple Bar-Bezirk unsicher machen.

"Ryan sieht wie wer aus?", fragte Nora dazwischen, die das dritte Bett in ihrem Zimmer in Anspruch nahm. Doch ihre älteren Freundinnen ignorierten sie schlichtweg.

"Was?" Emily klang perplex und vergaß sogar, ihren zweiten Schuh von sich zu kicken. "Moment. Glaubst du ernsthaft, das wäre dieser Schauspieler, nur weil er ihm ähnlich sieht? Du warst dir doch am Anfang selbst nicht sicher, als du ihn gesehen hast."

"Welcher Schauspieler?", hakte Nora wieder nach und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie von einem zum anderen sah. Cat bedachte ihre Freundin nur mit einem kurzen Blick, bevor sie antwortete: "Einer aus dem Fernsehen." Dann wendete sie sich wieder Emily zu.

"Ja, nein, ach verdammt, keine Ahnung…" Cat klang ein wenig verzweifelt. "Mal ernsthaft: Ryan, der Flugbegleiter? Wahrscheinlich arbeitet er auch noch bei Ryanair oder was?" Sie konnte sich bei diesem absurden Treppenwitz ein Grinsen nicht verkneifen. Doch sowohl Emily als auch Nora schauten sie an, als hätte sie den Verstand verloren.

"Ich glaub, du spinnst", stellte die Jüngste unumwunden fest und begann ebenfalls in ihrer Reisetasche zu wühlen. "Dich kotzt es doch nur an, dass es nicht nach deinem Willen ging und wir nach Dublin geflogen sind. Willst du uns jetzt den Spaß damit verderben, dass du den armen Kerl blöd anmachst?"

Cat zuckte bei dieser direkten Aussage zurück, aber das war typisch Nora. Sie meinte es nicht böse, aber sie musste den Leuten immer alles auf den Kopf zusagen. Und meistens in einer Wortwahl, als ginge es um den dritten Weltkrieg und nicht um irgendeine alltägliche Banalität.

"Das stimmt nicht!", fuhr sie wütend auf. "Die Stadt ist gar nicht so übel, mir gefällt es hier wirklich. Aber darf ich mir nicht meine Gedanken machen, wenn uns ein völlig fremder Kerl anquatscht und sich als Ryan, der Flugbegleiter vorstellt? Ich hab ihn doch überhaupt nicht blöd angemacht."

"Du hast einmal zu oft in die Glotze geguckt und spinnst dir deine eigene Seifenoper zurecht", antwortete Nora gleichgültig. Sie zog eine Hotpants und eine mehr oder weniger durchsichtige Bluse aus ihrer Tasche.

"Nein, ich mache mir einfach ein paar Gedanken", hielt Cat dagegen, woraufhin ihre Freundin mit den brünetten Haaren lachte.

"Ja, welche, die du nicht mit handfesten Fakten untermauern kannst."

Cat wusste kaum, wie es zu diesem unnötigen Streit gekommen war, aber Nora schien von irgendetwas genervt zu sein und brauchte ein Ventil dafür. Nur blöderweise war sie da bei ihr genau an der falschen Adresse, da sie selbst des Öfteren überreagierte. Emily dagegen fühlte sich zur Streitschlichterin berufen und trat zwischen die beiden Frauen.

"Ihr werdet doch nicht ernsthaft wegen irgendeines Kerls streiten? Schauspieler hin oder her", fragte sie und sah Cat warnend an. Die senkte schuldbewusst den Kopf.

"Nein", murmelte sie, während Nora sich in dem kleinen Bad einschloss und von drinnen rief: "Woher denn? Cat und ich diskutieren nur lebhaft die Lage. Wenn so eine Langweilerin wie du nicht mit klaren Worten zurechtkommt, ist das deine Sache, Emi!"

Cat und ihre Freundin grinsten sich an. So direkt Nora auch sein mochte, sie nahm sich selbst nie zu ernst und war immer bereit einzulenken.

Mit einem leisen Stöhnen ließ sich Cat rückwärts auf ihr Bett fallen. Emily macht es sich neben ihr bequem.

"Sorry, ich wollte niemanden den Tag verderben, aber du musst zugeben, dass es schon ein seltsamer Zufall ist", sagte sie und ihre Freundin schaute sie zweifelnd an.

"Tja, es gibt doch viele solcher Doppelgänger. Warum sollte er uns anlügen?", hielt Emily dagegen. Sie war trotz ihrer esoterischen Anwandlungen mit Abstand die Verträglichste in ihrer kleinen Gruppe.

"Aber jetzt seien wir mal ehrlich: Was ist wahrscheinlicher? Dass ein aufstrebender Schauspiel-Star zufällig in genau dergleichen Kneipe rumhängt wie du, nur um Lügen über seine Identität zu erzählen? Noch dazu in einer Stadt, wo keiner von euch beiden wohnt. Oder eher, dass du auf dem Junggesellinnen-Abschied einer Freundin einen gutaussehenden Flugbegleiter zwischen seinen Reisen triffst, der eben Ähnlichkeit mit einem Schauspieler hat?"

Cat schielte leicht schuldbewusst zu ihrer Freundin hinauf. Was Emily sagte, war nicht ganz von der Hand zu weisen. Auch wenn sie niemand war, der sich gerne von den Meinungen anderer überzeugen ließ.

"Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sein Interesse sich auf eine ganz bestimmte Person in unserer Runde konzentriert hat. Du warst die Einzige, die er explizit gefragt hat, ob er heute Abend dabei sein darf."

Mit einem verblüfften Gesichtsausdruck richtete Cat sich wieder auf und schaute die ihre Freundin an. "Ja, weil ich ihn an der Theke so angefahren hab", sagte sie.

Emily wiegte bedächtig den Kopf. "Immerhin will er sich nicht ungefragt aufdrängen. Das zeugt doch von guter Erziehung."

Mit einem leisen Stöhnen ließ Cat sich wieder zurück auf ihr Kopfkissen fallen. "Sag mal, versuchst du mir den Kerl schon wieder anzupreisen?"

Ihre Freundin grinste inzwischen, als wäre sie einer dieser irischen Kobolde, der gerade einen Topf Gold am Ende des Regenbogens versteckt hatte. "Vielleicht… Ich weiß nicht. Irgendwie habe ich bei euch beiden so ein gewisses Gefühl."

Damit gab Cat es auf und erhob sich vom Bett, um ebenfalls die Kleiderwahl für heute Abend in Angriff zu nehmen. Mit Emily über ihre diffusen Vorahnungen diskutieren zu wollen, war ein sinnloses Unterfangen. Vor allem, da ihre Freundin schon mehr als einmal Recht gehabt hatte, wenn ihr prophetischer Sinn, wie sie es nannte, ihr etwas eingab.

Als Cat im Bad vor dem Spiegel stand, und versuchte sich einen Lidstrich zu ziehen ohne zu zittern, gewann ihre pragmatische Seite die Oberhand. Schauspieler hin oder her, sie würde ihren Freundinnen nicht den Abend verderben. Außerdem war es sowieso egal, was dieser Kerl für eine Show abzog und damit bezweckte. Sie würden ihn danach nicht wiedersehen. Von daher konnte sie genauso gut den Abend genießen und musste sich keine Gedanken um seine Identität machen.

Und wenn er am Ende doch nur ein stinknormaler Flugbegleiter war, fuhr sie sowieso besser damit, keinen Streit vom Zaun zu brechen. Zu erklären, dass sie ihn für einen Schauspieler gehalten hatte, konnte unter Umständen entweder einen gestörten oder einen peinlichen Eindruck machen.

Gegen 21 Uhr

Cats letzte Vorbehalte gegen Dublin als Ziel von Beths Junggesellinnen-Abschiedsreise verflüchtigten sich in dem Pub mit dem klangvollen Namen Oliver St. John Gogarty.

Nach der ersten Runde Guinness waren Emily und sie in der Sitzecke zurückgeblieben, um die Sachen zu bewachen, während der Rest ihrer Truppe die Tanzfläche stürmte. Und sobald die Musik aus den Lautsprechern von einer Live-Band abgelöst wurde, war Cat bereit zuzugeben, dass irische Folk-Musik durchaus etwas für sich hatte. In der richtigen Form natürlich. Ihr Fuß tappte im Takt einer rockigen Version von "Whisky in the Jar" auf den Boden. Damit fühlte sie sich sogar für die Abwesenheit ihrer geliebten Heavy Metall-Musik entschädigt.

Gerade als sie aufstehen wollte, um Emily und sich mit einer zweiten Runde Bier zu versorgen, kam die ihrem Vorhaben mit einem heftigen Rippenstoß zuvor.

"Mann, der kommt trotz deiner halben Abfuhr von vorhin", flüsterte Emily hektisch und gleich darauf verdunkelte ein Schatten ihren Tisch.

Cat konnte nichts dagegen tun, dass ihr für einen Moment die Luft wegblieb. Zum zweiten Mal an diesem Tag sah sie sich mit der Tatsache konfrontiert, dass Männer vom Kaliber Jasper Bowens keine Fantasiegestalten waren. Ein Exemplar stand sehr real in dunkler Jeans und weißem Hemd vor ihrem Tisch. Wer auch immer er nun war, auf jeden Fall konnte er in dieser Aufmachung bei ihr einen Atemstillstand provozieren.

"Ihr seid tatsächlich hier", stellte er überrascht, aber sichtlich erfreut fest. "Ich hatte fast damit gerechnet, dass ihr mir einen Bären aufgebunden habt, um mich loszuwerden."

Emily begrüßte den Neuankömmling mit einem freundschaftlichen Lächeln, als sie meinte, er solle nicht von sich auf andere schließen.

"Wieso bist du überhaupt hergekommen, wenn du uns für so wenig integer hältst, dass wir dich anlügen?" Trotz ihres Entschlusses den Abend zu genießen, waren Cats Zweifel natürlich nicht mit einem Mal beseitigt. Auch wenn ihr unter dem Tisch die Hände vor Aufregung zitterten, klang ihre kleine Spitze immerhin humorvoll genug, um Ryan zum Lächeln zu bringen.

"Die Hoffnung allein trug mich hierher", frotzelte er, bevor er mit einem Augenzwinkern fortfuhr: "Außerdem wollte ich herausfinden, ob du noch mehr schlagfertige Sprüche auf Lager hast, oder ob das heute Nachmittag ein Glückstreffer war."

Aus einem ihr unerfindlichen Grund musste Cat sich ein Lächeln verkneifen. Zumindest schien er nicht so ein Macho zu sein, wie sein Drei-Biergläser-eine-Frau-Spruch es hatte vermuten lassen. Ein loses Mundwerk schien ihn nicht abzuschrecken und er konnte durchaus mit einer Spitze umgehen.

"Da ich ein höflicher Mensch bin, passe ich mich immer dem Niveau meines Gesprächspartners an. Es liegt also ganz an dir", antwortete sie spitzbübisch. Langsam fing es Cat an Spaß zu machen, sich verbal mit diesem Mann zu duellieren.

Doch mehr als ein zufriedenes Grinsen konnte Ryan nicht äußern, denn gleich darauf wurde es lauter um die kleine Dreiergruppe. Jetzt gesellten sich auch Beth, Tamara, Christy und Nora wieder zu ihren Freundinnen. Nach einer lautstarken Begrüßung wurde es dementsprechend eng in der Sitzecke. Cat war nur zu froh eine Ausrede zu haben, um kurz verschwinden zu können. Sie musste dringend Ordnung in ihre Gedanken bringen, die dieser Kerl durch seine Anwesenheit wieder so effizient verwirrt hatte.

"Sortiert euch mal", sagte sie mit einem sprechenden Blick auf ihre Freundinnen, die sich versuchten samt Ryan wieder in die Sitzecke zu quetschen. "Ich gehe mir in der Zeit die Nase pudern."

Ihre Freundinnen reagierten nicht auf diese Ansage, lediglich der vermeintliche Ryan schaute überrascht auf. Mit einem spitzbübischen Grinsen streckte er seine langen Beine direkt in ihren Weg.

"Wozu denn? Ich kann dir sagen, dass noch alles sitzt. Sieht wunderbar aus", meinte er schließlich.

Ohne es zu wollen, musste Cat nun doch lächeln. Lügner hin oder her, aber wie dieser Ryan da entspannt auf der Bank lümmelte und sie angrinste, war es verdammt schwer, keine Herzrhythmusstörungen zu bekommen.

"Danke, Vertrauen ist ja gut, aber in dem Fall ist Kontrolle eindeutig besser", antwortete sie. Bevor er sie weiter aus dem Konzept bringen konnte, stieg Cat über seine Beine hinweg und drängte sich durch die Massen in Richtung Toilette.

Sobald sich die Tür hinter ihr schloss und sie der unangenehme Geruch nach abgestandener Luft und Billig-Toilettenreiniger einhüllte, ließ sie sich stöhnend gegen die Tür fallen. Was ihr überraschte Blicke aus der langen Schlange von Frauen einbrachte, die vor den Kabinen warteten.

Eigentlich hatte sie doch nur den Abend genießen und diesem Kerl keine Bedeutung beimessen wollen. Und was machte sie, nur weil er sie einmal charmant anlächelte? Sie stieg auf seine Flirtversuche ein wie eine bedürftige Nonne nach 30 Jahren Abstinenz!

Aber all ihren Zweifeln zum Trotz, kam sie nicht umhin zu bemerken, wie charmant Ryan sein konnte. Und nett. Er hatte Beth im "Brazen Head" überaus geduldig zugehört, als diese in Endlos-Schleife von ihrem Kleid und der Hochzeitsdeko berichtet hatte. Obwohl ihn das wahrscheinlich nicht wirklich interessierte. Er war auch nicht beleidigt, wenn sie eine der kleinen Sticheleien gewann.

Mit einem Schnaufen stieß Cat sich wieder von der Tür ab und warf einen Blick in den grell ausgeleuchteten Spiegel. Ok, Jasper-Ryan hatte recht gehabt. Da war nichts verschmiert und das Make-up saß immer noch.

Nach heute Abend würde sie diesen Kerl nicht wiedersehen und gegen einen kleinen Flirt, mit wem auch immer, war nichts einzuwenden. Sie sollte endlich aufhören zu denken und einfach den Abend genießen.

Zwei Minuten später stand Cat an dem kleinen Tisch, wo ihre Freundinnen lachten und Noten für die anwesenden Männer im Pub verteilten. Eine Diskussion, in die sich Ryan immer wieder mit unerwünschten Kommentaren einmischte.

Doch sobald er Cat bemerkt hatte, rutschte er beiseite, um ihr Platz zu machen.

"Na, hast du dich davon überzeugt, dass man mir vorbehaltlos vertrauen kann?", fragte er grinsen.

"Ich vertraue aus Prinzip keinen Leuten, die ich weniger als eine Stunde kenne", frotzelte Cat zurück und ließ sich neben Ryan nieder. "Aber für einen Mann scheinst du dich ziemlich gut mit Make-up auszukennen", fügte sie noch hinzu. Irgendwie konnte sie sich diese Spitze, die auf geschminkte Schauspieler abzielte, nicht verkneifen.

Für einen Moment schien die Stimmung ihres Gegenübers abzukühlen. Allerdings sah Ryan mehr beleidigt als ertappt aus, während er seinen Blick durch die Bar gleiten ließ und einen Schluck aus seinem Glas nahm. Doch seine gute Laune kehrte schnell zurück.

"Heutzutage kommt man da selbst als Mann nicht mehr drum herum. Fast jede Frau ist zwanghaft darauf aus schön zu sein. Du hast zwangsläufig einen Haufen Puderdosen und Make-up-Tuben und diese Dinger für die Wimpern in deinem Badezimmer rumzustehen, sobald du mit einer Frau zusammenwohnst."

Cat war überrascht. Trotz des heiteren Gesichtsausdrucks und des Funkelns in den dunklen Augen, die an 70-%-Kakao-Schokolade erinnerten, hatte Jasper-Ryans Stimme einen ernsten, fast leicht bedauernden Unterton.

"Zwanghaft würde ich das nicht nennen. Zumindest nicht bei allen. Ich sehe mich einfach lieber an, wenn ich ordentlich zurechtgemacht bin. Aber wenn man einen Mann fragt, wer gut aussehend ist, dann kommt garantiert so eine Plastikpuppe im blonden Model-Style ins Spiel. Ihr Männer müsst euch also gar nicht beschweren." Cat versuchte so locker wie möglich zu klingen, aber der Herr Flugbegleiter schien das Thema ernster zu nehmen als sie. Er drehte sich halb zu ihr und wendete den restlichen Mädels damit den Rücken zu, was sie zwei vom Rest der Gruppe abschirmte.

"Ach? Und du meinst, dass wir Männer unter keinem Druck stehen?" Das Funkeln in den dunklen Augen wurde eine Spur spitzbübischer. "Wenn man eine Frau nach ihrem Traummann fragt, dann muss er gut aussehend sein, Milliardär und sich am besten gleich noch in irgendwelchen abstrusen Sex-Praktiken auskennen."

Im ersten Moment war Cat von seinen offenen Worten irritiert, aber sie konnte nichts dagegen unternehmen, dass sie gleich darauf lachend herausprustete. Diese Art von Humor traf genau ihren Nerv. Doch sobald sie sich beruhigt hatte, beugte der vermeintliche Steward sich zu ihr herunter.

"Ganz ernsthaft, Cat? Ich bin kein Ken, von daher würde eine Barbie gar nicht zu mir passen. Make-up hin oder her, am Ende kommt es darauf an, was drunter ist. Das hab ich in meinem Job oft genug erlebt."

Aus irgendeinem Grund musste Cat bei diesen Worten heftig schlucken. Ryan war während ihres Gesprächs immer leiser geworden. Anscheinend wollte er die anderen nicht daran teilhaben lassen. Der unfreiwillige Hinweis auf seinen Job brachte sie jedoch umgehend auf den Boden der Tatsachen zurück.

"Als Flugbegleiter?", fragte sie hektisch. Doch Ryan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, um sie lächelnd zu mustern.

"Klar, was denkst du denn? In der Business oder First hast du immer den ein oder anderen Promi. Und ich sag dir: Es ist kein Spaß, wenn du einem von denen O-Saft auf das Designershirt kippst."

Diese Bemerkung rief natürlich den Rest der Junggesellinnen-Gruppe wieder auf den Plan. Nora verlangte vehement zu wissen, wem er schon O-Saft in den Ausschnitt geschüttet hätte.

Cat bekam nur die Hälfte der Geschichte um eine schwarzhaarige Hollywoodschönheit mit, die immer auf bodenständig machte, aber sobald die Kameras verschwunden waren, zu einer Furie reinsten Wassers mutierte. Mit einem Stirnrunzeln registrierte sie, dass der aufgedrehten Nora gerade ein zweites Martiniglas serviert wurde. Der hochprozentige Drink war dann auch schnell interessanter als die Starstorys ihrer neuen Bekanntschaft. Erst als ein bulliger Kerl mit zu viel Gel im Haar an ihrem Tisch stand, schaute die Jüngere wieder von ihrem Glas auf. Auf das Angebot zu tanzen ging Nora nur zu gern ein und machte sich kichernd davon.

Was Emily zu einem Seufzen animierte. "Sie hat doch schon wieder zu viel getrunken", bemerkte ihre Freundin und Cat runzelte die Stirn, während sie zustimmend nickte.

Die Blondine mit dem Hang zum Fantastischen hatte ja nichts gegen eine gute Feierei, aber in gewissen Dingen war sie der Moralapostel ihrer Truppe. In diesem Fall teilte Cat ihre Sorgen aber ausnahmsweise. Wenn jemand von ihnen stockbetrunken nach Hause gebracht werden musste, war es in 99,5% der Fälle Nora.

"Hey, Beth!" Mit erhobener Stimme zog Cat die Aufmerksamkeit der Braut in spe auf sich, die neben Nora gesessen hatte. "Wieso habt ihr der Kleinen nicht die Drinks weggenommen?", fragte sie und die Rechtsanwaltsgehilfin rollte mit den Augen.

"Wollte ich doch. Meinst du, ich hab Lust mir meinen Junggesellinnen-Abschied von ihr ruinieren zu lassen? Aber du weißt doch, wie sie ist. Sie ist ja ach so erwachsen und kann tun und lassen, was sie will."

Ihr Ärger und ihre Sorgen über die Unvernunft der Jüngsten waren Cat wohl nur allzu deutlich anzusehen. Es war Ryan, der sie wieder mit einem interessierten Blick musterte.

"Kleine Schnapsdrossel?", fragte er, aber der ernste Tonfall strafte die saloppe Formulierung Lügen.

"Nicht wirklich. Sie trinkt manchmal wochenlang nichts und hat keine Probleme die Finger vom Alkohol zu lassen. Aber wenn sie was trinkt, muss sie es immer übertreiben. Wie mit allem. Sie wird bestimmt mal die beste Event-Managerin in ihrer Agentur und arbeitet sehr hart dafür. Aber entweder ist sie 20 Stunden am Tag im Büro oder sie feiert drei Wochen hintereinander Überstunden ab und liegt dann die ganze Zeit im Pyjama auf der Couch. Sie findet irgendwie keine Balance in ihrem Leben."

Ryan hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf. "Daran merke ich immer, dass ich langsam alt werde. Früher war ich genauso, aber mit über 30 merke ich, dass ein gemäßigter Lebensstil mich mehr anzieht." Plötzlich zog er eine Grimasse und grinste gequält. "Ich hör mich schon an wie mein eigener Großvater, oder?"

Cat lächelte halbherzig zurück. Was Ryan anscheinend dazu bewog, wie zufällig einen Arm auf die Rückenlehne der Bank zu legen.

"Wir behalten sie einfach im Auge, dann kann nicht viel passieren", fügte er schließlich hinzu.

Diese offene Besorgnis um ein Mädchen, das er kaum kannte, war nicht gerade dazu angetan, das warme Gefühl in Cats Magengrube zu vertreiben. Und sie war anscheinend nicht die Einzige, die Ryans Besorgnis wahrnahm. Emily warf ihr einen auffordernden Blick zu, da sie anscheinend dachte, ihr Propheten-Gefühl hätte doch recht gehabt. Die restlichen drei Mädels erhoben sich jetzt demonstrativ und meinten, sie würden die Tanzfläche unsicher machen.

Für einen Moment sah Ryan zweifelnd zwischen den tanzenden Massen und ihrem Tisch hin und her, bis er sich mit einem schiefen Grinsen vorbeugte. "Was hältst du davon, wenn wir Nora von der Tanzfläche aus im Auge behalten? Da sind wir im Zweifelsfall auch näher dran."

"Geht nur, ich passe hier so lange auf unseren Kram auf", schaltete Emily sich begeistert ein, bevor Cat dazu kam zu registrieren, was gerade passierte.

"Klar, warum nicht?", antwortete sie überrumpelt. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte Ryan sie auf die Füße gezogen. Gleich darauf fand sie sich zwischen den tanzenden Menschen und in Ryans Armen wieder. Verwirrt von der plötzlichen Nähe legte sie wie ferngesteuert die Hände auf seine Schultern und schickte ein stilles Dankgebet für die Erfindung der High Heels gen Himmel. Ohne ihre 10 cm-Absätze hätte sie dem Flugbegleiter nur bis zum Kinn gereicht und es wäre schwierig geworden, sich so intensiv in die Augen zu schauen, wie sie es gerade taten.

Cat bekam nicht mal wirklich mit, zu welchem Lied sie tanzten. Lediglich die Wärme, die sich in ihrem Inneren ausbreitete, nahm sie noch wahr und Ryans dunkle Augen. Das Herzklopfen wurde immer heftiger, als ihr Tanzpartner mit einem zufriedenen Lächeln seine Stirn gegen ihre lehnte.

Cat konnte nichts dagegen tun, dass sich ihre Augen von selbst schlossen und sie begann, alles andere auszublenden. Ryan zog sie noch näher an sich heran. Gleich darauf strich sein warmer Atem über ihre Wange, ihre Lippen…

Doch diesem selbstvergessenen Zustand wurde unfreiwillig ein Ende gemacht. Ein heftiger Stoß in den Rücken ließ Cat nach vorne taumeln und provozierte einen unterdrückten Schmerzenslaut, als ihr Pfennigabsatz auf Ryans Fuß landete.

"Sorry…", stammelte sie und blinzelte irritiert. Für einen Moment hatte sie wirklich vergessen, wo sie war.

Eine quenglige Stimme erklärte gleich darauf, wie es zu diesem unsanften Zusammenstoß gekommen war.

"Ach du bissss dassss, Cat", lallte Nora hinter ihr und am liebsten hätte Cat sich geohrfeigt. Sie hatten doch ein Auge auf die Jüngere haben wollen!

"Gehn wir heim? Mir is so übel", jammerte Nora und hätte ihre Freundin ihr nicht so leidgetan, hätte Cat sicher genervt die Augen gerollt. Nach zwei Pints Guinness und mehreren hochprozentigen Drinks wäre ihr auch schlecht gewesen. Und das am Junggesellinnen-Abschied von Beth. Eigentlich sollte das deren großer Abend sein.

"Na komm, dann werde ich dich mal ins Hotel bringen", sagte sie mit einem entschuldigenden Blick zu Ryan und streckte die Hand nach der taumelnden Nora aus. Der hing aber immer noch ihr Türsteher-Begleiter am Zipfel ihrer viel zu kurzen Hotpants. Und der schien den Abend mit der brünetten Tanzmaus noch nicht beenden zu wollen.

"Hey! Jezz hab dich doch nicht so", nuschelte er und die undeutliche Aussprache zeugte davon, dass er alles andere als nüchtern war. Der Kerl besaß tatsächlich die Frechheit, Nora wieder an sich zu ziehen, obwohl die sich trotz ihrer wackligen Ausgangsposition gegen den Griff stemmte.

"Neeee, will nicht… Lasssss mich", weigerte sie sich mit zitternder Stimme und Cat hatte den Eindruck, dass ihre Freundin gleich anfangen würde zu heulen. Was wohl eher an Noras Übelkeit lag, als dass sie sich hier mitten im Pub wirklich bedroht fühlte. Doch wie der Kerl mit ihrer Freundin umsprang, passte Cat überhaupt nicht.

"Lass sie los, du Idiot!", fauchte sie und ballte die Hände zu Fäusten. Die Bulldogge mit der Elvistolle hatte dafür nur ein müdes Lachen übrig, aber das blieb ihm umgehend im Hals stecken, als Ryan das Kommando übernahm. Cat war überrascht, als ihr Tanzpartner sie einfach hinter sich schob. Der Flugbegleiter war vielleicht nicht so ein Muskelprotz wie sein Gegenüber, dafür überragte er den Elvis um einen halben Kopf. Und irgendwie hatte Cat das Gefühl, dass Ryan oder Jasper, wie auch immer, sich gut verteidigen konnte.

"Lass die Finger von ihr", hörte sie ihn knurren, während Ryan ihre Freundin an sich zog und an sie weiterreichte. Für einen Moment fuhr selbst Cat erschreckt zurück, als sie das angriffslustige Funkeln in seinen Augen sah.

Vorsichtig zog sie Nora an sich, die daraufhin gleich beide Arme um ihren Hals schlang. "Aschloch", nuschelte sie gegen Cats Schulter.

"Ey, willste Ärger?" Die Art und Weise wie der bullige Typ Ryan anfuhr, ließ allerdings vermuten, dass eher er auf selbigen aus war. Für einen Moment hatte Cat das ungute Gefühl, dass die Situation eskalieren würde, doch zu ihrer Beruhigung schob sich bereits ein muskelbepackter Sicherheitsmann durch die Menge. Dieser Zusammenstoß war offensichtlich nicht unbemerkt geblieben und das Barpersonal hatte den Laden gut im Griff, damit es zu keinen unschönen Szenen kam.

Cat hielt erschreckt die Luft an, als Ryan noch einen Schritt auf diese Klischeefigur zu machte und sich ein Stück zu ihm herunterbeugte. Das schien irgendein Tick von ihm zu sein, fuhr es ihr durch den Kopf.

"Such dir jemand auf Augenhöhe, sonst wird es schwierig. Zu deinem Niveau reiche ich leider nicht herunter. "

Cat konnte erkennen, dass Ryan alle Muskeln anspannte und sich zusammenriss, um es bei diesem Kommentar zu belassen. Doch als die Band einen neuen Song anspielte, war der Sicherheitsmann bereits bei ihnen und bugsierte den sich sträubenden Störenfried zum Ausgang hin.

Gleich darauf hatte Ryan sowohl ihr als auch Nora eine Hand auf den Rücken gelegt und schob sie durch die tanzende Menge. Nur um auf halben Weg auf Emily zu treffen, der der kleine Zusammenstoß nicht entgangen war.

"Alles ok mit euch?", fragte sie besorgt und Cat nickte. Ihr schlug das Herz immer noch bis zum Halse und das lag diesmal nicht an Ryans Gegenwart. Sie hätte keine Lust gehabt in so eine Alpha-Männchen-Kneipenschlägerei zu geraten, wo die Herren der Schöpfung ihre Kräfte messen mussten. Und Ryans finstere Art hatte es für einen Moment tatsächlich so wirken lassen, als hätte er gerne zugeschlagen.

"Vielleicht bringen wir Nora lieber raus an die Luft", schaltete der sich ein, sobald sie aus dem gröbsten Gewühl heraus waren. Cat konnte hören, dass seine Stimme immer noch gepresst klang.

"Jaaaaaa, Luuuft", nuschelte Nora dazwischen und Cat nickte. "Ja, gute Idee. Emi, kannst du unsere Sachen holen und rausbringen? Ich fahr dann mit Nora ins Hotel. Deswegen müssen wir ja nicht den anderen den Abend verderben."

Für einen Moment runzelte Emily die Stirn und ihr Blick huschte zwischen dem Flugbegleiter und Cat hin und her. "Klar, ich bin gleich draußen, aber ich kann genauso gut mit ihr fahren."

Damit wuselte sie davon, während Cat sich inzwischen auch leicht benommen fühlte von dem Hin und Her des Abends. Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln versuchte sie die Verwirrung zu vertreiben und schaute dann zu Ryan auf. Der hatte der torkelnden Nora jetzt ebenfalls einen Arm um die Mitte gelegt.

Ein paar Augenblicke später standen sie in einer kleinen Seitenstraße und halfen der völlig desorientierten Nora, sich auf einen niedrigen Fenstersims zu setzen.

Die kühle Nachtluft half auch Cat dabei den Kopf frei zu bekommen, während Nora sich vertrauensvoll und mit leicht verlaufenem Mascara-Spuren im Gesicht an sie kuschelte.

Cat strich sich ein paar Haarsträhnen aus den Augen und atmete tief durch. Die ganze Situation kam ihr so absurd vor. Erst glaubte ausgerechnet Emily Jasper Bowen zu erblicken, der vorgab ein Flugbegleiter zu sein und das Ganze endete fast in einer Kneipenschlägerei. Doch bei der Erinnerung an Ryans Schlagfertigkeit musste sie plötzlich lachen. Was ihrem Helden einen fragenden Blick entlockte.

Mit einem Schnaufen lehnte Cat sich zurück, bevor sie wieder das Wort ergriff.

"Tut mir leid, es war nur… Der Typ da drinnen…" Jetzt musste sie schon wieder lachen. Vielleicht waren die anderthalb Pint Guinness doch zu viel für sie gewesen. "Ich glaube, du hast ganz umsonst so viele Worte verschwendet. Der sah aus, als würde er Niveau für ein französisches Spargelgericht halten."

Ryan starrte sie verblüfft an und dann platzte auch er lachend heraus. Und zwar so heftig, bis er sich irgendwann vornüber beugen musste, um Luft zu bekommen.

"Gott, wahrscheinlich hast du Recht." Damit zückte er eine Packung Zigaretten. "Du hast so einen umwerfenden Humor, dass ich erst mal ne Zigarette brauche", sagte er augenzwinkernd, nur um Cat dann ebenfalls die Packung hinzuhalten. "Auch eine?"

Für einen Moment war sie versucht aus Geselligkeit zuzugreifen und um ihm nicht vor den Kopf zu stoßen, aber schließlich schüttelte sie den Kopf. "Nein, danke. Seit zwei Jahren clean und stolz drauf", antwortete sie ebenfalls mit einem Zwinkern. Augenblicklich zeichnete sich auf Ryans Miene ein beeindruckter Ausdruck ab.

Irgendwie gefiel es ihr, wenn dieser Kerl sie so ansah. Wenn er tatsächlich einfach nur Ryan wäre, der rein zufällig diesem Schauspieler ähnlich sah…

"Nich so laut", nuschelte Nora unvermutet dazwischen und rückte ihren Kopf bequemer auf Cats Schulter zurecht, während Ryan nur noch grinste und entspannt an seiner Kippe zog.

Ein paar Augenblicke später tauchte Emily mit Jacken und Handtaschen im Arm in der Seitenstraße auf. Gemeinschaftlich und unter einigen Verrenkungen schafften sie es schließlich auch Nora in ihren Trenchcoat zu bekommen, die sich lauthals über die rüde Behandlung beschwerte.

Ryan rief währenddessen ein Taxi und kurz darauf bugsierte der Flugbegleiter die Jüngste ins Auto, während Cat von Emily beiseite genommen wurde.

"Ich bring die Kleine ins Hotel, keine Sorge, aber der Kerl steht auf dich und den solltest du dir nicht entgehen lassen", flüsterte ihre Freundin ihr zu. Langsam wurde es für Cat zur Gewissheit, dass das Guinness inzwischen auch bei ihr eine gewisse Wirkung entfaltete. Sie konnte nicht mehr verhehlen, dass sie geschmeichelt von Ryan-Japsers Aufmerksamkeit war.

"Ich komme mir zwar reichlich kindisch vor, aber irgendwer muss ja hierbleiben und den anderen sagen, wo ihr seid", antwortete sie mit einem Augenzwinkern und Emily lachte auf.

"Gute Ausrede. Also bis später!" Damit verschwand sie im Taxi, nachdem sie Ryan-Jasper kurz zugewunken hatte.

Als der Wagen mit den beiden Frauen davonfuhr, wurde Cat unsicher. Die Seitenstraße war menschenleer und die Musik aus dem Pub nur äußerst gedämpft zu hören.

"Tut mir leid, dass wir dich da mit reingezogen haben", sagte sie schließlich zu ihrem Begleiter und nach einem Augenblick hängte sie an: "Und dass Emi ins Hotel gefahren ist." Eigentlich war spätestens seit seiner Tanzaufforderung klar, an wem er wirklich Interesse hatte. Dennoch hätte Cat zu gerne gewusst, warum er seine Meinung geändert hatte, nachdem er heute Nachmittag Emily angesprochen hatte und nicht sie.

Ryan nickte. "Schon ok. Es hätte mir mehr leidgetan, wenn du mit Nora ins Hotel gefahren wärst", antwortete er. Der Herr Flugbegleiter machte eine nervöse Bewegung mit dem Kopf, während Cat fragend die Augenbrauen nach oben zog.

"Ich dachte nur, weil du Emily vorhin…" Den Rest des Satzes sprach sie nicht aus und zugegeben, dieses Bild von einem Mann grinste jetzt etwas dümmlich.

"Äh ja, also…" Er atmete tief durch, bevor er fortfuhr. "Also nenn mich einen Feigling, aber ich war mir nicht sicher, ob du jemanden wie mich anschauen würdest. Ich hielt es für sicherer, erst mal bei deiner Freundin vorzufühlen. Und ich hatte ja nicht Unrecht. Allzu begeistert warst du heute Nachmittag nicht von mir." Er senkte betreten den Blick, nur um sie dann fragend mit einem Hundebaby-Blick anzuschauen.

Cat fühlte, dass sich ihr Lächeln zu einem Grinsen auswuchs. Im Moment interessierte es sie überhaupt nicht, ob dieser Kerl jetzt Ryan oder Jasper hieß. Es war einfach nett, mit ihm herumzualbern und sich näherzukommen.

"Feigling vielleicht, aber wenigstens kann man dir keinen Wankelmut vorwerfen", brachte sie kurzatmig heraus. Sie musste dringend das Thema wechseln, sonst würde sie irgendetwas Peinliches sagen oder tun. "Ähm, kann ich mich für deine Hilfe revanchieren?"

Diese Antwort schien Ryan seine Selbstsicherheit zurückzugeben und er lächelte spitzbübisch zurück. "An was hast du denn als Wiedergutmachung gedacht?"

Das Funkeln in den dunklen Augen machte Cat erst bewusst, wie zweideutig ihre Frage geklungen hatte. Bloß gut, dass sie nicht so leicht rot wurde, sonst sähe sie jetzt aus wie eine Fußgängerampel, die auf Stopp stand. Trotzdem ritt sie heute Abend der Teufel.

"Ein Blowjob in einer dunklen Seitengasse? Ist das nicht der Traum eines jeden Mannes?" Sie bemühte sich um einen verführerischen Blick und im ersten Moment schien es auch zu funktionieren. Ryan klappte die Kinnlade runter und er sah reichlich entgeistert aus. Damit hatte Mr. Cool wohl nicht gerechnet, stellte Cat befriedigt fest. Doch dieser Anblick kostete sie schließlich die Contenance und sie lachte laut auf.

Es dauerte einen Augenblick, bis der Flugbegleiter verstand, dass sie sich nur einen Scherz erlaubt hatte. Schließlich stimmte er in ihr Lachen mit ein. Offensichtlich nahm er es ihr nicht übel, dass sie ihn auf den Arm genommen hatte.

"Danke für das Angebot", antwortete er. "Aber mir würde es schon reichen, wenn wir unseren Tanz zu Ende bringen." Mit einer formvollendeten Verbeugung streckte er die Hand nach ihr aus.

Ohne nachzudenken ließ Cat sich wieder in seine Arme ziehen, während aus dem Pub eine irische Ballade zu ihnen herüberklang. Ryan zog sie so fest an sich, dass ihr Kopf an seiner Schulter lehnte und sie der Geruch von Tabak und Aftershave einhüllte. Ihr Tanzpartner führte sie so gekonnt, dass ihr nicht einmal das hucklige Pflaster der Seitenstraße zum Verhängnis wurde. Erst als die leise Musik verklang und dem Applaus der Pub-Gäste Platz machte, hob Cat wieder den Kopf.

Sie kam sich vor, als würde sie aus einem angenehmen Traum wieder aufwachen. Sie spürte, wie Ryan ihr eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn strich und wie in Zeitlupe schien er zu schlucken, nur um sich schließlich zu ihr herunterzubeugen.

Danach ging alles so schnell, dass Cat nicht einmal Zeit hatte, Herzklopfen zu bekommen. Sie spürte Ryans warme Lippen auf ihren und in dem Moment war auch das letzte Misstrauen vergessen.

Sanft strich seine Zunge über ihre Unterlippe und kaum, dass sie seinem Wunsch nachgegeben hatte, wurde sein Kuss um einiges fordernder. Mit einem leisen Seufzen gab sie dem Druck nach und ließ sich von Ryan in der schummrigen Gasse gegen die Fassade des Gogarty drücken. Seine Hände strichen sanft über ihre Seiten. Cat fühlte ein Kribbeln, das von ihrem ganzen Körper Besitz ergriff.

Unwillkürlich erwiderte sie den Kuss heftiger als geplant, als sie zaghaft über seinen Rücken strich und das Muskelspiel unter ihren Fingern fühlte. Ryan schien langsam aber sicher die Beherrschung zu verlieren, denn zwischen ihnen hätte jetzt kein Luftzug mehr hindurchgepasst. Sein Kuss wurde immer unbeherrschter und mit festem Griff umfasste er plötzlich ihren Oberschenkel. Gleich darauf hatte er ihr Bein an seine Hüfte gezogen.

Cat entwischte ein Keuchen, als Ryan sich gegen sie drängte und seine Lippen an ihrem Hals entlangwanderten. Immer heftiger wurde ihr Atem, während sie versuchte sich zusammenzureißen. Es musste ja nicht gleich der ganze Bezirk Zeuge von ihren nicht ganz jugendfreien Aktivitäten werden.

Auf ihrer Haut machte sich ein Kribbeln breit, als Ryan von ihr abließ und eine Hand an ihre Wange legte. Sein Atem, der immer noch nach dem torfigen Whisky schmeckte, strich über ihre Haut. Als sie sich in die Augen sahen, wurde ihnen wohl beiden bewusst, dass die Situation aus dem Ruder lief.

"Ich würde dich am liebsten…" Seine Stimme stockte. "Aber eine Lady wie du hat Besseres verdient."

Cat spürte, wie sich bei diesem altmodischen Gentlemantum ein Lächeln auf ihre Lippen schlich, das jedoch gleich darauf gefror. Vor ihrem inneren Auge zog plötzlich ein Bild von Jasper Bowen vorbei, der als oberster Ritter von Robert the Bruce in der Serie "For Scotland!" davon absah, seine Angebetete im Pferdestall zu nehmen.

---ENDE DER LESEPROBE---