Irish Players - Rugbyspieler küsst man nicht - L. H. Cosway - E-Book

Irish Players - Rugbyspieler küsst man nicht E-Book

L. H. Cosway

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Beschreibung

Um sein größtes Geheimnis geheim zu halten, muss er es teilen ...

Rugby-Superstar William Moore hat ein Geheimnis. Eine Angewohnheit, die er so schnell wie möglich ablegen sollte, wenn er seinen Ruf als Sunnyboy der irischen Nationalmannschaft behalten will. Doch die Versuchung ist groß und als er der Studentin Josey Kavanagh begegnet, scheint der Plan perfekt: Will finanziert Joseys Studium, wenn sie dafür bei ihm einzieht und ein Auge auf ihn hat. Ein verlockendes Angebot für Josey, die gerade ihre Wohnung verloren hat und nicht weiß, wie sie ihren Traum von einer eigenen Tierarztpraxis jemals verwirklichen soll. Doch kann William Josey wirklich sein Geheimnis anvertrauen, wenn er doch von der ersten Sekunde an spürt, dass all seine guten Vorsätze in ihrer Nähe gnadenlos zum Scheitern verurteilt sind?

"L. H. Cosway und Penny Reid ergänzen sich wie zwei Puzzlestücke! Sie sind das perfekte Autorenduo!" The Bookish Sisters

Band 4 der Bestseller-Reihe um Irlands heißestes Rugby-Team von L. H. Cosway und Penny Reid

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Seitenzahl: 474

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Inhalt

TitelZu diesem Buch1234567891011121314151617181920212223EpilogLeseprobeDie AutorinnenDie Romane von L. H. Cosway und Penny Reid bei LYXImpressum

L. H. COSWAYUND PENNY REID

Irish Players

Rugbyspieler küsst man nicht

Roman

Ins Deutsche übertragen von Cherokee Moon

Zu diesem Buch

Rugby-Superstar William Moore hat ein Geheimnis. Eine Angewohnheit, die er so schnell wie möglich ablegen sollte, wenn er seinen Ruf als Sunnyboy der irischen Nationalmannschaft behalten will. Doch die Versuchung ist groß und als er der Studentin Josey Kavanagh begegnet, scheint der Plan perfekt: Will finanziert Joseys Studium, wenn sie dafür bei ihm einzieht und ein Auge auf ihn hat. Ein verlockendes Angebot für Josey, die gerade ihre Wohnung verloren hat und nicht weiß, wie sie ihren Traum von einer eigenen Tierarztpraxis jemals verwirklichen soll. Doch kann William Josey wirklich sein Geheimnis anvertrauen, wenn er doch von der ersten Sekunde an spürt, dass all seine guten Vorsätze in ihrer Nähe gnadenlos zum Scheitern verurteilt sind?

1

@JoseyInHeels: Luxusprobleme: Wenn du den ganzen Tag an die Reste von gestern denkst, nach Hause kommst und deine Mutter sie schon zum Mittagessen verspeist hat L

@THEBryanLeech an @JoseyInHeels: Vielleicht … solltest du nicht mehr bei deiner Mutter wohnen?

JOSEY

»Wir müssen dir was sagen, Josey.«

Ich blickte von meinem Arbeitsheft auf. Meine Eltern standen in der Wohnzimmertür, Dad hatte die Hände vor dem Bauch gefaltet und trug seinen grün-rot-gestreiften Lieblingspulli. Die immer dünner werdenden grauen Haare standen ihm wild zu Berge.

Ich musste an das »alte vergessene Wort des Tages« denken. Im sechzehnten Jahrhundert hatte man Glatzköpfe als »geschälte Knoblauchzehen« bezeichnet, weil … nun ja … weil sie sich nun mal ähneln. Mein Vater und ich hatten beide eine Schwäche für englische Wörter, die heutzutage keiner mehr benutzt. Um unserer Leidenschaft Ehre zu erweisen, hatten wir vor ein paar Jahren das »alte vergessene Wort des Tages« eingeführt – und seither nannte ich ihn »geschälte Knoblauchzehe«.

Ich legte den Stift beiseite. »Oh, macht ihr endlich den Trip nach Machu Picchu? Ihr habt euch definitiv eine Auszeit verdient.«

»Nein, Liebes«, erwiderte Mam und warf Dad einen nervösen Blick zu. »Kein Trip. Um ehrlich zu sein, werden wir eine ganze Weile keinen Urlaub machen.«

Ich runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«

»Wir sind pleite«, brach es aus Dad hervor. Noch nie hatte ich ihn so peinlich berührt erlebt. Es versetzte mir einen Stich ins Herz.

»Pleite? Inwiefern?«

Keiner der beiden hatte einen »normalen« Beruf. Mein Vater schrieb Bücher übers Mittelalter, daher auch seine Begeisterung für alte Wörter, und meine Mutter gab Malkurse für ältere Leute. Allerdings hatten beide gut geerbt. Wir Kavanaghs hatten immer Geld gehabt, aber meine Eltern waren kein bisschen versnobt. Ganz im Gegenteil. Im Vergleich zu meinen anderen Verwandten lebten wir nahezu bescheiden. Wir schmissen nicht mit Geld um uns, deshalb ergab das Gerede meiner Eltern überhaupt keinen Sinn.

»Dein Vater und ich hatten uns entschieden, in Aktien zu investieren und, nun ja, die Firma ist bankrottgegangen. Wir haben alles verloren. Wir werden uns verkleinern müssen.«

Ich starrte sie an. »Ihr wollt das Haus verkaufen?«

»Die Preise steigen immer weiter, besonders hier in der Gegend. Von daher wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür«, warf Dad ein. »Wir könnten eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung kaufen und uns das restliche Geld gut einteilen, bis ich mit meinem nächsten Buch fertig bin.«

Jetzt war ich beruhigt. So schlimm war das alles gar nicht. Wir würden lediglich unser Haus gegen eine Wohnung eintauschen. Keine große Sache.

Ich atmete lange aus. »Okay, das ist nicht das Ende der Welt. Das Haus ist für drei Personen sowieso viel zu groß. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung ist doch gemütlich. Ich nehme auch das kleinere Zimmer.«

»Josey«, sagte Mam und wappnete sich sichtlich. »Du wirst nicht bei uns wohnen.«

Ich starrte sie an. »Wie meinst du das?«

»Schätzchen, du bist fast sechsundzwanzig«, sagte Dad. »Wir haben das Gefühl, es ist an der Zeit, dass du dir was Eigenes suchst.«

Mir kamen die Tränen. »Aber … aber … wir sind die furchtlosen Drei«, stotterte ich. »Wir halten zusammen. Immer.« Es war nur ein dummer Spruch, den wir früher oft gesagt hatten, aber ich liebte ihn noch immer. Es brach mir das Herz, dass sie mich loswerden wollten.

Mams Blick wurde ganz traurig. »Ja, und das werden wir auch weiterhin, aber du bist kein kleines Mädchen mehr, Josey. Und wenn du jetzt nicht lernst, auf eigenen Beinen zu stehen, dann wirst du es nie lernen.«

»Wir wollen nicht, dass du mit vierzig bereust, dein ganzes Leben mit uns alten Knackern verbracht zu haben«, sagte Dad. »Deine Mutter und ich haben darüber gesprochen, und wir glauben, dass es so am besten ist. Wir haben gemerkt, dass wir dich davon abhalten, dein eigenes Leben zu leben. Wir wollen, dass du das Leben genießt, solange du noch jung bist.«

»Aber das tu ich doch«, protestierte ich, aber insgeheim wusste ich, dass das eine Lüge war. Die Abende verbrachte ich meist fernsehend mit meinen Eltern, bevor ich gegen 21:15 Uhr ins Bett ging. Das war wahrscheinlich nicht das, was sich die meisten Mittzwanziger unter einem aufregenden Leben vorstellten, aber ich war zufrieden.

Oder etwa nicht?

Traurig runzelte ich die Stirn. Vielleicht kostete ich das Leben tatsächlich nicht voll aus … aber Schlaf ist schließlich der Schlüssel zu guter Gesundheit.

Dad räusperte sich. »Außerdem werden wir nächstes Semester deine Studiengebühren nicht bezahlen können.«

Schlagartig verwandelte sich meine Traurigkeit in Sorge, und ich sprang auf. Sie würden meine Studiengebühren nicht bezahlen? Das Tiermedizinstudium war alles, was ich hatte. Wenn sie mich nicht mehr unterstützten, wäre ich wieder komplett ziellos. Dazu durfte es auf keinen Fall kommen.

»Ich fasse es nicht«, schnaubte ich.

»Liebling, wir wissen ja nicht mal, ob du das Studium überhaupt durchziehst. Nicht, dass wir nächsten Monat Tausende Euro bezahlen, und dann willst du doch lieber Friseurin werden.«

Finster blickte ich sie an. Es verletzte mich, dass sie darauf rumritt, dass ich schon dreimal das Studienfach gewechselt hatte. Aber Tiermedizin war meine Berufung. Das wusste ich genau. »Na schön. Ich … ich werde es schon irgendwie schaffen. Und ihr habt mich endlich vom Hals.«

Ich schnappte mir mein Heft und stapfte aus dem Zimmer.

»Ach Josey, sei doch nicht so melodramatisch«, rief mir Mam hinterher. »Wir wollen nur das Beste für dich.«

Ich zog meinen Koffer aus dem Schrank und fing an, Klamotten hineinzustopfen. Mein Hund Rocky sprang aufs Bett, klaute sich ein Paar Socken und machte sich aus dem Staub. Leider hatte ich heute keine Zeit für Fangspielchen.

Als ich aufsah, standen meine Eltern grimmig dreinblickend im Türrahmen, beide die Arme vor der Brust verschränkt. Rocky kam mit dem Maul voller Socken zurück und sah mich an, als wolle er fragen: Warum jagst du mich nicht?

»Wir wollten damit nicht sagen, dass du jetzt sofort ausziehen musst«, sagte Dad.

»Nimm dir ein paar Wochen Zeit und such in Ruhe nach einer Wohnung«, fügte Mam hinzu. »Vielleicht kannst du dich im Studentenwohnheim bewerben.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ihr wollt, dass ich gehe, also gehe ich. Ich will nicht das dritte Rad am Wagen sein, wenn ihr euer Sexleben wiederaufleben lasst.«

»Josey!« Mam schnappte nach Luft, während Dads Mundwinkel amüsiert zuckten, was mich total irritierte.

»Wir kümmern uns um Rocky, bis du eine Wohnung gefunden hast«, sagte Dad, und ich blickte so finster drein wie noch nie.

»Oh, das hättet ihr wohl gern. Ich werde Rocky auf keinen Fall hierlassen. Er gehört mir. Ihr wollt ihn doch nur selbst behalten.«

»Wir wollen es dir lediglich so einfach wie möglich machen.«

»Einfach? Ja, genau. Ihr könnt mich vielleicht rausschmeißen, aber Rocky nehmt ihr mir nicht weg.« Energisch schloss ich den Reißverschluss des Koffers. »Den Rest hole ich morgen.«

»Wie geht es Ihnen heute, Miss?«, fragte mich der attraktive Spendensammler. Mit dem gigantischen Rollkoffer in der einen und dem Hundetransportkorb in der anderen Hand kämpfte ich mich völlig fertig die lebhafte, überfüllte Straße entlang.

Diese Spendensammler sahen immer auffällig gut aus, als wollten sie so einfach gestrickten Mädchen wie mir das Geld aus der Tasche ziehen. Eigentlich wimmelte ich sie immer ganz schnell ab und behauptete, ich hätte es eilig. Aber heute nicht. Heute wollte ich REDEN. Ich blieb stehen, stützte mich auf den Griff des Koffers und gab einen lauten Seufzer von mir. Mein Zwergpinscher Rocky saß gehorsam in seinem Transportkorb.

»Wissen Sie was? Mir geht es überhaupt nicht gut. Ich hatte einen schrecklichen Tag.«

Mitfühlend zog der Spendensammler die Stirn kraus. »Das tut mir sehr leid, aber wenn Sie kurz Zeit hätten, würde ich gern mit Ihnen über die notleidenden Kinder in …«

»Meine Eltern sind pleite und müssen das Haus verkaufen«, fuhr ich fort. »Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und übrigens noch immer wohne. Sie wissen es seit Monaten, und heute erfahre ich davon. Heute. Sie hätten es mir sofort erzählen müssen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, muss ich mein Veterinärstudium, das ich gerade erst begonnen habe, hinschmeißen, weil sie nicht länger meine Studiengebühren bezahlen können. Aber da es ein Privatcollege ist …«

»Das ist furchtbar«, unterbrach mich der Spendensammler. »Aber ich bin mir sicher, dass alles gut wird. Jetzt …«

»Nein, eben nicht. Das ist genau das Problem. Wissen Sie, wie hoch die Mieten in Dublin mittlerweile sind? Eine Wohnung wird mich monatlich fast zwei Riesen kosten, falls ich überhaupt eine bekomme. Haben Sie letzte Woche diese Doku über Immigranten gesehen, die dafür bezahlen müssen, um in irgendwelchen Baracken zu leben? Meine Güte, zehn Leute in einem Zimmer. Sie schlafen in Stockbetten, und es gibt nur ein Bad für dreißig Leute. Total unhygienisch. Oh mein Gott, meinen Sie, ich werde auch in so einer Baracke landen? Wahrscheinlich habe ich gar keine andere Wahl …«

»Na ja, könnte schlimmer sein. Wissen Sie, dass in Ostafrika fast sieben Millionen Kinder an Mangelernährung leiden? Darunter eine Million, die so unterernährt sind, dass sie das Jahr vielleicht nicht überleben werden?«

»Ja, aber ich brauche meine Privatsphäre. Ich bin nicht besonders wählerisch, aber ich brauche zumindest ein eigenes Zimmer. Ich könnte es mit einer WG probieren, aber was, wenn da irgendein Spinner lebt, der mir auf die Nerven geht? Das kann ich nicht gebrauchen. Oder eine, die die gleiche Frisur trägt wie ich, oder die gleiche Jacke, die ich mir bei Marks & Spencer im Sale gekauft habe. Nein, das kann ich nicht.«

»Miss, wenn ich ganz kurz …«

»Oder noch schlimmer: ein Serienkiller. Oder einer dieser Kannibalen, der einem die Genitalien abschneidet, sie mit Zwiebeln und Knoblauch anbrät und einem zum Abendessen serviert. Können Sie sich das vorstellen?« Ich lachte. »Allerdings sind meine Genitalien von Spinnweben übersät.«

»Ich glaube, ich gehe jetzt besser.« Der Spendensammler drehte sich um.

Mir wurde bewusst, wie egozentrisch ich mich gerade benahm, und griff ihn am Arm. »Warten Sie. Es tut mir leid. Ich erzähle die ganze Zeit von mir und habe noch gar nicht gefragt, wie Ihr Tag bisher war.«

»Mein Tag wäre um einiges besser, wenn ich mit Ihnen über die hungernden Kinder in Ostafrika sprechen könnte«, sagte er freundlich. Wie geduldig dieser Mann war.

»Stimmt. Richtig. Hungernde Kinder. Schießen Sie los.«

Zehn Minuten später hatte ich ein Formular unterschrieben und zugestimmt, ab jetzt monatlich fünf Euro für notleidende Kinder zu spenden. Ich war zwar pleite und obdachlos, aber sie brauchten das Geld dringender als ich. Nur ein Cafè Latte weniger bedeutete, dass vierzig Kinder zur Schule gehen und sauberes Wasser trinken konnten. Wie hätte ich da Nein sagen können?

Ich musste wieder an vorhin denken, als ich nach einem langen Vorlesungstag glücklich lächelnd nach Hause gekommen war und mich meine Eltern im Wohnzimmer überrumpelt hatten. Wie naiv ich die ganze Zeit gewesen war.

Ich beschloss, zu meiner besten Freundin Eilish zu fahren, und war den gesamten Weg über in Gedanken versunken. Zwar hatten wir vor einer Weile unsere Problemchen miteinander gehabt, aber jetzt war alles wieder in Ordnung. Sie hatte ein Gästezimmer, und ich wusste, dass sie nichts dagegen hatte, wenn ich ein paar Nächte bei ihr schlief. Nur so lange, bis ich eine Lösung gefunden hatte. Ihr Kleiner liebte Rocky, außerdem war mein Hund komplett stubenrein, ich konnte also sicher sein, dass er meinen Gastgebern keine unangenehmen Überraschungen hinterlassen würde.

Ich klingelte an der Tür, und kurz darauf begrüßte mich Eilish mit einem strahlenden Lächeln.

»Josey! Was für eine Überraschung.« Als sie den Koffer und den Transportkorb entdeckte, verschwand ihr Lächeln. Vielleicht war es doch keine gute Idee, mich bei ihr einzunisten.

»Hey, ähm, du hast bestimmt nichts dagegen, wenn Rocky und ich ein paar Nächte bei dir schlafen, oder?«

Ihr Stirnrunzeln verwandelte sich in einen besorgten Gesichtsausdruck. Sie führte mich hinein. »Nein, überhaupt nicht. Was ist denn passiert?«

»Das ist eine lange Geschichte.«

Eilish nickte. »Ich setze sofort den Teekessel auf.«

2

@FinleyIRE an @WillthebrickhouseMoore: Ich glaube, du hast mir heute beim Training die Nase gebrochen.

@SeanCassinova an @FinleyIRE und @WillthebrickhouseMoore: Ja, aber du lebst noch, oder?

WILL

Bryan sah mich an und atmete tief ein, als wollte er was sagen oder eine Frage stellen. Stattdessen atmete er wieder aus und schüttelte verwirrt den Kopf. Irgendwas schien ihn zu amüsieren.

Ich verstand seine Belustigung. Von außen betrachtet wirkte meine Situation bestimmt ziemlich komisch.

Es war das erste Mal, dass ich wegen etwas Negativem ins Büro gerufen wurde. Normalerweise wurde ich nur herbeordert, wenn die Öffentlichkeit mal wieder daran erinnert werden sollte, dass wir gute Jungs im Team hatten. Dann wurde ich in einen viel zu engen Anzug gesteckt und musste höflich lächelnd Hände schütteln. Aber mir passte sowieso nie ein Anzug. Sie waren alle zu eng.

Bryan machte ein Geräusch, das fast wie ein Lachen klang.

Ich kratzte mich am Kinn. »Sag’s einfach.«

Er lächelte achselzuckend. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin …« Wieder zuckte er lachend mit den Schultern. »Ich bin entsetzt.« Er hob die Hände, als würde er sich ergeben. »Ich geb’s zu. Von allen Typen, die ich kenne, hätte ich von dir am wenigstens erwartet, dass du …« Bryan schloss den Mund und starrte auf den Konferenztisch. Ich beobachtete, wie er schwer schluckte, und wartete darauf, dass er den Satz beendete.

Aber er tat es nicht. Also fügte ich hinzu: »Dass ich ein Perverser bin?« Ich hatte keine Angst, das Wort auszusprechen.

»Nein«, erwiderte er und grinste unangenehm berührt. »Kein Perverser.«

»Du hältst mich für einen Perversen.«

Er hörte auf zu lächeln, runzelte die Stirn und sah mich ernst an. »Will, du bist nicht pervers.«

Jetzt war ich derjenige, der mit den Schultern zuckte. »Ich weiß genau, was ich bin«, erwiderte ich trocken. Er hatte recht. Eigentlich wusste ich, dass ich nicht pervers war. Das musste mir keiner sagen, weder er noch sonst jemand. Trotzdem hatte ich mich früher selbst für pervers gehalten, besonders als Jugendlicher, als ich das erste Mal zugesehen hatte.

Bryan funkelte mich an, hatte aber keine Gelegenheit mehr, etwas zu sagen, da wir in diesem Moment von Ronan Fitzpatrick, unserem Mannschaftskapitän, und Brian O’Mahony, dem Cheftrainer, unterbrochen wurden. Ich hatte mehr Leute erwartet: Anwälte, jemanden aus der Personalabteilung, Leute aus dem Marketing und vielleicht auch vom Fernsehen.

Umgehend schlossen sie die Tür hinter sich und setzten sich mit grimmigem Gesichtsausdruck zu uns an den Tisch.

»Will. Bryan.« Ronan nickte uns zu und vermied es, mir direkt in die Augen zu sehen. Aber das hätte ich auch nicht von ihm erwartet. »Danke, dass ihr gekommen seid.«

»Um gleich zum Punkt zu kommen.« Der Coach lehnte sich zurück und starrte mich an. »Diese Sache hat uns in eine blöde Situation gebracht, Will. Wie vertraglich vereinbart, geht uns dein Privatleben eigentlich nichts an, außer wenn dein Handeln ein schlechtes Licht auf den Klub wirft, oder dein Image und deine Glaubwürdigkeit darunter leiden.«

Ich nickte, bereit, die Konsequenzen für meine Entscheidungen zu tragen. »Ich werde zurücktreten.«

Ronan und der Coach wechselten verwirrte Blicke, und Ronan fragte: »Zurücktreten? Du meinst, du willst das Team verlassen?«

Ich nickte erneut.

»Nein!« Jetzt sah mich Ronan direkt an. »Nein. Auf keinen Fall. Kommt überhaupt nicht infrage. Sean hört dieses Jahr auf, wir brauchen dich.«

Ich presste die Kiefer zusammen, und ein Anflug von Schuld brannte mir in der Speiseröhre. Er hatte recht. Sie brauchten mich. Was ich getan hatte, hatte Schande über das Team gebracht, und jetzt waren sie abhängig von mir. Das gefiel mir nicht.

Ich spürte den starrenden Blick des Coachs und sah ihn an. »Will, keiner will dich loswerden. Es ist verdammt merkwürdig, aber nicht das Ende deiner Karriere. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass einer aus dem Team ein Imageproblem hat.« Seine Augen wanderten zu Ronan und Bryan, dann zurück zu mir. Jetzt wirkte er nachdenklich. »Trotzdem. So einen Tumult habe ich noch nie erlebt. Sie wollen Blut sehen.«

Bryan schnaubte verächtlich. »So ein Bullshit. Was er gemacht hat, war nicht mal illegal. Warum machen die Paparazzi so eine große Sache draus? Ich habe früher viel schlimmere Dinge gemacht, und es hat keinen interessiert.«

Der Coach zögerte, also antwortete ich: »Weil es seltsam ist. Ich habe etwas Seltsames gemacht.«

Es war nicht illegal. Es war nicht unmoralisch. Aber es war in der Tat ungewöhnlich.

»Du bist bekanntermaßen eigenbrötlerisch, ruhig und bei Interviews sehr frostig«, sagte Ronan und verschränkte die Arme. »Du trinkst nicht, du hast keine Freundin, du gehst nie aus. Was die Medien angeht, hast du außerhalb des Rugby Clubs und deines Ehrenamts für die Dream Foundation kein Sozialleben. Du bist … nun ja … es lässt dich wirken, als wärst du ein einsamer Wolf mit Verhaltensauffälligkeiten.« Nachdem er Verhaltensauffälligkeiten ausgesprochen hatte, verzog er das Gesicht und sah Coach Brian an. »Ich habe mit Annie darüber gesprochen.«

Ronan meinte seine Frau, Annie Catrel. Sie war Medienberaterin für die Reichen und Schönen und hatte Ronan vor ein paar Jahren geholfen, sein Image wiederaufzubauen. Inzwischen war er im Team der Mann mit den meisten Deals, hatte Sponsorenverträge in Millionenhöhe.

»Was hat Annie noch gesagt?« Bryans Blick wanderte zwischen mir und Ronan hin und her.

»Sie meinte, wenn Will als Partylöwe bekannt wäre, als Lebemann, wenn er Affären hätte, dann würde sich niemand um seine, ähm, Neigungen scheren. Das große Problem ist, dass er so reserviert ist. Die Öffentlichkeit hat ein bestimmtes Bild von ihm. Fehltritte erwartet man von ihm nicht.« Ronan lächelte mir ermutigend zu. »Sie will dir helfen. Im Moment ist sie in New York, aber sie hat vorgeschlagen, heute eine Telefonkonferenz zu machen, sobald es dir passt.«

»Das ist eine gute Idee.« Der Coach nickte, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stand auf. »Ich habe einen Termin mit dem Vorstand. Sie erwarten Antworten und einen Plan für das weitere Vorgehen.«

»Soll ich mitkommen?«, fragte ich und stand ebenfalls auf, denn ich wollte nicht, dass er die Sache allein ausbaden musste. »Ich übernehme die volle Verantwortung. Ich werde alle Fragen selbst beantworten.«

Der Coach schenkte mir ein kleines Lächeln, das aufrichtiger wirkte, als ich erwartet hätte, und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Du bist ein guter Kerl, Will. Ich kläre das mit dem Vorstand. Ihr drei«, er sah Ronan und Bryan an, »ruft jetzt Annie an und überlegt euch einen Plan, während ich mich mit den hohen Tieren treffe.«

Der Coach verließ den Raum und zog energisch die Tür hinter sich zu, während Ronan sein Handy aus der Tasche zog und mir einen zuversichtlichen Blick zuwarf.

»Mach dir keine Sorgen, Kumpel«, sagte er. »Du schaffst das schon. Annie ist ein Genie.«

»Das wird schnell wieder vorbei sein, du wirst schon sehen. Keine große Sache«, fügte Bryan gähnend hinzu.

Ronan sah Bryan mit gehobenen Brauen an und führte das Handy ans Ohr. »Du hast schon beim Training die ganze Zeit gegähnt. Schon die ganzen letzten Tage. Und Eilish war auch ziemlich müde, als sie meine Schulter behandelt hat. Was ist los? Braucht ihr eine neue Matratze?«

Eilish war die Physiotherapeutin des Teams und Bryans Verlobte. Zusammen hatten sie einen kleinen Sohn namens Patrick.

Bryan schüttelte den Kopf, und sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich. »Nein. Es ist wegen einer Freundin von Eilish.«

»Eilishs Freundin ist der Grund, warum du nicht genug Schlaf bekommst?« Ronan grinste.

Bryan verdrehte die Augen. »Sie wohnt gerade bei uns und hat nachts um drei das ganze Haus aufgeweckt, weil sie dachte, sie hätte eine Spinne gesehen. Hat geschrien wie am Spieß. Die Nacht drauf hat ihr Hund angefangen zu bellen, sodass sogar die Nachbarn wach geworden sind. Und rate, was sie gemacht hat – Kekse gebacken und alle zum Tee eingeladen.« Er machte eine dramatische Pause und ließ den Blick zwischen uns hin und her wandern. »Um drei Uhr nachts! Diese Frau treibt mich in den Wahnsinn.« Er schüttelte den Kopf. »Zum Glück hat Patrick nichts davon mitbekommen. Er schläft wie ein Stein.«

»Wie lange bleibt sie bei euch?« Ronan nahm das Handy vom Ohr und drückte einen Knopf auf dem Display.

»Das ist ja das Schlimme. Davor hat sie bei ihren …«

»Hallo?«, ertönte Annies Stimme. »Ronan?«

»Hey Schatz. Ich bin’s. Bryan und Will sind auch da. Wir rufen an wegen …« Er atmete tief durch, zog die Stirn kraus und blinzelte ein paarmal. »Wir rufen wegen der Sache an, von der ich dir erzählt habe.«

»Ja, das habe ich mir schon gedacht.«

Im Laufe der letzten Jahre war ich Annie das eine oder andere Mal begegnet, meistens bei Klubveranstaltungen oder auf Partys, die Ronan fürs Team organsiert hatte. Sie war immer nett zu mir gewesen.

Jetzt klang sie distanziert, geschäftsmäßig. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass sie gerade als Geschäftsfrau auftrat, oder weil sie nun schlecht von mir dachte.

Wenn es so wäre, könnte ich es ihr nicht verübeln.

»Will, ich will, dass du weißt, dass das hier eine vorurteilsfreie Zone ist.« Ihr Ton wurde ein wenig weicher, als sie mich direkt ansprach. »Mein Job ist es, der Öffentlichkeit zu zeigen, wer du wirklich bist, nicht der Will, den die Medien kreiert haben.«

»Und was, wenn ich genau dieser Will bin?« Ich starrte auf meine Hände.

Annie wurde kurz ruhig, und Bryan murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.

Schließlich sagte sie: »Der schlimmste Teil der Geschichte ist heute Morgen zu uns durchgesickert. Spätestens nächste Woche wird es in den Zeitungen stehen. Man nennt dich einen Perversling. Angeblich sollst du Prostituierten auflauern und dafür bezahlen, sie beim Sex zu beobachten. Stimmt das?«

Meine Hand ballte sich zur Faust, Wut stieg in mir hoch, doch ich ließ mir nichts anmerken. Mit fester Stimme antwortete ich: »Ich habe noch nie eine Prostituierte für irgendwas bezahlt. Und ich würde nie jemandem auflauern. Ob ich ein Perverser bin …« Ich zwang mich, die Faust zu lockern. »Kommt drauf an, wen man fragt.«

Sie machte ein leises Geräusch, das beinahe mitfühlend klang. »Will, ich kenne dich. Ich weiß, dass sie dich total falsch darstellen. Es würde helfen, wenn du mir die Situation erklären würdest … falls du dich dazu bereit fühlst. Wer sind die Gallaghers?«

»Ein Ehepaar. Ich habe sie über eine Internetseite kennengelernt. Ich habe sie das eine oder andere Mal beobachtet, als sie … als sie miteinander intim waren.« Ich schämte mich nicht dafür. Als ich jedoch sah, wie unangenehm es Bryan und Ronan war, war es mir ihretwegen peinlich.

»Okay. Wie lange läuft das schon?« Annie klang nicht peinlich berührt. Sie blieb professionell.

»Seit zwei Monaten.«

»Und hast du sie jemals dafür bezahlt?«

»Nein. Es beruht auf gegenseitigem Einvernehmen. Sie mögen es, wenn man sie dabei beobachtet, also haben wir alle was davon. Aber vor den Gallaghers gab es noch ein anderes Paar. Die O’Farrells. Die habe ich auch nicht bezahlt. Ich habe noch nie jemanden dafür bezahlt.«

»Du hast ihnen kein Geld gegeben? Aber du hast ihnen zugesehen?«, hakte Annie nach.

»Ganz genau. Die O’Farrells kamen auf mich zu. Sie wollten, dass ich sie dabei beobachte. Sie wollten mich sogar dafür bezahlen, aber das habe ich abgelehnt.« Ich sah Ronan an, der mich neugierig musterte. »Diese Vereinbarung war für uns alle in Ordnung.«

Annie machte eine Pause, fragte dann: »Und wie lange lief das mit den beiden?«

Ich zögerte, antwortete dann mit fester Stimme: »Drei Jahre.«

»Drei Jahre«, wiederholte Annie überrascht. »Du und dieses andere Paar … die O’Farrells … du hast sie drei Jahre lang beim Sex beobachtet?«

»Ja.« Ich sah Bryan an. Er hatte die Hand vor den Mund geschlagen und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich wich seinem Blick nicht aus. Ich schämte mich nicht. Ich würde jedem trotzen, der das, was wir getan hatten, als ausbeuterisch oder beschämend bezeichnete. Wir waren alle erwachsene Menschen. Sie waren verheiratet. Sie genossen es, beim Sex beobachtet zu werden. Ich genoss es, ihnen dabei zuzusehen.

Annie räusperte sich, und wieder wurde ihr Ton geschäftsmäßig. »Wo habt ihr euch getroffen? Wo hat das stattgefunden?«

»In meiner Wohnung.«

Bryans Augenbrauen schnellten nach oben, wahrscheinlich weil er mein Mitbewohner gewesen war, bevor er mit Eilish zusammenkam.

»Was ist dann passiert? Warum habt ihr aufgehört, euch zu treffen?«, wollte Annie wissen.

»Die O’Farrells sind nach Galway gezogen.«

»Moment, ich hätte eine Frage«, grätschte Bryan dazwischen und sah mich ungläubig an. »Warum hast du dich überhaupt darauf eingelassen? Auf die O’Farrells? Warum hast du es überhaupt in Erwägung gezogen?«

Ich blickte meinem Teamkollegen direkt in die Augen und wog meine Antwort ab. Soll ich es ihnen sagen? Was das anging, war ich auf meine Vergangenheit nicht besonders stolz.

»Das hier ist ein geschützter Raum, Will«, sagte Annie sanft. »Jede Information, die du mir geben kannst, ist hilfreich.«

»Ich hab’s schon mal gemacht«, brach es aus mir hervor und ich starrte auf meine Hände. »Als ich fünfzehn war.«

Schweigen erfüllte den Raum, und ich hörte, wie Ronan sich leise räusperte.

»Was ist passiert?«, bohrte Annie nach.

Ich rieb mir die Stirn. »Wir hatten …« Ich schüttelte den Kopf, konnte nicht fassen, dass das gerade wirklich passierte. Dass ich es ihnen tatsächlich erzählen würde. »In der Gegend, in der ich früher gelebt habe, fand ein Festival statt.«

»In Oklahoma?« Am anderen Ende der Leitung tippte Annie auf der Tastatur herum und klickte mit der Maus.

»Genau. Ich saß mit einem Freund, Carlos, in einer Scheune, und wir haben Tequila getrunken. Irgendwann kam ein Paar rein …« Muss ich wirklich weitererzählen? »Jedenfalls konnte ich sie gar nicht richtig sehen. Ich habe keine Ahnung, wer die beiden waren, aber ich habe genug gesehen und gehört. Und es gefiel mir.«

»Das ist irgendwie heiß«, murmelte Bryan, und sowohl ich als auch Ronan warfen ihm einen Blick zu.

»Was denn?« Bryan hob die Hände. »Stimmt doch. Kein Grund, sich deswegen schlecht zu fühlen, Kumpel. Ich kenne keinen fünfzehnjährigen Kerl, der es anders gemacht hätte.«

»Warum kennst du denn fünfzehnjährige Jungs?«, neckte Ronan.

»Fick dich.« Bryan verdrehte die Augen. »Du weißt genau, was ich meine.«

»Okay. Das hilft auf jeden Fall weiter, Will. Nun wieder zurück zu den O’Farrells.« Annie war wieder voll und ganz Geschäftsfrau. »Nachdem sie weggezogen sind, hast du nach einem anderen Paar Ausschau gehalten? Und dann hast du die Gallaghers gefunden?«

Ich hatte das Gefühl, dass sie sich nebenher Notizen machte. »Nicht sofort. Ich hatte nicht vor, ein anderes Paar kennenzulernen. Eigentlich wollte ich einfach damit aufhören. Und dann bin ich mit Bryan zusammengezogen. Danach konnte ich sowieso nicht mehr allzu viel darüber nachdenken. Nachdem er jedoch mit Eilish und Patrick zusammengezogen ist, habe ich angefangen, nach einem neuen Paar zu suchen.«

Bryan machte ein besorgtes Geräusch und flüsterte: »Himmelherrgott. Ich hatte ja keine Ahnung.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist keine große Sache.«

»Hast du dich einsam gefühlt? Ich würde das total verstehen.« Bryans sonst so unbekümmerte Miene spiegelte jetzt echte Sorge wider.

»Ich verstehe es nicht«, warf Ronan ein. »Darauf stehst du also? Du beobachtest gern andere beim Sex? Warum ziehst du dir dann nicht einfach einen Porno rein?«

Ich schüttelte den Kopf. »Die Pornoindustrie macht Menschen zu Objekten und nutzt emotional instabile und benachteiligte Leute aus. Es ist eine ausbeuterische Industrie, die ich nicht unterstützen will.«

Ronan blinzelte mich an, als hätte ich ihm Wasser ins Gesicht gespritzt. »Du … du guckst gar keine Pornos? Nie?«

»Nie«, erwiderte ich bestimmt.

Argwöhnisch musterte er mich. »Bist du … bist du etwa noch Jungfrau?«

»Ronan«, ging Annie dazwischen, »das geht dich überhaupt nichts an.«

Ich antwortete trotzdem. »Nein, ich bin keine Jungfrau.« Ich spürte, wie mir Magensäure die Speiseröhre hochstieg, aber ich ließ mir nichts anmerken und wich Bryans Blick aus. Ich hatte ihm einiges über mich erzählt, er wusste viel über meine Vergangenheit, aber eben nicht alles.

»Du hast also nicht gern Sex?«, fragte Ronan neugierig. »Du siehst nur anderen dabei zu?«

»Vielleicht hat er schlechte Erfahrungen gemacht und mag jetzt keine Frauen mehr«, sagte Bryan lässig, aber es steckte ein Funke Wahrheit darin. Ich sah ihn böse an.

»Bryan Leech!«, mahnte Annie in strengem Ton. »Lass William in Ruhe.«

»Schon okay.« Ich sah Bryan direkt in die Augen. »Es macht mir nichts aus. Aber bevor ich auf die Äußerung eingehe, hätte ich noch eine Frage: Mit wie vielen Frauen hast du schon geschlafen, Bryan?«

Kaum merklich zuckte Bryan zusammen. Er antwortete nicht.

»Und – falls du dich überhaupt noch an alle erinnern kannst – ist es nicht so, dass du ihnen immer was vorgemacht hast? Du hast nicht zufällig deinen Bekanntheitsgrad dafür genutzt, die Mädchen auszunutzen? Dir genommen, was du wolltest, ohne einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden?«

Mein Kumpel senkte beschämt den Blick.

»Ja, ich habe gern Sex, aber ich würde niemanden dafür anlügen.«

Bryan murmelte etwas wie: »Ich habe gar nicht gelogen«, starrte aber weiter auf die Tischplatte.

»Wie sieht’s mit Beziehungen aus? Einer Partnerin?« Ronan sah immer noch verwirrt aus und klang auch so. »Irgendwas Festes.«

Ich zögerte. Ich hatte von einer Beziehung zwar genaue Vorstellungen, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen.

Schließlich entschied ich mich für: »Ich habe ab und zu Dates.«

»Und …?«, bohrte Ronan nach.

»Ich schlafe erst mit jemandem, wenn es ernster wird. Und es wurde schon lange nicht mehr ernster. Wie gesagt, ich würde niemals eine Frau für Sex ausnutzen.«

»Aber du musst doch niemandem was vormachen, und du musst auch nicht lügen.«

Dieser Einwurf kam von Annie. »Das klingt, als wären alle Frauen rehäugige Milchmädchen, die sich von bösen Männern ausnutzen lassen. Es gibt genug Frauen, für die ein loses Techtelmechtel vollkommen in Ordnung ist. Keine Sorge, wir wissen schon, was wir wollen.«

»Genau«, Ronan zeigte auf das Handy, »hört auf Annie. Da draußen gibt es jede Menge Typen, die mit Frauen einvernehmlichen Spaß haben. Würden Frauen Sex aus Spaß an der Freude grundsätzlich ablehnen, dann gäbe es so was gar nicht.«

Ich schüttelte den Kopf. Dieses Gespräch hatte ich schon unzählige Male mit mir selbst geführt und war – basierend auf meinen bisherigen Erfahrungen – immer zum selben Schluss gekommen: Bereitwillige, verheiratete Paare beim Sex zu beobachten, richtete am wenigsten Schaden an, und das Risiko, enttäuscht zu werden, wurde so gering wie möglich gehalten.

»Wir sind aber nicht wie andere Typen, Ronan«, argumentierte ich. »Und das weißt du genau. Wir sind berühmte Sportler. Da lässt sich ein gewisses Ungleichgewicht der Machtverhältnisse gar nicht vermeiden. Wir tragen Verantwortung. Das ist kein Freifahrtschein.«

»Da stimme ich Will zu«, sagte Bryan unerwartet und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Sein Gesichtsausdruck war aufrichtig.

»Das kann doch nicht dein Ernst sein.« Ronan funkelte ihn böse an.

»Doch, das ist mein Ernst. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich nicht so viele Menschen verletzt …« Seine Augen wurden trüb, und er schien sich an etwas zu erinnern, auf das er nicht besonders stolz war.

»Wir kommen vom Thema ab«, seufzte Annie, und ich hörte, wie sie am Computer tippte. »Will hat zwar ein Frauenbild, dem ich grundsätzlich widerspreche, aber …«

»Es geht doch nicht um ein bestimmtes Frauenbild«, versuchte ich zu erklären. »Es geht um …«

»Egal, darum geht es hier nicht.« Sie klang gereizt, überspielte es jedoch schnell und fuhr fort: »Es geht um dein Image. Darum, wie wir jetzt weitermachen, um weitere Fehltritte zu vermeiden. Ich muss dich das jetzt fragen, Will. Du hast vorhin gesagt, dass du nicht mehr so oft daran gedacht hast, als du einen Mitbewohner hattest. Dass es dich davon abgehalten hat, wieder ein Paar kennenzulernen. Meinst du, es wäre besser, wenn du wieder mit jemandem zusammenwohnen würdest? Damit du dich nicht weiterhin mit den Gallaghers oder anderen Paaren triffst?«

Ich dachte kurz nach, am liebsten hätte ich mit einem klaren Nein geantwortet. Ich hatte nicht vor, mich noch mal mit den Gallaghers zu treffen. Sie hatten die Regeln gebrochen.

Außerdem war ich kein kleines Kind. Ich brauchte keinen Babysitter. Doch dann unterdrückte ich den Impuls und zwang mich, mir selbst einzugestehen, dass die Dinge in letzter Zeit außer Kontrolle geraten waren. Ich hatte gedacht, die Gallaghers und ich wären uns einig, doch da hatte ich wohl falsch gelegen. Aideen Gallagher hatte meine Grenzen nicht respektiert. Ich hätte mich nie auf die beiden einlassen sollen.

Würde ich noch mit Bryan zusammenwohnen, wäre das wahrscheinlich nie passiert.

Die Wahrheit war jedoch, dass ich selbst jetzt den Drang verspürte, mir ein neues Paar zu suchen. Seit ich die Sache mit Aideen und Kean Gallagher abgeblasen hatte, kämpfte ich jeden Tag gegen meine Neigung an. Den O’Farrells und den Gallaghers zuzusehen, hatte etwas in mir geweckt – oder wiedererweckt –, das ich nicht länger ignorieren konnte.

Ich mochte es, anderen dabei zuzusehen.

Es wäre so leicht gewesen, übers Internet ein neues Paar kennenzulernen. Ich wollte es. Es war für mich mehr als nur ein Ventil für meine sexuellen Vorlieben.

Doch Voyeurismus war für mich ab jetzt tabu. Ich durfte keine Schande über das Team bringen. Ich wusste, würde ich mit jemandem zusammenwohnen, der mir half, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren, würde ich mich nicht auf die Suche nach einem neuen Paar machen.

Ich würde damit aufhören. Ein Babysitter … Ich verzog das Gesicht.

»Es kann auch nur vorrübergehend sein«, schlug Annie vor. »Nur so lange, bis wir die Situation unter Kontrolle gebracht haben. Vielleicht ein Lebensberater, jemand, der nach dir sieht, sich mit dir beschäftigt und dafür sorgt, dass du dich an einen Plan hältst.«

»Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten«, sagte Bryan, und ich sah ihn an.

Bevor ich drüber nachdenken konnte, erwiderte ich: »Ich schäme mich nicht.«

»Wir werden einen Mitbewohner für ihn finden.« Ronan sagte es, als wäre es beschlossene Sache, und rieb sich das Gesicht. »Und der Rest? Was machen wir damit? Laut Annie wird die Schlagzeile nächste Woche Der perverse Flügelstürmer lauten.«

»Ich habe da ein paar Ideen.« Annie hörte auf zu tippen. »Ich würde gern die Prostituierte finden, die mit der Story an die Öffentlichkeit gegangen ist. Wenn Will die Wahrheit sagt, dann ist ihre Geschichte gelogen. Vielleicht können wir sie überzeugen, ihre Aussage zurückzuziehen und …«

»Nein, das will ich nicht«, unterbrach ich sie entschlossen. Ich wollte das alles hinter mir lassen. Ich wollte nicht, dass man nach ihr suchte. Das würde die Folter nur verlängern. Mein Image war eh schon beschädigt, ein Widerruf würde daran nichts ändern.

»Aber das könnte uns in dieser Sache wirklich weiterhelfen«, argumentierte Annie.

»Ich habe Nein gesagt«, erwiderte ich standhaft.

Es folgte ein seltsamer Moment der Stille, bevor Annie wieder das Wort ergriff. »Okay, machen wir weiter. Am besten lässt sich ein Image aufpolieren, indem man sich mit glaubwürdigen Personen umgibt. Will, was hältst du davon, wenn du mit ein paar Supermodels, Sängerinnen oder Schauspielerinnen ausgehen würdest?«

Ich verzog das Gesicht. »Ich werde auf keinen Fall lügen.«

Ronan schnaubte. »Wovon redest du da?«

»Ich werde nicht versuchen, jemand zu sein, der ich nicht bin.«

Ungläubig starrte mich Ronan an. »Du willst mir weismachen, dass du keine Supermodels daten willst?«

»Nein.« Sie wollen mich nicht daten. »Ich hatte schon Dates mit der einen oder anderen Prominenten. Es hat nie funktioniert.« Ich war einfach niemand, den sich ein Model, eine Musikerin oder eine Schauspielerin als Langzeitpartner vorstellen konnte, das hatten meine bisherigen Erfahrungen deutlich gezeigt.

»Dann ist es doch keine Lüge, wenn du dich schon mit Promis verabredet hast.« Ronans Stimme klang abgehackt, als würde er langsam die Geduld verlieren. »Du sollst sie doch nur zum Essen ausführen.«

Trotzdem wäre es eine Lüge. Es wäre unehrlich, denn ich wollte niemanden daten, mit dem ich mir keine Beziehung vorstellen konnte. Und umgekehrt genauso. Ich wollte niemanden dafür benutzen, mein beflecktes Image reinzuwaschen. Es war einfach nicht richtig.

»Ronan, ich kann das nicht. Ich …«

Der Teamkapitän hob die Hand und schnitt mir das Wort ab. »Verdammte Scheiße, William. Hörst du dich eigentlich selbst reden? Du wirst dich mit Supermodels verabreden! Punkt!«

3

@JoseyInHeels: Ich schwitze nur an den Füßen. Wie ein Hund. #InteressantesÜberJosey

@ECassChoosesPikachu an @JoseyInHeels: Das ist heiß! #AchtungWortwitz

@JoseyInHeels an @ECassChoosesPikachu: Wenigstens muss ich mir keine Gedanken über Schweißflecken unter den Armen machen #AuchHeiß

JOSEY

»Ich habe eine echt stressige Woche hinter mir. Das kann ich euch sagen.« Seufzend setzte ich mich zu Eilish und Bryan an den Esstisch.

Patrick saß am anderen Tischende und verfütterte unauffällig seine Erbsen an Rocky.

»Du bist bestimmt müde«, kommentierte Bryan trocken.

Sein Sarkasmus war mehr als deutlich, was wohl daran lag, dass ich ihn diese Woche schon mehrmals geweckt hatte. Aber was konnte ich dafür, wenn eine handtellergroße Spinne an der Zimmerdecke hing? Die Nacht drauf hatte Rocky angefangen zu bellen, weil die Nachbarn staubgesaugt hatten. Keine Ahnung, warum sie ihren Hausputz unbedingt nachts um drei erledigen mussten. Und dann war da auch noch der große Spiegel, den Eilish direkt neben dem Treppenabsatz aufgestellt hatte. Ich wollte mir gestern Nacht nur ein Glas Wasser holen und hatte den Schreck meines Lebens bekommen, als plötzlich eine Frau vor mir stand. Ich schrie aus vollem Hals – wie jeder andere normale Mensch auch. Und ja, ich geb’s zu, es war mein eigenes Spiegelbild, aber woher hätte ich das bitte wissen sollen?

Jedenfalls hatte Bryans Gastfreundschaft rapide abgenommen. Nicht dass er jemals wirklich gastfreundlich gewesen wäre. Mir war klar, dass er mich nicht sonderlich mochte, und ich konnte es ihm nicht verübeln. In Gegenwart von attraktiven Männern war ich eine furchtbare Quasseltante.

Okay, sorry. Das ist so nicht ganz richtig. Ich quasselte generell zu viel, wenn ich jemanden nicht kannte, egal, ob attraktiv oder nicht. Jedes Mal schaffte ich es, irgendwas zu sagen, das den anderen unangenehm war. Das war meine persönliche Superkraft.

Bryan kannte ich schon fast ein Jahr, und ich gewöhnte mich erst jetzt langsam daran, in seiner Gegenwart normal zu sprechen.

Ich räusperte mich und warf Eilish einen Blick zu. »Ich habe den ganzen Morgen nach Wohnungen gesucht und mich online auf einen Haufen Jobs beworben. Drück mir also die Daumen, dass mich jemand zum Vorstellungsgespräch einlädt.«

»Ganz sicher«, bestärkte sie mich.

»Wie schlägst du dich denn bei Vorstellungsgesprächen?«, fragte Bryan zweifelnd, und Eilish stieß ihm leicht den Ellbogen in die Rippen.

»Hör nicht auf ihn«, sagte sie und lächelte gequält.

»Nein, schon okay. Ich finde es gut, wenn ihr ehrlich zu mir seid. Außerdem weiß ich ja selbst, dass ich nicht besonders gut im, ähm, Kontakteknüpfen bin. Wenn ich im Vorstellungsgespräch doch nur knüpfen könnte. Dann würde ich jeden Job bekommen!« Ich grinste und hoffte, ich könnte sie zum Lachen bringen, indem ich sie an meine überdurchschnittlichen Wortspiel-Fähigkeiten erinnerte, die zu meinen drei liebenswürdigsten Qualitäten gehörten. Die anderen beiden waren mein Hund und Kopfrechnen.

»Du brauchst nur ein wenig Übung. Vor einem Vorstellungsgespräch ist doch jeder nervös.«

»Josey ist aber ein bisschen mehr als nervös, Eilish«, sagte Bryan, ehrlich wie immer. Sein Gesichtsausdruck wirkte fast mitleidig, als er fortfuhr. »Nicht böse gemeint, aber manchmal – bestimmt nicht absichtlich –, aber manchmal beleidigst du die Leute. Und manchmal wirkst du zu aufgedreht. Als wir uns kennengelernt haben dachte ich, du wärst ein verrückter Fan, der seine Großmutter verkauft hatte, um mit einem Promi in der Öffentlichkeit gesehen zu werden.«

»Ich bitte dich, du bist doch kein Promi. Du bist ein bekannter Sportler, nicht Benedict Cumberbatch«, neckte Eilish ihn, und er funkelte sie mit zusammengekniffenen Augen an, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen.

»Wie ich schon sagte«, Bryan sah wieder mich an, »wir müssen einen Job für dich finden, den du auch ohne Vorstellungsgespräch bekommst.«

»Haha!« Ich lachte grunzend und schlug mit solcher Wucht auf den Tisch, dass Patrick und Rocky zusammenzuckten. Ehrlich gesagt grunzte ich immer beim Lachen. Aber so lachte ich nun mal, ich konnte nicht anders!

Nachdem ich mich halbwegs gefangen hatte, lächelte ich Patrick entschuldigend an. »Sorry, Patrick. Aber solltest du jemals von einem Job hören, bei dem man das Vorstellungsgespräch einfach überspringen und sofort anfangen kann, dann sag mir Bescheid.«

Bryan verengte nachdenklich die Augen, während er einen Bissen von seinem Hühnchen nahm, den Blick auf mich gerichtet. Plötzlich blinzelte er, als wäre ihm gerade eine Idee gekommen.

Ich wurde stocksteif. »Warum siehst du mich so an?«

»Ich glaube, ich hab’s.« Er zeigte mit der Gabel auf mich, und zwar auf eine Art, dass ich mir am liebsten den Teller wie einen Schutzschild vor die Brust gehalten hätte. Aufgeregt fuhr Bryan fort: »Ich hätte tatsächlich einen Job zu vergeben. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob du die Richtige dafür bist.«

»Ich bin die Richtige«, rief ich ein wenig zu enthusiastisch. »Und falls nicht, dann ändere ich mich eben. Ernsthaft, du weißt genau, wie dringend ich einen Job brauche. Ich will das College nicht hinschmeißen oder ein Semester aussetzen. Ich würde wirklich alles dafür tun, um irgendwie über die Runden zu kommen.«

Wieder zeigte Bryan mit der Gabel auf mich, diesmal aber weniger aggressiv. »Siehst du, genau das meine ich. Du kommst total verzweifelt rüber.«

»Ich bin verzweifelt.«

»Das tut nichts zur Sache. Falls ich dich für den ‚Job‘ empfehle, kannst du dich nicht so verhalten. Denk immer daran, einfach du selbst zu sein – und mach genau das Gegenteil.«

»Bryan!«, zischte Eilish.

»Was denn? Sie hat gesagt, sie schätzt meine Ehrlichkeit.«

»Du könntest trotzdem ein bisschen netter sein. Und warum ‚Job‘ mit Gänsefüßchen?«, fragte sie misstrauisch.

Bryan hob eine Schulter und antwortete, ohne uns anzusehen. »Der Job ist eben ein wenig unkonventionell.«

»Was soll das heißen?«

»William braucht einen, ähm, Mitbewohner.«

»William Moore? Dein Teamkollege, mit dem du mal zusammengewohnt hast? Der Amerikaner aus Oklahoma?«, fragte ich neugierig. Bisher hatte ich ihn nicht kennengelernt, ihn lediglich auf ein, zwei Events gesehen, zu denen Eilish mich mitgenommen hatte. Er war immer zurückhaltend und höflich, aber ziemlich unnahbar. Außerdem schien er sich nur mit seinen Teamkameraden zu unterhalten.

Bryan nickte. »Ja, genau der.«

»Warum braucht William einen Mitbewohner?«, wollte Eilish wissen. »Und noch viel wichtiger: Inwiefern soll das ein Job sein?«

»Nun ja, wir brauchen eher einen Babysitter.«

»Will hat Kinder? Warum wusste ich das nicht?«, rief Eilish und ließ die Gabel auf den Teller fallen.

»Nein, er hat keine Kinder.« Bryan rieb sich zwischen den Brauen und sah seinen Sohn an. Patricks Teller war zwar leer, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Rocky mindestens die Hälfte gegessen hatte. »Hey Kumpel, wie wär’s, wenn du dir dein neues Lego-Set ansiehst, hm?«

»Krieg ich Kuchen?«, fragte Patrick, während Bryan ihn ins Wohnzimmer brachte.

Bryan murmelte etwas, dann hörte ich: »… da muss ich deine Mam fragen.«

Eilish und ich wechselten einen Blick, sie wirkte höchst amüsiert. Als Bryan zurückkam, setzte er sich und atmete tief durch, bevor er wieder zu sprechen begann. »Wir brauchen einen Babysitter für Will.«

Eilish runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«

»Er braucht einen Begleiter, eine Art Suchtbegleiter, der ihm hilft, auf dem rechten Weg zu bleiben.«

»Okay, das wird immer verwirrender.« Eilish zog die Nase kraus. »Will trinkt so gut wie nie.«

»Er hat … andere Laster.« Bryan wandte nicht den Blick von seinem Glas.

»Zum Beispiel?« Wieder stieß Eilish ihn sanft an.

Dann seufzte er laut und sagte eher zu sich selbst: »Ihr werdet es bald in der Zeitung lesen.«

Eilish und ich sahen uns wieder an. Jetzt wirkte sie jedoch nicht mehr amüsiert, sondern besorgt.

»Will ist ein Voyeur«, brach es aus Bryan hervor. »Seit Jahren beobachtet er Leute beim Sex, und jetzt hat die Klatschpresse Wind davon bekommen. Die Sache wird diese Woche rauskommen, und wir müssen jetzt Schadensbegrenzung betreiben. Ich wurde heute zu einem Treffen gerufen, weil Will und ich Freunde sind.« Bryan, der uns noch immer nicht ansah, verschränkte die Arme. Man spürte, wie unangenehm es ihm war, und seine Stimme bekam einen schrillen Klang. »Er ist kein Perverser. Er steht nun mal drauf. Aber er will damit aufhören, deshalb braucht er einen neuen Mitbewohner. Er braucht jemanden, der nach ihm sieht und ihn davon abhält, dumme Entscheidungen zu treffen.«

»Ach du meine Güte«, flüsterte Eilish nach einer längeren Pause. »Das ist ja krass. Das hätte ich nie vermutet. Er ist … so ein Gentleman.«

»Nur weil er ein Voyeur ist, bedeutet das nicht, dass er kein Gentleman ist«, erwiderte Bryan verteidigend.

»Ja klar, trotzdem überrascht es mich. Ich hätte nicht gedacht, dass er auf solche Sachen steht.«

Ich war nicht ganz so überrascht wie Eilish, schließlich kannte ich ihn überhaupt nicht. Aber ich hatte so viele Fragen – SO VIELE FRAGEN –, traute mich aber nicht, sie zu stellen. Inzwischen fühlte ich mich in Bryans Gegenwart zwar wohler, aber nicht so wohl.

Ich räusperte mich und faltete die Hände im Schoß. »Und wie, ähm, würde der Job genau aussehen?«

Er sah mich abschätzend an. »Du müsstest bei ihm einziehen, in seinem Apartment wohnen, dich ein paarmal die Woche mit ihm austauschen und sein Verhalten im Auge behalten. Wahrscheinlich müsstest du seinen Browserverlauf kontrollieren, weil er die Paare, die er, na ja, beobachtet, anscheinend immer online kennenlernt.«

»Klingt ziemlich anstrengend. Eine Vollzeit-Nanny für Erwachsene«, kommentierte Eilish, und ich kam ins Grübeln.

War ich wirklich die Richtige für diese Aufgabe? Es bräuchte wahrscheinlich ein ziemlich cooles Mädel, um den fast zwei Meter großen Rugby-Spieler, der doppelt so breit war wie ich, unter Kontrolle zu halten.

Aber … ich brauchte dringend einen Job. Außerdem war das nicht nur ein Job. Ich hätte einen Job und eine Wohnung. Perfekt! Und Angst einflößend. Will war für mich ein Fremder. Ein attraktiver Fremder, von der Sorte »heißer Biobauer«, der einen in der Scheune in den Strohhaufen warf, ohne auch nur ein bisschen ins Schwitzen zu kommen. Außerdem war er ein Gentleman. Und ein talentierter, ambitionierter Sportler. Und anscheinend ein echt netter Kerl.

Und unanständig.

Bei dem Gedanken musste ich grinsen. Schnell biss ich mir auf die Lippe, um es zu verbergen.

Ich muss zugeben, dass ich schon jetzt ein bisschen auf ihn stand, obwohl wir uns noch gar nicht kennengelernt hatten. Und wenn ich jemanden gut fand, war eine normale, erwachsene Unterhaltung unmöglich. Das galt sowohl für Frauen als auch für Männer. Lernte ich eine Frau kennen, die ich mir als Freundin vorstellen konnte, war ich automatisch dazu verdammt, etwas richtig Dummes zu sagen.

Als ich zum Beispiel Eilish kennengelernt hatte, hatte ich sie gefragt, ob ich sie besteigen dürfe (weil sie so groß war).

Seht ihr? Fürchterlich. Trotzdem, diese Chance durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ich musste es zumindest versuchen.

Ich fummelte am Saum meines Shirts herum und vermied es, Bryan direkt anzusehen. »Meinst du, Will wäre bereit, mich kennenzulernen? Das ist ja auch eine Art Vorstellungsgespräch. Da werde ich wohl nicht drum rumkommen. Ich würde ihm sehr gern helfen, aber erst muss er entscheiden, ob er überhaupt mit mir zusammenwohnen will.«

»Ich werde mit ihm drüber sprechen.« Bryan beäugte mich mit einem kleinen, hoffnungsvollen Lächeln. »Wenn er einverstanden ist, vereinbaren wir einen Termin, damit ihr euch kennenlernen könnt. Ihr könntet euch auf einen Kaffee treffen.«

Ich nickte, und schon jetzt hatte ich nervös umherflatternde Schmetterlinge im Bauch.

Doch ich hatte mir Bryans Rat zu Herzen genommen und versuchte, so locker wie möglich zu klingen, als ich antwortete: »Klingt gut.«

Jetzt musste ich nur noch herausfinden, wie ich William Moore davon überzeugen konnte, dass ich die Richtige für den Job war und keine lächerliche, hohlköpfige Idiotin.

Total einfach, oder?

Zwei Tage später wartete ich im Bewley’s in der Grafton Street auf William. Es war ein großes, gut besuchtes Café, genug Ablenkung also, falls die Situation komisch werden sollte – ich meine, falls. Ich saß oben neben einem offenen Fenster und lauschte dem Straßenmusiker, der auf seiner Gitarre ein Instrumentalstück spielte. Es war also nicht so schlimm, falls eine unangenehme Stille entstehen würde. Das war doch ein gutes Zeichen.

Eigentlich ließ ich nie Stille aufkommen. Lieber laberte ich über alles Mögliche, das mir gerade in den Kopf kam. Aber da ich versuchte, so »normal« wie möglich zu sein und nicht »verzweifelt« rüberzukommen, wie es Bryan so nett formuliert hatte, hatte ich mir vorher überlegt, welche Themen absolut tabu waren.

1. Als Rocky mal Durchfall hatte und mein ganzes Zimmer vollgeschissen hat.

2. Wie ich die besagte Scheiße wegmachen musste.

3. Dass ich lieber Männerdeo benutze, weil es besser wirkt, und weil ich dann so tun kann, als gäbe es einen Mann in meinem Leben.

4. Meine Lieblings-Pflaster-Marke.

5. Dass ich mal eine Mono-Braue hatte, aber nun – dank moderner Lasertechnologie – zwei Brauen.

Und ja, aus all diesen Punkten hatte ich schon mal Gesprächsthemen gemacht und damit die Atmosphäre ruiniert.

Es war eine Krankheit.

Ich fragte mich, ob es anderen auch so ging. War ich irgendwie gestört, oder machte soziale Interaktion andere auch nervös? Falls ja, warum war der verbale Durchfall dann bei mir so ausgeprägt? Warum litt ich unter Sprechdurchfall, während andere Sprechverstopfung hatten?

Verstopfung hätte ich Durchfall jederzeit vorgezogen. Wirklich. Man musste nur ein paar Pflaumen essen und BÄM! Aber bei Durchfall gab es nichts, was den Fluss aufhalten konnte.

Aber genug davon.

Als ich William Moore die Treppe heraufkommen sah, stand ich augenblicklich auf, weil ich dachte, er würde mich sonst nicht erkennen. Er trug ein dunkelblaues Shirt, das ihm kaum um die Arme, Schultern und Brust zu passen schien, dazu eine graue Hose und braune Schuhe. Sie sahen teuer aus, wahrscheinlich italienisch. Ich wünschte, ich hätte mir mit meinem Outfit ein bisschen mehr Mühe gegeben, aber ich kam direkt vom Praktikum und trug meine Arbeitshose, einen übergroßen Wollpulli, das Haar zum Dutt gebunden.

Aufzustehen war jedenfalls mein erster großer Fehler, denn ich stieß mit dem Bein gegen den Tisch und schmiss das Wasser um, das mir die Kellnerin gerade gebracht hatte. Ich zuckte nicht nur vor Schmerz zusammen, sondern auch, weil ich den ganzen Tisch versaut hatte. Das Missgeschick lenkte Wills Aufmerksamkeit auf mich, und unsere Blicke trafen sich. Ich setzte ein freundliches Lächeln auf und benahm mich so gelassen wie möglich.

»Du musst Josey sein«, sagte er lächelnd, als er auf mich zukam. Obwohl es nur ein kleines Lächeln war, fing mein Herz wie wild an zu pochen. Er wirkte so selbstbewusst und entspannt. Und ich hatte schon versagt, ohne überhaupt den Mund aufzumachen.

»Jawohl, die bin ich.« Ich nickte. »Tut mir leid mit dem Wasser. Ich habe zwei linke Hände. Und das ist kein Witz, hahaha.«

O Mann. Wie fürchterlich. Wenigstens hatte ich es geschafft, ihn nicht mit Voyeurismus also, was? Was hat es damit auf sich? zu begrüßen. Die Perverse in mir war ja so was von neugierig. Sie wollte unbedingt wissen, wo, warum und mit wem er sich zu solchen Aktivitäten traf, aber jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, ihm solche Fragen zu stellen.

Wills Mundwinkel zuckten seltsam, und ich wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Wahrscheinlich schlecht.

»Hab es auch nicht für einen gehalten«, sagte er, und ich schluckte.

»O mein Gott, das war seltsam, nicht wahr? Es sollte eigentlich ein Witz sein, aber ich habe eine seltsame Art von Humor. Tu einfach so, als hätte ich nichts gesagt.« Ich hielt ihm die Hand hin. »Ich bin Josey Kavanagh. Schön, dich kennenzulernen.«

Er gab mir seine gigantische Hand. »Ebenso. Ich bin Will. Bryan meinte, du wärst eine Freundin von Eilish?«

»Ja, Eilish und ich kennen uns noch von unserer alten ‚Hood‘.« Hör auf, lustig sein zu wollen, Josey. Deine Witze sind wie ein Glas kalte Kotze.

»Sie ist meine Physiotherapeutin.« Um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen, und ich fragte mich, ob er eine Schwäche für Eilish hatte. Viele Typen standen auf sie, es wäre also nicht verwunderlich, wenn Will sie ebenfalls mögen würde. Sie war freundlich, stark, klug, hübsch, unkompliziert.

»Ja, ihre Hände sind unglaublich.« Ich nickte und zuckte innerlich zusammen. Normalerweise brachte ich für drei seltsame Bemerkungen wenigstens eine heraus, die halbwegs in Ordnung war. Heute nicht.

William – ähm, Will – schien es allerdings nicht zu stören. Vielleicht ließ er sich auch nur nichts anmerken.

»Kann ich schon die Bestellung aufnehmen?«, fragte die Kellnerin, die gerade an den Tisch getreten war, und ich war froh um die Ablenkung. Sie versuchte, das Wasser mit einem Tuch wegzuwischen, während ich antwortete: »Ja, ich nehme einen Tee.«

»Schwarzen Kaffee, danke«, sagte Will.

Die Kellnerin ging, und Will sah mir einen Moment lang direkt in die Augen. Sein Blick wanderte über meine Stirn und hinunter zu meinem Kinn. Dann blinzelte er und zog die Brauen zusammen.

Ich versteifte mich. »Hab ich irgendwas im Gesicht?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein.«

Stirnrunzelnd fasste ich mir ans Kinn. »Sicher? Du kannst es mir ruhig sagen.«

»Nein.«

»Nein, du willst es mir nicht sagen? Oder nein, ich habe nichts im Gesicht hängen?«

Ich betastete meine Wangen.

»Nein, du hast nichts im Gesicht.« Seine Augenbrauen taten etwas Merkwürdiges, zogen sich immer wieder zusammen und gingen wieder auseinander, als würde er versuchen, seine Gesichtsmuskeln zu entspannen.

Zwinkernd sah ich ihn an. »Zwischen den Zähnen? Ich habe bestimmt was zwischen den Zähnen.« Ich nahm einen Löffel, um mich darin zu spiegeln, doch leider stand ich durch die Wölbung auf dem Kopf.

»Du hast nichts zwischen den Zähnen.« In seiner ruhigen Stimme lag etwas, das ich nicht deuten konnte. Als ich ihn ansah, musterte er mich noch immer seltsam. Ich legte den Löffel beiseite, enttäuscht von seiner Funktion als Spiegel, und griff nach dem Messer.

»Du hast nichts im Gesicht, wirklich nicht. Es ist nur …«

»Was?« Ich wischte mir mit dem Handrücken die Nase. O Gott … wahrscheinlich hatte ich irgendwo einen Popel hängen.

»Es ist einfach nur … interessant«, sagte er zögernd und zuckte kaum merklich zusammen. Anscheinend war er mit seiner Wortwahl nicht ganz zufrieden.

Zuerst blinzelte ich mein winziges Spiegelbild im Messer an, dann ihn. »Wie bitte?«

»Du hast …« Er zeigte mit dem Kinn auf mein Gesicht und atmete laut aus. »Du hast interessante Gesichtszüge.«

Ich versteifte mich.

Ich wusste, dass ich nicht die schönste Blume im Garten war – eher eine Distel als eine Rose –, aber es war nicht nett, darauf hingewiesen zu werden. Früher hätte mich so was traurig gemacht, aber inzwischen versuchte ich drüberzustehen.

An Will war einfach alles attraktiv. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Meine Schulfreundin Alice hat immer gesagt, ich sähe aus wie ein Käfer.«

Will zog die Brauen zusammen, meine Aussage irritierte ihn wohl. »Nein. Du erinnerst mich an diese Porträts mit den großen Augen, aus dem Film ‚Big Eyes‘. Kennst du den?«

»Ich glaube nicht«, murmelte ich. Big eyes? Große Augen?

Ich hatte keine Ahnung, von welchen Gemälden und von welchem Film er sprach. Ich wollte es auch gar nicht wissen, denn wenn sie hässlich oder seltsam waren, dann bedeutete das, dass er mich hässlich oder seltsam fand. Da war es mir lieber, nicht zu wissen, was er mit »interessant« tatsächlich meinte. Vielen Dank auch.

Die Kellnerin brachte die Getränke, und ich beschäftigte mich damit, Milch und Zucker hinzuzufügen, während ich versuchte, das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. »Wegen dem Job. Wen suchst du da genau?«

Will dachte kurz nach und antwortete dann: »Ich suche jemanden, der aufrichtig ist.«

Ich wartete darauf, dass er fortfuhr, und sah ihn mit großen Augen an. Als nichts mehr kam, fragte ich: »Das ist alles? Aufrichtigkeit? Das ist die einzige Voraussetzung?«

Er starrte mich an, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Vielleicht gehörte er zu den Leuten, die unter verbaler Verstopfung litten. Mir fiel auf, dass seine Augen gräulich-grün waren, irgendwie erinnerte mich ihre Farbe an Granit.

Dann sagte er plötzlich: »Das Zusammenleben mit Bryan hat gut funktioniert, weil er trocken war und zu den Anonymen Alkoholikern gegangen ist. Er hatte seine strenge Routine, und ich habe mich eingeklinkt. Als er jedoch mit Eilish zusammengezogen ist, ging es mit mir bergab.« Er starrte auf seine Hände, als würden sie eine bestimmte Erinnerung bergen.

Nickend musterte ich ihn. »Du brauchst also jemanden wie Bryan? Jemanden, der nicht trinkt, nicht raucht, keine Drogen nimmt, der zu einer vernünftigen Uhrzeit ins Bett geht und um fünf aufsteht, um sein Workout zu machen?« Falls dem so wäre, war ich nicht die Richtige.

Ich liebte Wein. Wir hatten sozusagen eine feste Beziehung. Ich bewegte mich zwar, aber hauptsächlich wegen meinem Hund. Ab und zu kiffte ich auch – und zwar mit meinen Eltern. Die meisten fanden das komisch, ich weiß, aber mein Vater war ein Intellektueller und meine Mutter Künstlerin. Sie behaupteten, es würde ihren Geist öffnen, ihnen helfen, eine höhere Bewusstseinsebene zu betreten, aber in Wirklichkeit waren sie einfach gern ab und zu high.

Soll ich ehrlich sein? Ich mochte es vor allem wegen der Snacks. Mein Vater konnte kein bisschen kochen, aber wenn er high war, machte er die allerbesten Snacks