Prince of Hearts - Diesmal für immer - L. H. Cosway - E-Book

Prince of Hearts - Diesmal für immer E-Book

L. H. Cosway

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Beschreibung

"Ich hatte nie eine andere Wahl, als dich zu lieben, oder?"


Wer möchte schon gerne mit dem Mann, der einem das Herz gebrochen hat, auf einen dreiwöchigen Roadtrip gehen? Reya kann sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen. Doch sosehr sie sich auch dagegen sträubt, ist diese Reise für sie die Chance zum musikalischen Durchbruch. Wenn sie endlich Erfolg haben will, kann sie das Angebot, durch Europa zu reisen und ihre Musik vor einem neuen Publikum zu spielen, einfach nicht ablehnen. Und es muss doch möglich sein, ihren Ex drei Wochen lang zu ignorieren ... Aber als Rey Trevor wiedersieht, muss sie feststellen, dass er nicht mehr der Junge von damals ist. Und als sie beginnt, ihn neu kennenzulernen, empfindet sie weitaus mehr als nur Respekt für den Mann, der er aus ihm geworden ist.


"Süchtig machend, herzzerreißend, witzig und brillant!" Samantha Young, Spiegel-Bestseller-Autorin


Band 6 der Hearts-Reihe von Bestseller-Autorin L. H. Cosway

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Seitenzahl: 544

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Inhalt

TitelZu diesem BuchProlog12345678910111213141516171819202122232425262728EpilogDie AutorinDie Romane von L. H. Cosway bei LYXImpressum

L. H. COSWAY

Prince of Hearts

Diesmal für immer

Roman

Ins Deutsche übertragen von Cherokee Moon

Zu diesem Buch

»Ich hatte nie eine andere Wahl, als dich zu lieben, oder?«

Wer möchte schon gerne mit dem Mann, der einem das Herz gebrochen hat, auf einen dreiwöchigen Roadtrip gehen? Reya kann sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen. Doch sosehr sie sich auch dagegen sträubt, ist diese Reise für sie die Chance zum musikalischen Durchbruch. Wenn sie endlich Erfolg haben will, kann sie das Angebot, durch Europa zu reisen und ihre Musik vor einem neuen Publikum zu spielen, einfach nicht ablehnen. Und es muss doch möglich sein, ihren Ex drei Wochen lang zu ignorieren … Aber als Rey Trevor wiedersieht, muss sie feststellen, dass er nicht mehr der Junge von damals ist. Und als sie beginnt, ihn neu kennenzulernen, empfindet sie weitaus mehr als nur Respekt für den Mann, der er aus ihm geworden ist.

Prolog

Zwei Jahre zuvor.

Ich stand auf dem Bürgersteig, machte Straßenmusik und sang eine »ironische« Version von Wrecking Ball. Als ich die Augen öffnete, sah ich ihn.

Trevor Cross – mein bester Freund und gleichzeitig der Fluch meines Lebens – saß auf dem Dach eines Ladens und ließ die Beine herunterbaumeln. Er war mein bester Freund, weil er der witzigste Mensch war, den ich kannte, und ich liebte es, mit ihm Zeit zu verbringen. Und er war der Fluch meines Lebens, weil er ein hyperaktives Energiebündel war, das aus unerfindlichen Gründen meine Gesellschaft genoss. Mit ihm zusammen zu sein war manchmal, als würde man auf einem Minenfeld spazieren gehen. Ich veränderte hier und da den Songtext und fragte mich, ob er es merken würde.

You came in like a wrecking ball.

Wie eine Abrissbirne. Diese Beschreibung traf exakt auf Trev zu. Zerstörerisch. Süchtig machend. Faszinierend. Frustrierend. Zu viel Energie, als dass man ihn jemals hätte ruhigstellen können. Manchmal zerstörte er mich. Und manchmal baute er mich auf. Unsere Beziehung war eben … kompliziert. Aber geküsst hatten wir uns noch nie.

Es kam öfter vor, dass er unangekündigt vorbeigeschneit kam. Er wusste genau, wann ich wo spielte, somit war es für ihn ein Leichtes, mich zu finden. Von Dienstag bis Samstag machte ich jeden Nachmittag Straßenmusik, und abends gab ich Klavierunterricht. Samstagabends trat ich meistens in Clubs auf, sonntags und montags hatte ich frei. Immerhin schaffte ich es, damit meine Brötchen zu verdienen.

Trevor hielt den Kopf leicht schief und beobachtete mich nachdenklich. Er hatte mich schon unzählige Male singen hören, und ich wusste nicht, was heute anders sein sollte als sonst.

Es gab zwei Trevors. Der eine war großspurig, vorlaut, frech und kam meistens zum Vorschein, wenn noch andere Leute dabei waren. Der ernste, in sich gekehrte, nachdenkliche Trevor ließ sich nur blicken, wenn wir allein waren. Hätte ich diese Seite von ihm nicht gekannt, wären wir wahrscheinlich nicht sehr lange Freunde geblieben. Schließlich konnte ein Mensch nur ein gewisses Maß an Hyperaktivität verkraften.

Wir hatten uns vor zweieinhalb Jahren durch meine Freundin Karla kennengelernt, die mit Trevors Bruder Lee zusammen war. Das war damals allerdings noch streng geheim. Trev hatte es mir vom ersten Moment an angetan – wie er mir schmeichelte, mich zum Lachen brachte, mir das Gefühl gab, der wichtigste und interessanteste Mensch auf der ganzen Welt zu sein. Aber so war er nun mal. Er hatte so viel Leben in sich, dass er einem das Gefühl gab, besser und spannender zu sein, als man tatsächlich war.

Als ich den Song beendet hatte, sprang er leichtfüßig vom Dach, eine Fähigkeit, die er sich im Laufe der Jahre als leidenschaftlicher Parkourläufer angeeignet hatte. Er überquerte die Straße, zog einen Lolli aus der Hosentasche, riss die Verpackung auf und steckte ihn in den Mund.

»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte ich, als er vor mir stand.

Seine spitzbübischen blauen Augen reflektierten das Licht auf eine Art, dass sie beinahe überirdisch erschienen. Genüsslich lutschte er an seinem Lolli, zog ihn dann mit einem lauten Plopp-Geräusch heraus.

»Wollte nur mal nach meinem Lieblingsmädchen sehen. Diesen Song habe ich dich noch nie singen hören. Hätte nicht gedacht, dass du ein Miley-Fan bist«, neckte er mich grinsend.

»Aber natürlich. Sie ist um Längen cooler als Taylor«, antwortete ich lächelnd und machte mich daran, mein Keyboard einzupacken. Ich wollte gerade den Ständer zusammenklappen, als Trevor auf mich zukam und mich beiseiteschob.

»Ich mach das schon. Schnapp dir lieber deine Kohle, bevor noch irgendjemand auf die Idee kommt, sie zu klauen.«

»Okay, ähm, danke«, sagte ich und nahm den Hut, den ich auf den Boden gelegt hatte, damit die Passanten im Vorbeigehen etwas hineinwarfen. Nachdem wir alles zusammengepackt hatten, nahm Trev den Keyboardkoffer und bedeutete mir mit einer Geste, ich solle vorausgehen.

»Ich bring dich nach Hause.«

»Da ist aber heute jemand hilfsbereit. Was ist da los?«, fragte ich ein wenig misstrauisch.

Als fühlte er sich gekränkt, legte er sich die Hand aufs Herz. »Braucht man denn unbedingt einen Grund, seinem besten Kumpel unter die Arme zu greifen?«

»Normalerweise nicht. Aber du führst bestimmt irgendwas im Schilde.«

Er atmete aus, ließ den Blick über mein Gesicht wandern, hinunter zu meiner Brust und wieder nach oben. Ich war es schon gewohnt, dass er mir immer mal wieder auf die Titten starrte. Er konnte wohl nicht anders. Und da ich mit ziemlich großen Brüsten gesegnet war, war es völlig zwecklos, jemanden wie Trev davon abhalten zu wollen, sie ständig anzugaffen. Unsicher strich ich über den Stoff meines weinroten Kleids. Heute war sein Blick nicht so beiläufig wie sonst. In seinen Augen lag etwas Feuriges, was eine unglaubliche Spannung in mir auslöste.

Okay, ich werde nun eine Beichte ablegen. Ich habe mich auf den ersten Blick total in Trev verknallt. Aber welches zweiundzwanzigjährige Mädchen könnte ihm schon widerstehen? Trev war groß, mit dunklem Haar und hellen Augen, einem athletischen Körper und einem großartigen Sinn für Humor. Außerdem war er nie um ein Kompliment verlegen. Genau deshalb hatte ich mich wahnsinnig in ihn verliebt. Aber er wollte nur Freundschaft.

Ich hätte es sofort merken sollen, aber damals schwebte ich noch auf Wolke sieben. Trev stand nicht auf Frauen wie mich. Er mochte zierliche Blondinen, also das genaue Gegenteil von mir. Es hatte einige Monate gedauert, bis ich mir selbst eingestand, dass er kein Interesse an einer Beziehung mit mir hatte. Danach hatte ich meinen Frieden mit der Situation geschlossen und mein Leben weitergelebt. Inzwischen war ich vierundzwanzig und wusste genau, dass ich mein Herz an niemanden wie Trevor Cross verlieren durfte.

Aber heute … heute sah er mich auf eine Art an, wie er mich noch nie angesehen hatte. Und es bereitete mir Unbehagen. Mir war viel zu heiß, und es juckte mich überall – und zwar wie verrückt.

Er lutschte wieder an seinem Lolli, ungewöhnlich schweigsam. Ich beäugte ihn. »Was ist los?«

»Nichts.«

»Komm schon. Du benimmst dich heute irgendwie merkwürdig. Noch merkwürdiger als sonst.«

Er steckte eine Hand in die Hosentasche. »Ich bin nur ein wenig hibbelig. Mir ist nach etwas Verrücktem zumute. Nach etwas Aufregendem. Heute ist Freitag, und ich muss erst am Sonntag wieder bei Lee arbeiten. Wie wär’s, wenn wir heute Abend ausgehen und ein bisschen Spaß haben? Und fünfe mal gerade sein lassen?«

Inzwischen fuchtelte er wild mit den Händen. Liebevoll lächelte ich ihn an. »Was willst du denn machen?«

»Zum Beispiel …« Er hielt inne, dachte kurz nach, bevor er fortfuhr. »Okay, wie wäre es hiermit. Wir schließen einen Pakt. Wir gehen nicht eher nach Hause, bis jeder von uns mindestens drei Dinge getan hat, die er noch nie gemacht hat.«

Misstrauisch sah ich ihn an. »Ich weiß nicht. Ich glaube, du hast eine ganz andere Vorstellung von ›aufregend‹ als ich.«

Als er sich plötzlich vor mich stellte, blieb ich abrupt stehen. »Ich verspreche dir, dass du nichts machen musst, was dir unangenehm sein könnte. Komm schon, Reyrey! Lass dich auf ein kleines Abenteuer ein. Du wirst es nicht bereuen.«

Da war ich mir nicht so sicher. Trotzdem willigte ich nach kurzem Zögern ein, ich konnte seinem frechen Grinsen einfach nicht widerstehen, besonders wenn er mich Reyrey nannte. Ich hasste diesen Spitznamen, aber irgendwie liebte ich ihn auch. »Na schön. Ich mache mit.«

»Super! Jetzt musst du nur noch an meinem Lolli lutschen, dann ist der Pakt besiegelt.« Zwinkernd hielt er mir den Lutscher entgegen. »Erdbeere. Das magst du doch am liebsten.«

Ich wusste genau, dass er dachte, ich würde es nicht tun – und ich wollte ihm das Gegenteil beweisen. Also nahm ich den Lolli, steckte ihn in den Mund und lutschte ausgiebig daran.

Als ich ihn wieder herauszog, grinste ich Trev frech an. »Mmhh, lecker.«

Trev klappte die Kinnlade herunter. Ich freute mich, dass ich es geschafft hatte, ihn zu verblüffen. Herausfordernd hob ich eine Augenbraue und wartete darauf, dass er etwas sagte, doch stattdessen starrte er mir nur auf den Mund, als hätte er gerade festgestellt, dass er ihn ziemlich faszinierend fand. Plötzlich hatte ich Gänsehaut an den Armen und bereute meine mutige Tat.

Er kam einen Schritt näher, senkte die Augenlider und fragte leise: »Wahrscheinlich schlägst du mich gleich, aber würdest du als Teil der Wette meinen Schwanz so lutschen, wie du eben an dem Lolli gelutscht hast?«

Nun war ich diejenige, die baff war. Und knallrot wurde. Und am ganzen Körper Gänsehaut bekam. Es war nicht so, als hätte er noch nie solche Sachen zu mir gesagt, aber bisher war es immer nur im Scherz gewesen. Heute war ich mir da nicht so sicher. Hätte ich zugestimmt, hätte er sich sicherlich darauf eingelassen. Der Gedanke, meinem besten Kumpel einen Blowjob zu verpassen, bereitete mir Atemnot. Ich schluckte schwer, schüttelte den Kopf und setzte einen provokanten Gesichtsausdruck auf. »Netter Versuch, aber vergiss es!«

Trev schlang mir die Arme um die Schultern und flüsterte mir ins Ohr: »Spielverderberin.«

Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, und seine Stimme bereitete mir ein Kribbeln im Bauch, doch ich versuchte, es zu ignorieren.

Als wir vor meinem Haus ankamen, ging ich voraus, um den Schlüsselbund an die elektronische Türanlage zu halten. In einer ungefähr dreißig Quadratmeter großen Einzimmerwohnung zu leben konnte ganz schön deprimierend und beengend sein, aber etwas anderes konnte ich mir nicht leisten. Als ich noch auf dem College war, hatte ich in einer Wohngemeinschaft gelebt, und ob man es glaubt oder nicht – das hier war allemal besser.

Ich wollte unbedingt singen, ein anderer Beruf hätte mich todunglücklich gemacht. Also war ich bereit, gewisse Opfer zu bringen.

Am Anfang war es mir peinlich gewesen, Trev mit hierher zu bringen. Das Gebäude war alt und roch muffig. Und da ich in einer so kleinen Wohnung lebte, konnte man praktisch mein gesamtes Hab und Gut auf einen Blick sehen. Man stand quasi direkt in meinem Schlafzimmer. Seltsam. Zu intim.

Gegen Trev anzukämpfen, war jedoch zwecklos. Schließlich hatte er es geschafft, mich zu überreden. Er mochte meine Wohnung sogar, fand sie ziemlich gemütlich, was bestimmt daran lag, dass er selbst in einer winzigen Sozialwohnung aufgewachsen war, zusammen mit seinen drei Brüdern, mit denen er sich ein Zimmer teilen musste. Wahrscheinlich empfand er meine Wohnung im Vergleich sogar als geräumig.

Ich gab mir jedenfalls große Mühe, mein kleines Reich sauber und ordentlich zu halten. Es war zwar nichts Besonderes, aber immerhin konnte ich mir überhaupt eine eigene Wohnung leisten, und darauf war ich sehr stolz.

Kaum hatten wir das Apartment betreten, schmiss sich Trev aufs Bett. Während ich meine Sachen verstaute und mich im Bad ein wenig frisch machte, spielte er auf seinem Handy herum, checkte wahrscheinlich Facebook und solche Sachen. Als ich zurückkam, war er immer noch mit seinem Telefon beschäftigt. Ich betrachtete ihn eine Weile, wie er so lässig auf meinem Bett lag.

Inzwischen hatte ich akzeptiert, dass er nichts von mir wollte, trotzdem fand ich ihn noch immer attraktiv. Nun ja, das war er auch. Außerdem war er für einen Kerl ziemlich hübsch. Er hatte volle rote Lippen, lange dunkle Wimpern und makellose blasse Haut. Da ich spanische Wurzeln hatte, war ich das genaue Gegenteil: dunkle Augen, dunkler Hauttyp. Vielleicht war das der Grund dafür, dass mich sein Aussehen immer wieder aufs Neue faszinierte.

Ich setzte mich neben ihn und fragte: »Was machst du da?«

Als er mir das Telefon hinhielt, rümpfte ich die Nase. »Eine Technoparty? Ich weiß nicht, ob das wirklich mein Ding ist.«

»Aber die findet in einer alten, stillgelegten U-Bahn-Station statt. Bei so was waren wir noch nie. Wir sollten hingehen.«

Ich zuckte mit den Schultern. Ich war zwar kein großer Techno-Fan, aber ich liebte es zu tanzen. Vielleicht würde es gar nicht so schlimm werden. »Na gut. Wir gehen hin, aber du musst mir versprechen, dass du die ganze Zeit bei mir bleibst. Ich habe keine Lust, da allein herumzustehen.«

Trev warf mir einen ernsten Blick zu. »Natürlich bleibe ich bei dir. Ich würde dich doch nicht allein lassen. Das wäre viel zu gefährlich.«

Die Aufrichtigkeit seiner Worte nahm mir ein wenig meine Bedenken. Dankbar lächelte ich ihn an. Er war so nah, dass ich ihn riechen konnte. Automatisch lehnte ich mich nach vorn und schnupperte an seinem Hals.

»Hast du gerade an mir gerochen?«, fragte er amüsiert.

Ich zwinkerte und merkte erst jetzt, wie seltsam das eigentlich war. »Ähm, ja, sorry. Hast du ein neues Parfum?«

»Acqua di Giò. Magst du es?«

»Sehr sogar.«

Er grinste. »Gut.« Er kam näher, um nun im Gegenzug an meinem Hals zu riechen. Als er tief einatmete, zogen sich meine Eingeweide zusammen, und mein Herz begann zu rasen. Ich bildete mir sogar ein, ich hätte für den Bruchteil einer Sekunde seine Lippen an meiner Haut gespürt.

»Du riechst aber auch nicht schlecht.«

»Danke!«

Er zwinkerte mir zu. »Ich revanchiere mich gern. Musst du noch irgendwas erledigen, bevor wir gehen?«

Ich schüttelte den Kopf, und er packte meine Hand und zog mich hoch. Bevor ich es begriff, saßen wir auch schon in der U-Bahn, Ziel unbekannt.

»Für die Party ist es noch zu früh. Wollen wir zuerst noch irgendwo was essen gehen?«

»Gute Idee. Ich bin halb verhungert.«

Trev grinste mich diabolisch an, und ich fragte mich, was er wohl ausheckte, doch ich fragte nicht nach. Aus irgendeinem Grund hatte ich an seiner Idee, fünfe mal gerade sein zu lassen, inzwischen Gefallen gefunden. Ich war sowieso auf der Suche nach Inspiration für neue Songs. Vielleicht hielt die kommende Nacht jede Menge neuer Ideen für mich bereit.

Also überließ ich Trevor Cross die Führung. Als er mich jedoch zwanzig Minuten später in ein Restaurant führte, in dem die Gäste dafür bezahlten, im Stockdunkeln zu essen, bereute ich diese Entscheidung ein wenig.

»Warum sollte das jemand wollen? Ich sehe ganz gern, was ich esse, statt das ganze Essen auf dem Schoß zu haben.«

»Aber im Dunkeln ist das doch ein viel sinnlicheres Erlebnis«, sagte Trev und ließ die Stimme absichtlich rauchig klingen. »Wenn man nichts sieht, konzentriert man sich auf ganz andere Dinge – Geräusche, Gerüche, Geschmack.«

Seine Art zu sprechen irritierte mich. Warum benahm er sich heute so merkwürdig? »Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Genießer bist.«

»Hey, das ist jetzt aber gemein. Natürlich bin ich ein Genießer. Was denkst du, warum ich im Bett so gut bin?«

»Das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht bist du ja ganz furchtbar«, neckte ich ihn, während wir darauf warteten, dass ein Tisch frei wurde. Als ich mich umsah, stellte ich fest, dass größtenteils Pärchen hier waren. Plötzlich fühlte ich mich ein wenig unsicher.

Trev zog sein Telefon aus der Hosentasche und scrollte durch seine Kontakte. »Das lasse ich dir nicht einfach so durchgehen. Wir rufen jetzt eine meiner Verflossenen an und lassen uns bestätigen, wie großartig ich bin. Wie wäre es zum Beispiel mit Lila?«

Ich riss ihm das Telefon aus der Hand. »Auf gar keinen Fall. Du weißt genau, dass ich Lila noch nie leiden konnte. Die ist wirklich furchteinflößend.«

Trev wackelte mit den Augenbrauen und nahm mir das Handy wieder weg. »Warum das denn? Warst du etwa eifersüchtig?«

»Nein, ich war nicht eifersüchtig. Dass du mit ihr zusammen warst, tut überhaupt nichts zur Sache. Sie war einfach … komisch. Sie hat mich immer so angesehen, keine Ahnung, als würde sie auf mich stehen oder so. Außerdem hat sie nie einen BH getragen. Frauen, die keinen BH tragen, traue ich nicht. Das ist nicht natürlich.«

»Ganz im Gegenteil«, widersprach Trev. »Was gibt es Natürlicheres, als keinen BH zu tragen? Du solltest es mal ausprobieren.«

Als ich ihm einen zynischen Blick zuwarf, fügte er kichernd hinzu: »Okay, vielleicht nicht unbedingt in der Öffentlichkeit. Bei deinem Vorbau wäre das in der Tat ein wenig obszön.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Wow, vielen Dank!«

»Das war ein Kompliment, Reya.«

Ich verdrehte die Augen. »Wie auch immer.«

»Jedenfalls hat dich Lila immer so angesehen, weil sie tatsächlich auf dich stand. Habe ich dir nie erzählt, dass sie sowohl auf Männer als auch auf Frauen steht?«

Ich versteifte mich. »Ähm, nein, hast du mir nicht erzählt.« Bei der Vorstellung, dass Trevs Ex-Freundin auf mich stand, wurde ich ganz rot. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt.

»Sie hat immer wieder versucht, mich dazu zu bringen, dich zu einem Dreier zu überreden. Obwohl es bestimmt eine unvergessliche Nacht geworden wäre, habe ich ihr erklärt, dass das dem Code widerspricht.«

»Dem Code?«

»Na, dem Kumpel-Code. Kumpel zeigen sich nicht gegenseitig ihre Geschlechtsteile. Es sei denn, man ist einer von diesen Freaks, die in öffentlichen Umkleiden gern splitterfasernackt herumlaufen.«

Lachend schüttelte ich den Kopf. »Verstehe. Vor Freunden entblößt man nicht sein Geschlechtsteil. Ergibt Sinn.«

Trevs Augen funkelten, er genoss das Thema sichtlich. Er liebte es, über Dinge zu reden, die den meisten Menschen peinlich waren, zum Beispiel über Analsex oder darüber, wie es war, von einem Familienmitglied beim Pornogucken erwischt zu werden, oder ob häufiges Masturbieren gesundheitsschädlich ist.

Die Oberkellnerin, eine elegant gekleidete Frau, kam auf uns zu und führte uns in das dunkle Restaurant. Da ich überhaupt nichts mehr sah, klammerte ich mich an Trevs Arm. Als er meine Hand ergriff und unsere Finger ineinander verschränkte, war ich völlig überrascht, und meine Wangen begannen augenblicklich zu glühen.

Als wir uns setzten, hatten sich meine Augen halbwegs an die Dunkelheit gewöhnt. Die Kellnerin kam und sagte das Menü auf, ich entschied mich für das Zitronenhühnchen mit den Süßkartoffelspalten, da es am wenigsten nach Schweinerei klang.

»Ist das seltsam«, sagte ich, nachdem sie weg war. »Das ist doch seltsam, oder? Wahrscheinlich hat die Tischdecke überall Flecken, und das Besteck ist bestimmt auch schmutzig.«

»Sei nicht so pingelig«, rügte er mich und drückte mein Knie. Ich hatte keine Ahnung, wie das Restaurant aufgebaut war, aber Trev hatte sich dazu entschlossen, sich direkt neben mich zu setzen.

»Sorry. Aber du weißt ja, was für eine Sauberkeitsfanatikerin ich bin«, entschuldigte ich mich seufzend.

Als er mein Knie losließ, fand ich es fast ein bisschen schade. »Heute Nacht geht es darum, über unsere Grenzen zu gehen. Sieh es doch mal so. Die unangenehmsten Erinnerungen sind die, die am besten im Gedächtnis bleiben. Wir werden uns für immer und ewig an diese Nacht erinnern, Reya Cabrera. Ist das nicht toll?«

Sein Enthusiasmus brachte mich zum Lachen. »Du hast bestimmt recht.«

Nun schlug er mir auf den Oberschenkel. »So gefällst du mir.«

Die Kellnerin brachte uns die Getränke. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich verschüttete ein wenig Weißwein auf mein Kleid. Hoffentlich würde es trocknen, bevor wir das Restaurant verließen. Wir lachten die ganze Zeit, was das Geld allemal wert war. Irgendwann fing er an, mich zu füttern, und ich musste erraten, was es war. Als er das Dessert bestellte, flüsterte er der Kellnerin ins Ohr, damit ich es nicht hören konnte.

»Ist das Schaumgebäck?«

»Ja.«

»Mit Sahne?«

»Mhm.«

»Und Soße. Ich hab’s! Eton Mess.«

»Sehr gut. Zur Belohnung füttere ich dir jetzt auch noch den Rest«, verkündete er. Obwohl ich ihn nicht richtig sehen konnte, wusste ich ganz genau, dass er grinste. Bevor ich protestieren konnte, wollte er mir einen weiteren Löffel in den Mund schieben. Allerdings öffnete ich ihn nicht schnell genug, sodass die Hälfte nun an meinem Kinn hing. Ich kam mir vor wie eine Dreijährige beim Vanillesoße-Essen.

Als Trev mir übers Kinn leckte, als wäre es das Normalste der Welt, schrie ich auf.

Ich wiederhole. Er. Leckte. Mir. Das. Dessert. Vom. Kinn. Zuerst saß ich wie versteinert da, dann rief ich: »Was um Himmels willen war das?«

Es folgte ein Moment der Stille. »Da kam gerade ein Hund rein. Siehst du ihn etwa nicht? Verschwinde, du Drecksköter!«

»Trev, das war kein Hund.«

»Nein?« Ich konnte sein freches Grinsen förmlich spüren.

»Nein, das warst du.«

Ich nahm nur eine Bewegung wahr, als er im Dunkeln die Hände hob. »Na schön, du hast mich erwischt. Ich hab dich abgeleckt.«

Seine Worte ließen mich zittern. »Warum?«

»Wäre schade drum gewesen.«

Er sagte es, als wäre es keine große Sache. Wie konnte er nur alles immer so locker nehmen? Konnte er nicht ein einziges Mal wenigstens ein bisschen nervös sein? Nein, er war wie immer der Coole. Und ich war die Nervöse, was auch der Grund war, warum mir nun komplett die Worte fehlten.

Er nahm sein Handy raus, und das Display erhellte sein Gesicht. Ich war froh, dass er beschlossen hatte, seine Nachrichten zu checken, denn ich brauchte einen Moment, um mich wieder zu beruhigen. Trev war nur ein Freund, mehr nicht. Schon vor Jahren hatte ich es mir aus dem Kopf geschlagen, dass zwischen uns jemals etwas laufen könnte. Warum schlug mein Magen dann Purzelbäume? Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie es sich angefühlt hatte, seinen Mund auf meinem Kinn zu spüren. Es erinnerte mich an einen Filmkuss, bei dem der eine vom anderen gar nicht genug kriegen konnte und sich beide beinahe gegenseitig verschlangen.

Bei der Vorstellung strömte mir plötzlich Hitze durch die Brust, meine Knie begannen zu zittern. Ich musste wirklich mal wieder flachgelegt werden. Das letzte Mal hatte ich vor fast fünf Monaten Sex gehabt. Lediglich ein schäbiger One-Night-Stand mit einem Typen, den ich nach einem meiner Gigs kennengelernt hatte. Er hatte Trevor so dermaßen ähnlich gesehen, dass es mir peinlich war, denn ich wusste genau, Trev würde sich selbst abfeiern, wenn er es wüsste.

Trev steckte das Handy wieder weg. »Lee und Karla sind echt zwei Ekelpakete«, maulte er.

Ich sah ihn an. »Hä?«

Er seufzte. »Sie posten die ganze Zeit Fotos von ihrem Portugal-Urlaub. Sie sind ja so wahnsinnig verliebt. Da wird mir ganz schlecht.«

»Da klingt aber jemand verbittert. Was macht denn das Liebesleben des Trevor Cross?«

»Nicht viel. Und ich will nicht permanent daran erinnert werden.«

»Oh mein Gott, du bist tatsächlich verbittert. Du kommst wohl nicht damit klar, dass deine Brüder alle vergeben sind. Lee hat Karla, Stu hat Andie, und sogar Liam hat jetzt ein Mädchen, mit dem es ihm ziemlich ernst zu sein scheint. Vielleicht solltest du langsam darüber nachdenken, dir jemanden zu suchen. Es geht nicht immer nur um Sex«, merkte ich an.

»Warum sollte ich das tun? Ich habe doch dich«, sagte er, als wäre es total logisch. In diesem Moment hätte ich gern sein Gesicht gesehen, denn ich konnte nicht einschätzen, ob er es ernst meinte.

»Das soll wohl ein Scherz sein«, schnaubte ich.

»Was, wenn es keiner ist?«, konterte er.

Meine Güte, er meinte es tatsächlich ernst.

»Ich werde dir aber nicht für immer und ewig zur Verfügung stehen. Irgendwann werde ich hoffentlich jemanden kennenlernen, mich verlieben, heiraten und Kinder bekommen. Dann kannst du mich nicht mehr herbeizitieren, wann immer dir danach ist.«

»Warum denn nicht? Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass du tatsächlich irgendwann heiratest, sind wir doch immer noch Freunde. Wir sollten uns dann trotzdem noch treffen können.«

Ich starrte ihn mit offenem Mund an, obwohl ich wusste, dass er mich nicht sehen konnte. Sein Spruch hatte mich getroffen. »Warum ist das bitte so unwahrscheinlich?«

Trev seufzte. »In den letzten zwei Jahren hattest du nur einen einzigen Freund. Charles oder wie auch immer er hieß.«

»Charlie«, korrigierte ich mit gepresster Stimme.

»Ja, richtig, Charlie. Und mit dem warst du nicht besonders lange zusammen. Es kommt mir einfach so vor, als wärst du glücklicher, wenn du Single bist. Deshalb verstehen wir uns auch so gut. In dem Punkt sind wir uns sehr ähnlich.«

»Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich. Und ich bin auch nicht glücklich darüber, Single zu sein. Wer ist das bitte schon? Niemand will allein durchs Leben gehen«, fauchte ich. Ich war wirklich sauer auf ihn.

»Reya …«

»Nein, fick dich, Trev! Manchmal bist du echt ein Idiot«, schnauzte ich ihn an, stand auf und schlug mir dabei das Knie am Tisch an. Warum zur Hölle mussten wir auch im Dunkeln essen? Völlig bescheuert. Ich ertastete mir den Weg zum Ausgang, und es dauerte eine Ewigkeit, bis ich ihn gefunden hatte. Als ich endlich draußen war, atmete ich tief durch. Was Trev gesagt hatte, regte mich noch immer auf. Was für ein Arschloch!

Ich wusste nicht, warum mir das so an die Nieren ging, eigentlich verlor ich nicht so schnell die Nerven, obwohl Trev sie wirklich strapazieren konnte. Wahrscheinlich lag es daran, dass er den ganzen Abend schon so verschmust war, mein Bein berührt hatte, mein Kinn abgeleckt hatte. Es brachte mich auf Gedanken, die ich eigentlich nicht haben wollte.

Dann flog die Tür auf, und Trev kam heraus. Er ließ den Blick von links nach rechts schweifen, suchte nach mir. Nachdem er mich entdeckt hatte, steckte er die Hände in die Hosentaschen und wirkte reumütig.

»Es tut mir leid. Du hast recht. Ich habe mich eben wirklich wie ein Idiot benommen. Bitte hasse mich jetzt nicht dafür.«

Ich schnaufte laut. »Ich hasse dich doch nicht, aber was du da eben gesagt hast, hat mich irgendwie getroffen. Vielleicht kannst du es nicht nachvollziehen, weil du immer deine Familie um dich hast, aber manchmal fühle ich mich sehr einsam. Ich bin nicht so eng mit meiner Familie wie du. Und wenn ich abends nach Hause komme, warten dort nicht zig Brüder auf mich, die mir Gesellschaft leisten. Die Vorstellung, für immer allein zu sein, ist echt deprimierend. Deswegen hat mich das gerade so aufgeregt.«

Trev zog die Augenbrauen zusammen, was seine Gesichtszüge noch markanter wirken ließ. Dann fuhr er sich mit der Hand durchs Gesicht und fluchte. »Fuck!«

Plötzlich fühlte ich mich unsicher, wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln. »Ach, mach dir keinen Kopf. Ich hätte mich nicht so aufregen sollen. Versuch einfach, in Zukunft zuerst zu denken, bevor du etwas sagst.«

Trev kam auf mich zu und legte mir die Hände auf die Schultern. »Nein, es ist dein gutes Recht, dich aufzuregen. Das war echt scheiße von mir, aber mir war nicht klar, dass du dich einsam fühlst. Du wirkst immer so … zufrieden. Glücklich.«

»Ich bin ja auch glücklich. Ich mag mein Leben. Aber ich würde es noch lieber mögen, wenn ich es mit jemandem teilen könnte.« Ich starrte zu Boden, unfähig, ihm in die Augen zu blicken.

»Das wirst du irgendwann. Das verspreche ich dir. Aber bis es so weit ist, will ich mir nicht die ganze Zeit vorstellen müssen, wie du traurig und allein in deiner kleinen Wohnung sitzt. Wenn du dich einsam fühlst, dann kommst du einfach für ein paar Tage zu mir. Jetzt, da Stu ausgezogen ist, haben wir mehr Platz. Und alle freuen sich, wenn du da bist.«

»Okay«, flüsterte ich, während er noch immer meine Schultern massierte.

»Reya, sieh mich an.«

Ich blickte auf. »Was?«

»Du bist wunderschön.«

»Halt’s Maul!«

»Nein, ich meine es ernst. Du bist wirklich wunderschön. Jeder Kerl, der halbwegs bei Verstand ist, würde sein linkes Ei dafür hergeben, um mit dir zusammen zu sein.«

Aber du nicht, schoss es mir durch den Kopf. Gehirn, sei ruhig!

»Und du bist talentiert. Und lustig. Mit dir verbringt man einfach gern Zeit. Und ich schwöre, als ich dich das erste Mal habe singen hören, habe ich einen Steifen gekriegt.«

Ich schlug ihm auf die Brust. »Hast du nicht.«

»Hab ich wohl. Frag Karla. Die stand direkt daneben. Ich glaube, ich habe ihr den Schreck ihres Lebens eingejagt.«

Ich musste lachen. Als er mich umarmte, wäre ich am liebsten in seinen Armen versunken. Es kam nicht oft vor, dass mich jemand in den Arm nahm. Als ich noch klein war, hatte mich meine Mutter ständig umarmt, aber jetzt nicht mehr.

»Du bist toll. Wirklich. Und lass dir von keinem irgendwas anderes einreden. Nicht mal von so Ärschen wie mir, die sich eigentlich so benehmen sollten, wie es ein bester Kumpel eben tut«, murmelte er in mein Haar. Ich nutzte die Chance, seinen Duft aufzusaugen. Ich würde es niemals zugeben, aber niemand roch so gut wie er.

»Okay, ich glaube dir«, sagte ich.

Er ließ mich los und fragte grinsend: »Was glaubst du mir? Dass du toll bist oder dass ich in der Öffentlichkeit eine Erektion hatte?«

Ich musste laut lachen. »Beides.«

Lächelnd blickten wir uns an. Es dauerte eine ganze Weile, bis Trev den Blickkontakt unterbrach, Richtung Restaurant sah und murmelte: »Oh scheiße!«

Ich runzelte die Stirn. »Was ist?«

Er wandte den Blick wieder mir zu. »Wir sind gerade abgehauen, ohne zu bezahlen.«

»Mist! Okay, dann lass uns wieder reingehen und die Sache erklären.«

Trev packte meine Hand und hielt mich zurück. Als ich ihn ansah, bemerkte ich das spitzbübische Funkeln in seinen Augen. »Auf gar keinen Fall. Denk nicht mal darüber nach.«

»Komm schon. Du hast bestimmt noch nie die Zeche geprellt. Und ob du es glaubst oder nicht – ich auch nicht. Das wäre für uns beide ein erstes Mal. Wir sollten es tun.«

Ich sah ihn streng an. »Trevor, nein.«

Er sah über meine Schulter. »Reya.«

»Was?«

»Hey, ihr beiden!«, rief jemand.

»Lauf!«

Er packte meine Hand, und mein Herz begann wie wild zu schlagen. Ich wusste nicht, ob es die Angst war, das Adrenalin oder weil ich nicht im Gefängnis landen wollte – aber ich rannte. Ich rannte, so schnell ich konnte, bis die Schreie des Mannes nicht mehr zu hören und wir in der U-Bahn-Station verschwunden waren. Erst nachdem wir in die Bahn gestiegen waren, beruhigte ich mich allmählich. Doch ich fühlte mich schrecklich. Ich nahm mir vor, den Namen der Kellnerin herauszufinden, um ihr das Geld anonym zu überweisen.

»Wo fahren wir hin?«

Trev schnalzte mit der Zunge. »Wart ab, du neugieriges Ding. Lass dich überraschen.«

Eine halbe Stunde später standen wir vor einer Treppe, die hinunter zu einer öffentlichen Toilette führte. Ja, ihr habt mich schon richtig verstanden. Eine öffentliche Toilette. Neben der Treppe stand ein Schild, auf dem »Damen & Herren« zu lesen war.

»Oh Gott, ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt wissen will, warum wir hier sind«, bemerkte ich. »Falls du dich hier mit jemandem treffen willst, um a) Drogen zu kaufen oder b) etwas zu tun, das unter Erregung öffentlichen Ärgernisses fällt, dann sind wir keine Freunde mehr. Das schwöre ich dir.«

»Jetzt führ dich nicht so auf. Es wird dir gefallen«, meckerte Trev, stellte sich hinter mich, packte mich an den Schultern und führte mich die Treppe hinab. Nur zögernd ging ich voraus, hatte die schlimmsten Befürchtungen, doch plötzlich landeten wir in einem winzigen Pub. Trotz der alten Kacheln an den Wänden fand ich es hier irgendwie niedlich. Ich drehte mich zu Trev um, und er zwinkerte mir zu. »Ich gehe jede Wette ein, dass du noch nie auf einer öffentlichen Toilette einen Drink bestellt hast.«

»Das ist total verrückt. Warum wusste ich davon nichts?«

Trev tippte sich an die Nase. »Das ist das bestgehütete Geheimnis von ganz London.«

»Ich hoffe doch sehr, es gibt in London Geheimnisse, die noch besser gehütet werden, sonst sehe ich schwarz für diese Stadt.«

»Mach dir keine Sorgen! Diese Stadt birgt noch so viele Geheimnisse. Sie ist eine regelrechte Geheimniskrämerin.«

Wir mussten beide lachen, setzten uns an die Bar und studierten die Cocktailkarte. »Wir sollten etwas bestellen, das wir noch nie getrunken haben.«

»Gute Idee«, sagte Trev und schlug mit der flachen Hand auf den Tresen. »Barkeeper! Bring uns zwei der stärksten Cocktails, die ihr habt.«

Der Typ hinter der Bar, der gerade dabei war, Gläser abzutrocknen, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Falls du einen Cosmo willst, dann sag es einfach. Deine hübsche Freundin wird deshalb bestimmt nicht schlecht von dir denken.«

Seine freche Art verschlug mir kurz den Atem. Ich sah ihn mir genauer an. Er war ziemlich heiß – wenn man auf bärtige Hipster abfuhr. Trev zuckte nicht mal mit der Wimper.

»Glauben Sie mir, Sir, hätte ich einen Cosmo gewollt, hätte ich einen bestellt. Meine Freundin weiß genau, wie männlich ich bin.«

Ich sah ihn mit gehobener Braue an. »Ach, wirklich?«

»Letzten Sommer, Camber Sands. Als sich dummerweise das Handtuch gelöst hat, während ich meine Badehose ausgezogen habe. Da konntest du einen wunderbaren Blick auf meine beeindruckende Männlichkeit erhaschen.«

Ich hoffte, er sah nicht, dass ich rot wurde, denn er hatte recht. Ich hatte Trevs Männlichkeit in all ihrer Pracht gesehen. Zwar nur für einen Sekundenbruchteil, aber trotzdem lange genug, um zu wissen, dass er ordentlich ausgestattet war.

»Das mit dem ›beeindruckend‹ sei jetzt mal dahingestellt.«

Trevs Augen funkelten, und er rückte ein Stück näher. »Willst du mich etwa herausfordern?« Als ich seinen Atem auf der Haut spürte, wusste ich, dass es Zeit für einen Themenwechsel war. Und zwar sofort. Ich wandte mich an den Barkeeper.

»Kannst du uns irgendwas empfehlen?«

Er schürzte die Lippen und dachte kurz nach. »Hattet ihr schon mal einen Zombie?«

»Klingt passend, so morbide und extrem. Den nehmen wir«, verkündete Trev.

»Warte mal! Ich will zuerst wissen, was da drin ist.«

»Drei verschiedene Sorten Rum, Limettensaft, Falernum-Sirup, Angostura, Pernod, Grenadine, Zimtsirup und Grapefruitsaft.« Während er aufzählte, hob er für jede weitere Zutat einen Finger.

Ich verzog das Gesicht. »Ich kann echt nicht sagen, ob das eklig oder lecker klingt.«

Trev stieß mich mit dem Ellbogen an. »Probiere ihn doch einfach und find’s raus.«

Er sah mich auf eine Weise an, die mich wohl daran erinnern sollte, um was es heute Nacht ging. Neue Erfahrungen. Richtig. »Okay, aber wenn ich davon ein Magengeschwür bekomme, musst du mich gesund pflegen.«

Trev grinste breit. »Aber klar doch! Krankenschwestern-Uniformen stehen mir wirklich ausgezeichnet. Blütenweiß ist genau meine Farbe.«

Nur ein paar Minuten später servierte uns der Barkeeper die Drinks. Ich nahm das Glas und roch daran. Er war definitiv stark. Als ich vorsichtig nippte, brannte es zwar, aber auf eine angenehme Art. Trev pfiff laut, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte.

Der Barkeeper lächelte mich an. »Und? Wie findest du ihn?«

»Ein wenig gewöhnungsbedürftig«, antwortete ich. Er kicherte und sah mich so freundlich an, dass ich mich fragte, ob er möglicherweise auf mich stand. Versteht mich nicht falsch, mir war natürlich klar, dass nicht jeder Typ auf mich stand, nur weil er mich freundlich anlächelte. Aber es gab einen bestimmten Schlag Männer, der mich attraktiv zu finden schien, und ich hatte langsam das Gefühl, dass Mr Barkeeper ebenfalls dazugehörte.

»Ich bin übrigens Ash«, sagte er und hielt mir die Hand hin.

Ich schüttelte sie, und mir war völlig bewusst, dass Trev uns beobachtete.

»Reya.«

»Und ich bin Trevor«, warf mein Kumpel ein. »Jetzt kennen wir uns alle beim Vornamen. Wundervoll.« In seiner Stimme schwang so was wie Verärgerung mit.

Ash nickte ihm zu, wandte sich aber gleich wieder an mich.

»Reya, wohnst du hier in der Gegend?«

Ich öffnete den Mund, doch bevor ich etwas sagen konnte, mischte sich Trev ein. »Sag mal, Ashington …«

»Ich heiße Ashley.«

»Das macht es jetzt natürlich viel besser. Aber sag mal, machst du bei der Arbeit immer die Freundinnen anderer Männer an, oder ist das hier eine einmalige Sache?«

Ash hob eine Braue. »Ist sie denn deine Freundin?«

»Nein, aber …«

»Dann beantwortet das wohl die Frage.«

»Tut es nicht. Wir könnten verheiratet sein und drei süße Kinder haben. Woher willst du das wissen?«

Ash schmunzelte. »Ich habe einfach geraten.«

»Ach ja?«

Ich beäugte Trev und fragte mich, wo diese Feindseligkeit plötzlich herkam. Vorher hatte er mir noch versichert, ich würde eines Tages einen netten Mann kennenlernen, und keine Stunde später versperrte er meiner Vagina den Weg. Er starrte Ash dermaßen böse an, dass ich ihn mit dem Ellbogen anstieß.

»Hör auf, dich so seltsam aufzuführen.«

»Ich führe mich überhaupt nicht seltsam auf. Ich hinterfrage lediglich die unehrenhaften Absichten dieses jungen Herrn.«

Ich schnaufte verächtlich, Ash war eindeutig ein paar Jahre älter als Trev. Statt sich auf die Diskussion einzulassen, griff Ash unter dem Tresen nach einem Stift und schrieb etwas auf eine Serviette. Als er sie mir gab, sah ich, dass er mir seine Telefonnummer notiert hatte.

»Falls du mal Lust hast auszugehen«, sagte er und warf Trev einen letzten Blick zu. Als er sich abwandte, um die Gäste am anderen Ende des Tresens zu bedienen, widmete ich meine Aufmerksamkeit meinem Kumpel, der wenigstens genug Anstand hatte, eine schuldbewusste Miene aufzusetzen. Er nahm einen Schluck von seinem Drink. Ich verschränkte die Arme und legte den Kopf schief. Derweil tat er so, als würde er sich die Schnapsflaschen auf dem Regal ansehen. Ich räusperte mich.

»Kannst du mir mal sagen, was das eben sollte?«

»Du solltest mir lieber dankbar sein. Du willst doch keinen Barkeeper daten, Reyrey. Das sind alles Schlampen.«

»Woher willst du das wissen? Kennst du denn alle Barkeeper auf diesem Planeten?«

»Ich habe bereits genug kennengelernt, um das beurteilen zu können. Die Griechen sind allerdings die schlimmsten. Als ich letztes Jahr mit den Jungs auf Santorin war, war da dieser eine Barkeeper, der hat jeden Abend eine andere abgeschleppt. Klar, da sind eine Menge Touristen, und die Versuchung ist groß, aber trotzdem.«

»Ash sieht nicht gerade aus wie ein Grieche.«

»Nein, er sieht aus wie ein Wichser.«

»Trev!«

»Was denn? Ist doch wahr. Außerdem habe ich die Schnauze voll von diesen ganzen Bärten. Alle glauben, jeder Typ würde mit Gesichtsbehaarung besser aussehen, aber das stimmt nicht. Die fühlen sich mit ihren Bärten wie Prachtkerle. Tut mir leid, aber du siehst einfach nur aus wie ein Vollidiot mit Bart. Oder wie ein Fetter mit Bart. Oder wie ein Sack mit großer Nase und Bart.«

»Wow, wie du dich da reinsteigerst. Liegt es daran, dass du selbst keinen Bartwuchs hast?«, neckte ich ihn. Es kam nur selten vor, dass sich Trev so über etwas aufregte, deshalb musste ich die Chance nutzen.

»Und was ich für einen Bartwuchs habe. Das kannst du aber glauben. Aber ich will nun mal keinen Bart tragen. Warum sollte ich dieses engelsgleiche Gesicht mit Haaren verdecken?«

»Hm, da protestiert aber jemand ein wenig zu vehement«, sagte ich grinsend und nippte an meinem Cocktail.

Er sah mich ernst an. »Willst du mich schon wieder herausfordern?«

»Willst du denn herausgefordert werden?«

Er seufzte laut. »Nein. Ich wollte lediglich sagen, dass du mir wichtig bist. Und ich will nicht, dass du mit irgendeinem Arschloch ausgehst, das gar nicht zu würdigen weiß, wie toll du bist.«

Es lag eine derartige Entschlossenheit in seiner Stimme, dass ich von seinem Kompliment ganz gerührt war. »Mach dir keine Sorgen! Er ist sowieso nicht mein Typ.«

Trev lächelte. »Ich wusste, du hast Geschmack.«

»Gib doch einfach zu, dass du eifersüchtig bist. Nicht unbedingt im romantischen Sinne, sondern weil du so besitzergreifend bist. Dir gefällt die Vorstellung nicht, dass ich mich mit jemandem treffen könnte, weil ich dann vielleicht nicht mehr auf Abruf für dich bereitstehe. Du willst es vielleicht nicht zugeben, Trev, aber du brauchst mich. Du hast dich inzwischen daran gewöhnt, dass ich immer für dich da bin.«

Trev sah mich lange an, dann fing er an zu lächeln. Aus irgendeinem Grund spürte ich ein Kribbeln im Bauch. »Na schön, du hast recht. Ich verbringe gern Zeit mit dir, und ich will nicht, dass dich mir jemand wegnimmt. Du bist meine BFF. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.«

»Ha! Ich wusste es.«

Er fuhr sich durchs Gesicht. »Du hast mich zu einem dieser Psychomädchen gemacht, die sofort durchdrehen, wenn ihre beste Freundin plötzlich mehr Zeit mit ihrem neuen Freund verbringt.«

»Das beschreibt dich ganz gut. Dabei habe ich noch nicht mal einen Freund.«

»Genau. Sobald du einen hast, werde ich total durchticken. Wahrscheinlich werde ich sogar einen Privatdetektiv anheuern, um ihn ausspionieren zu lassen, so wie es Jennifer Aniston mit Brad gemacht hat.«

Ich kicherte überrascht. »Woher weißt du das denn?«

»Ich lese eben die TMZ«, erwiderte er humorvoll.

»Es würde mich nicht wundern, wenn du sie tatsächlich lesen würdest.«

»Tu ich auch. Los, trink aus! Wir müssen los. Unser nächstes Ziel wartet bereits.«

Obwohl wir nur einen Cocktail getrunken hatten, war ich schon ziemlich beschwipst, als wir uns auf den Weg zum Rave machten. Trev half mir, über den Zaun zu klettern, der den Zugang zur stillgelegten U-Bahn-Station versperrte. Schon da war mir klar, dass das keine legale Veranstaltung war. Er machte eine Räuberleiter, und als er mich hochwuchtete, ächzte er seltsam. Mir war die Situation äußerst peinlich, aber ich beschloss, sie mit Humor zu nehmen.

»Ich bin nicht gerade ein Fliegengewicht«, kicherte ich, während Trev weiter versuchte, mich hochzuhieven.

»Stimmt, das liegt aber nur an deinen Titten und deinem Arsch«, erwiderte er frech. Schließlich schaffte ich es, mich hochzuziehen, allerdings verfing sich mein Kleid an einem Stück Metall. Als ich das Bein über den Zaun schwang, konnte die ganze Welt meine schwarze Baumwollunterhose sehen. Und mit »ganze Welt« meinte ich Trevor Cross. Während ich damit beschäftigt war, mein Kleid wieder zurechtzuziehen, beobachtete er mich mit wackelnden Augenbrauen.

»Netter Schlüpfer«, kommentierte er grinsend.

Obwohl mein Puls wie verrückt raste, weil er gerade meinen Slip gesehen hatte, versuchte ich, so gelassen wie möglich zu bleiben. »Du solltest mal die sehen, die ich zu besonderen Anlässen anziehe. Daneben sieht dieser Alltagsschlüpfer ganz blass aus.«

Sein Grinsen wurde immer verschmitzter. »Du meinst die mit der roten Spitze und den Strapsen? Die kenne ich schon.«

Plötzlich war ich wie versteinert, denn ich besaß tatsächlich rote Spitzenunterwäsche mit Strapsen, doch die hatte ich ihm nie gezeigt. »Was?«

Seine blauen Augen funkelten in der Dunkelheit. »Was soll ich denn sonst machen, während ich darauf warte, dass du mit Duschen fertig wirst? Irgendwie musste ich mir ja die Zeit vertreiben.«

»Oh Gott! Würde ich nicht gerade über einem Zaun hängen, würde ich dich mit bloßen Händen umbringen.«

»Ich bin halt neugierig, Reya. Dann schließ die Schublade mit der Unterwäsche eben ab«, meckerte er.

Mahnend hob ich den Zeigefinger. »In Schubladen anderer Leute hast du nichts zu suchen, ganz egal, ob da Unterwäsche oder sonst was drin ist.«

»Spielverderberin.«

Ich warf ihm einen finsteren Blick zu und drehte mich um, um vom Zaun zu springen. »Du bist mir vielleicht einer.« Ich bereitete mich auf den Absprung vor, als Trevs Stimme mich zurückhielt.

»Warte! Ich helfe dir.«

In null Komma nichts kletterte er nach oben und schwang sich über den Zaun. Seine Bewegungen wirkten elegant – ganz im Gegensatz zu dem, was ich hier veranstaltete. Trev packte mich an der Hüfte, und als er mich berührte, zitterte ich plötzlich am ganzen Körper. Als ich zu ihm hinabsah, entstand ein merkwürdiger Moment zwischen uns, und sein Blick verdunkelte sich.

»Spring runter! Ich fang dich auf«, sagte er mit ungewöhnlich rauer Stimme.

Am liebsten hätte ich einen Kommentar darüber abgelassen, dass mir dieser Zaun mit Sicherheit die Unschuld rauben würde, wenn ich noch Jungfrau wäre, doch Trevs Blick verschlug mir die Sprache. Ich sprang ab und landete sicher in seinen Armen. Er hielt meine Hüfte umfasst, meine Brust an seine gepresst. Ich konnte nicht anders, als ihm auf den Mund zu starren, konnte nicht verhindern, dass sich mein Atem beschleunigte. Als er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, entwich mir ein kleiner Laut, den ich selbst nicht richtig einordnen konnte. Irgendwas zwischen Stöhnen und Jaulen. Jedenfalls schien es was mit Trev zu machen.

Plötzlich presste er mich so fest gegen den Zaun, dass unsere Körper fast miteinander verschmolzen. Ich konnte ihn riechen, schon wieder. Sein Duft benebelte meine Sinne.

Das Einzige, was ich noch hörte, waren die weit entfernten Geräusche der Stadt und unser schweres Atmen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wusste nicht, was er tun würde. Mein Kopf schwirrte noch immer von dem Todesgebräu, das wir vorher getrunken hatten. Als ich zu ihm aufsah, überraschte mich sein Anblick.

Lust. Pure, wilde, unverfälschte Lust. Trevor Cross wollte mich. War ich plötzlich in einem Paralleluniversum gelandet? Ich öffnete den Mund. »Was machst …?«

»Lass uns ficken«, sagte er.

»W-wie bitte?«, fragte ich erschrocken.

»Du hast mich genau verstanden.«

»Trev, warst du schon betrunken, bevor wir uns getroffen haben? Du benimmst dich schon den ganzen Tag so komisch …«

»Ich will wissen, wie es ist zwischen uns«, hauchte er.

»Trevor«, murmelte ich, meine Stimme zitterte vor Nervosität.

»Gib zu, dass du auch schon mal darüber nachgedacht hast.«

Ich gab keine Antwort. In diesem Moment war ich froh um meinen dunklen Hautton, denn ich wurde rot bis zu den Zehenspitzen.

»Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Es ist dir peinlich, aber das muss es nicht sein. Ich weiß, dass du auch schon daran gedacht hast. Ich bin ein Kerl, du bist eine Frau, wir sind beide Single und nicht blutsverwandt. Ich habe mir auch schon ein paarmal vorgestellt, wie es wäre. Zugegebenermaßen ein bisschen öfter als ein paarmal.«

Könnte sich ein Mensch in eine Erdbeere verwandeln – ich hätte es an Ort und Stelle getan. Obwohl mein Herz vor Freude hüpfte, fühlte ich mich gleichzeitig extrem unwohl. Es mochte ja sein, dass Trev hin und wieder darüber nachdachte, wie es wohl wäre, mit mir zu schlafen, aber ich war mir sicher, dass dabei keinerlei Gefühle im Spiel waren. Bei mir allerdings schon. Ich fand ihn attraktiv, das auf jeden Fall, aber ich war auch in ihn verliebt. Ich dachte, ich hätte es längst hinter mir gelassen, doch heute Abend hatte ich wieder Schmetterlinge im Bauch.

Ich legte ihm die Hände auf die Brust, wollte ihn von mir schieben, doch er hielt mich weiter fest. »Du bist ein Kerl. Natürlich denkst du manchmal daran. Aber Frauen sind da anders. Bei uns stehen Gefühle im Vordergrund, nicht das Körperliche.«

»Das ist doch Blödsinn. Ich habe schon Frauen kennengelernt, denen es auch nur um Sex ging.«

»Mag sein, aber ich bin nicht so. Sex hat bei mir auch immer etwas mit Gefühlen zu tun.«

Er ließ den Blick über mein Gesicht schweifen und musterte mich so eingehend, dass es mir unangenehm war. »Heißt also, du würdest niemals mit einem Typen schlafen, für den du keine Gefühle hast.«

Ich nickte. »Ganz richtig.«

»Aber dann ist es doch perfekt. Ich weiß, dass du Gefühle für mich hast, also können wir auch Sex miteinander haben.«

»Ich werde nicht …«

»Du verstehst da etwas nicht richtig. Wenn ich morgen sterben würde, würdest du dann auf meiner Beerdigung weinen?«

»Aber natürlich.«

»Ich würde mir auf deiner Beerdigung die Augen aus dem Kopf heulen. Siehst du? Wir haben beide Gefühle füreinander. Ist doch klar, wir sind schließlich Freunde.«

»Genau, wir sind Freunde. Würden wir miteinander schlafen, würde sich alles zwischen uns ändern, und ich will dich nicht verlieren.«

»Du verlierst mich aber nicht. Das verspreche ich dir.«

Nein, aber du würdest mich verlieren. Würde ich mit Trev schlafen, würde ich mich unsterblich in ihn verlieben. Das wusste ich genau. Unverbindlicher Sex würde nicht funktionieren, denn dafür gab es zwischen uns zu viele Verbindlichkeiten. Zumindest für mich.

Ich schüttelte den Kopf. »Warum willst du das überhaupt? Auf dieser Party findest du bestimmt Dutzende Mädchen, die mit dir schlafen wollen.«

Trev kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Versprich mir, dass du nicht lachst.«

»Ich lache nicht. Versprochen.«

»Ich habe in letzter Zeit Probleme mit Frauen. Besser gesagt mit meinem Sexualtrieb. Jedes Mal, wenn ich versuche, ein Mädchen flachzulegen, funktioniert es nicht richtig. Weil ich an dich denken muss.«

Ich sog scharf die Luft ein, und mein Herz begann wie verrückt zu pochen. »An mich?«

Er legte mir die Hand auf die Schulter, drückte leicht zu und strich mir über den Arm. »Ja, daran, wie hübsch du in diesen langen, weiten Kleidern aussiehst, die alles verdecken bis auf dein Dekolleté. Ich stelle mir vor, wie du wohl darunter aussiehst. Und wenn ich dich beim Singen beobachte, wünsche ich mir, du würdest die Augen öffnen und mich anschauen. Manchmal verschlägt es mir regelrecht den Atem, wenn ich dich sehe.«

Hitze stieg in mir auf. Er hatte ja keine Ahnung, dass es mir mit ihm ebenso gegangen war. Hatten wir zusammen auf dem Sofa gesessen, hatte ich mir vorgestellt, wie er über mich herfiel und mich küsste. Hatte er flüchtig meine Hand berührt, hatte ich mir gewünscht, er würde sie so lange wie möglich halten. Doch leider kamen seine Gefühle zwei Jahre zu spät. Ich hatte mit der ganzen Sache bereits abgeschlossen, konnte sie unmöglich wieder aufrollen. Sonst würde ich verrückt werden.

»Ich kann nicht mit dir schlafen, Trev. Es tut mir leid, aber es geht einfach nicht.«

Wieder presste er sich gegen mich. Irgendwie schien sein drahtiger Körper perfekt zu meinen Rundungen zu passen. Er lehnte sich nach vorn und flüsterte mir ins Ohr: »Tu nicht so, als würdest du es nicht auch spüren. Stell dir vor, wie es wäre. Wir könnten endlich die Spannung abbauen, die sich seit Jahren zwischen uns anstaut. Ich bin mir sicher, du wärst großartig. Ich bin mir sicher, es wäre verdammt noch mal episch.«

Seine leisen, heiser klingenden Worte ließen mich zittern. Fast hätte ich mich meiner Lust hingegeben, doch dann begriff ich, was er gerade gesagt hatte. Die sich seit Jahren zwischen uns anstaut. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass ich in ihn verliebt war und es einfach ignoriert? Wütend schob ich ihn von mir.

»Du bist ein Arschloch«, fauchte ich und lief in die Richtung, aus der die Musik kam. Je weiter ich die Treppe hinunterstieg, desto lauter wurde das Geräusch feiernder Menschen.

»Reya, was zur Hölle?«, rief Trevor, ging mir nach und packte mich am Arm.

»Lass mich in Ruhe! Ich brauche jetzt einen Drink.«

»Warum bist du plötzlich so wütend?«

Ich schnellte zu ihm herum. »Ich bin wütend, weil du dich eben selbst verraten hast. Du hast die ganze Zeit gewusst, dass ich dich mag, doch stattdessen hast du mich nur hingehalten, mir netterweise deine Freundschaft angeboten, obwohl du genau wusstest, dass ich mehr will.«

Trev fluchte leise. »So einfach ist das nicht.«

Ich konnte mir ein freudloses Lachen nicht verkneifen. »Oh, schon klar.« Ich drehte mich um und ging weiter die Treppe hinab, bis ich plötzlich auf dem Bahnsteig gelandet war. Er war gerammelt voll, auf der einen Seite stand eine provisorische Bar, auf der anderen befand sich die Tanzfläche. Einige tanzten, andere hingen herum, tranken und unterhielten sich – oder besser gesagt, schrien sich an, um sich überhaupt verstehen zu können.

Musik dröhnte aus den Boxen, und ich fasste einen Entschluss. Jetzt war ich diejenige, die am längeren Hebel saß. Jahrelang hatte sich Trev durchgevögelt, und plötzlich hatte er mich bemerkt, obwohl ich schon die ganze Zeit da gewesen war.

Ich würde jetzt nicht einfach die Beine für ihn breitmachen, nachdem er mir das Herz gebrochen und ich nächtelang durchgeheult hatte, um schließlich einzusehen, dass ich einfach nicht sein Typ war.

Heute Nacht würde ich mir einen Typen klarmachen. Und ich würde mit ihm schlafen. Einen Mann, der mir nichts bedeutete. Genauso wenig, wie die ganzen Mädchen Trev bedeuteten, die er all die Jahre vorgezogen hatte. Ich wollte ihn spüren lassen, wie das war.

Ich holte mir an der Bar einen doppelten Wodka, kippte ihn hinunter und bestellte gleich noch einen. Ich sah, wie sich Trev durch die Menge seinen Weg zu mir bahnte, wich seinem Blick aus, kippte den zweiten Drink und machte mich auf zur Tanzfläche. Dort verlor ich mich in der tanzenden Masse, und schon bald hatte ich die Aufmerksamkeit eines großen blonden Kerls auf mich gezogen. Zunächst tanzten wir eine Weile nebeneinander, dann fasste er mich an der Hüfte, und wir bewegten uns gemeinsam im Takt der Musik.

Kaum eine Sekunde später packte mich jemand an der Hand und zog mich weg. Der Typ beschwerte sich, doch ich bekam es kaum mit, denn in diesem Moment stieg mir Trevs Duft in die Nase, und ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Mein Gott, warum war ich nur so verrückt nach ihm?

Er zog mich hinter sich her in eine ruhigere Ecke, der Wodka traf mich nun mit voller Wucht. Als Trev stehen blieb, sah ich zu ihm auf. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er wirkte verletzt und auch irgendwie ängstlich. Obwohl ich mir für heute Nacht ein Ziel gesetzt hatte, wollte ich ihn einfach nur in den Arm nehmen. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, es nicht zu tun.

»Was ist?«, rief ich und versuchte, die Musik zu übertönen.

Er starrte mich an, kaute auf seiner Lippe herum, bis sie anfing zu bluten.

»Ach, was soll’s! Ich gehe jetzt nach Hause.«

Ich drehte mich um, wollte gehen, doch er schlang die Arme um meine Hüfte und zog mich zu sich, mein Rücken gegen seine Brust gepresst. Er beugte sich hinunter und schrie mir ins Ohr: »Ich habe ADHS!«

Ich zuckte zusammen und drehte mich stirnrunzelnd zu ihm um. Was sollte ich dazu sagen? Trev deutete mit einer Kopfbewegung Richtung Toiletten, also folgte ich ihm. Dort war es ruhiger, und wir konnten besser reden.

Ich musterte ihn. Er wirkte peinlich berührt, was gar nicht zu ihm passte. »Hast du gerade gesagt, du hast ADHS?«

Er starrte die Wand hinter mir an. »Weißt du noch, als sie mich und die Jungs wegen dieser Fernsehsendung kontaktiert haben?«

Ich nickte. Trev und ein paar seiner Parkourkumpels versuchten nun schon seit einer ganzen Weile, einen Deal mit einem Sender auszuhandeln. An dieser Idee feilte er schon, seit ich ihn das erste Mal getroffen hatte. Vor Kurzem war ein Redakteur auf ihre YouTube-Videos aufmerksam geworden. Nun arbeiteten sie an einem Konzept für eine Sendung, in der sie in verschiedene Städte reisen und dort ihre Parkourstunts machen würden. Es war noch nichts in Stein gemeißelt, aber für Trev war das auf jeden Fall eine tolle Chance. »Ja, was ist damit?«

»Wir mussten uns im Vorfeld einer psychologischen Beurteilung unterziehen. Du weißt schon, weil sie wissen wollen, ob wir psychisch stabil genug sind, um es wochenlang zusammen in einem Tourbus auszuhalten. Auf jeden Fall hat sich herausgestellt, dass ich seit meiner Kindheit ADHS habe, was bisher nicht erkannt wurde. Und jetzt wollen sie, dass ich Medikamente nehme.«

»Oh, Trev«, hauchte ich entsetzt. »Warum hast du mir das nicht erzählt?«

»Weil es mir peinlich war. Und ich wollte nicht, dass du es Karla erzählst, weil sie es sonst Lee erzählt. Und dann fühlen sich alle mies, weil wir so arm aufgewachsen sind und diese dumme Krankheit deshalb nicht früher entdeckt wurde. Lee hätte ein furchtbar schlechtes Gewissen.«

Ich drückte seinen Arm. »Trev, du musst es ihnen erzählen. Du musst damit nicht allein fertig werden, deine Familie wird dir helfen. Das weiß ich genau.«

Er sah mich an. »Lieber nicht, die haben alle ihre eigenen Sorgen. Und dir erzähle ich es nur, damit du mich besser verstehst. Warum ich mich so verhalte. Ich will, dass du weißt, warum ich mich dir gegenüber nie richtig öffnen konnte.« Er tippte sich an die linke Schläfe. »In meinem Kopf ist etwas kaputt.«

Ich verengte die Augen zu Schlitzen. »In deinem Kopf ist nichts kaputt. Rede nicht so über dich. Du hast eine Krankheit, und wärst du nicht so arm aufgewachsen, hätte man sie frühzeitig behandelt. Es ist nicht deine Schuld, Trev.«

Ich umarmte ihn fest, und er sträubte sich nicht dagegen. Mein Kopf versuchte, die neue Info zu verarbeiten, plötzlich ergab so vieles Sinn. Seine mangelnde Selbstkontrolle, seine Konzentrationsschwäche, sein Hang zum Risiko. Dies alles hing mit seiner Krankheit zusammen, von der er bis vor Kurzem nichts gewusst hatte.

Wir standen lange so da. Ich hatte das Gefühl, es tat ihm gut, dass ich ihm gesagt hatte, dass es nicht seine Schuld war. Er musste es von irgendjemandem hören, und ich war froh, dieser Jemand zu sein. Unsere Körper verschmolzen beinahe miteinander, und wir lösten unsere Umarmung erst, als uns jemand anrempelte.

»Oh scheiße, sorry«, sagte ein Typ, dessen Bier über den Plastikbecher schwappte.

Als ich ihn ansah, um ihm zu sagen, dass es schon in Ordnung war, verschlug es mir die Sprache. Es war er. Der Typ, mit dem ich vor Monaten den One-Night-Stand gehabt hatte. Der, der Trevs Zwillingsbruder hätte sein können. Mein Gott, was für eine verrückte Nacht.

»Reya! Hey, wie geht’s dir?«

Ich spürte, wie Trev uns beobachtete, traute mich aber nicht, ihn anzusehen. »Vinnie, hi! Schön, dich zu sehen.«

»Ihr zwei kennt euch?«, fragte Trev.

Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Er musterte Vinnie eingehend, und es war mehr als deutlich, dass ihm die Ähnlichkeit zwischen ihnen aufgefallen war.

Bitte, bring mich sofort um!

»Nicht so richtig«, antwortete ich.

Doch leider war Vinnie so betrunken, dass er die Frage sehr offen beantwortete. »Hast du etwa schon vergessen, dass ich dir vor ein paar Monaten fast das Hirn rausgevögelt habe, Reya?«

Wäre ich eine Schildkröte, wäre ich in diesem Moment in meinen Panzer geschlüpft und nie wieder herausgekommen. Trev versteifte sich, setzte dann aber sofort einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf. »Ach ja? Anscheinend kann sie sich nicht daran erinnern. Du warst wohl nicht besonders gut, Kumpel.«

Vinnie sah ihn böse an. »Hey, fick dich!«

»Mein Gott, da verträgt wohl jemand keine Witze.« Trev rollte mit den Augen.

Vinnie ließ den Blick zwischen uns beiden hin- und herwandern und ging dann weg. »Was soll’s! Ist es eh nicht wert.«

Sobald Vinnie verschwunden war, wandte sich Trev mir zu. Er sah dermaßen verzückt aus, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt hätte.

»Keinen Ton«, warnte ich ihn.

Er biss sich auf die Lippe, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.

»Ich meine es ernst, Trev«, fuhr ich fort. Ich fühlte mich bis auf die Knochen blamiert. Er wusste es. Er wusste, dass ich mit Vinnie geschlafen hatte, weil er aussah wie er. Ich konnte es ihm ansehen.

Er öffnete den Mund, doch ich kam ihm zuvor. »Ich will es nicht hören. Was auch immer du sagen willst, behalte es gefälligst für dich!«

»Aber …«

»Trevor!«

»Reya, er ist mir wie aus dem Gesicht geschnitten. Wir können doch nicht einfach so tun, als wäre es nicht so.«

Ich drehte mich weg. »Ich hole mir noch einen Drink.«

Wie vorhin packte er mich auch jetzt wieder an der Hüfte und zog mich zu sich. Ich spürte ein Kribbeln auf der Haut.

»Okay, du hast gewonnen«, flüsterte er mir ins Ohr. »Wir werden nicht darüber reden. Tanz mit mir!«

Ich konnte nicht widerstehen und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche führen. Er hielt mich die ganze Zeit fest umschlungen, während wir uns im Takt der Musik bewegten. Plötzlich wirbelte er mich herum und presste sich von hinten gegen mich. Er ließ meine Hüfte los und begann meinen Bauch zu streicheln. Seine Berührung war so intensiv, dass mir Hitze durch den Körper strömte. Wir waren von Hunderten Menschen umgeben, die Anonymität verlieh der Situation etwas Erotisches. Hier kannte uns niemand. Wir konnten alles tun, und nur wir beide würden davon wissen.

»Du fühlst dich toll an«, schrie er mir mit rauchiger Stimme ins Ohr.

Ich schwang die Hüften, rieb meinen Hintern an ihm. Als ich plötzlich seine Erektion spürte, schnappte ich nach Luft. Er war erregt. Ich hatte ihn erregt. Diese Nacht verwandelte sich allmählich in einen Traum, der endlich in Erfüllung ging. Und dieser Traum war Trevor.

Er hörte auf, meinen Bauch zu streicheln, und drückte mich stattdessen noch fester an sich.

Oh mein Gott!

Er fühlte sich so gut an. Ich stellte mir vor, wie er mich hier und jetzt auf der Tanzfläche nahm, wie er sich über mich beugte, mir das Kleid hochzog und in mich eindrang. Ich bildete mir ein, ich hätte ihn stöhnen hören, kurz bevor plötzlich die Musik abbrach und die Leute anfingen herumzuschreien. Dann bemerkte ich die Polizisten. Mist!