Is It Wrong to Try to Pick Up Girls in a Dungeon? – Light Novel, Band 03 - Fujino Omori - E-Book

Is It Wrong to Try to Pick Up Girls in a Dungeon? – Light Novel, Band 03 E-Book

Fujino Omori

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Beschreibung

Die Göttin Freya ist fasziniert, wie schnell Bell sich entwickelt, doch sie erkennt auch, dass irgendetwas ihn zurückhält, ihn regelrecht fesselt. Bell selbst spürt, dass noch ein langer Weg vor ihm liegt. Als seine Angebetete Aiz Wallenstein anbietet, ihn zu trainieren, ergreift er gerne die Gelegenheit stärker zu werden, muss jedoch auch Aiz' Anziehung widerstehen. Währenddessen widmet sich Ottar im Dungeon einem Minotaurus, den er gegen Bell kämpfen lassen möchte … Wird es ihm so gelingen, Bell von seinem Trauma mit dem Minotaurus zu erlösen, sodass dieser sich zu ungeahnten Höhen aufschwingen kann?

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Impressum

Prolog: »Alea iacta est«

»Ottar, der Junge ist schon wieder stärker geworden.«

»Tatsächlich?«

»Ja.«

Es war dunkel im Raum, nur auf dem Tisch glomm ein kleines Licht. Im Schein des Magiesteins, der wie eine Kerze flackerte, hoben sich Freyas Mundwinkel.

Sie befand sich im Turm Babel, der direkt über dem Dungeon errichtet worden war. Genauer gesagt war es das oberste Stockwerk. Der Raum war spärlich eingerichtet und wirkte eigenartig schmucklos für eine erstklassige Suite. Doch die wenigen Objekte, die es gab, waren von großer Pracht und geschmackvoll platziert. Es gab ein gewaltiges Bücherregal, ein ungewöhnlich großes Bett und einen dunkelroten Teppich. Zwischen Spiegeln an der Wand hing ein Bild, das Sonne und Mond zeigte.

Die silberhaarige Göttin unterhielt sich gerade mit einem auserwählten Gefolgsmann, ein Weinglas in der Hand.

»Ich hatte es falsch eingeschätzt«, meinte sie. »Es ist nicht allein sein Status. Durch die Magie, die er erworben hat, ist sein Leuchten um ein Vielfaches stärker … Für mich sieht er dadurch viel vollkommener aus.«

Sie schwenkte ihr Glas und bewunderte die Spiegelung des kalten Mondlichts in der Flüssigkeit. Der junge Weißwein hatte kaum Farbe und ebenso wenig Geschmack. Aber gerade diese Transparenz, fand Freya, war durch nichts zu ersetzen. Sie schloss leicht ihre silberfarbenen Augen, lächelte und bewegte das Glas zum Mund.

»Er hat also beträchtliche Fortschritte gemacht?«

»So erscheint es mir.«

Ottar stand in einer Zimmerecke, die Miene unbewegt. In aufrechter, starrer Haltung schaute er still seine Herrin und Göttin an. Unter dem Blick seiner rostbraunen Augen ließ Freya bedächtig ihre Lider herabsinken.

»Aber irgendetwas, eine einzige Sache, trübt seinen Glanz noch immer. Es ist, als wären ihm Fesseln angelegt.«

Ottar schwieg.

»Das Gefäß ist mehr als ausreichend, aber der Kern ist nicht stark genug oder nebelverhangen … Irgendetwas fehlt oder stört. Verstehst du es vielleicht, Ottar?«

Sie wandte sich zu ihm um. Sie wollte seine Meinung hören, denn für sie war er ebenso ein Kind wie jener Jüngling. Der Tiermensch, der an einen gewaltigen Felsen erinnerte, presste die Lippen aufeinander.

»Vielleicht eine schicksalhafte Verbindung?«, antwortete er schließlich.

»Schicksalhaft?«

»Ihr habt mir doch von seinem Erlebnis mit jenem Minotaurus berichtet. Wenn er diese bittere Erfahrung nicht verwinden kann, wird sie ihn weiterhin quälen, wie ein Stachel in seiner Seite.«

Die Geschichte hatte sie Ottar tatsächlich erzählt. Sie hatte sie jedoch nicht direkt aus Bells Mund gehört, sie war ihr nur weitergetragen worden. Wissen konnte sie es nicht, aber sie hatte eine starke Ahnung: Jene Niederlage gegen dieses Monster, das an einen wilden Bullen erinnerte, war eine der Ursachen für seine Halbherzigkeit.

Sie strich sich mit dem Finger über das schmale Kinn. »Also ist er traumatisiert … Ihr Kinder seid wirklich empfindlich. Auch wir Götter hängen an der Vergangenheit, aber wir lassen uns nicht von ihr fesseln. Auf euch wirken wir deswegen bestimmt sorglos, oder?«

»In keiner Weise«, sagte Ottar unverändert höflich.

»Du könntest ruhig ein wenig mitspielen, damit ich mich nicht so langweile … Aber egal.« Sie lächelte ihn zauberhaft und ein wenig herausfordernd an. »Und wie ziehen wir nun dem Jungen jenen Stachel, der so tief in seinem Fleische steckt?«

»Um sich von solch einem schicksalhaften Erlebnis zu lösen, muss man sich ihm erneut stellen und es aus eigener Kraft überwinden. Es gibt keinen anderen Weg.«

Ottar schien die Frage seiner Göttin todernst aufgefasst zu haben.

»Ich nehme an, dir ist es genauso ergangen?«

»Wir Männer neigen dazu, die Fehler unserer Vorgänger zu wiederholen. Zumindest ist das meine Meinung dazu.«

Freya kicherte und wandte den Blick ab. Nun, da sie einen Anhaltspunkt hatte, hellte sich sogleich ihre Laune auf, und sie ließ ein wenig ihre Gedanken schweifen. Wenn dieses Monster namens Minotaurus einen Schatten auf den Jungen warf, dann gab es eine einfache Antwort: Sie musste gar nichts tun, sondern einfach nur abwarten. Irgendwann würde er stark genug sein, um einen Minotaurus zu besiegen. Dann würde er seiner Vergangenheit entkommen, die wie Pech an ihm klebte.

Und in dem Moment, wenn er den Minotaurus besiegt, wird sein Strahlen durch nichts mehr gemindert sein …

Dann würde er vollendet vor Freya erscheinen, und gewiss würde sie sich bei dem Anblick erneut verlieben. Sie konnte es kaum erwarten. Ihr Denken kreiste ausschließlich um Bell. Er faszinierte sie mehr als alle anderen. Sie wollte diesen Jüngling unbedingt besitzen, ihn in ihrer Nähe wissen, sodass sie ihn jederzeit erreichen konnte.

Und mit diesen Gedanken wandte sie sich erneut an ihren Anhänger: »Ottar!«

»Ja, Herrin?«

»Wie denkst du eigentlich darüber? Da ich komplett von ihm verzaubert bin, missachte ich doch euch alle in meiner Familia ständig.« Weil Ottar schwieg und keine Regung erkennen ließ, fuhr Freya fort: »Was, wenn der Junge irgendwann noch stärker ist als du?«

Schweigen.

»Vielleicht wird er mir einmal teurer und kostbarer sein. Vielleicht steht er eines Tages an meiner Seite, dort wo du jetzt stehst.«

»Ganz wie Ihr wünscht, Meisterin Freya.«

»Bist du nicht eifersüchtig?«

Ottar zeigte keine Regung und antwortete voller Aufrichtigkeit und festem Glauben: »Eure Liebe ist zu all Euren Kindern gleich. Keines liebt ihr mehr oder weniger. Selbst wenn ich einmal nicht mehr an Eurer Seite stehen sollte, bin ich mir Eurer Liebe sicher.«

Die Blicke der silbernen und rostbraunen Augen trafen sich.

Nach einem Augenblick des Schweigens senkte der riesige Mann sein Haupt.

»Ich habe zu viel gesagt.«

»Schon gut. Dadurch bist du mir eigentlich noch viel liebenswerter geworden.«

»Ich fühle mich sehr geehrt.«

Nach diesem lockeren Wortwechsel lächelte Freya verschmitzt und sagte mit ihrer schönen Stimme: »Aber wirklich schade. Ich hätte gerne gesehen, wie so ein stocksteifer Typ wie du ein bisschen eifersüchtig wird.«

»Wenn Ihr es wünscht …«

»Hi … Hi hi hi hi! Ha ha ha ha ha! Ich bitte dich, Ottar! Bring mich nicht so zum Lachen, ja? Wenn du auf deine todernste Art und Weise versucht hättest, eifersüchtig zu sein, dann hätte ich mich sicher nicht mehr halten können.«

Freyas Lachen schien aus tiefstem Herzen zu kommen. Wie ein unschuldiges Mädchen hob sie die Hand vor den Mund, während sie sich mit der anderen den Bauch hielt.

Ottar verzog einen winzigen Augenblick lang das Gesicht. Wahrscheinlich schämte er sich ein wenig. Er knickte eins seiner Wolfsohren komisch ab.

Nachdem Freya ausgiebig gelacht hatte, tupfte sie sich die Augen ab. Natürlich hatte sie die Scham ihres Untergebenen bemerkt, darum wechselte sie nun das Thema.

»Sag mal, Ottar. Wie siehst du es denn nun?«

»Wovon sprecht Ihr?«

»Von dem Jungen. Sind meine Sorgen unbegründet?«

Ottar hatte sich wieder gefangen. Er legte die Ohren leicht schief.

»Der Junge wird auch ohne meine Einmischung stark werden«, fuhr sie fort. »Irgendwann wird er sich dieser schicksalhaften Verbindung entledigen, von der du sprichst. Aber ich frage mich, ob mir das reicht. Ich kann es nicht gut in Worten ausdrücken … Irgendwann, schon bald, wenn nur genug Zeit vergeht … Wie man es auch ausdrückt, das klingt alles schrecklich kleinmütig, oder? Ich muss mich ja beinahe fragen, was aus mir geworden ist.«

Vielleicht machte sie sich zu viele Sorgen. Es gab kein Pro-blem, und Bell würde auch so zurechtkommen. Dennoch: Sollte sie die Sache einfach auf sich beruhen lassen? Gut begründen konnte sie ihr Unbehagen nicht, aber sie hatte schon vielen Kindern, talentierten Mitgliedern ihrer Gruppe, zugesehen und hatte Zweifel, dass man solchen Dingen einfach ihren Lauf lassen durfte.

In dem Moment sah Ottar sie aus schmalen Augen an.

»Ottar, glaubst du auch, dass sich dieses Problem mit der Zeit von allein lösen wird?«

»Ja, irgendwann sicher. Aber es gilt eben auch: Wer keine Abenteuer wagt, der schlüpft auch nicht aus seiner Schale.«

Seine Ansicht stand im Widerspruch zu der einer gewissen jungen Halbelfin, die gerade nicht zugegen war. Immer wieder hatte er sich in Lebensgefahr begeben, und erst das hatte ihn zu dem erfahrenen Krieger gemacht, der er heute war. Daher konnte er nun auch entschieden sagen, dass man Abenteuer wagen musste, um solche Höhen zu erreichen. Es mochte eine Möglichkeit sein, das zu verwirklichen, was in dem Jüngling schlummerte und Freya verborgen blieb.

Ja, Ottar musste ein gewisses Potenzial in dem Jungen entdeckt haben, das selbst ihr entgangen war.

»Ottar, entscheide du, wie wir den Jungen als Nächstes antreiben.«

Die Göttin der Schönheit stellte das Glas ab, an dem noch der Geruch von Traubenwein hing, schloss die Augen und lehnte sich zurück.

Ottar gelang es nicht, seine Verwunderung zu verbergen. »Woher dieser plötzliche Sinneswandel?«

»Du scheinst den Jungen momentan viel besser zu verstehen als ich, nicht wahr?« Sie klang ein wenig verschnupft und blickte zu Boden. Dann hob sie den Kopf, sah ihn aus schmalen Augen an und lächelte zauberhaft. »Ich könnte fast neidisch werden.«

Kapitel 1: Besuch der Prinzessin der Klingen

Die Sonne stand hoch am Himmel. Hier auf der Hauptstraße südlich des Turms Babel sah man statt Abenteurern eher normale Stadtbewohner. Sie saßen in den offenen, dicht an dicht stehenden Cafés, ein strahlendes Lächeln auf den Gesichtern.

Während zahlreiche Sonnenschirme aufgespannt wurden, saßen Bell und Lili einander an einem weißen Tisch gegenüber.

»Dann gibt es also keine Schwierigkeiten mehr mit der Soma-Familia?«, fragte er.

»Nein. Schon bald werden sie annehmen, dass ich gestorben bin.«

Dies war der erste Tag, nachdem Bell und Lili erneut eine Gruppe gebildet hatten. Sie erklärte ihm genau die Lage, in der sie sich momentan befand.

»Wenn ich als verstorben gelte, muss ich mich nicht mehr mit meiner Familia abgeben und werde wohl auch nicht gejagt. Schließlich existiere ich dann für sie nicht mehr. Daher sollte ich dir auch keine Probleme bereiten, Meister Bell.«

Zuvor hatte sie sich immer hinter ihrem Pony versteckt, Doch nun lag ihr niedliches Gesicht frei. Sie lächelte und sah ihn aus ihren großen Augen an.

Er runzelte die Stirn. »Meinetwegen musst du dir keine Sorgen machen … Aber macht es dir denn nichts aus, wenn man dich für tot hält, Lili?«

»Vielen Dank, dass du dir Gedanken um mich machst. Aber eigentlich ist das gar nicht so übel. Ich habe ja niemanden, der mir nahesteht … Solange du weißt, dass es mich gibt, bin ich zufrieden.«

Offenbar meinte sie es ernst, daher bohrte er nicht weiter nach. Er wollte nicht unnötig alte Wunden aufreißen. Stattdessen würde er einfach darauf vertrauen, dass sie innerlich damit abschließen würde.

»Na, wenn du das sagst … Aber wird die Soma-Familia denn nichts bemerken? In Wirklichkeit bist du ja noch am Leben.«

»Hundertprozentig sicher kann man nie sein, aber ich habe in den letzten zwei Tagen alle Spuren zu mir verwischt. Du brauchst dir also nicht allzu viele Sorgen machen, dass sie mich finden … Außerdem habe ich ja auch noch das hier.«

Sie strich sich über den Kopf, und plötzlich war ihr kastanienbraunes Haar dunkelbraun. Außerdem hatte sie nun Katzenohren, die zuckten. Selbst ihre Augen glitzerten golden.

Cinder Ella. Dank ihrer speziellen Verwandlungsmagie hatte Lili jetzt das Aussehen eines normalen Tiermenschenmädchens. Zwar war ihr Gesicht noch dasselbe, aber wie eine Pallum sah sie nicht mehr aus. Solange niemand von dieser Fähigkeit wusste, würde höchstwahrscheinlich auch niemand auf den Gedanken kommen, es könne sich bei ihr um Liliruca Arde handeln. Selbst Bell war höchst überrascht gewesen, als er erfahren hatte, dass es so einen Zauber gibt.

»Ähm, na dann …«, sagte er.

»Ja, es gibt gar kein Problem. Und sollte doch etwas sein, werde ich aufpassen, dass ich dir damit keinen Ärger mache, Meister Bell.«

»Das ist schon in Ordnung.« Bell lachte verlegen, aber beruhigt war er dennoch.

Auf diese Weise würde Lili nicht in gefährliche Streitigkeiten hineingezogen. Und falls doch, würde er ihr helfend zur Seite stehen. Als er die Einzelheiten darüber gehört hatte, wie Lili fast gestorben war, war er wütend und frustriert gewesen. Wütend über die Gewalt, die Menschen einander antaten, weil sie den anderen nicht als Person sahen, und frustriert, weil er es ihnen niemals würde heimzahlen können. Aber im Hinblick auf Lilis Wohl sollte er sich wohl lieber von der Soma-Familia fernhalten. Und auch für ihn selbst könnte es gefährlich werden, wenn sie beschloss, sich zu rächen. Hauptsache, sie war in Sicherheit, dann wollte er zufrieden sein. Bell schob die lästigen Gefühle beiseite.

Die Kluft war geschlossen. Zwar nicht vollkommen, aber der Abstand zwischen den beiden hatte sich ganz sicher verkleinert. Sie konnten einander nun die Hand reichen. Bell lächelte bei dem Gedanken, dass dies ein neuer Aufbruch sein würde.

»Meister Bell …«

»Hm?«

»Ist das denn wirklich in Ordnung für dich?«

»Was meinst du?«

»Willst du mir ernsthaft einfach so vergeben?«

Lili lächelte nicht, ihre Miene war düster. Sie schaute Bell an, als wollte sie sich an ihm festklammern.

»Ich hab dich doch reingelegt, oder? Du hast mich so gütig behandelt, und ich hab dich einfach betrogen … Nicht einmal das gestohlene Geld hab ich dir zurückgegeben. Wenn du mir einfach so verzeihst, dann …«

Darum also war bei ihnen beiden noch nicht alles ganz wieder beim Alten. Lili machte sich Vorwürfe, fühlte sich schuldig und wünschte sich, es irgendwie wiedergutzumachen. Sie rang noch mit dem, was sie getan hatte. Dabei wusste Bell schon gar nicht mehr, wie oft sie sich bereits entschuldigt hatte.

Bei dem Vorfall vor wenigen Tagen hatte sie ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Alles, was sich zu Geld machen ließ, die Items und selbst die gesparten Gnomen-Edelsteine, von denen sie erzählt hatte, hatten ihre Kameraden aus der eigenen Familia ihr weggenommen. Sie besaß nichts mehr, was sie ihm hätte zurückgeben können, und hatte deswegen schlimme Gewissensbisse.

Er konnte ihr noch so oft versichern, dass alles in Ordnung sei, ihre Stimmung hellte sich nicht auf. Ganz im Gegenteil: Lili wirkte jedes Mal noch niedergeschlagener. Womöglich wünschte sie sich geradezu, dass er sie hart bestrafte.

Er kratzte sich resigniert am Kopf. So etwas konnte sie doch nicht von ihm verlangen. Das brachte er nicht fertig. Jemanden zusammenzustauchen oder gar zu züchtigen, lag ihm einfach nicht. Bis jetzt war es eher so gelaufen, dass er von anderen hatte einstecken müssen.

Lili blickte weiterhin zu Boden. Gerade fragte er sich verzweifelt, was er nur tun könne, um ihre Schuldgefühle wegzuwischen und die Sache zu klären, da kam ihm jemand zu Hilfe.

»Hey, Bell!«

»Ach, du bist’s, Göttin!«

Er stand auf und blickte Hestia entgegen, die gerade wie verabredet im Café erschienen war. Wie Lili war sie von kleiner Statur, bahnte sich jedoch mühelos den Weg durch die vielen Gäste und kam kurz darauf bei Bell an.

»Tut mir leid, dass du warten musstest. Seid ihr schon lange hier?«

»Überhaupt nicht. Und entschuldigen muss eher ich mich, weil ich dich bei der Arbeit unterbrochen habe …«

»Mach dir um mich keine Sorgen. Aber jetzt sag mal: Ist sie das Mädchen?«

»Äh, ja. Ich hab dir ja schon von ihr erzählt …«

»Li… Liliruca Arde.« Lili stand aufgeregt auf, als beide sie ansahen, und verbeugte sich. »An… Angenehm.«

Hestia hatte selbst vorgeschlagen, vorbeizukommen. Ihre Absicht war klar ersichtlich: Sie wollte der Supporterin auf den Zahn fühlen, die künftig mit ihrer Familia zusammenarbeiten würde. War Lili in den Augen der Göttin nicht gut genug, konnte es durchaus sein, dass sie aus der Gruppe flog. Das war ihr durchaus bewusst, darum sah sie Hestia nun auch so nervös an.

»Ach!«, sagte Bell plötzlich, als wäre ihm etwas eingefallen. »Das geht doch nicht. Ich habe gar keinen Stuhl für dich bereitgestellt, Göttin …«

»Nicht doch! Kümmere dich nicht darum! Es ist so voll, da gibt’s bestimmt keine freien Stühle mehr! Setz dich einfach hin, Bell – und ich setz mich auf deinen Schoß!«

»Ha ha ha, Göttin, du machst immer so unpassende Witze! Warte kurz. Ich frag mal beim Personal nach.«

Lächelnd ging er davon und ließ Hestia einfach stehen. Dieser Junge war so unschuldig, da brachte der größte Zaunpfahl der Welt nichts. Kurz stand sie nur da, dann seufzte sie tief. Sie wirkte so wehmütig … Sogar ihre Zöpfe hingen niedergeschlagen herab. Lili wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.

»S… Sehr gut. Ich wollte sowieso, dass Bell eine Weile weggeht. Das kommt mir ganz gelegen.«

»J… Ja?«

Hestia hüpfte auf den Platz, auf dem Bell eben noch gesessen hatte, die Wangen leicht gerötet. Lili setzte sich ebenfalls.

»Machen wir schnell«, sagte die Göttin. »Er ist gleich wieder zurück. Wir müssen uns nicht vorstellen, oder? Bell hat dir sicher ausgiebig von mir erzählt, nicht wahr?«

»J… Jawohl.«

Weil Hestia sofort das Gespräch an sich gerissen hatte, dauerte es einen Moment, bis Lili es bemerkte: Sie als Pallum mochte zwar wie ein kleines Kind aussehen, doch vom Verhalten her war Hestia viel kindlicher und unbefangener, nahezu wie ein Kleinkind. Zugleich war sie beinahe übernatürlich schön. Sie war liebreizend und ehrfurchtgebietend zugleich, was eigentlich ein Widerspruch hätte sein müssen. Ihre pechschwarzen Haare glänzten im Sonnenschein, der zwischen den Schirmen hindurchfiel.

»Ich frage dich ganz direkt, Supporterin: Heckst du wieder irgendwas aus?«

Bei dieser unverblümten Frage verschlug es Lili glatt die Sprache. Hestia wirkte ganz natürlich, doch zugleich hatte sie die Erhabenheit einer Gottheit. Lili wusste, dass sie auf die Probe gestellt wurde. Sie wurde gründlich unter die Lupe genommen. Dass Hestia sie nicht einmal mit ihrem Namen ansprach, sprach Bände. Aber nach allem, was Lili Bell angetan hatte, war diese Vorsicht nur verständlich. Und den Pallum trauten ohnehin nur wenige über den Weg.

Lili beschloss, völlig offen zu sein, ihr wahres Ich zu zeigen. »Nein, ich hecke nichts aus. Meister Bell hat mich gerettet, und ich werde ihn nie wieder hintergehen.«

Unverwandt sahen sie einander an, und der Lärm ringsumher rückte in die Ferne.

Lili hatte einmal gehört, man könne vor einer Gottheit nicht lügen, und offenbar entsprach es der Wahrheit. Die Göttin sah sie derart durchdringend an, sie hätte wohl sämtliche Lügen der Erdenbewohner durchschaut.

»Hm …«, sagte die Göttin nach einer Weile, die Lili wie eine Ewigkeit vorkam. »Sagen wir mal, ich glaube dir.«

Lili hatte die Luft angehalten. Nun ließ sie den Atem entweichen und lockerte die Schultern.

»Supporterin«, fuhr Hestia fort, »Bell ist mir ungemein wichtig. Ich würde sogar behaupten, mir ist nichts wichtiger auf der Welt. Er ist das erste Mitglied meiner Familia, und es ist mein Herzenswunsch, ihn niemals zu verlieren.«

Sie atmete tief durch. Lili wartete gebannt.

»Bells Erzählungen habe ich deine Umstände im Großen und Ganzen entnehmen können. Ich verstehe auch, warum du dich zu Diebstahl hast verleiten lassen. Ich sag das nicht aus Mitleid, so was bringt nichts. Überhaupt will ich gar nicht unnötig viele Worte verlieren, aber …«

Hestia senkte die Stimme, als würde sie jetzt auf den Punkt kommen. Lili lauschte mit weit aufgerissenen Augen.

»Solltest du noch mal so was versuchen und mein Kind in Gefahr bringen, werde ich dich nicht ungestraft davonkommen lassen.«

Lili erstarrte, wusste einen Moment lang nicht mehr, wie man atmete. Vor ihr saß eine junge Frau, etwa so klein wie sie selbst. Doch in Wahrheit war dies eine Wesenheit, die über den Verstand der Sterblichen ging, eine Göttin, die mit der Kraft der Deusdea in Sekunden die ganze Stadt in Schutt und Asche legen konnte. Törichterweise hatte Lili das völlig vergessen.

Unter dem Blick der Göttin war ihr, als umklammerte eine Hand ihr Herz. Dennoch blieb sie tapfer und sah ihr fest in die Augen.

»Ich schwöre, ich werde so etwas nie wieder tun! Meister Bell und Meisterin Hestia zuliebe, aber vor allem … für mich selbst.«

Wortlos sahen sie einander an, während das Stadtleben ringsum ungestört weiterging. Dann schloss Hestia die Augen, blinzelte ein paarmal und bedachte Lili schließlich mit einem Blick, als wollte sie sagen: Na schön. Lili hielt es nicht mehr aus und sackte erschöpft auf dem Tisch zusammen.

Nachdem Hestia ihre Ermahnung ausgesprochen hatte, grummelte sie noch etwas vor sich hin, die Arme vor ihrem üppigen Vorbau verschränkt. Warum diese Geste? Wollte die Göttin ihr zeigen, in welchen Bereichen sie ihr überlegen war? Lili schwieg und machte sich ganz klein.

»Supporterin, ich will ganz offen zu dir sein.«

»W… Was denn?«

»Ich kann dich nicht leiden. Eigentlich würde ich dich lieber nicht in der Nähe von Bell sehen.« Als sie sah, wie Lili die Augen aufriss, fuhr sie fort: »Das verwundert dich wohl? Nach allem, was ich über dich gehört habe, hab ich einen extrem schlechten Eindruck von dir. Du hast Bells Gutmütigkeit nach Strich und Faden ausgenutzt. Und nun tust du so, als hättest du dich geändert, und möchtest von ihm angenommen werden. Was genau bezweckst du damit, du diebisches Kätzchen?«

Lilis herbeigezauberte Tierohren zuckten. Wie treffend formuliert … Aber so war es doch nicht! Lili spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach.

»Und was ziehst du überhaupt für ein Gesicht?«, fragte die Göttin. »Seit ich hier bin, schaust du die ganze Zeit so niedergeschlagen. Bei deinem Anblick werde ich noch ganz trübselig.«

Es klang beinahe so, als würde der Göttin bei ihrem Anblick gehörig der Appetit vergehen. Aber dann blickte sie sie wieder scharf an. Offenbar war sie noch nicht fertig mit ihr.

»Du denkst bestimmt an Bell, oder?«

»Wa…«

»Woher ich das weiß? Hmpf. Ich mag von einer anderen Art sein, aber im Spiegel sehe ich ein ganz ähnliches Gesicht – deswegen. Ach, es passt mir doch nicht … Ich will dich nicht in Bells Nähe lassen!«

Von Hestia ging plötzlich ein unbeschreibliches Flimmern aus. Die Gäste in der Umgebung rissen die Augen weit auf und hielten sich lieber fern. Lili war den Tränen nahe.

»Du meinst, du hättest dich komplett verändert, weil Bell dich gerettet hat. Aber von jetzt an wird er bestimmt viel zu nett zu dir sein. Und was machst du dann?«

»Was?!«

»Er wird dir ganz sicher nichts tun, und dann wirst du von Schuldgefühlen zerfressen. Ich finde aber, das reicht nicht. Ich kann dich Mädchen echt nicht ausstehen.«

Hestias Worte wurden immer schärfer, und sie starrte Lili an. Die kleine Pallum brachte keinen Mucks mehr heraus.

»Mir bleibt wohl keine Wahl: Ich werde dich an Bells Stelle bestrafen müssen. Ablehnen kannst du nicht, damit das gleich klar ist. Du darfst dich aber geehrt fühlen: Es ist immerhin eine göttliche Strafe.«

Endlich war Hestia fertig. Sie schnaubte noch einmal und lehnte sich zurück.

Lili war völlig eingeschüchtert und konnte nur nicken. Vielleicht war es ja nur gerecht, dass Bells Göttin sie bestrafte. Sie versuchte, sich zu beruhigen und innerlich zu wappnen.

Hestia knirschte mit den Zähnen, als würde das alles ihr eine große Überwindung abverlangen. Doch schließlich seufzte sie und sagte: »Kümmere dich ordentlich um Bell.«

»Hä?«

Hestia sah aus, als würde ihr vor Zorn demnächst eine Ader im Kopf platzen. »Glaub bloß nicht, dass ich dir damit einen Gefallen tun will! Bell hat mir nach und nach alles erzählt, was passiert ist, und meine Sorge wurde dabei immer größer. Bestimmt versucht irgendwann wieder jemand, ihn reinzulegen.«

Lili wusste nicht, was sie sagen sollte.

»Bitte halte die Augen offen, damit er nicht wieder an komische Leute gerät. Sei seine Aufpasserin.«

Jetzt war Lili völlig perplex. In ihrem Kopf herrschte Durcheinander, und ihr wollte einfach keine Entgegnung einfallen – aber die Göttin ließ sie ohnehin nicht zu Wort kommen.

»Übrigens ganz schön frech von dir, dass du nach einer Verurteilung verlangst. Nicht einmal wir Götter machen das heutzutage noch! Bei Schuldgefühlen geht es am Ende nur darum, ob man sich selbst vergibt oder nicht.«

Lili entnahm ihrem Tonfall, was sie eigentlich meinte: Sie sollte so etwas nicht von Bell verlangen.

»Wenn du dich seinetwegen wirklich schuldig fühlst, dann solltest du alles Erdenkliche tun, um es wiedergutzumachen. Das versteht sich doch von selbst, oder? Nur so kann man aufrichtig mit Fehlern abschließen. Wenn du dich wirklich von Grund auf verändert hast, dann beweise es durch dein Taten!«

Und damit war Hestias Schimpfkanonade endlich beendet. Es waren scharfe Worte gewesen, und Lili ließ den Kopf hängen. Aber die Göttin Hestia hatte ihr eine Chance gegeben, und das war wirklich barmherzig. Es zeigte ihre Größe und ihre göttliche Persönlichkeit.

Die Vorwürfe waren sicher ehrlich gemeint gewesen. Dennoch hatte die Göttin Lili erlaubt, weiterhin in Bells Nähe zu sein. Hatte ihr Gnade erwiesen, ihre Bitte erhört.

Lili spürte ein warmes Gefühl der Dankbarkeit in der Brust. Still verbeugte sie sich vor Hestia, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Zwischen den beiden breitete sich eine Stille aus, wie bei einer Quelle mitten in den Wäldern.

»Tut mir leid!«, rief Bell, der gerade mit einem Stuhl in den Armen zurückkehrte. »Ich hab echt lange gebraucht!«

»Ich erlaube dir, Teil der Gruppe zu sein, und ich lasse dich auf ihn aufpassen«, sagte Hestia noch. »Aber ich rate dir eins: Werde nicht zudringlich!«

»Wie?«

Ehe Lili nachfragen konnte, was genau die Göttin meinte, war Bell wieder bei ihnen. Auf seine Entschuldigung gingen sie nicht ein, aber Hestia schnappte sich seinen Arm und zog ihn fest an sich heran.

»Verstanden?«

»Göttin?«, wunderte er sich.

»Na gut. Noch einmal von vorne: Willkommen in der Gruppe, Supporterin. Kümmere dich bitte gut um meinen Bell.«

Hestia hatte das Wort meinen besonders betont. Die Stimmung hatte sich mit einem Mal komplett verändert. Lili war, als sähe sie sich einer Tigerin gegenüber, die ihr Territorium bewacht. Fass ihn an, und ich fress dich, schien ihr Blick zu sagen.

Lili zuckte. Hestia war doch eine Göttin: milde, erhaben und anbetungswürdig. Aber sie benahm sich wie ein kleines Kind. Und feindselig.

Sie drückte Bells Arm an ihre Brust, ging plötzlich wieder auf Konfrontation, als wollte sie es Lili heimzahlen. Sie wurde ein wenig sauer. Sie hatte zwar der Göttin ihre Gefolgschaft angeboten – aber so nicht!

Sie schnappte sich Bells anderen Arm und zog ihn zu sich. Hestias Blick wurde noch böser, geradezu mordlüstern, aber Lili hielt ihm stand.

»Ganz meinerseits. Und das mach ich doch gern – schließlich ist Bell immer sooo lieb zu mir.«

»Du …«

Nun hatte Bell an jedem Arm eine junge Frau. Beide sahen sie wie niedliche Mädchen aus, aber wie sie einander anstarrten: ganz und gar erwachsen – und wütend. Wie sie da auf ihren Stühlen saßen, reichten ihre Beine nicht mal bis zum Boden, aber zwischen ihnen sprühten Funken.

Gö… Göttin?!

Bells Arme wurden auf beiden Seiten an Busen gepresst, und er wusste nicht, wie ihm geschah. Jedenfalls schien die Göttin in diesem Kampf der kleinen Frauen Oberwasser zu haben.

»Urgh…«, stöhnte Lili. »Beeindruckend, Göttin! Dein Busen ist also nicht nur zum Vorzeigen da!«

»Was soll das denn heißen, Supporterin?!«

»Ähm, Lili«, fing Bell an. »Was jetzt das weitere Vorgehen angeht …«

Vorerst war die Auseinandersetzung vorbei. Alle hatten sich wieder beruhigt und auf ihre Plätze gesetzt. Lili schaute ihn aus ihren goldenen Augen verwundert an.

»Momentan hast du kein Zuhause und auch sonst keinen Platz zum Schlafen, oder?«

»Das stimmt.« Lili lachte verlegen. »Aber das ist schon länger so. Ich werde einfach in einer günstigen Herberge unterkommen.«

Bell warf Hestia einen Seitenblick zu. Sie sah zwar immer noch muffelig aus, nickte jedoch nachdrücklich.

»Lili«, sagte er. »Willst du vielleicht mit zu uns kommen?«

»Wie?«

»Anders ausgedrückt: Möchtest du Teil der Hestia-Familia werden? Bislang besteht sie aber nur aus meiner Göttin und mir.«