Jagd - Liza Marklund - E-Book

Jagd E-Book

Liza Marklund

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Beschreibung

Journalistin Annika Bengtzon ist die Ermittlerin der Stunde. Annika Bengtzon gilt unter ihren Kollegen als tough und unbestechlich. Sie liebt ihre Arbeit als Reporterin. Als sie zur Villa des Politikers Ingemar Lerberg gerufen wird, betritt sie eine andere Welt: wertkonservativ, traditionell und gediegen. Auf den erfolgreichen Geschäftsmann wurde ein Anschlag verübt. Für die Journalistin ist er kein Unbekannter, denn ein durch die Presse hochgeputschter Steuerskandal hatte Lerberg zum Rücktritt gezwungen. Annika Bengtzon folgt bald schon einer ganz eigenen Theorie und bringt gegen alle Widerstände Licht in ein Dunkel aus Gier und Verlogenheit.

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Das Buch

Annika Bengtzon gilt unter ihren Kollegen als tough und unbestechlich. Sie liebt ihre Arbeit als Reporterin. Als sie zur Villa des Politikers Ingemar Lerberg gerufen wird, betritt sie eine andere Welt: wertkonservativ, traditionell und gediegen. Auf den erfolgreichen Geschäftsmann wurde ein Anschlag verübt. Für die Journalistin ist er kein Unbekannter, denn ein durch die Presse hochgeputschter Steuerskandal hatte Lerberg zum Rücktritt gezwungen. Annika Bengtzon folgt bald schon einer ganz eigenen Theorie und bringt gegen alle Widerstände Licht in ein Dunkel aus Gier und Verlogenheit.

»Die verschiedenen Perspektiven ergeben eine dichte, nervenzerreißende Erzählung, machen Jagd zu einem von Liza Marklunds besten Kriminalromanen.« Dagens Nyheter

Die Autorin

Liza Marklund, geboren 1962 in Piteå, arbeitete als Journalistin für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender, bevor sie mit der Krimiserie um Annika Bengtzon international eine gefeierte Bestsellerautorin wurde.

Liza Marklund

Jagd

Kriminalroman

Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt

Ullstein

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Die Originalausgabe erschien 2013

unter dem Titel Lyckliga gatan

bei Piratförlaget, Stockholm.

ISBN 978-3-8437-1073-2

© 2013 by Liza Marklund

© der deutschsprachigen Ausgabe

2015 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: Thomas Kaspar / arcangel-images.com

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzung wie etwa Vervielfältigung,

Verbreitung, Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich

verfolgt werden.

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Prolog

Ein Mensch kann nur ein gewisses Maß an Schmerz ertragen. Dann verliert er das Bewusstsein, es schaltet sich aus, wie die Sicherung in einem überlasteten Stromkreislauf.

Sich auf der richtigen Seite der Grenze zu halten erforderte Gefühl und Aufmerksamkeit.

Der Mann mit dem Hammer betrachtete die Person auf dem Bett mit gleichmütiger Geduld.

»Sie entscheiden selbst«, sagte er. »Wir hören auf, wenn Sie wollen.« Keine Reaktion. Aber der Mann war hundertprozentig sicher. Seine Worte waren angekommen. Denn dieser Klient (so bezeichnete er sie im Stillen – Klienten, mit denen er auftragsmäßig zu verfahren hatte) war ein ziemlich ansehnliches Exemplar der Gattung Homo sapiens: Die Muskulatur war gut entwickelt, die Hautfarbe frisch und das Unterhautfett­gewebe nur dünn. Zudem gab es ideologische Beweggründe. Er handelte aus Überzeugung. Das machte diesen Auftrag zu einem der komplizierteren Sorte. Inzwischen hatten Gezappel und Wider­stand nachgelassen, und das mit Hose und Hemd bekleidete Subjekt lag still und ruhig auf dem Bett. Das silberne Klebeband an den Handgelenken war jetzt überflüssig, nur noch der Streifen über den Mund musste bleiben.

Der Mann sah zu seinem Zwillingsbruder auf der anderen Seite des Bettes hinüber.

Sein Spiegelbild nickte ihm zu, beugte sich über den Werkzeugkasten und suchte ein Instrument aus. Mit seiner behandschuhten Hand nahm es eine Ahle heraus. Der Mann mit dem Hammer nickte, um den Zwillingsbruder in seiner Wahl zu bestärken.

Dann schloss er für einen Moment die Augen, um sich aufs Atmen zu konzentrieren und sein Bewusstsein zu schärfen. Er war ganz im Hier und Jetzt, in seinem Körper, spürte seine Fuß­sohlen auf dem Gummifußbett seiner Schuhe und das Gewicht des Werkzeugs in seiner Hand.

Für einen kurzen, intensiven Augenblick vermisste er seine Magnum. Tatsächlich benutzten sie keine Schusswaffen mehr für ihre Arbeit. Trotz Schalldämpfer machten die Pistolen immer unglaubliche Probleme. Und damit meinte er noch nicht einmal den Hörschaden, den man sich zuzog (sie hatten sogar erwogen, Gehörschutz zu tragen, es dann aber verworfen, weil es zu auffällig war). Im Allgemeinen reagierten die Leute ziemlich heftig auf Handfeuerwaffen, wohingegen Seile und Werkzeugkästen so gut wie unsichtbar waren.

Er merkte, dass er abschweifte, und lenkte seine Gedanken freundlich, aber bestimmt zurück auf die Atmung. Dann schlug er die Augen auf und betrachtete den Klienten.

»Ich würde Ihnen jetzt gerne Gelegenheit geben zu antworten«, sagte er sanft. »Wenn Sie schreien oder irgendwelche Dummheiten machen, tut es weh.«

Der Klient antwortete nicht. Er hielt die Augen geschlossen und atmete stoßweise durch die Nase. Es klang angestrengt. Der Mann löste das Klebeband gerade so weit, dass ein Mundwinkel sichtbar wurde.

»Sind Sie bereit?«, fragte er. »Der ganze Spuk kann gleich vorbei sein.«

Er zog das Klebeband noch ein Stück weiter ab. Das Subjekt holte durch den Mund Luft, aus dem Hals drang ein gurgelnder Laut.

Er beugte sich zum Mund des Klienten hinunter und fragte mit einem samtweichen Flüstern: »Wo ist sie?«

Der Klient keuchte. Seine Augen waren noch immer ge­schlos­sen, aber die Frage war zu ihm durchgedrungen. Unter den dünnen Lidern bewegten sich die Augäpfel schneller, und die Körperspannung nahm zu.

Der Mann kam noch dichter heran.

»Was haben Sie gesagt?« flüsterte er. »Ich habe Sie nicht richtig verstanden …«

Der Klient rang mit sich, es gurgelte im Kehlkopf. Heraus kam eher ein Röcheln als Worte.

»Weiß … nicht …«

Der Mann seufzte und sah, dass sein Spiegelbild es ihm gleichtat.

»Wie unerfreulich«, sagte er und drückte das Klebeband wieder fest. Die Unterseite war von Spucke durchnässt und haftete nicht mehr so gut, beim nächsten Mal würden sie den Streifen auswechseln müssen.

»Dann wollen wir doch mal schauen, wie es unter dem Hemd aussieht«, sagte er und öffnete die Knöpfe wieder.

Unter den geschlossenen Augenlidern seines Klienten quollen zwei Tränen hervor.

»Versuchen Sie, nicht zu weinen«, sagte sein Spiegelbild. »Sonst schwellen die Nasenschleimhäute an und Sie bekommen keine Luft mehr.«

Er konnte sehen, dass sich der Klient anstrengte, zu gehorchen und behilflich zu sein. Das war ein gutes Zeichen. Vorsichtig tastete er die Rippen ab. Der Klient stöhnte unter der Berührung. Der Bluterguss hatte sich seitlich über den Oberkörper in Richtung Bauchnabel ausgebreitet, die Bruchstellen unter der Haut waren deutlich zu fühlen.

»Wir nehmen die Dritte«, sagte er und hob den Hammer. Sein Spiegelbild öffnete die Augenlider des Klienten, und die Pupillen verengten sich durch den Lichteinfall. Schön. Die Reflexe waren in Ordnung. Mit den Fingern fuhr er über den Brustkorb, zielte genau und platzierte den Hammer mit einem festen und einigermaßen abgewogenen Schlag.

Die Rippe verabschiedete sich mit einem dumpfen Knacken, und den Körper durchlief ein kurzes Zucken. Der Atem ging schneller und flacher, die Person auf dem Bett war wieder kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Sein Zwillingsbruder beugte sich über den Klienten.

»Sie müssen nur auspacken. Dann ist es vorbei.«

Die Augen drehten sich nach hinten, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Sein Bruder umfasste die Ahle noch fester.

»Wo ist Nora?«

Wir standen unter einem Apfelbaum im Garten, es war Frühling und der Baum in voller Blüte. Ich erinnere mich genau an das Summen der Hummeln in den Blütenkelchen und das Sonnenlicht, das stellenweise durch das Blattwerk fiel. Am Morgen hatte es geregnet, leuchtende Tropfen hingen noch immer an Zweigen und Astgabeln. Ich hielt meinen kleinen Jungen im Arm. Fünf Tage alt war er, Isak, mein Erster. Ich hatte ihn gegen den Wind in eine Decke gewickelt, und Ingemar hielt mich umarmt, er hielt uns beide. Ich erinnere mich, wie weich sich mein Sohn an meine Haut schmiegte, an seinen frischen Duft, an die Arme meines Mannes, die um meine Schultern lagen. Wie wir dort alle drei so eng beisammenstanden, waren wir eine Einheit, die größer war als alles andere.

Diese Erinnerung kommt mir oft in den Sinn. Sollte ich ein Bild vollkommenen Glückes benennen, dann steigt dieses Gefühl in mir hoch, dieser Augenblick mit Isak und Ingemar unter dem Apfelbaum. Ein Rausch, Vollkommenheit.

Montag, 13. Mai

Als Erstes fiel ihr auf, wie still es war. Der Hund schlug nicht an. Normalerweise wartete er vorm Garagentor und bellte, bis ihm der Schaum vor dem Maul stand, er riss an seiner Kette, dass ihm das Halsband die Luft abschnürte und das Gekläffe zu einem atemlosen Keuchen wurde.

Irgendwas war mit diesem Hund nicht in Ordnung, das hatte sie von Anfang an gedacht. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte man bei ihm garantiert ADHS oder so etwas diagnostiziert. ­Eigentlich war er ja ganz hübsch. Sein Fell war schwarzglänzend, und er hatte große Pfoten, aber er schielte leicht, und seine Zähne waren viel zu groß. Er machte einen unbeherrschten und unberechenbaren Eindruck. Als er jetzt nicht anschlug, verspürte sie eine flüchtige, unbestimmte Erleichterung.

Das Gefühl der Befreiung verschwand jedoch in der Sekunde, als sie die Hintertür erreichte und sie unverschlossen vorfand. Lautlos öffnete sie, blieb im Durchgang stehen und spürte, wie die trockene Heizungsluft ihr entgegenschlug.

Die Leere hallte. Dann kam der Geruch. Nicht wirklich ­abstoßend, nur befremdlich. Leicht süßlich und gleichzeitig scharf. Dieser Geruch gehörte nicht hierher.

Schnell betrat sie den Hauswirtschaftsraum und zog die Tür so leise wie möglich hinter sich zu. Ihr Unbehagen wuchs. Es war sehr still. Sie hörte ihren eigenen Herzschlag im Kopf dröhnen.

Langsam beugte sie sich hinunter und zog sich die Stiefel aus. Um ihre Füße hatte sich schon eine kleine Pfütze gebildet. Ohne darüber nachzudenken, griff sie nach einem Putzlappen, der auf der Anrichte lag, und wischte das Wasser auf. Ihre Hausschuhe standen neben der Waschmaschine, aber aus unerfindlichen Gründen ließ sie sie stehen. Sie steckte die Handschuhe in die Manteltasche, legte den Mantel, die Mütze und das Halstuch ab und hängte alles zusammen mit der Hand­tasche an den Haken neben der Hintertür. Auf Strümpfen betrat sie die Küche. Der Geruch wurde schärfer.

Die Lampe über der Anrichte brannte. Vierter Fehler, dachte sie. Der Hund, die Hintertür, der Geruch, die Lampe.

Umweltbewusstsein, dachte sie. Man musste umweltbewusst sein. Strom sparen. Für einen Politiker war Glaubwürdigkeit sehr wichtig. Man musste den Wählern mit gutem Beispiel vorangehen, ein Vorbild sein.

Sie machte das Licht aus, ging um die Anrichte herum und betrat den Flur.

Da lag der Hund.

Erst dachte sie, es sei ein anderer Hund. Er sah so klein aus. Irgendwie war er durch den Tod geschrumpft. Die wilde Energie, die ihn umgeben hatte, als er noch lebte, war verschwunden. Wie ein Putzlumpen war er auf der Fußmatte, diesem Plastik-Perserimitat, zurückgeblieben. Das Ding war mit dem Staubsauger nicht sauber zu kriegen, sie musste immer noch mal mit dem Roller nacharbeiten. Das Hundeblut war vom Acryl nicht aufgenommen worden, sondern auf der Oberfläche zu einem braunen Fladen geronnen.

Ihr blieb die Luft weg. Sie begann unter den Achseln zu schwitzen, wie früher immer, wenn der Lärmpegel unerträglich wurde und die Schüler an ihrer alten Schule sich nicht mehr auf die Bücher konzentrierten, sondern mit den Füßen auf den Zementboden trampelten. Sie versuchte sich zusammenzureißen.

Genau genommen hatte sie den Hund nie leiden können. Er hieß Stefan. Wie konnte man einem Hund so einen Namen geben?

Sie schob sich an der Wand entlang ins Wohnzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen. Sie blinzelte in die Dunkelheit. Dort war nichts. Es war warm und stickig. Sie schluckte. Sie sollte von hier verschwinden. Schnellstens.

Jemand musste den Hund umgebracht haben. Das war kein Unfall gewesen. Warum hatte man ihn getötet?

Ein Geräusch ertönte. Jemand stöhnte. Oder vielleicht war es auch ein Husten. Ein dumpfer Laut. Ein Mann.

Sie erstarrte.

Es war von oben gekommen. Aus dem Schlafzimmer.

Sie sah hinüber zur Treppe.

Der Hausherr durfte sie nicht sehen. Wie sollte sie ihre Anwesenheit erklären? Was hatte sie hier zu suchen? Obwohl – die Tür war ja offen gewesen, unverschlossen. Jeder hätte hier hereinspazieren können.

Sie warf noch einen Blick auf den Hund.

Er musste den Hund umgebracht haben. Warum hatte er das getan? War etwas mit den Kindern? Was, wenn die Kinder dort oben waren!

Sie meinte wieder etwas von oben zu hören, aber sie war sich nicht sicher.

Was sollte sie tun? Das Haus sollte leer sein. Verriegelt und dunkel. Sie stand ein paar Minuten im Flur, vielleicht war es auch gar nicht so lange.

Dann wischte sie sich die Hände an der Hose ab, ging schnell an der Hundeleiche vorbei und hastete keuchend die Treppe hinauf, bevor sie es sich noch anders überlegen konnte. Die knarrende fünfte und siebte Stufe ließ sie aus.

Die Tür zum Kinderzimmer war geschlossen. Vorsichtig machte sie auf. Sie wusste, dass sie nicht quietschen würde. Sie hatte die Scharniere ja erst vor ein paar Wochen geölt. Das Rollo mit den Kaninchen war heruntergelassen. Die Kuscheltiere schliefen in ihren Puppenbettchen. Ansonsten war der Raum leer. Die Betten der Kinder, Isaks, Samuels und das der kleinen Elisabeth am Fenster, waren gemacht und unberührt.

Vor Erleichterung seufzte sie auf und schloss die Tür hinter sich. Dann ging sie hinüber zum Schlafzimmer.

Der Herr des Hauses lag im Doppelbett. Wenn er es denn war. Sie hatte ihn bisher nur auf dem Hochzeitsfoto gesehen, und sein Gesicht war nicht zu erkennen. Der Mund stand weit offen, und die Schneidezähne fehlten. Der Körper lag in einer vollkommen unnatürlichen Stellung. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass Arme und Beine sich derart verrenken ließen. Er trug Hose und Hemd. Keine Strümpfe. Seine Fußsohlen waren aufgerissen.

Sie starrte den Mann an und merkte, wie etwas Schweres, Warmes in ihr aufstieg, sie von innen ausfüllte und ihr den Atem nahm.

Irgendwer hatte ihn so zugerichtet. Vielleicht war dieser Jemand noch im Haus?

Aus dem Hals des Mannes drang ein Gurgeln. Ihre Beine wurden wieder leicht, sie stolperte rückwärts hinaus in den Flur, fand das Gleichgewicht wieder und stürmte am Kinderzimmer vorbei die Treppe hinunter, vorbei auch an der Hundeleiche, durch die Küche in den Hauswirtschaftsraum.

Der Schweiß lief ihr an den Seiten herunter, während sie versuchte, den Mantel zuzuknöpfen. Sie weinte, als sie die Hintertür hinter sich abschloss. Brennende Tränen des Verlusts und vielleicht auch ein bisschen der Schuld.

Ein Signalton erklang, und der Aufzug wurde langsamer, dann öffneten sich die Türen mit einem Seufzen. Nina Hoffman warf einen unsicheren Blick auf die Digitalanzeige. War sie hier richtig?

Sie trat hinaus in das rot gestrichene Foyer, und die Türen schlossen sich hinter ihr. Ein dumpfes Rumpeln verriet, dass der Lift irgendwo in diesem hermetisch abgeriegelten Gebäude verschwand. Sie blieb allein in der Stille zurück.

Doch, es stimmte. Dies war das richtige Treppenhaus und die richtige Etage.

Links befand sich eine mit Zahlenschloss gesicherte Glastür.

Sie ging hin und drückte auf einen Knopf, den sie für die Klingel hielt. Es war nichts zu hören.

Sie wartete mit trockenem Mund. Schluckte. Einer der Aufzüge sauste vorbei, schwer zu sagen, ob er nach oben oder unten fuhr. Einen Moment lang erfasste sie eine schwarze, schwindelnde Ungewissheit. Was machte sie hier? Wollte sie sich alldem wirklich aussetzen? Noch einmal?

Dann erklang das gedämpfte Klackern von sich nähernden Stöckelschuhen. Auf der anderen Seite der Glastür tauchte plötzlich ein Gesicht auf. Unwillkürlich trat Nina einen Schritt zurück.

»Nina Hoffman?«

Die Frau war klein und blond, kurvig und thronte auf hohen Absätzen. Barbiepuppe.

»Willkommen bei der Kripo. Kommen Sie herein.«

Nina betrat den Flur. Die Decke war sehr niedrig. Irgendwo brummte ein Ventilator. Der Boden war blank gebohnert.

»Ich bin für den Einführungskurs angemeldet«, erklärte Nina. »Vielleicht könnten Sie mir sagen, wo …?«

»Der Chef lässt ausrichten, dass er Sie umgehend sprechen will. Wissen Sie, wo Sie ihn finden?«

Woher sollte sie das wissen?

»Nein«, antwortete sie.

Die Barbiepuppe erklärte den Weg.

Ninas Schritte machten ein dumpfes Geräusch auf dem Kunststoffboden, hallten aber nicht. Sie kam an ein paar offenen Türen vorüber, Stimmfetzen tanzten vorbei, und durch die Fensterluken an der Decke fiel Tageslicht. Am Ende des Ganges bog sie nach links und erreichte ein Eckbüro mit Aussicht auf die Bergsgatan.

»Nina. Kommen Sie herein.«

Kommissar Q hatte Karriere gemacht. Er war vom Dezernat für Gewaltverbrechen bei der Stockholmer Polizei zum Chef des Kriminalpolizeilichen Nachrichtendienstes KUT aufgestiegen.

Sie betrat sein Büro und knöpfte sich die Jacke auf.

»Willkommen bei der Kripo«, sagte er. Offenbar war das die allgemeine Begrüßungsformel für Neulinge.

»Danke.«

Diskret musterte sie den Mann hinter dem Schreibtisch. Sein schreiend buntes Hawaiihemd stand in krassem Kontrast zur staatlichen Möblierung. Sie hatten schon früher einmal miteinander zu tun gehabt, als der Polizist David Lindholm ermordet aufgefunden worden war (von ihr). Sie fragte sich, ob Q das wohl erwähnen würde. Sein Schreibtisch war gänzlich leer, abgesehen von einer Kaffeetasse, einem Laptop und zwei dünnen Akten. Er erhob sich, kam um den Schreibtisch herum und begrüßte sie mit einem kräftigen Handschlag.

»Finden Sie sich schon im Labyrinth zurecht?«, fragte er und deutete auf einen Besucherstuhl.

Wie sollte sie das denn hinbekommen haben? Sie hatte schließlich erst vor fünf Minuten den Dienst angetreten.

»Noch nicht.«

Sie hängte ihre Jacke über die Lehne und nahm Platz. Der Stuhl war hart und unbequem. Er setzte sich wieder auf seinen Bürosessel, lehnte sich zurück und sah sie prüfend an.

»Sie sollen heute den Einführungskurs machen, oder wie ist der Plan?«

Man hatte ihr gesagt, er würde die ganze Woche dauern.

»Ja, das stimmt.«

Er griff nach einer der Akten, setzte seine Lesebrille auf, schlug die erste Seite auf und las aus ihrem Lebenslauf vor.

»Polizeihochschule«, sagte er. »Dann Katarina-Wache auf Södermalm, Aspirantin, Assistentin, gehobener Dienst. Danach wieder Studium, Uni Stockholm, 240 Punkte in Verhaltenswissenschaft, Kriminologie, Sozialpsychologie und ein Kurs in Ethnologie.«

Er sah sie über den Rand seiner Brille hinweg an.

»Warum Verhaltenswissenschaft?«

Weil ich mich verirrt habe, weil ich die Menschen verstehen will.

»Es schien mir … interessant.«

»Sie sprechen Spanisch, wenn ich das richtig verstanden habe? Und Deutsch und Portugiesisch?«

»Ich bin auf Teneriffa aufgewachsen. Mein Vater war Deutscher. Ich verstehe Portugiesisch, spreche es aber nicht perfekt.«

»Englisch?«

»Auch.«

Er klappte die Akte wieder zu.

»Als ich mich für diese Position entschied, habe ich darauf bestanden, meine Leute selbst aussuchen zu können. Ich will, dass Sie hier arbeiten.«

Sie antwortete nicht, sah ihn nur aufmerksam an. Was meinte er damit? Warum referierte er ihren Werdegang?

Q legte die Akte zur Seite und schob sich die Brille auf die Stirn.

»Warum haben Sie auf der Katarina aufgehört und wieder angefangen zu studieren?«

Sie sah ihn noch ein paar Sekunden an.

Weil meine gesamte Familie über Generationen kriminell war. Weil ich die Seiten gewechselt habe. Weil ich meinen Bruder auf einer Haschischplantage in Marokko erschossen habe.

»Ich hatte das Bedürfnis, mich weiterzuentwickeln … ich hatte noch mehr in mir.«

Er nickte wieder und betrachtete sie ruhig.

»Hier bei uns zählt der Bullenjargon nicht«, sagte er. »Wir suchen gerade nach dem Besonderen, Anderen. Bei uns ist das Abweichende ein Vorteil. Wir wollen Frauen, Schwule, Kanaken, Lesben, Akademiker, Normbrecher jeder Sorte.«

Wollte er sie schockieren? Dann musste er schon andere Geschütze auffahren. Oder wollte er ihre sexuellen Vorlieben aus ihr rauskitzeln?

Sie antwortete nicht.

Er deutete ein Lächeln an.

»Da Sie ausgebildete Polizistin sind, haben Sie nach wie vor Polizeibefugnis. Das heißt, Sie können weiterhin Vernehmungen und so weiter führen, wenn Sie es für angemessen halten, aber Ihre Aufgabe ist ab jetzt die einer operativen Fallanaly­tikerin. Wie wichtig ist denn dieser Einführungskurs für Sie?«

Sie sah ihn an, ohne zu antworten.

»Ich meine, wie die Zeiterfassung funktioniert, wissen Sie ja schon, Lamia kann Ihnen eine Zugangskarte und einen Rechner besorgen und Ihnen die Log-in-Daten geben, und anschließend können Sie ja die Runde machen und sich bei den Leuten vorstellen, o. k.?«

Lamia war die Blondine.

Sie hätte den Kurs gerne besucht, sie war sich ja nicht mal sicher, ob sie das mit der Zeiterfassung noch wusste. Bestimmt hatte sich das System in den vier Jahren, die sie nicht bei der Polizei gewesen war, geändert.

Der Chef des KUT deutete ihr Schweigen als Zustimmung.

»Kennen Sie Ingemar Lerberg?«, fragte er.

Für den Bruchteil einer Sekunde durchforschte Nina ihr Gedächtnis. Ein ehemaliger Politiker.

»Natürlich.«

Kommissar Q schlug die andere Akte auf und ließ die Brille wieder auf die Nase rutschen.

»Lerberg ist brutal misshandelt in seinem Haus in Solsidan gefunden worden. Es ist unklar, ob er überlebt. Die Polizei in Nacka hat um Unterstützung gebeten. Haben Sie da draußen irgendwelche Kontakte?«

Solsidan? War das nicht so eine Comedy-Serie im Fernsehen?

»Nein, nicht so direkt.«

Er reichte ihr die Akte über den Tisch.

»Wir stellen im Laufe des Tages eine Ermittlungsgruppe zusammen, erst mal nur zwei oder drei Leute. Ich möchte, dass Sie hinfahren und sich umsehen. Fragen Sie ruhig, wenn Sie sich unsicher sind. Betrachten Sie es einfach als Einführung in Ihre Arbeit.«

Der Kommissar sah sie an und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

»Wir treffen uns morgen früh um neun im Konferenzraum. Bringen Sie mit, was Sie bis dahin zusammenhaben. Lamia besorgt Ihnen ein Auto.«

Das Haus lag einsam am Ende der Straße, unweit des kleinen Bahnhofs.

Annika Bengtzon schaltete den Scheibenwischer aus, beugte sich vor und blinzelte durch die Windschutzscheibe. Die Heizung spuckte ihr übelriechende Warmluft ins Gesicht. Sie stellte das Gebläse kleiner und ließ den Blick über die Straße schweifen.

Die Polizei von Nacka hatte den Wendeplatz und den hinteren Teil der Fahrbahn abgesperrt, ebenso das gesamte Grundstück und Teile des Rasens auf dem Nachbargrundstück. Einige andere Journalisten hatten schon am Straßenrand Stellung bezogen und saßen entweder in der Wärme hinter beschlagenen Scheiben oder lungerten an der Absperrung her­um. Die erste Eilmeldung hatte besagt, Ingemar Lerberg sei tot, das wurde dann aber zu »sehr schwer verletzt« revidiert. Der anfängliche Fehler war aller Wahrscheinlichkeit nach der Grund für diesen bemerkenswerten Medienauflauf. Ein ermordeter Politiker war immerhin ein ermordeter Politiker. Auch wenn er nur im Sozialausschuss von Nacka saß. Zudem war Lerberg ein umstrittener Parlamentsabgeordneter gewesen, einer von denen, über die es im Archiv reichlich Bildmaterial gab.

Annika holte tief Luft. Gewalt löste immer noch Unbehagen in ihr aus, fast genauso sehr wie große Horden von Journalisten.

Sie beschloss, so lange wie möglich im Auto sitzen zu bleiben.

Das Wohnhaus lag auf dem hinteren Teil des Grundstücks und war stellenweise von einer spärlichen Fliederhecke und einigen Apfelbäumen verdeckt. Allesamt tropfnass. Hinter dem Haus erhob sich eine gelbgraue felsige Anhöhe, die mit altem Gras überwachsen war. Dies war kein besonders beeindruckendes Haus. Rot gestrichen mit weißen Kanten und Mansardendach. Wahrscheinlich in den zwanziger Jahren erbaut und dann in den Siebzigern mit neuer Fassade und Panoramafenstern versehen. Der misslungene Versuch, mit der Zeit zu gehen. Es würde schwierig werden, diese Hütte entsprechend den Vorstellungen des Nachrichtenchefs in eine Luxusvilla zu verwandeln. Aber solche Probleme machten sie nicht mehr sonderlich nervös. Alles war relativ, im Zweifelsfall eine Frage der Formulierung. Für ihre Mutter in Hälleforsnäs galt eine umgebaute Holzhütte in Saltsjöbaden absolut als Luxusvilla. Es würde schon gehen.

Einen kurzen Moment wunderte sie sich über ihre pragmatische Herangehensweise. Seit wann dachte sie eigentlich so?

Lerberg war ins Krankenhaus gebracht worden, so viel wusste sie. Auf YouTube konnte man sich schon ein mit der Handykamera aufgenommenes Video ansehen, das zeigte, wie er mit dem Rettungswagen abtransportiert wurde. Bilder-Pelle hatte mit dem Urheber Kontakt aufgenommen und ihm Geld dafür geboten, dass sie das Video auf der Homepage des Abendblatts veröffentlichen durften, war aber dem zahlungskräftigeren Konkurrenten unterlegen.

Der Regen wollte nicht nachlassen. Ein großer Ü-Wagen bog in die enge Straße ein und parkte so, dass er ihr den Blick auf das Haus versperrte. Es gab wohl keine Ausrede mehr. Sie machte den Motor aus, zog sich die Kapuze ihrer Regenjacke über den Kopf, hängte sich die Tasche über die Schulter und griff nach dem Stativ. Als sie aus dem Wagen stieg, fuhr ihr sofort der Wind unter die Regenjacke. Es war wirklich saukalt. Sie sagte kurz den Leuten von TV4 und der Morgenzeitung hallo, täuschte aber vor, Bosse vom Konkurrenten nicht zu sehen, der hinten am Wendeplatz stand und viel zu laut in sein Handy sprach. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Zwar hatte sie die Kinder in dieser Woche nicht und musste nicht so genau auf die Zeit achten, aber sie wollte trotzdem möglichst schnell wieder hier weg. Jimmy, ihr Lebensgefährte, wollte am Abend für sie kochen, und sie hatte versprochen, rechtzeitig zum Essen da zu sein. Und hier gab es ja wirklich gar nichts Exklusives, nichts auszugraben oder zu enthüllen, reine Pflichtberichterstattung. Schnell und effektiv. Ein paar Aufnahmen für das Web TV und ein Zitat von einem Polizisten, und dann musste sie nur noch aus den bruchstückhaften Fakten eine Geschichte zusammenstricken.

Im eigenen Haus einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Sehr schwer verletzt.

Sie stellte das Dreifußstativ vor dem Absperrband auf die Straße, nur ein paar Meter vom Reporter des Lokalradios entfernt, grub die Videokamera aus ihrer Tasche und montierte sie auf der Halterung.

»Soll ich dir den Regenschirm über die Kamera halten?«, bot der Radioreporter an.

Er war ein großer, schmaler Typ. Sie erkannte ihn wieder, wusste aber seinen Namen nicht. Auf dem Rücken trug er eine Sendeanlage. Die Apparatur verlieh ihm etwas Insektenhaftes. Sie lächelte ihn vorsichtig an.

»Klasse, danke. Obwohl meine Kamera unter solchen Umständen schon den Freischwimmer gemacht hat, und schwarze Pisten kann sie auch schon fahren …«

»Wirklich unglaublich«, bemerkte der Insektenmann zustimmend. »Wo kommt nur dieser ganze Regen her? Irgendwann müsste es doch mal aufhören …«

Sie steckte das Mikrofon in die Line-in-Buchse, räusperte sich, drückte auf Record und stellte sich vor die Kamera.

»Hier«, sagte sie und starrte wütend in die Linse, »mitten im idyllischen Villenviertel Solsidan im mondänen Seebad Saltsjöbaden, wurde heute Morgen der Politiker Ingemar Lerberg brutal zusammengeschlagen aufgefunden. Die Rettungskräfte haben ihn ins Söder-Krankenhaus in Stockholm gebracht. Sein Zustand gilt nach wie vor als kritisch.«

Sie sah den Radioreporter an.

»Das waren doch fünfzehn Sekunden, oder?«

»Vielleicht auch vierzehn«, sagte der Reporter.

Sie ließ das Mikrofon sinken, ging zur Kamera und startete eine neue Aufnahme. Sie schwenkte die Kamera über die Umgebung: die tropfende Absperrung, der Medienauflauf, die Gestalten, die hinter den zugezogenen Vorhängen im Haus zu erahnen waren. Die Aufnahme würde den Hintergrund für ein Voice-over bilden, wenn sie mehr über die Sache wusste. Der Reporter hielt immer noch den Schirm über sie.

»Hier draußen ist es gar nicht so protzig, wie ich dachte«, sagte er.

»Wahrscheinlich sind die Adressen schicker als die Häuser«, sagte Annika. Sie drückte die Stopp-Taste und packte die Kamera wieder ein. Der Reporter nahm den Regenschirm weg.

»Weißt du, wer die Polizei gerufen hat?«

»Nein, nur, dass der Notruf um 9.36 Uhr reinkam.«

Annika sah hinüber zum Haus. Nicht nur der Nachrichtenchef und der Radiomensch hatten etwas Pompöseres erwartet. Ingemar Lerberg war ein Politiker der großen Gesten und mit zentnerschwerem Habitus gewesen, er bezeichnete sich selbst als »Unternehmer« und ließ sich am liebsten auf eleganten Segelyachten fotografieren.

»Warum hat er sein Mandat niedergelegt? Im Parlament?«

»Es ging um Steuern«, sagte Annika. »Irgendwas war mit seiner Firma.«

Sie nickte in Richtung der Zivilfahrzeuge hinter der Absperrung.

»Kripo?«

»Vermutlich«, sagte der Reporter.

Wieder sah Annika zum Haus hinüber. Im ersten Stock wurde ein weiterer Scheinwerfer eingeschaltet, das gleißend blauweiße Licht ließ den Regen vor dem Fenster noch deutlicher werden.

»Wenn die Kripo schon vor Ort ist, sieht es da oben bestimmt richtig übel aus«, sagte sie.

»Oder die Polizei aus Nacka will sich den Rücken freihalten«, sagte der Insektenmann.

Sie sah ihn an. Diese frischgebackenen Hochschulabsolventen waren heutzutage gar nicht mal so dumm.

»Annika Bengtzon«, sagte eine Stimme hinter ihr.

Sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog, und warf einen Blick über die Schulter, drehte sich aber nicht um.

»Hallo, Bosse«, sagte sie.

Sie konnte nicht begreifen, warum sie diesen Idioten einmal attraktiv gefunden hatte.

»Na, wieder mal unterwegs, um an einem Vormittag die Welt zu verändern?«

Entweder ignorierte sie ihn – was einer Kriegserklärung gleichkam –, oder sie ließ sich auf ein Gespräch mit ihm ein. Er war es nicht wert, sich aufzuregen. Also drehte sie sich um und lächelte.

»Ich muss mir meine Brötchen verdienen, Bosse. Es kann ja nicht jeder von Zinserträgen leben.«

Bosse hielt gelegentlich im Presseclub Hof und erzählte von seinen wilden Börsenspekulationen, die er oft mit geliehenem Geld machte. Aber der Jagderfolg im Börsendschungel war selten von Dauer. Sein Lächeln erstarrte.

»Unglaublich«, sagte er, »dass du immer noch mit uns Normalsterblichen im Dreck wühlst.«

Fragend hob Annika die Augenbrauen.

»Warum sitzt du nicht in einem Regierungspalast in Norrköping?«, fragte Bosse. »Wo doch dein neuer Freund bald die schwedische Einwanderungspolitik bestimmt.«

Das Gerücht war Annika auch schon zu Ohren gekommen. Angeblich war Jimmy Halenius der Posten als Präsident der Einwanderungsbehörde angeboten worden. Sie seufzte theatralisch.

»Bosse«, sagte sie. »Du enttäuschst mich. Ich dachte wirklich, du wärst ein Typ mit Durchblick.«

»Da oben tut sich was«, sagte der Radiomensch.

Instinktiv griff Annika wieder zur Kamera und richtete sie aufs Haus. Eine Handvoll Polizisten, zwei Uniformierte und drei Zivile, erschienen auf der Verandatreppe. Unter den Zivilgekleideten war eine junge Frau. Sie ging aufrecht, hatte breite Schultern, schlanke Beine und einen langen braunen, sehr glatten Pferdeschwanz. Annika stockte der Atem. War das wirklich möglich?

»Das ist Nina Hoffman«, sagte Bosse und nickte zu der Frau hinüber. »Sie war irgendwie in den Mord an David Lindholm verwickelt. Ich dachte, die hätten sie abgesägt.«

Die Reporter plauderten weiter miteinander, aber Annika nahm nicht wahr, worüber gesprochen wurde. Nina Hoffman war dünn geworden. Sie zog ihre hellblauen Schuhüberzieher aus und ging in Richtung der Zivilfahrzeuge. Um den Presserummel kümmerte sie sich nicht.

Annika atmete tief ein und hielt die Luft an. Sie waren sich in Marokko begegnet, auf Fatimas Farm in der Nähe von Asilah. Vermutlich wusste Annika mehr über Nina und ihre Familie als irgendeine andere lebende Seele.

Die Polizisten auf der Verandatreppe unterhielten sich, einer der Zivilen gestikulierte wild. Dann steuerte er auf die Ansammlung von Presseleuten zu. Er zog die Aufmerksamkeit der Journalisten auf sich wie ein Magnet. Einen Meter vor der Absperrung blieb er stehen und ließ den Blick über sie schweifen. Annika wandte den Blick von Nina ab und richtete die Kamera auf den Polizisten. Der Radiomensch hielt sein Mi­krofon in die Höhe.

»Ich kann bestätigen, dass Ingemar Lerberg bewusstlos hier in dem Gebäude hinter mir gefunden wurde«, sagte der Polizist und sah streng von einem Pressevertreter zum nächsten. Annika hörte die Regentropfen fallen.

»Wir haben beschlossen, mit dieser Information an die Öffentlichkeit zu gehen, obwohl noch nicht alle Angehörigen über die Ereignisse unterrichtet sind.«

»Wer ist denn noch nicht unterrichtet?«, rief eine Frau vom Lokalfernsehen, die ziemlich weit hinten im Pulk stand.

Der Polizist ignorierte sie. Das Regenwasser lief ihm in einem kleinen Rinnsal die Stirn hinunter.

»Ingemar Lerberg ist ins Söder-Krankenhaus gebracht worden und wird in diesem Moment operiert. Nach unseren Informationen ist sein Zustand kritisch.«

»Von wem kam der Notruf?«, schrie die Frau vom Lokalfernsehen.

Annika wechselte das Standbein. Der Polizist schaukelte auf seinen Absätzen.

»Die Ermittlungen laufen«, sagte er. »Diana Rosenberg, die Oberstaatsanwältin von Nacka, leitet die Voruntersuchung. Wir werden nähere Einzelheiten bekanntgeben, wenn …«

»Wer hat angerufen?«

Die Frau ließ nicht locker.

»Es war ein anonymer Hinweis«, sagte der Polizist.

»War es ein Mann oder eine Frau?«

»Das kann ich Ihnen nicht beantworten.«

»Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«

Der Polizist hatte die Nase voll. Er wandte sich um und ging zurück zum Haus. Seine Haare klebten am Kopf, die Regenjacke hatte dunkle Wasserflecken.

»Können Sie etwas über das Motiv für die Gewalttat sagen?«, rief ihm die Frau vom Lokalfernsehen hinterher. »Gab es Drohungen gegen Lerberg? Anzeichen für einen Einbruch?«

Der Polizist blieb stehen und warf ihr einen Blick über die Schulter zu.

»Die Antwort auf alle Fragen lautet Nein«, sagte er, zog die Schultern bis zu den Ohren hoch und eilte davon.

Annika packte die Kamera wieder weg und ließ den Blick über die Menschenmenge hinüber zu den Polizeiautos schweifen. Nina Hoffman war nirgends zu sehen.

»Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt?«, fragte sie den Radioreporter.

»Danke, aber ich muss die Zweiuhrsendung live machen«, sagte er.

»Hast du das von Schyman gehört?«, fragte Bosse.

Annika sah ihn fragend an. Bosse wirkte wie eine Katze, die gerade einen Kanarienvogel verspeist hatte.

»Er hat sich den Großen Journalistenpreis erschlichen. Diese Artikelserie über die verschwundene Millionärin.«

Annika hob die Augenbrauen.

»Wer sagt das?«

»Neue Infos aus dem Internet.«

Großer Gott, dachte sie.

»Es war eine Fernsehdokumentation.« Sie angelte nach ihrem Autoschlüssel.

Bosse zwinkerte ein paarmal.

»Keine Artikelserie«, sagte Annika. »Schyman hat den Preis für eine Fernsehdokumentation bekommen. Beide Male.«

Sie ging zu ihrem Wagen, winkte dem Insektenmann und stieg ein. Während die Heizung auf Hochtouren lief und den Dunst von der Innenseite der Scheibe blies, fuhr Nina Hoffman an ihr vorbei und verschwand in einem Regenschleier.

Chefredakteur Anders Schyman betrachtete Ingemar Lerbergs wohlbekanntes Lächeln auf dem Computerbildschirm: strahlend weiße Zähne, Grübchen in den Wangen, stahlblaue Augen. Er stand am Kai vor einem großen Tankschiff, mit geöffneter Sportjacke, offenem Hemdkragen und Wind im Haar.

Supernetter Typ. Sie kannten sich seit zehn, vielleicht sogar fünfzehn Jahren. Eine Weile hatten sie zusammen im Programmkomitee des Rotary Clubs gesessen, aber nachdem Lerbergs Steuerskandal bekannt geworden war (das hatte natürlich keine Rücksicht darauf nehmen können, dass der Verdächtige zufällig ein Rotary-Bruder von Schyman war, dem verantwortlichen Herausgeber der Zeitung), hatte der Kontakt ein wenig nachgelassen.

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