Jede Geburt ist einzigartig - Jana Friedrich - E-Book

Jede Geburt ist einzigartig E-Book

Jana Friedrich

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Beschreibung

Das unglaublichste Wunderwerk der Natur Die Geburt eines Kindes ist das wohl emotionalste Erlebnis im Leben einer Frau und stellt sie vor vielen Fragen. Die erfahrene Hebamme Jana Friedrich begleitet seit über zwanzig Jahren Frauen, die ihre Babys zu Hause, im Kreissaal, spontan oder durch einen Kaiserschnitt zur Welt bringen. In diesem Buch versammelt sie die bewegendsten Geburtsberichte: 50 verschiedene Frauen erzählen authentisch und ergreifend, welche Emotionen, Gedanken, aber auch Schwierigkeiten sie begleitet haben. Mit ihren einfühlsamen und fundierten Erklärungen zu den Berichten hilft Jana Friedrich schwangeren Frauen, sich auf das einzigartige Ereignis einzustellen oder auch die bereits erlebte Geburt zu verarbeiten. Die kraftvollen Fotografien der Geburtsfotografin Josephine Neubert unterstützen werdende Mütter und Väter, sich auf das Unvorhersehbare einzulassen – gelassen und in freudiger Erwartung. Das Buch umfasst darüber hinaus: - eine Anleitung für den persönlichen Geburtsplan, - einen praktischen Fragebogen für den ersten Besuch in der Klinik oder im Geburtshaus, - eine Traumgeburtskarte, in der die eigenen Wünsche für die Geburt festgehalten werden. Die Arbeitsblätter helfen dabei, die eigenen Gedanken für die Geburtsvorbereitung in der Schwangerschaft zu ordnen, die Angst vor der Geburt in den Griff zu bekommen und alle wichtigen Informationen stets griffbereit zu haben. Mit einem Vorwort von Nora Imlau

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Jede Geburt ist einzigartig

50 Geschichten über die elementarste Erfahrung des Lebens

HEBAMME JANA FRIEDRICH

Mit Geburtsfotografien von Josephine Neubert

Jede Geburt ist einzigartig

50 Geschichten über die elementarste Erfahrung des Lebens

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2019

© 2019 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Birthe Vogelmann

Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München

Umschlagabbildungen: shutterstock.com/ HTeam, Autorenfoto: © Maria Herzog

Fotos auf S. 387: Jana Friedrich © Maria Herzog; Josephine Neubert © Elisabeth Töpfer

Layout: Maria Wittek, München

Satz: Satzwerk Huber, Germering

Druck: Florjančič tisk d.o.o., Slowenien

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86882-992-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-302-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-303-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für meine Mutter

Inhalt

Vorwort – Geburtsgeschichten sind ein Geschenk

Einleitung

Geburtsberichte

Spontangeburt ohne Interventionen – »normale Geburt«

Spontangeburt

Geburt (fast) ohne Schmerzen

Beckenendlagengeburt

Assistierte Geburt

Kaiserschnittgeburt

Mehrlingsgeburt

Geschwisterkinder bei der Geburt

Frühgeburt

Geburt eines Kindes mit Behinderung

Stille Geburt

Geburten gestalten

Die Geburt positiv beeinflussen

Wehen verstehen, Wehen zähmen

Atmen und pressen – das Aaah und Oooh

Tipps für die Geburtsvorbereitung

Gut ist für jeden anders

Geburten verarbeiten

Vertraue dir

Schlusswort

Anhang

Vorwort – Geburtsgeschichten sind ein Geschenk

von Nora Imlau

Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, lag die Geburt wie ein großes Mysterium vor mir: unheimlich und unbekannt. Zwar hatte ich vage Bilder aus Fernsehserien im Kopf, in denen schreiende Frauen die Hände ihrer Männer zerquetschen, bevor der freundliche Arzt das süße Baby in die Luft hielt. Dazu kamen einige bruchstückhafte Erinnerungen aus der Familiengeschichte an schöne und schreckliche Geburten, lebende und gestorbene Babys. Doch es war, als würde ich versuchen, aus wenigen einzelnen Stücken unterschiedlicher Puzzles ein Ganzes zu machen – und dabei doch nur auf immer größere Lücken stoßen. Um diese zu füllen, ging ich ins Internet und suchte nach ehrlichen Geburtsgeschichten. Was ich fand, war eine Fülle von Berichten, roh und echt, offen und authentisch, aber eben auch: ohne jede Erklärung, Einordnung oder Warnung. Da schrieben sich Frauen ihren Schrecken und ihren Schmerz von der Seele, und ich, die junge Schwangere, saß mit großen Augen davor und fürchtete mich immer mehr.

Wer mir die Angst schließlich nahm, war meine Hebamme. Einfühlsam und ermutigend erklärte sie mir, was bei einer Geburt eigentlich genau passiert, welche Rahmenbedingungen dabei helfen können und wie ein positiver Umgang mit der Wehenkraft aussehen kann. So gestärkt konnte ich, als es Monate später so weit war, freudig und selbstbewusst in meine erste Geburt gehen und meine Tochter selbstbestimmt zu Hause zur Welt bringen.

Seitdem habe ich noch zwei weitere Kinder geboren, und das vierte Baby wächst gerade unter meinem Herzen. Längst habe ich keine Angst mehr vor Geburten, sondern spüre vor allem eine unglaubliche Faszination, wenn ich daran denke, wie unverwechselbar und einzigartig die Geburtserfahrung jeder einzelnen Mutter und jedes einzelnen Babys ist. Mal scheint alles perfekt ineinanderzugreifen, mal gibt es Hürden und Hindernisse zu überwinden. Mal ist ganz viel Begleitung und Hilfestellung nötig, mal fast gar keine. Aber bei absolut jeder Geburt kommt nicht nur ein nie da gewesener kleiner Mensch zur Welt, sondern auch eine veränderte, nie da gewesene Frau. Und mein größter Wunsch ist, dass jede Mutter diese Transformation als eine kraftvolle, stärkende und gute erlebt, und nicht als traumatisch.

Dabei, davon bin ich überzeugt, kann dieses Buch helfen. Denn hier finden werdende Eltern Geburtsberichte, wie ich sie einst suchte: offen und ehrlich, authentisch und Mut machend, dabei fachlich und menschlich eingeordnet und erklärt von einer erfahrenen Hebamme, die es versteht, Ängste zu lindern und das Vertrauen in den eigenen Körper zu stärken. Die wunderbaren Geburtsfotografien von Josephine Neubert, die die persönlichen Geschichten berührend ergänzen, machen das Geheimnis der Geburt dabei auch ganz sinnlich erfahrbar: Der Schmerz und die Kraft, der Halt und die Stärke, die Erschöpfung und die Euphorie – all das, was eine Geburt ausmachen kann und darf, wird in diesem Buch nicht schamvoll versteckt, sondern gezeigt und gefeiert, in Worten wie in Bildern.

Besonders bemerkenswert ist dabei die Vielfalt der Geburtserfahrungen: Positive Berichte sowohl von klinischen als auch von außerklinischen Geburten stellen einen wohltuenden Gegenpol dar zu der oft ideologisch aufgeladenen Diskussion um den einen richtigen Geburtsort, und Erzählungen von den schnellen und sehr langwierigen, sehr schmerzhaften und fast schmerzfreien Geburten zeigen ganz plastisch, wie unendlich unterschiedlich Geburtserfahrungen sein können, ohne deshalb besser oder schlechter zu sein. Gebären wird hier nicht als Wettbewerb gezeigt, nicht als weiterer Anlass zur Selbstoptimierung, sondern als hochindividueller Akt, bei dem es kein Richtig und kein Falsch gibt, sondern nur die Einzigartigkeit des individuellen Wegs.

50 echte Geburtsgeschichten so auszuwählen und zu kuratieren, dass sie Lust auf Geburt machen, ohne dabei schwierige und traurige Geburtsverläufe auszuklammern oder zu tabuisieren, ist ein Kunststück, das viel Erfahrung und Feingefühl verlangt. In diesem Buch ist es gelungen – das macht es zu so einem Geschenk.

Leipzig,

im Januar 2019

Nora Imlau

Einleitung

Als ich kurz vor der Geburt meines ersten Kindes stand, sagte eine Kollegin zu mir: »Na ja, wahrscheinlich wird es bei dir ja sowieso ein Kaiserschnitt.«

Ich war total schockiert.

Mein Kind lag in Beckenendlage (also mit dem Po nach unten), die Bedingungen waren also vielleicht nicht optimal, aber ich war vollkommen zuversichtlich, dass ich dieses Kind spontan, also auf »normalem Wege«, gebären würde. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass mein gewünschter Geburtsweg nicht durchführbar sein würde. Es könnten sich, wie bei jeder Geburt, Komplikationen ergeben, die einen Kaiserschnitt nötig machen würden. Dennoch fand ich es unglaublich, dass meine Kollegin den operativen Weg für den wahrscheinlichsten hielt und mir das auch noch sagte. Ich hätte mir eine ermutigendere Äußerung gewünscht. Es machte mich traurig und vielleicht auch ein bisschen trotzig. Glücklicherweise sollte sie nicht recht behalten.

Auch als Hebamme weiß man natürlich nicht, was einen bei der eigenen Geburt erwartet. Wie viele andere Frauen hoffte ich, alles so natürlich wie möglich zu erleben. Ich wollte die Geburt ohne Schmerzmittel und ohne Interventionen schaffen. Aber ich ließ mir alle Wege offen. Da ich wegen der Beckenendlage sowieso plante, mein Kind in der Klinik zur Welt zu bringen, würde ich auf ein Schmerzmittel zurückgreifen, sofern ich es brauchen sollte. Und wenn ein Kaiserschnitt nötig sein würde, dann wäre das eben so. Auch dafür fühlte ich mich in guten Händen. Mit diesem Grundvertrauen in meinen Körper sowie in das mich betreuende Team fühlte ich mich gut gewappnet für die Geburt. Aber ich hatte ja keine Ahnung, wie wunderbar und transformierend die Geburt sein würde! Ich weiß, das klingt jetzt esoterisch, aber so war es.

Es wurde eine gute Geburt, wenn auch nicht ganz ohne jegliche Intervention. Ein Sicherheitszugang wurde gelegt, und ich bekam leider einen Dammschnitt. Aber ich lehnte die PDA, die mir angeboten wurde, dankend ab. Zwar hatte ich zwischendurch mit einer Welle der Verzweiflung zu kämpfen, denn wenn ich auch von einer schönen Geburt rede, so war sie keinesfalls schmerzarm. Eine Geburt ist nun einmal ein existenzielles Erlebnis. Aber ich nahm Wehe für Wehe und Atemzug für Atemzug und gelangte endlich zum Ziel.

Und als ich meine kleine Tochter warm und feucht auf meinen Bauch gelegt bekam und sie in die Arme schloss, da war ich so unglaublich glücklich, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Ich war euphorisch. Ich fühlte mich wie auf Drogen. Eine Olympiasiegerin konnte sich nicht stärker fühlen, eine Gewinnerin des Nobelpreises nicht stolzer. Natürlich waren das die Hormone, die mir diesen Flash verursachten. Aber das Gefühl, etwas Unglaubliches geleistet zu haben, das blieb. Das trage ich bis heute in mir.

Jeder Frau, die ein Kind bekommt, wünsche ich dieses gigantische Hochgefühl und das Wissen um die eigene Stärke. Ich wünsche mir, dass Frauen keine Angst vor der Geburt haben – ein bisschen Respekt ist in Ordnung, aber eben keine Furcht. Ich wünsche mir, dass Frauen neugierig darauf werden, ihre innere Stärke heraufzubeschwören und kennenzulernen. Ich hoffe, dass das Lesen verschiedener Geburtsberichte dazu anregt, die eigene Geburt so schön wie möglich vorzubereiten und zu gestalten.

Eine Frau (Nina), die mir ihren Geburtsbericht für dieses Buch anvertraute, schrieb mir: »Während (und auch vor) der Schwangerschaft habe ich nicht einen Menschen persönlich kennengelernt, der mir schöne Dinge von seiner Geburt berichtete. Ich hörte Horrorgeschichten, ich hörte enttäuschte Geschichten, ich hörte von Angst und von ›Da muss man halt durch, wenn man ein Kind möchte.‹ Es wird Zeit, dass endlich mehr schöne Erlebnisse mitgeteilt werden, und deshalb finde ich deine Idee so toll, ein Buch zu veröffentlichen, und möchte wahnsinnig gern dort meine Geschichte wiedergeben. Die Geburtserfahrung hat mich so nachhaltig verändert und geprägt und mein Leben dermaßen bereichert, dass ich es gar nicht abwarten kann, erneut zu gebären.« Ist das nicht eine ganz wunderbare Sache? Wäre es nicht schön, wenn künftig die Schwangeren im Geburtsvorbereitungskurs davon schwärmen, wie schön ihre Geburten waren?

Auf meinem Hebammenblog habe ich bereits 2013 damit begonnen, kommentierte Geburtsberichte zu veröffentlichen, weil ich zeigen möchte, dass Geburtsverläufe nicht per se schrecklich und vor allem nicht allein vom Schicksal vorherbestimmt sind. Sie sind beeinflussbar und – ganz im Sinne einer selbstbestimmten Geburt – bis zu einem gewissen Grad lenkbar. Durch meine begleitenden Kommentare kann ich das bei den einzelnen Geschichten gut aufzeigen. Ich erkläre, wo in den Verlauf eingegriffen wurde und was man möglicherweise hätte anders machen können. Die Erläuterungen helfen, den Geburtsvorgang zu entmystifizieren, und machen deutlich, welche Einflussfaktoren eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Wie eine Geburt erlebt wird, ist von vielen Faktoren beeinflusst. Meine Erfahrung ist jedoch: Man kann hier keine allgemeingültige Regel aufstellen. Es gibt Frauen, die ihre Geburt als wunderschön empfanden, obwohl sie sehr lange dauerte, äußerst schmerzhaft war und nach außen hin ganz und gar nicht nach einer Traumgeburt aussah (so wie das auch bei meiner ersten Geburt sicher der Fall war). Und es gibt Frauen, bei denen von außen betrachtet alles perfekt lief, die ihre Geburten dennoch als schrecklich beschreiben.

Natürlich ist es wünschenswert, dass die äußeren Bedingungen so gut wie möglich sind, aber wichtig ist letztlich das innere Erleben der Geburt. Dafür sind realistische Erwartungen wichtig, aber auch eine gute Vorbereitung. Es gibt Frauen, die sich im Vorfeld lieber nicht so viel mit der Geburt beschäftigen möchten, weil sie Angst vor der Auseinandersetzung mit dem für sie gruseligen Thema haben. Sie sagen auf Nachfrage hin gerne Sätze wie: »Das haben ja schließlich schon Millionen anderer Frauen vor mir geschafft.« Das ist richtig, sagt aber nichts darüber aus, wie es den Frauen dabei ergangen ist. Sind Mutter und Kind an Leib und Seele unversehrt und vielleicht sogar glücklich und gestärkt aus dem Geschehen hervorgegangen, oder haben sie schlicht überlebt?

Eine gute Vorbereitung erhöht also die Chance, eine schöne Geburt zu erleben. Denn einerseits können bestimmte Weichen, die später entsprechenden Einfluss haben können, bereits früh gestellt werden, und andererseits kann in der Vorstellung ein prägendes Bild davon entstehen, wie die Wunschgeburt ungefähr ablaufen könnte. Darüber hinaus lernt man, unter der Geburt flexibel zu bleiben.

Eine der von mir betreuten Frauen (Bianca, die ihre Geschichte auch in diesem Buch erzählt) verriet mir einmal ihre Geburtsaffirmation, die inzwischen auch zu einem meiner Lieblingssätze geworden ist: »Ich bin offen für jede Wendung, die meine Geburt auch nehmen wird.« Oder kurz: »Ich bin offen.«

Ich freue mich sehr, hier eine so große Bandbreite unterschiedlichster Geburtserfahrungen zeigen zu können. An den Berichten kann man sehr schön sehen, von welchen Faktoren das individuelle Geburtserleben bestimmt wird. Beispielsweise kann eine geplante Spontangeburt, die nach vielen Interventionen in einem Kaiserschnitt endet, gut sein und stolz machen – wenn sich die Frau dabei gut betreut fühlte und vor allem alle geburtshilflich relevanten Entscheidung mitgetragen hat.1

Ich bekomme häufig das Feedback, dass sich schwangere Leserinnen förmlich durch die Geburtsberichte meines Blogs »gefräst« haben, um sich damit darüber klar zu werden, was sie sich für ihre Geburt wünschen, und um zu erfahren, welche Möglichkeiten es gibt. Eine Frau schrieb mir sogar, dass sie sich nach dem Lesen meiner Berichte getraut hat, eine Hausgeburt zu planen. Ein Gedanke, der ihr vorher völlig fremd war, ihr aber plötzlich absolut schlüssig erschien.

Ich möchte und werde in diesem Buch aber keinen Weichzeichner einsetzen. Denn es gibt nicht nur eine große Bandbreite an Geburtsvarianten, sondern auch eine erstaunlich große Vielfalt im Erleben dieses existenziellen Ereignisses. Jede Geburt ist einzigartig. Daher werden hier nicht nur Bilderbuchgeburten beschrieben. Ich denke, dass es für Schwangere einfach spannend ist, dieses breite Spektrum zu sehen. Zu jedem Bericht gibt es vorab eine kleine Einleitung von mir. So kann jede Leserin entscheiden, ob sie die jeweilige Geschichte zu dem Zeitpunkt lesen möchte oder sie lieber auslässt.

Jede Frau gibt ihrer Geschichte einen eigenen Touch. Dadurch variieren die Geschichten nicht nur inhaltlich, sondern auch dramaturgisch und erzählerisch. Manche sind lustig, manche sehr rührend, einige machen nachdenklich. Ich liebe es immer noch sehr, die Geburtsgeschichten verschiedener Frauen zu lesen.2 Und weil ich mich so gefreut habe, dass mir so viele Frauen ihre Geschichten einfach so anvertraut haben, und weil es nur fair ist, dass auch ich etwas ganz Persönliches beisteuere, finden sich auch die Geschichten über die Geburten meiner Tochter Mascha und meines Sohnes Luis in diesem Buch.

Als Kind haben mich die Märchen von Tausendundeiner Nacht fasziniert, die einen tyrannischen Herrscher dazu brachten, milde zu werden. Ich wünsche mir, dass die Geburtsgeschichten auch so einen speziellen Zauber entfalten, der Frauen mutig macht und stark. Denn allein schon durch die Einstellung, mit der man in die Geburt geht, verändert man sie bereits.

Die wunderbare Josephine Neubert hat die Fotos gemacht, die ihr in diesem Buch findet. Als ich ihre Bilder das erste Mal gesehen habe, war mir gleich klar, dass wir thematisch gut zusammenpassen. Als wir uns dann kennengelernt haben, hat sich das bestätigt. So wie Josephines Fotos sind, nämlich unglaublich wertschätzend, sehr realistisch und dabei immer ästhetisch, so empfinde ich auch die Berichte. Es sind beeindruckende Bilder der Geburt, wie du sie wahrscheinlich noch nicht oft gesehen hast. Sie zeigen den Geburtsablauf sehr deutlich und detailliert. (Falls du die Bilder mit deinem Kind anschauen möchtest, prüfe bitte, ob das für dich in Ordnung ist.) Wir beide wollen Menschen für die einzigartigen Vorgänge der Geburt begeistern und diese so zeigen, wie sie wirklich sind – aber auf behutsame, ermutigende Weise.

Ich freue mich sehr, dass ich Josephine für dieses Projekt begeistern konnte. Mehr über Josephine und ihre Arbeit findest du auf Seite 386.

Eure Jana

Geburtsberichte

Spontangeburt ohne Interventionen – »normale Geburt«

Eine Spontangeburt ohne Interventionen wie dem Legen einer PDA (Periduralanästhesie) oder einem Dammschnitt bezeichnet man als »normale Geburt«. Aber was ist schon normal? Laut Duden bedeutet »normal«: »der Norm entsprechend, vorschriftsmäßig« oder »so beschaffen/geartet, wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche, Richtige vorstellt«.

Die Vorstellung von Geburt in unserer Gesellschaft wird im Laufe unseres Lebens stark negativ geprägt. Für Kinder (das weiß ich aus meiner Aufklärungsarbeit mit Grundschülern) ist Geburt noch etwas Tolles, ganz Normales, worauf man sich freut. Es ist der erste Geburtstag eines Menschen. Etwas, das man feiert. Alle Verwandten und Freunde nehmen Anteil, und es gibt Geschenke. Geburt ist daher erst einmal komplett positiv besetzt.

Kurze Zeit später, in der Pubertät (ich unterrichte auch an weiterführenden Schulen), hat sich diese Einstellung schon grundlegend geändert. Nun wird die Geburt als etwas Unheimliches gefürchtet. Etwas, das mit großen Schmerzen verbunden ist und Verletzung oder sogar den Tod mit sich bringen kann.

Die Paare, die mir schließlich im Geburtsvorbereitungskurs begegnen, fürchten den kompletten Kontrollverlust. »Wenn ich dann nicht mehr in der Lage bin, Entscheidungen zu treffen, soll mein Partner das für mich tun« ist eine häufige Aussage von Frauen im Vorfeld einer Geburt. Außerdem haben sie oft Angst vor den starken Schmerzen.

Die meisten Menschen stellen sich eine Geburt so vor, wie sie in Filmen sehr oft fälschlich dargestellt wird: Die erste Wehe kommt oder die Fruchtblase platzt, und sofort ist die Frau nicht mehr sie selbst. Sie schreit, kreischt, kann nicht mehr laufen – in Filmen werden Frauen fast immer auf einer Liege über die grell beleuchteten Krankenhausflure geschoben – und stoßen wilde Verwünschungen aus, während sie kratzen, beißen oder ihren Partnern die Hände zerquetschen. Kein Wunder, dass der Arzt (Hebammen kommen in Filmen selten vor) die Führung dieses potenziell gefährlichen Prozesses übernehmen muss. Es wird also ein Zugang gelegt, um die schreiende Frau mit einem Schmerzmittel zu besänftigen. Dann braucht sie natürlich einen Wehentropf. Der Körper macht also nichts richtig. Sie wird auf einen gynäkologischen Stuhl gelagert und mit grünen Tüchern abgedeckt, als wäre sie unhygienisch. Dabei ist eine Geburt bei Weitem kein steriler Akt. Während der Mann längst vor dem Schauspiel der weiblichen Urkraft kollabiert ist, wird die Frau (die offensichtlich von alleine gar nichts merkt) angeschrien, sie möge jetzt mal pressen, pressen, PRESSEN! Dann entwickelt der Gott in Weiß (oder Grün) in Komplettvermummung das Baby. Beide Partner nehmen verliebt das unglaublich glatte, rosige Neugeborene entgegen (jetzt mit Weichzeichner und Geigenklang) und sind dem Arzt natürlich unendlich dankbar, dass er ihnen und ihrem Kind das Leben gerettet hat. Alleine hätten sie das nie geschafft.

Es gibt sicher Geburten, die so oder ähnlich verlaufen. Normal ist das aber eigentlich nicht.

Definition der normalen Geburt (nach Weltgesundheitsorganisation/WHO): »Unter normaler Geburt versteht man eine physiologische Geburt, die spontan beginnt, sich im effektiven Rhythmus zwischen Wehen und Wehenpausen von alleine entwickelt und bei der sich somit ohne fremdes Eingreifen der Muttermund öffnet, das Kind durch unwillkürlichen Pressdrang geboren wird.«3

Das bedeutet, eine normale Geburt benötigt keinerlei Interventionen. Der Körper »weiß«, was er zu tun hat. Eine Frau kann durchaus noch laufen, sitzen, stehen oder liegen, wenn die Wehen begonnen haben. Sie wird sich das aussuchen, was ihr guttut – ganz instinktiv und natürlich. Sie kann sagen, was sie braucht und was nicht. Da die werdende Mutter all ihre Kraft braucht, um sich auf die Wehen zu konzentrieren, wird sie ihre Worte nicht immer so wohl wählen, wie sie das sonst tun würde. Aber ihr Charakter verändert sich nicht. Sie »mutiert« nicht plötzlich. Sie wird leise atmen, tönen oder laut schreien. Je nachdem, was für sie das Beste ist. Die Geburt schreitet voran. Sie geht schnell oder dauert lange. Die Dauer sagt nichts über die Qualität der Geburt aus. Irgendwann bemerkt die Frau dann, dass sie pressen muss. Der Pressdrang ist eine Urkraft. Keiner muss der Gebärenden sagen, was sie zu tun hat, denn der Körper übernimmt die Führung und lässt ihr keine andere Möglichkeit. Die Frau gibt also diesem Drang nach und bekommt das Baby. Einige Zeit später folgt der Mutterkuchen. So funktioniert eine Geburt. So ist sie normal. Aber so passieren eben nur wenige Geburten in unserem Kulturkreis. Bei uns sind Eingriffe in den natürlichen Prozess üblich geworden.

Die normale Geburt, wie die WHO sie definiert hat, ist sicherlich ein Ideal, welches Frauen vorschwebt, wenn sie eine möglichst »natürliche« Geburt wünschen. Das bedeutet aber nicht, dass eine gute Geburt immer eine »normale Geburt« sein muss. Interventionen sind nicht unbedingt schrecklich, schlecht oder störend. Und sowieso ist das eigene Empfinden ja individuell und ausschlaggebend. Es gibt unglaublich schöne, selbstbestimmte Geburten, die beispielsweise mit einer Einleitung begonnen haben und somit nicht mehr als normal bezeichnet werden können. Auch ist es immer die bessere Lösung, ein Schmerzmittel in Anspruch zu nehmen, als traumatisiert aus der Geburt zu kommen, weil man mit den Wehen nicht zurechtkam.

Es geht hier also nur um eine Definition, die für das Erleben und Bewerten einer Geburt aber letztlich unwichtig ist. Hatte man eine normale Geburt, wird im Mutterpass am Ende einfach »Spontangeburt« stehen. Nichts weiter. Eine normale Geburt ist also die einfachste Form der Spontangeburt. Eine Spontangeburt ohne Interventionen.

Klinikgeburt

Susanna – Eine Geburt, zwei Perspektiven

David und Susanna haben zusammen eine für beide Partner erfüllende, großartige Geburt erlebt. Sie haben die Geburtsgeschichte aus ihrer jeweiligen Perspektive aufgeschrieben. Das Setting ist eine Art Abstellkammer im Krankenhauskreißsaal (es war wohl an dem Tag sehr voll auf der Geburtsstation), in der sich beide Partner aber erstaunlich wohlgefühlt haben. Was mal wieder zeigt, dass die Raumausstattung selbst letzten Endes nicht so wichtig ist, solange das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit dort aufkommen kann. Und das konnte es. Sicherlich auch, weil beide Partner sehr klar und liebevoll miteinander umgegangen sind.

Davids Sicht

Am 1. Mai musste Susanna in der Klinik ein CTG (Kardiotokografie) machen lassen, weil XY bereits sechs Tage über dem errechneten Termin war. Wir hatten uns bewusst dafür entschieden, das Geschlecht noch nicht wissen zu wollen, und nannten unser Baby vorerst XY. Nach der CTG-Kontrolle wurde Susanna von einer Assistenzärztin untersucht, wobei sich herausstellte, dass XY sich im Bauch pudelwohl fühlte und noch nicht ganz in Startposition war. Zum Abschluss wurde uns gesagt, dass das Hospital die Geburt am zehnten Tag einleiten würde – zur Sicherheit des Kindes. Auf der Rückfahrt spürte ich Susannas Anspannung, sie wollte kein Einleiten, nichts Künstliches – es sollte alles seinen natürlichen Lauf nehmen. Ich kann mich nicht mehr genau an den Abend des 1. Mai erinnern, nur daran, dass Susanna geschäftig war und wir relativ spät noch auf 3sat das Konzert von Queen in Montreal 1981 geschaut haben – ein Jahr vor meiner Geburt.

Die geburtshilflichen Richtlinien sehen standardmäßig eine Einleitung am zehnten Tag vor. Wenn alles in Ordnung ist – wie in diesem Fall –, warten manche Kliniken auch noch einen oder zwei Tage länger. Aber in der Regel wird es genau so gehandhabt.

Viele Frauen sind nach dem Verstreichen des errechneten Geburtstermins sehr ungeduldig und eher erleichtert von der Idee, die Geburt einzuleiten. Aber manchen geht es wie Susanna. Sie möchten lieber das Baby entscheiden lassen, wann es kommen möchte. Der natürliche Beginn ist auch fast immer der beste, solange bei den Kontrollen alles in Ordnung ist. Auch in den geburtshilflichen Fachkreisen wird immer wieder diskutiert, wie viel Nutzen eine Einleitung aufgrund einer alleinigen Terminüberschreitung eigentlich bringe. Zumal der errechnete Termin nicht immer zweifelsfrei sicher ist.

Der Termin wird nach der sogenannten Naegele-Regel errechnet: Erster Tag der letzten Regel + ein Jahr minus drei Monate + sieben Tage. Dabei wird von einer Standardzykluslänge von 28 Tagen ausgegangen. Abweichungen in der Zykluslänge müssen natürlich berücksichtigt werden. Das passiert aber oft nicht, sodass dann ein falscher Tag berechnet wird. Noch komplizierter wird es, wenn der Zyklus unregelmäßig war. Die ganz frühen Ultraschalluntersuchungen können guten Aufschluss darüber geben, ob der errechnete Termin stimmt, da die Messungen am Anfang sehr genau sind und die Kinder noch recht gleichmäßig wachsen. Manchmal werden hier zwar Abweichungen festgestellt, aber der Termin nicht entsprechend abgeändert. Selbst wenn es sich »nur« um zwei Tage handelt, kann das später darüber entscheiden, ob eingeleitet wird oder nicht.

Und letztendlich muss man sagen, dass nur ungefähr fünf von 100 Kindern an dem errechneten Termin geboren werden. Die meisten verteilen sich auf die drei Wochen davor und zwei Wochen danach.

Irgendwann hat Susanna mich dann geweckt, weil ich (sicherlich) geschnarcht hatte und sie nicht schlafen konnte. Ich wurde dann nach unten auf die Couch verbannt. Irgendwann bin ich von ihren Schritten aufgewacht und ging nach oben, um nach ihr zu sehen.

Sie war total aktiv – irgendwas tat sich – jedoch wollte sie alleine sein. Ich könne nichts tun und solle wieder nach unten gehen. Sie musste mir versprechen anzurufen, falls etwas sein sollte. Ich bin dann wieder eingeschlafen.

Um 4:55 Uhr kam der Anruf: Es geht los!

Ich erinnere mich noch: Ich war sofort wie »eingeschaltet«! Ich bin sofort nach oben, um nach Susanna zu sehen. Ihr ging es gut. Nach einem Anruf bei Susannas Mutter, die sofort rüberkam, haben wir Hannah (10) geweckt. Ich glaube, sie war am aufgeregtesten von uns allen. Wobei das nicht ganz stimmt – ich war ebenfalls total aufgeregt, habe mir nur nichts anmerken lassen (hoffe ich). Ich habe dann noch im Kreißsaal angerufen und den Abstand der Wehen durchgegeben (den ich nicht mehr weiß). Die Hebamme sagte, wir sollten uns auf den Weg machen, es sehe gut aus. Da alles gepackt und vorbereitet war, sind wir in mein Auto gestiegen und losgefahren.

Susanna wusste genau, was ihr guttat, und hat das auch artikuliert. Es spricht sehr für die Beziehung zwischen Susanna und David, dass er das annehmen konnte, ohne sich abgewiesen zu fühlen. Diese Klarheit der beiden ist für einen guten Geburtsverlauf sehr wertvoll.

In der Regel ist die Empfehlung zum Losgehen: Wenn die Wehen über einen Zeitraum von zwei Stunden in einem Abstand von circa fünf Minuten kommen, ist es Zeit, sich auf den Weg zum Geburtsort zu machen. Beim zweiten Kind, je nach Gefühl, auch etwas früher.

Im Auto haben wir den Abstand der Wehen geprüft, er war aber konstant und hat sich nicht verkürzt. Nach der Ankunft wurden wir erst mal aufgenommen. Da wir vor weniger als zwölf Stunden schon eine CTG-Kontrolle gehabt hatten, waren auch noch alle Beteiligten mit unserem »Fall« vertraut. Die Assistenzärztin sowie die Hebamme waren immer noch im Dienst. Danach kamen wir erst mal auf Station und frühstückten, da XY wohl noch nicht so weit war – scheinbar.

Für mich ging dann alles rasend schnell: Es muss so gegen 8 Uhr gewesen sein, als Susanna und ich auf dem Flur auf und ab pilgerten. Ich habe immerzu ihre Hand gehalten und war für sie da. Ein total mieses Gefühl, wenn man nichts machen kann. Die Wehen wurden jetzt stärker, und Susanna musste jedes Mal anhalten, um sie wegzuatmen. Auf dem Flur wartete ein Mann angespannt auf seine Frau, die laut schreiend im Kreißsaal ihr Kind zur Welt brachte. Als die Wehen in kürzerem Abstand kamen und noch intensiver wurden, habe ich bei den Hebammen nach einem Kreißsaal gefragt. Wir wurden jedoch vertröstet, und Susanna musste weiter auf dem Flur ausharren.

Nach einer Weile und einem weiteren Nachfragen meinerseits kamen wir dann in den letzten noch freien Kreißsaal. Er wurde als Medikamentenlager verwendet und musste erst mal hergerichtet werden. Zudem war keine Hebamme mehr für uns verfügbar und musste erst gerufen werden – daher auch die Verzögerung.

Dieses Gefühl der Hilflosigkeit überkommt viele Geburtsbegleiter – ganz unnötigerweise. Denn ihre pure Anwesenheit unterstützt die Frauen. Der bekannte Geruch, eine kleine Berührung, ein nettes Wort, mehr braucht es nicht, um sich in der fremden Umgebung nicht mehr ganz so fremd zu fühlen. Und ein Gefühl von Geborgenheit bewirkt, dass die Geburtshormone intensiver fließen, die Muskeln effektiver arbeiten und der Muttermund sich besser öffnen kann.

Geburten sind nicht planbar. Daher kommt es immer mal wieder zu solchen Überlastungssituationen, in Zeiten von Hebammenmangel und Geburtenboom sicher etwas häufiger. Aber auch sonst kann das einfach passieren. Hier hilft es nur, flexibel zu sein und sich von dem organisatorischen Stress des Klinikpersonals nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Unsere Hebamme hieß Sandra, die ihren ersten Tag im Hospital hatte, zuvor allerdings viele Hausgeburten betreut hatte. Susanna fühlte sich sofort in guten Händen und war sehr erleichtert. Eine der anderen Hebammen wäre für sie nicht infrage gekommen.

Im Kreißsaal versuchte Susanna, eine angenehme Position zu finden, um die immer intensiveren und in kürzeren Abständen kommenden Wehen wegzuatmen. Ich hatte meine Hand dabei immer auf Susannas unterem Rücken und hielt so gut es ging dagegen, wenn die Wehen kamen.

Sandra trat eigentlich nur beim CTG in Aktion und einmal beim Haare-zum-Zopf-Binden. Dabei bin ich nämlich kläglich gescheitert. Nach ein paar Positionswechseln und immer intensiveren Wehen blieb Susanna dann im Vierfüßlerstand und krallte sich an einem Geburtshocker fest. Ich saß in der Hocke neben ihr, streichelte ihren unteren Rücken und hielt bei jeder Wehe fest dagegen.

Druck oder die Massage des unteren Rückens (vor allem des Kreuzbeins) stellt für viele Frauen eine großartige Unterstützung dar. Von innen übt das Baby Druck aus, da ist es sehr angenehm, einen äußeren Gegendruck zu erfahren. Auch das ist eine gute Aufgabe für den Geburtsbegleiter.

Der Vierfüßlerstand ist eine der intuitivsten und besten Geburtspositionen. Frauen, die von der Hebamme nicht in eine bestimmte Position gebracht werden, suchen sich sehr häufig diese Haltung aus. Man ist etwas abgestützt, bekommt gut Luft und kann sich mit dem Kopf zwischen seinen Armen »verstecken«. Dadurch kann man seine Konzentration sehr gut nach innen richten.

Die meiste Zeit waren nur Susanna, Sandra und ich im Zimmer – bis auf die Unterbrechungen durch die anderen Hebammen, die ständig was aus den Schränken holen mussten. Zum Glück hat das nur mich gestört, und Susanna hat das gar nicht mitbekommen. Sie war so tapfer! Je weiter die Geburt voranschritt, desto mehr hatte ich ein Gespür dafür, was sie braucht, und konnte mich komplett auf sie konzentrieren. Sandra hat nur hin und wieder was gesagt, uns aber sonst machen lassen. Es gab nur einen Durchhänger bei Susanna: »Ich schaffe das nicht, ich kann das nicht« waren ihre Worte.

Die typische Wortwahl für die Übergangsphase. Nur wenige Frauen gehen wohl ohne diesen kurzen Hänger durch die Geburt. Meist ist das ein Zeichen dafür, dass die Geburt schon sehr weit vorangeschritten ist und das Baby bald kommt. Wenn die Hebamme so passiv ist, ist das ein Zeichen dafür, dass alles gut ist.

Ich war mir aber so sicher, dass sie das konnte, dass ich nicht mal über ein »Doch, du kannst das!« nachdenken musste. Irgendwie ging dann alles ganz schnell, und urplötzlich konnte man den Kopf unseres Babys sehen. Mein Wunsch war es, es mit meinen Händen aufzufangen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich darauf kam, und hatte auch große Zweifel, ob ich das überhaupt konnte. Im Nachhinein glaube ich, dass ich einfach den Vorsprung, den Susanna und XY in Sachen Bindung hatten, aufholen wollte. Als ich Sandra fragte, ob ich ihn auffangen dürfe, antwortete sie nur: »Klar.«

Als man den Kopf sehen konnte, sagte sie, ich solle meine Hand vorsichtig darunterhalten. Zuerst war ich etwas forsch und habe unser Baby fast wieder reingeschoben … Sandra sei Dank war ich dann etwas sanfter. Mit einer Hand an XYs Kopf und der anderen fest an Susannas Rücken hockte ich neben ihr. Da presste Susanna mit einer unglaublichen Kraft den Kopf heraus, auf meine Hand.

Ich war so überwältigt, dass mir die Tränen aus den Augen schossen. Da war der kleine Mensch und schaute mich an. Die Augen waren offen, und die Zunge schob das Fruchtwasser aus dem Mund. Ich glaube, ich habe kein Wort gesprochen und am ganzen Körper gezittert – immer noch liefen mir die Tränen über die Wangen. Diesen Moment – wie er mich ansah und wie zerbrechlich sein Kopf in meiner Hand lag – werde ich nie vergessen! Es hat alles in mir verändert und sollte nur der Anfang sein.

Zwischenzeitlich war auch ein Arzt eingetroffen – gebraucht haben wir ihn aber nicht. Susanna hat das, mit meiner und Sandras Hilfe, alleine hinbekommen!

Der Kopf des kleinen Menschen begann sich langsam in meiner linken Hand zu drehen. Ein total merkwürdiger, fast skurriler Anblick. XY bereitet sich vor, vollständig seinen Weg nach draußen zu suchen – aber das sollte noch dauern.

Sehr oft tritt nach der Geburt des Kopfes eine kleine Pause ein. Das Kind vollführt in dieser Zeit eine Vierteldrehung. Auch scheint es so, dass der Körper der Frau kurz Kraft schöpfe, bevor er eine weitere Wehe produziert, mit der dann das ganze Kind geboren wird. Diese kurze Pause ist zwar physiologisch, aber dennoch warten in diesem Moment natürlich alle Beteiligten sehnsüchtig und ungeduldig auf die vollständige Geburt des Kindes.

Susanna war total am Ende und zitterte am ganzen Körper. Die letzte Wehe wollte und wollte nicht kommen. Es schien fast so, als hätte der unglaubliche Kraftakt der vorigen Wehe ihr jegliche Energie geraubt. Auch der Arzt fing an, sich Sorgen zu machen. Susanna atmete so schnell!

Sandra begann ihr den Bauch zu streicheln, und ich massierte ihren unteren Rücken. Ich glaube, ich habe ihr auch Mut zugesprochen, weiß es aber nicht mehr genau. Als sich nach einer gefühlten Ewigkeit die letzte Wehe ankündigte, sagte Sandra, ich solle mit der rechten Hand den Kopf stützen und die linke für den kleinen Körper bereithalten. Mit einem allerletzten Pressen hat Susanna unser Baby dann geboren, und es flutschte in meine Arme! Fruchtwasser und Blut schwappten über meine weiß-roten Nike Air Max 2.0, anschließend war es für einen ganz kurzen Moment still. Es war, als hätte man die Zeit angehalten. Dann ertönte der erste Schrei des kleinen Menschen. Er war ganz in seine Nabelschnur eingewickelt. Ich legte ihn ab und suchte nach einem Indiz für das Geschlecht: »Ein Junge!«, schrie ich laut und umarmte Susanna, immer noch im Vierfüßlerstand. Sie war wie paralysiert und total erschöpft. Nach einer kurzen Weile reichte die Hebamme den kleinen Menschen unter Susanna durch.

»Er hat deine Ohren«, war ihr erster Kommentar. Da sie immer noch so geschwächt war, konnte sie ihn noch nicht allein festhalten. Auf dem Boden wurde es zu kalt für den kleinen Mann, und wir durchtrennten die Nabelschnur. Ich durfte schneiden und nahm meinen Sohn danach das erste Mal richtig in den Arm. Er war eingepackt in eine Decke und hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war blutverschmiert und seine Händchen total klein. Ich war sofort verliebt, so verliebt, wie ich es noch nie zuvor in meinem Leben gewesen war!

Als die Hebamme den kleinen Mann zum Wiegen und Messen nahm, half ich Susanna auf die Liege. Man sah nun, wie sehr sie dieser Kraftakt mitgenommen hatte. Ich war sehr froh für sie, dass es geschafft war. Die Hebamme fragte uns nach einem Namen für das Armbändchen, den wir zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht parat hatten. Wir wollten spontan entscheiden, natürlich mit ein paar Favoriten ausgestattet.

Als sich die Gelegenheit ergab, schoss ich das allererste Foto unseres Sohnes und teilte unseren Familien und Freunden die freudige Nachricht mit. Der kleine Mann war auf dem Boden etwas kühl geworden und musste für ein paar Minuten Wärme tanken. Ich ließ ihn nicht aus den Augen und ging mit der Hebamme in den Raum, wo er ein paar Minuten in einen Brutkasten gelegt wurde. Dort beobachtete ich den schrumpeligen Kerl und dachte mir nur: »Endlich bist du da!« Ich war so stolz und konnte es kaum erwarten, ihn wieder in den Arm zu nehmen. Nachdem der kleine Mann wieder Betriebstemperatur hatte, Susanna zum Glück nicht genäht werden musste und auch die Nachgeburt raus war – die übrigens auf einen zweiten Fötus hindeutete –, waren wir endlich alle drei vereint!

Manchmal sind in der Anlage zwei Babys vorhanden, von denen sich eines in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft nicht weiterentwickelt hat. In den meisten Fällen ist das auch gar nicht bekannt. Aber manchmal findet man eben in der Nachgeburt noch Spuren dieses früheren Zwillings.

Susanna war wieder etwas zu Kräften gekommen und hielt unseren kleinen Sohn in ihren Armen. Sowohl unsere Familien als auch das Krankenhauspersonal war total gespannt auf unsere Namenswahl. Wir haben uns damit auch echt Zeit gelassen.

Susanna sagte dann zu mir: »Wie findest du Emil?«, und ich schaute den kleinen Mann kurz an und sagte: »Ja, Emil passt!«, und ab da wurde aus XY Emil! Wir hatten der großen Schwester Hannah versprechen müssen, dass sie den Namen per WhatsApp verkünden durfte. Also war sie die Erste, die den Namen ihres Bruders erfuhr, und teilte ihn dann allen Freunden und Verwandten mit.

Susanna und Emil blieben die erste Nacht alleine im Krankenhaus, da kein Familienzimmer frei war. Als ich abends dann alleine nach Hause fuhr, war ich total überwältigt. Ich war aufgekratzt – obwohl ich seit 5 Uhr wach war – und gleichzeitig total erschöpft. Ich konnte es nicht fassen, was da heute Unglaubliches passiert war! Manchmal kommt es tatsächlich so, wie man es sich wünscht …

Wunderbar! Und weil nun schon alles Ergänzende gesagt ist, lasse ich Susannas Bericht nun ausnahmsweise unkommentiert.

Susannas Sicht

Die Geburt meiner Tochter Hannah lag schon fast elf Jahre zurück und war alles andere als selbstbestimmt verlaufen. Aus heutiger Sicht muss ich allerdings gestehen, dass ich mich damals auch mit allem Möglichen beschäftigt hatte, aber nicht mit der Geburt. Lange Geschichte …

Nun war ich erneut schwanger. Die Schwangerschaft war sehr anstrengend. Ich hatte gerade eine neue Position auf der Arbeit übernommen, und meine Tochter wechselte auf die weiterführende Schule. Wie schon bei der ersten Schwangerschaft setzten mich die neuen Hormone schachmatt, und ganz arbeitgeberfreundlich war mir stets abends unglaublich schlecht. Es fühlte sich außerdem so an, als hätte mir jemand mit einem Brett über den Schädel gehauen, und ich war weit davon entfernt, ich selber zu sein.

Augenscheinlich besserte sich dies mit Abnahme der Übelkeit, aber der Stress auf der Arbeit wurde nicht weniger und zu Hause auch nicht. Überstunden, Haushalt, mit Hannah für Klausuren lernen und eine Partnerschaft aufrechterhalten – das alles brachte mich schnell an meine Grenzen. Und dann kam im fünften Monat der Termin bei der Hebamme. Ich war auf alles vorbereitet, aber nicht auf die Frage »Was wollen Sie denn?«. Äh … was ich will?! Keine Ahnung … dass alles gut geht? Dass das Kind gesund ist? Dass es nicht so verläuft wie beim letzten Mal? Und damit brachte meine Hebamme etwas ins Rollen, wofür ich ihr ewig dankbar sein werde.

Ich setzte mich bewusst mit der ersten Geburt auseinander, las viel über selbstbestimmte Geburten, ging früher in den Mutterschutz (dank angesammelter Urlaubstage) und las viele Erfahrungsberichte anderer Frauen. Hannah kam damals zehn Tage früher als errechnet, und auch diesmal war ich mir sicher, dass unser Kind früher kommen würde. Diesmal wollte ich mich bezüglich des Geschlechts überraschen lassen, und ich bin froh, dass ich mich mit diesem Wunsch durchsetzen konnte, denn der Moment, in dem verkündet wird: »Es ist ein Junge/Mädchen!«, ist unbeschreiblich. Wann lässt man sich heutzutage noch überraschen? Aber XY, wie wir unser Kind nannten, sollte doch noch etwas auf sich warten lassen.

Der errechnete Termin verstrich, Gott sei Dank … denn durch die Zeit, die wir gewannen, änderten sich auch unsere Pläne für den Geburtsort.

Da der 1. Mai auf einen Montag fiel und wir an diesem Tag wieder zur Kontrolle gehen mussten, wurden wir zum ersten Mal in unserer Wunschklinik vorstellig. Man sagte uns, dass in diesem Krankenhaus ab dem zehnten Übertragungstag eingeleitet würde. Für mich überhaupt nicht diskutabel. Am liebsten hätte ich mein Kind zu Hause bekommen, aber dazu fehlte mir neben dem Mut auch die entsprechende Hebamme.

Aber ich wollte meinem Kind die Zeit lassen, die es brauchte, um auf die Welt zu kommen, und wollte mir nicht vorschreiben lassen, ab welchem Zeitpunkt das sein sollte. Klar sollte es medizinisch belegte Gründe dafür geben, auf jeden Fall, aber nicht, weil man einfach mal festgelegt hatte, dass es am zehnten Tag passieren sollte.

Wütend über dieses System und in Gedanken schon wieder rebellierend – »Dann bekomme ich das Kind eben alleine zu Hause!« –, lief ich den Rest des Tages die Treppen zu Hause hoch und runter. Abends sahen David und ich noch ein Konzert von Queen 1981 in Montreal.

Ich hatte schon seit Wochen schmerzfreie Kontraktionen, und so auch diese Nacht. David schnarchte, und ich schickte ihn nach unten, damit ich ein wenig zur Ruhe kommen konnte, aber als ich gegen 2 Uhr wach wurde und mich umdrehte, floß etwas aus mir heraus. Ich flitzte zur Toilette, aber es war so wenig, dass ich mir nicht sicher war, ob nicht doch nur Urin abgegangen war. Das passierte allerdings noch zwei, drei Mal, und dann bemerkte ich leichten Schleimabgang. Sollte es jetzt wirklich losgehen?

David hatte mich wohl gehört und kam direkt nach oben, aber mir war nicht nach Gesellschaft. Ich wollte in mich kehren, hineinfühlen, atmen, und das unbeobachtet. So ging David wieder runter, um noch etwas Schlaf zu bekommen, und ich zündete eine Kerze an, die seine Mutter uns zu Ostern geschenkt hatte. Es passierte aber weiter nichts, und so legte ich mich wieder hin (die Kerze pustete ich natürlich wieder aus). Die Kontraktionen wurden jetzt spürbarer und regelmäßiger, und ich konnte dazwischen immer wieder kurz wegdösen.

Irgendwann gegen 5:30 Uhr waren es Kontraktionen im Abstand von vier Minuten, und David rief meine Mutter an, damit sie auf Hannah aufpasste. Wir hatten Hannah versprochen, sie zu wecken, falls es losginge, und das taten wir auch. Schön fand ich, dass sie sah, dass es mir gut ging und ich mit einem Lächeln losfuhr. Im Auto musste ich mich dann allerdings bei jeder Wehe festhalten und ich war froh, als wir endlich wieder aussteigen konnten.

Um kurz vor 6 Uhr waren wir am Krankenhaus. Der Muttermund war bereits geöffnet, wie viel, weiß ich gar nicht mehr. Wir frühstückten noch ein wenig, jede Wehe wurde fleißig weggeatmet und um kurz vor 9 Uhr wollte ich dann doch nicht mehr auf dem Flur stehen und bat, ob wir denn nicht in den Kreißsaal dürften. Dieser war ein paar Minuten später auch fertig, und wir lernten unsere Hebamme kennen.

Sandra hatte an diesem Tag ihren ersten Tag. Es stellte sich heraus, dass sie die perfekte Hebamme für uns sein würde. Sie strahlte eine unglaubliche Ruhe aus, und das half mir, die nächsten 100 Minuten zu überstehen. Ich atmete die Wehen immer noch abgestützt auf dem Bett weg und war froh, dass ich nur wenige Augenblicke (für eine bessere CTG-Aufzeichnung) liegen musste.

Im Vorbereitungskurs hatte mir meine Hebamme gesagt, dass die liegende Gebärposition gleich nach dem Kopfstand die ungeeignetste sei. Und genauso empfand ich es auch. Die Wehen ließen sich in dieser Position kaum aushalten. Ich hatte mir für die Geburt extra ein Nachthemd gekauft, und nun war es Zeit, mich umzuziehen, denn die Abstände wurden immer kürzer. Irgendwann konnte ich nicht mehr stehen, und Sandra empfahl mir, mich über den Gymnastikball im Kreißsaal zu legen, was wunderbar funktionierte. Die Schmerzen waren stark, aber auszuhalten, und ich war zu diesem Zeitpunkt schon ganz bei mir.

David beschwerte sich, dass permanent jemand reinkomme, da unser Kreißsaal auch zeitgleich das Lager für alle möglichen Dinge war, aber das störte mich nicht. Ich hatte nur drei Sätze im Kopf: »Schritt für Schritt. Eine Wehe nach der anderen überstehen. Mund oben locker, Muttermund unten locker.« So die Weisheit meiner Hebamme. Und in den schlimmsten Phasen: »Kein Schmerz ist für immer.« Diese Gedanken haben mich durch die Geburt getragen.

Als die Schmerzen kaum noch auszuhalten waren und der Ball mir nicht mehr genug Entlastung bot, gab mir Sandra den Gebärhocker, über dem ich nun hing und in den ich meine Finger reinbohrte. David streichelte die ganze Zeit mein Steißbein, was mir eine unglaubliche Hilfe war. Er musste einmal kurz weg, und in der Zwischenzeit übernahm Sandra mein Steißbein, aber nur David hatte exakt die Wärme und Stärke, die ich brauchte. Überhaupt war er total ruhig. Für mich war diese Dreiergemeinschaft unglaublich harmonisch und liebevoll.

Die wellenartigen Schmerzen kamen in immer kürzeren Abständen und es fühlte sich für mich an wie in einem Sturm. Es gab kaum noch Zeit, sich von den aufpeitschenden Wogen zu erholen, weil schon die nächste Welle anrauschte. Ich bin kein lauter Mensch, aber in diesem Augenblick, den ich aus den Büchern als »durch das Tor schreiten« kannte, sackte alles in mir zusammen und ich konnte den Schmerz nur noch mit lautem Weinen/Schreien/Atmen über mich ergehen lassen.

Dann spürte ich, dass der Kopf an der Schwelle stand. Ich wusste, dass man in diesem Moment nicht pressen sollte, sondern den Kopf passieren lassen sollte. Das war nicht leicht, denn es brannte wie verrückt und ich dachte, ich würde zerreißen. Ein wenig habe ich sicherlich doch gedrückt, aber plötzlich war der Schmerz weg, und Totenstille herrschte im Raum. David kniete hinter mir und hielt den Kopf fest. Er wollte unser Kind auffangen, und Sandra erklärte ihm, dass sich der Kopf gleich leicht drehen werde und er dann das Baby mit beiden Armen auffangen könne. Für mich war dieser Moment wie die Windstille auf See. Plötzlich war alles gut und ich atmete wie wild die Energie aus mir heraus.

Eine andere Hebamme kam rein und bemerkte, dass kein Arzt zugegen war. Für uns drei in diesem Moment überhaupt nicht wichtig, aber für das System anscheinend notwendig, und so kam dann der Arzt dazu. David hielt weiterhin das Köpfchen, und es dauerte ewig, bis die nächste Wehe kam. Sandra strich mir dazu mit ihrem Finger über den Bauch. Dann kam die letzte Woge, und unser Baby plumpste in Davids Arme.

Ich war so geflasht, dass ich nur auf den Boden starrte und nicht begriff, was da passiert war. Hannahs Geburt hatte ewig gedauert und ich verstand nicht, dass es diesmal in knapp zwei Stunden, ohne Hilfsmittel, einfach so passiert war. Dann durchbrach ein Schrei meine Gedanken. Da war wirklich ein Lebewesen aus mir herausgekommen, und ich hörte David sagen: »Es ist ein Junge!«, und dann wurde er durch meine Beine durchgereicht. Ich zitterte am ganzen Körper und war kaum in der Lage, ihn zu berühren. Der Moment ist total schwer zu beschreiben. Ich war wie paralysiert.

Später erfuhr ich, dass er die Nabelschnur wie einen Fallschirm um sich gewickelt hatte. Zweimal um den Hals, um die Schultern und den Körper. Und er hatte zwei Plazenten. Eine große und eine kleine.

Da unser Sohn leicht kühl war, wurde er für ein paar Minuten in eine Art Wärmekasten gelegt, und David und ich mussten uns nun Gedanken über den Namen machen. Wir hatten im Vorfeld eine Liste erstellt, wo alle unsere Freunde und Verwandten ihre Lieblingsnamen nennen konnten, aber von denen passte keiner zu ihm. Als wir ihn endlich wieder bekamen und er in meinem Arm lag, schoss mir der Name Emil durch den Kopf. Und da war er nun … Emil. Und eroberte langsam, aber immer mehr mein Herz.

Es dauerte an diesem Tag eine Weile, bis ich wieder Boden unter den Füßen spürte. Aber auch heute, vier Monate später, flasht es mich immer noch, wie wundervoll, intensiv und »krass« diese Geburt, diese Erfahrung war. David und ich sprechen nachts noch so häufig davon, lassen einzelne Momente Revue passieren und können immer noch nicht begreifen, dass er da ist, dass wir ein Kind haben, das uns beide für immer verbinden wird.

Es gab extrem lustige Momente. Als meine Haare in meinem Gesicht klebten, weil das Haargummi rausgefallen war, bat ich ihn, mir einen Zopf zu machen, und er war völlig überfordert. Später sagte er, ich hätte alles von ihm verlangen können, aber mir einen Zopf binden?

Oder als ich jegliche Contenance verlor und laut wurde, sagte ich: »Oh nein, das tut mir total leid, dass ich jetzt so laut bin, für die, die jetzt draußen stehen.« Ich machte mir Sorgen, dass ich damit die anderen werdenden Mütter abschrecken könnte, obwohl es ja der schönste Moment in meinem Leben war (neben Hannahs Geburt natürlich).

David hat die Geburt natürlich ganz anders wahrgenommen. Dieses Erlebnis hat uns beide zusammengeschweißt, und ich bin so dankbar, dass die Atmosphäre so vertraut und verständnisvoll war, dass ich mich keinen Moment geschämt oder unwohl gefühlt habe.

David wollte ursprünglich nur hinter mir stehen, um mir den Rücken zu stärken. Er sagte, er müsse nicht »hinschauen« und wolle ganz für mich da sein. Dass er tatsächlich hinter mir stehen würde, nur andersherum, und er ALLES sehen würde und aktiv mithelfen würde, war zwar nicht geplant, aber für ihn aus heutiger Sicht auch mitverantwortlich dafür, dass er mich noch mehr respektiert und liebt als zuvor.

Wie schön, wenn es für beide Partner so stimmig war.

Im Geburtsvorbereitungskurs diskutieren die Paare immer wieder darüber, ob der Partner einen Frontalblick auf die Vulva wagen darf, wenn das Baby geboren wird. Das ist natürlich etwas, das jedes Paar individuell für sich entscheiden kann.

In jedem Fall empfehle ich, das mal im Vorfeld zu überdenken und zu besprechen. Auch wenn das Besprochene dann plötzlich spontan total über den Haufen geworfen wird. Denn auch das ist ja möglich, wenn es dann plötzlich doch für beide Partner passt.

Aus Versehen wird niemand in diese Situation gebracht. Denn wir Hebammen positionieren die Partner immer erst einmal am Kopfende, solange wir nicht wissen, was sich die beiden wünschen.

Aber ob man nun schaut oder nicht, ob das Baby wie in dieser Geschichte sogar in die Hände des Papas geboren wird oder ob man die Geburt einfach »nur« zusammen erlebt – für ein Paar kann das gemeinsame Geburtserlebnis die Beziehung noch einmal auf eine ganz neue Stufe der Intimität heben.

Sehr oft berichten mir Paare davon, dass ihr innigster Paar-Moment die Geburt ihres Kindes war. Und viele fühlen sich durch das gemeinsame Erleben stärker verbunden als durch eine Hochzeit.

Manuela – Wellengeburt

Manuelas Geburt zeigt ganz großartig, wie man mit der eigenen mentalen Kraft die Wehen besiegen kann. Manu war zunächst von den Wehen ziemlich überrannt, fand dann aber einen Weg, sie mithilfe ihrer Imagination zu zähmen. Belohnt wurde sie mit purer Euphorie.

Die Geburt unseres Sohnes, der mein erstes Kind ist, verlief absolut anders als erwartet. Alles ging nicht nur wesentlich schneller als gedacht, sondern war auch sehr viel positiver, als ich es je für möglich gehalten hatte.

Die Geburtsdauer wurde mit vier Stunden angeben (von der ersten kleinen Wehe bis zur Geburt waren es etwa acht Stunden), davon habe ich nur die letzte Viertelstunde im Kreißsaal verbracht. Vor allem diese letzte Viertelstunde habe ich als unglaublich euphorisch erlebt, und dieses Gefühl hielt noch die komplette Wochenbettzeit an.

Vor der Geburt war ich eigentlich relativ gelassen, meine Stimmung lag irgendwo zwischen »Ich verdränge das Ganze einfach« und »Das schaffe ich auf jeden Fall aus eigener Kraft, alles wird super«. Mir war nur wichtig, innerlich offen zu bleiben für alle eventuell von mir gewünschten Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Wassergeburt, Schmerzmittel und gegebenenfalls sogar PDA, denn ich konnte einfach überhaupt nicht einschätzen, wie ich mich unter der Geburt fühlen würde.

»So, wie’s kommt, so kommt’s«, dachte ich mir, wünschte mir aber insgeheim natürlich eine kurze, einfache Geburt.

Wer wünscht sich das nicht? Tatsächlich ist es aber supersinnvoll, sehr offen in die Geburt zu gehen, auch wenn man Wünsche hat, wie die Geburt optimalerweise verlaufen soll.

Als der Geburtstermin immer näher rückte, wachte ich jeden Morgen auf und horchte in mich hinein. »Was meinst du, kommt er heute?«, fragte mein Mann dann. »Nee, heute nicht«, sagte ich jedes Mal ein wenig enttäuscht.

Doch dann, zwei Tage nach dem errechneten Termin, ging es los. Ich ging nachts um 3 Uhr auf Toilette und merkte plötzlich, dass der Schleimpfropf abgegangen war. Das freute mich sehr, denn ich hatte gelesen, dass die Geburt dann bald losgehen würde.

Ich ging wieder ins Bett, als auf einmal die erste Wehe kam. Sie war leicht und nur wenig schmerzhaft, aber doch deutlich als Wehe zu erkennen. Und bald darauf folgte die nächste und wieder die nächste. Ich stoppte die Zeit zwischen den Wehen: drei Minuten. Mittlerweile lief ich zwischen Bett und Toilette hin und her. War da etwas Fruchtwasser abgegangen? Ich war mir nicht sicher.

Also weckte ich meinen Mann, und wir riefen fröhlich im Kreißaal an. Dort riet man uns, einfach mal vorbeizukommen.

Wir machten uns auf den Weg ins etwa 15 Minuten entfernte Krankenhaus. Dort konnten die Wehen auf dem CTG alle drei Minuten gut dargestellt werden, aber der Muttermund war erst fingerdurchlässig, und der Verdacht mit dem Fruchtwasser bestätigte sich nicht.

Manchmal hat man in der Schwangerschaft sehr flüssigen Zervixschleim, den man mit Fruchtwasser verwechseln kann. Oder man hat zuvor gebadet, und da alles so weit und weich gestellt ist, hat man etwas von dem Badewasser in sich aufgenommen, das dann irgendwann wieder rausfließt.

Man bot uns zwar an, dass ich auf Station bleiben könnte, riet uns aber, noch mal nach Hause zu fahren, da es noch recht lang dauern werde und ich erst ganz am Anfang stünde.

Enttäuscht lief ich in der Wartezeit die Kreißsaalflure auf und ab, langsam, aber sicher wurden die Wehen schon sehr unangenehm. Wir sollten wiederkommen, wenn ich mich unwohl fühle, hieß es. »Dann bleib ich gleich da!«, dachte ich mir insgeheim, so richtig Spaß machte das Ganze mit den Wehen schon nicht mehr. Da ich aber keine Lust hatte, weiterhin Krankenhausflure auf und ab zu tigern, fuhren wir wieder nach Hause. Dort nahmen die Wehen noch mal ein wenig an Intensität zu.

Im Geburtsvorbereitungskurs hatte ich gelernt, dass ich am besten so viel wie möglich in Bewegung bleiben und die Schwerkraft nutzen sollte. Deswegen lief ich auch zu Hause unseren Flur auf und ab und machte bei jeder Wehe kurz an einem Türrahmen Pause, um mich daran festzuhalten und die Wehe zu veratmen.

Meine Laune war zu diesem Zeitpunkt ziemlich schlecht. Hatte ich mich anfangs noch so gefreut, dass es endlich losging, war ich jetzt ziemlich genervt. Ich war vor allem genervt davon, dass die Wehen schon alle drei Minuten kamen, obwohl es doch noch so lange dauern sollte. Außerdem war mir total übel, und hundemüde war ich auch. Trotzdem versuchte ich, jede Wehe mit positiven Gedanken »willkommen zu heißen«, wenn sie kam, und mir vorzustellen, wie sich mein Muttermund mit jeder Wehe öffnete.

Ich tönte lange »Aaaaaaas« mit jeder Wehe, im Kopf dachte ich aber »Jaaaa« und hoffte dabei, dass die Wehe so einfacher ihre »Arbeit« tun und den Muttermund öffnen würde. Irgendwann war ich ziemlich k. o. und lehnte mich mit einem Kissen und halb geschlossenen Augen an den Türrahmen. Die Wehen waren allmählich nur noch schwer auszuhalten, und ich wollte eigentlich gerne sofort wieder ins Krankenhaus fahren, um wenigstens ein leichtes Schmerzmittel bekommen zu können. Aber es kam mir irgendwie doof vor, so schnell schon wieder hinzufahren.

Mein Mann fragte mich, wie er mir helfen könne, aber ich wollte keine Massage oder Ähnliches, obwohl ich mir das im Geburtsvorbereitungskurs noch total angenehm vorgestellt hatte.

Schließlich setzte ich mich auf unser Sofa, einen Fuß unter den Körper geschoben. Ich erinnerte mich daran, was mir meine Freundin erzählt hatte, die sich vor der Geburt ihrer Tochter im Geburtshaus ein wenig mit Hypnobirthing beschäftigt hatte. Sie sagte zu mir: »Du musst ganz fest daran glauben, dass du es mit deiner eigenen Kraft schaffen kannst. Wichtig ist auch: Stell dir die Wehe nicht als Schmerz vor, sondern als Kraft, die etwas bewirkt. Und versuche, dich in eine andere Welt hineinzudenken.«

Mit geschlossenen Augen stellte ich mir vor, ich würde im Meer treiben. Ich hörte das Rauschen der Wellen, ich war ganz allein im Meer und schwerelos. Mit jeder Wehe stellte ich mir vor, wie eine große Welle meinen Körper langsam nach oben treiben und wieder nach unten sinken ließ. Der Schmerz, den ich in der Wehe empfand, kam auch wellenartig, es fing recht harmlos an und steigerte sich dann ordentlich bis zu einer langen, heftigen Spitze und ließ langsam wieder nach. Durch die Vorstellung, ich würde entspannt im Meer treiben, schaffte ich es aber, mich unter der Wehe aus Angst vor der »Schmerzspitze« nicht zu verspannen, sondern so entspannt wie möglich zu bleiben. Ich tönte weiterhin lange »Aaaaas« und schaffte es mit der »Wellenmethode« viel besser als vorher, die Wehen willkommen zu heißen.

Das Wellenbild wird häufig für die Wehen verwendet, sowohl um sie zu beschreiben als auch um mit ihnen zu arbeiten. Im Kapitel übers Wehenzähmen beschreibe ich ausführlich, warum.

Meine Vorstellung, ich würde im Meer treiben, funktionierte auch deswegen so gut, weil im Meer ja auch Welle auf Welle folgt und man ihnen nicht entkommen kann. Aber wenn man sich ruhig von den Wellen mitnehmen lässt, anstatt dagegen anzukämpfen, hat man es wesentlich leichter.

Diese Entspannungstechnik funktionierte viel besser, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Während ich davor eigentlich nur noch ins Krankenhaus wollte, um ein Schmerzmittel zu bekommen, war ich plötzlich davon überzeugt, es auf diese Art und Weise noch ein paar Stunden aushalten zu können. Ich war wie in Trance.

Plötzlich kam eine richtig heftige Wehe und ich krümmte mich auf dem Sofa zusammen. Schnell versuchte ich, mein Bild vom Meer wieder herzustellen, um für die nächste Wehe gewappnet zu sein. Doch auch die nächste Wehe haute mich fast um, etwas hatte sich verändert: Ich bemerkte einen deutlichen Druck nach unten und war mir sicher, dass es eine Presswehe gewesen sein musste. »Aber das kann doch noch gar nicht sein!«, dachte ich und hatte plötzlich Panik, dass die Presswehen gekommen waren, obwohl der Muttermund noch geschlossen war.

Ich schleppte mich Richtung Toilette, während ich meinem Mann zurief: »Wir fahren … JETZT!«

Auf der Toilette bemerkte ich eine Blutung, ich verteilte kleine Blutpfützen überall auf dem Boden. Jetzt hatte ich noch mehr Angst, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Ich versuchte, den Drang zu pressen zu unterdrücken, was dazu führte, dass ich diese unfassbare Energie, die ich plötzlich in mir spürte, herausschreien musste.

Presswehen sind sehr eindeutig als solche zu erkennen. Man darf dem Körper ruhig vertrauen. Es gibt nur sehr selten einen zu (!) frühen Pressdrang. Das ist bei Sternenguckerkindern oft der Fall.

Eine Blutung hat natürlich immer erst einmal etwas Beunruhigendes. Manchmal ist sie aber eben auch nur ein Zeichen für eine plötzliche Veränderung. Sicherheitshalber sollte man es aber abklären lassen. Zumal, wenn die Blutung so stark ist, dass es tropft.

Während ich mich anzog, rief mein Mann im Kreißsaal an, um sie schnell über unser Kommen und die Blutung zu informieren, dann ging es los. Die gesamte Autofahrt war ich total fokussiert darauf, nicht zu pressen. Ich war extrem wach, und obwohl die Schmerzen bei den Wehen heftig waren, war ich total klar im Kopf und bekam es auch noch hin, zwischen den Wehen die Fahrweise meines Mannes zu kritisieren. Aber ich hatte gleichzeitig auch Angst, dass etwas nicht stimmte. Mein Mann parkte direkt vor dem Haupteingang des Krankenhauses (der Strafzettel ziert jetzt das Babyalbum meines Sohnes). Auf ihn gestützt, schleppte ich mich hoch zum Kreißsaal. Der Weg bis dahin kam mir endlos vor und ich bekam plötzlich richtig Panik, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen.

Bei jeder Wehe musste ich mich irgendwo aufstützen und die Energie herausschreien. Mir war das Ganze ein wenig peinlich, ich dachte mir, dass im Krankenhaus jeder dachte, dass hier die Dramaqueen des Jahrhunderts komme, aber ich konnte nicht anders. Als wir im Aufzug waren, merkte ich plötzlich, wie mein Baby leicht heruntergerutscht war. »Nein, nein, nein, ich bekomme dich hier nicht im Aufzug!«, dachte ich.

Als wir endlich im Kreißsaal angekommen waren, schwärmten sofort Ärzte und Hebammen auf mich zu, die ja über unser Kommen informiert waren. »Dann schauen wir schnell in der Ambulanz nach der Blutung«, meinte eine Ärztin. Ich wollte gerade widersprechen, als wieder eine Wehe kam und ich mich lautstark an den nächstbesten Gegenstand hängte. »Nee, wir gehen gleich in den Kreißsaal!«, waren sich plötzlich alle einig. Dort angekommen, half mir mein Mann, schnell die Hose auszuziehen, ich wurde ans CTG angeschlossen und untersucht. Und dann hörte ich den Satz, der alles gut machte: »Alles in Ordnung, er kommt jetzt!«

Es wurde ruhig und entspannt im Kreißsaal, das Aufgebot an Ärzten und Hebammen verließ den Raum, sodass nur mein Mann, eine Ärztin und eine Hebamme dort blieben. Diese beiden schafften es in kürzester Zeit, mir Vertrauen zu geben und mir zu helfen, das Richtige zu tun. Ich sollte die Energie nicht mehr herausschreien, sondern zum Pressen benutzen.

Ich fühlte mich plötzlich so glücklich und euphorisch, weil ich wusste, dass alles gut war, unser Baby schon sehr bald da sein würde und ich endlich pressen durfte. Ab diesem Zeitpunkt kann ich mich an absolut keine Schmerzen mehr erinnern, da waren nur Energie und totale Euphorie. Ob es in Ordnung wäre, wenn ich auf dem Bett bleiben würde, wurde ich gefragt. »Ja klar!«, antwortete ich schnell, innerlich dachte ich: »Soll das ein Witz sein? Nach der Odyssee bis hierher geh ich hier nie wieder runter!« Obwohl wir es im Geburtsvorbereitungskurs anders »gelernt« hatten, fühlte es sich liegend mit vielen Positionswechseln absolut richtig an.

Da auf dem CTG zu sehen war, dass unser Baby sehr gestresst war, meinte meine Hebamme, ich solle jetzt beim Pressen einfach wirklich alles geben, sodass er schnell rauskomme. Sie schaffte es irgendwie, das so zu formulieren, dass ich mir überhaupt keine Sorgen machte, sondern mich total angespornt fühlte. »Vollgas? Kein Problem, das kann ich«, dachte ich mir und freute mich richtig, endlich alles geben zu dürfen.

Mit der Hilfe und Anfeuerung meiner Hebamme schaffte ich es, bei jeder Wehe zweibis dreimal ordentlich mitzupressen. Als der Kopf geboren wurde, merkte ich den im Geburtsvorbereitungskurs besprochenen »Ring of Fire« ordentlich, aber ich konnte das schnell ausblenden und presste einfach weiter.