Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Kassandra Bergen, Oberärztin in der Psychiatrischen Klinik Eschenberg, ist wenig begeistert, als sie zur Behandlung eines neuen Patienten genötigt wird: Der selbstmordgefährdete Cedric Schwander ist ein notorischer Gewalttäter, der einen jungen Mann zu Tode geprügelt hat. Doch das berüchtigte „Monster“ hat mehr Facetten, als Kassandra geahnt hat, und sie beginnt, seinen Fall neu aufzurollen. Was hat Schwander zu dieser ungeheuren Tat getrieben? Steckt doch mehr dahinter als die wahllose Aggressivität eines gewissenlosen Schlägers? Neugierig dringt sie in Cedric Schwanders Welt vor, nicht ahnend, dass die vermeintlich abgeschlossene Geschichte aktueller ist, als ihr lieb sein kann, und dass das Verhängnis ganz in der Nähe lauert: Unwissentlich stolpert Kassandra ins Netz einer kriminellen Organisation, und erkennt das Damoklesschwert über ihrem Haupt erst, als dieses schon zu fallen droht.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 458
Veröffentlichungsjahr: 2015
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
1. Auflage 2012
Alle Rechte vorbehalten© by Nydegg Verlag Bern, 2012Lektorat: Sonja Brunschwiler, ZürichUmschlaggestaltung: Renata HubschmiedGrafische Gestaltung: SGD, BernUmschlagbild: Thomas KiesswetterAutorenfoto: Hrvoje PavelicSatz, Druck und E-Book-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmE-Book-ISBN: 978-3-905961-13-3
Nydegg Verlag, CH-3015 Bernwww.nydegg-verlag.ch
Ich rannte.
Dichter Nebel senkte sich von den Kronen der hohen Nadelbäume langsam auf den moosigen Waldboden, dämpfte die Geräusche meiner panischen Flucht. Mit dem Nebel sank auch die Temperatur, und mein keuchender Atem formierte sich als weisse Dunstschwade vor meinem Gesicht, blieb in der herbstlichen Abendluft hängen, während ich weiterrannte, immer weiter, so schnell ich konnte.
Er war hinter mir, nur wenige Meter entfernt, und er holte rasch auf. Ich hörte seine schnellen Schritte, der trommelnde, selbstsichere Rhythmus seiner Füsse war ein Hohn für mein eigenes hektisches Stolpern. Ich konnte seine Wut in meinem Nacken spüren wie einen kalten Hauch.
Ich warf mich vorwärts. Die Zweige niedriger Büsche schlugen mir ins Gesicht, ich hob die Hände, um mich zu schützen, senkte den Kopf. Ungeschickt schrammte ich einen narbigen Baumstamm entlang, schürfte einen Arm auf, kam ins Taumeln. Ich fing mich wieder, lief weiter. Wagte nicht, mich umzudrehen. Hetzte blind und sinnlos durch die zinngraue Dämmerung.
Dann wurde ich von den Füssen gerissen– den linken Fuss in einer versteckten Wurzelwindung gefangen, fiel ich zu Boden, und mein Gesicht wurde vom Schwung meines Sturzes für eine Sekunde in eine dicke Schicht duftender Tannennadeln gedrückt. Entsetzen packte mich. Ich wand mich los, kam strauchelnd auf die Beine. Als ich eine Hand an meinem Rücken spürte, die nach dem Stoff meines Mantels griff, warf ich mich aufschreiend zur Seite, riss mich los. Das Adrenalin in meinem Blutkreislauf mobilisierte alle meine Reserven, und ich rannte, wie ich noch nie gerannt war.
Umsonst. Er war schneller.
Fast beiläufig griff seine Hand nach meinem Oberarm, sein Griff war hart wie Stahl. Dann spürte ich ein überwältigendes Gewicht über mir, das mich niederdrückte, mich zu Boden warf und mir die Luft aus den Lungen presste.
Vorbei.
Panisch schreckte ich hoch, die Augen weit aufgerissen, in kaltem Schweiss, atemlos.
Nur ein Traum. Es war nur ein Traum.
Ich liess mich in mein Kissen zurücksinken, starrte in die Dunkelheit, versuchte, mich zurechtzufinden in dem verworrenen Übergang von Schlaf zu Wachzustand, von Traum zu Realität.
Die Leuchtziffern meines alten Radioweckers zeigten, dass es kurz vor sechs Uhr morgens war. Ich drehte mich auf die Seite, versuchte, mich zu entspannen. Mir war zu heiss unter meinem Duvet, aber ich zog es bis unters Kinn. Ohne hätte ich mich schutzlos gefühlt.
Es dauerte lange, bis ich mich gefangen hatte, und noch länger, bis ich die Nachwirkungen des Alptraumes abschütteln konnte, das Entsetzen und das Grauen.
«Mama, warum hast du nicht Licht gemacht? Ich will etwas sehen.»
Ich blinzelte verdrossen, geblendet von der grellen Badezimmerbeleuchtung, die meine Tochter soeben rücksichtslos eingeschaltet hatte.
«Jana, um Himmels willen», murrte ich verschlafen. «Das ist mir zu hell. Ich brauche ein wenig Zeit, um wach zu werden. Schalt das Licht bitte wieder aus!»
Aber Jana sah mich nur verständnislos an und setzte sich mit ihrem Kuscheltier, einem verdreckten und ominös riechenden gelben Küken, auf den zotteligen Badezimmerteppich. Eine Vierjährige kennt keine Einlaufzeit. Man schlief, oder man war wach. Und wenn man wach war, dann war man es gründlich.
Unbeeindruckt von meinem zerknitterten Gesicht und dem übellaunigen Ausdruck darin begann meine Tochter, mich mit Fragen zu attackieren, allesamt in Überlautstärke. «Mama, was machen wir heute? Wo ist Papa? Kann ich heute Schokolade zum Frühstück haben? Was hast du da für ein komisches Nachthemd an?»
Gähnend versuchte ich, der Übermacht ihrer Fragen Herr zu werden. «Ich arbeite heute, wie jeden Montag, und ihr geht zu Oma und Opa. Papa schläft noch, steht aber gleich auf. Vergiss die Schokolade, und mein Nachthemd ist überhaupt nicht komisch und abgesehen davon meine Sache, junge Dame. Und jetzt lass mir eine Minute Ruhe, sonst drehe ich durch.»
Jana musterte mich kritisch. Sie wirkte ganz so, als ob sie es darauf ankommen lassen würde, als ob sie im Detail wissen wollte, was «durchdrehen» bedeutete, und ein «Warum?» hing als drohendes Damoklesschwert im Raum. Aber offenbar gab ihr mein finsterer Blick einen umfassenden Eindruck meiner Gemütslage. Sie stand auf, nahm ihr Küken und trollte sich, um Zwiesprache mit ihren Puppen zu halten– die hatten am Morgen keine schlechte Laune.
Ich seufzte erleichtert auf. Eine Minute Ruhe, einen Moment für mich, im Halbdunkel– ich schaltete das Licht wieder aus–, schweigend, unbehelligt. Ich blieb stumm und dankbar auf dem Rand der Badewanne sitzen. Mehr erwartete ich nicht von diesem Tag.
Marc sah nicht besser aus als ich, als er im Badezimmer auftauchte. Der dunkle Bartschatten wirkte fast künstlerisch abgestimmt auf die Schatten unter seinen Augen und kontrastierte lebhaft mit der Blässe seiner Haut. Dass er noch traniger dreinblickte als ich, hob erstaunlicherweise meine Stimmung.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
