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In seiner Veröffentlichung Yeshua/Paulus möchte Harald Meyer mit Hilfe thematische geordneter und ausführlicher Textzitate darlegen, wie durch den Apostel Paulus aus dem Befreier Yeshua ben Yoseph aus Nazareth (Jesus) der Erlöser Jesus Christus wurde. Er möchte eine neue Sicht auf die Textüberlieferung auslösen, die paulinische Sichtweise in Frage stellen und die ursprünglichen Zielsetzungen Yeshuas und seiner Mitstreiter vergegenwärtigen. Dieses Buch erscheint in der Reihe ALTE DRUCKEREI OTTENSEN
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Seitenzahl: 173
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorbemerkung
Das Buch der Bücher unvoreingenommen lesen
I YESHUA BEN YOSEPH AUS NAZARETH
Der Name Yeshua
Historischer Hintergrund
FÜNF ERZÄHLUNGEN
1. Erzählung von Yochanan ben Zacharias
2. Erzählung von der Jungfräulichen Geburt
3. Erzählung vom König der Juden
Der Thron Davids
Die Zwölf Stämme Israels
Kreuzigung
Rückkehr ins Leben
Vermächtnis an die Nachfolger
4. Erzählung vom Gottessohn
5. Erzählung vom Menschensohn
II LEHRE DES RABBI YESHUA
Vorbemerkung
SELIGPREISUNGEN
GLEICHNIS MIT ERKLÄRUNG
Vom vierfachen Ackerfeld
GLEICHNISSE VOM HIMMELREICH
Vom Licht und Scheffel
Vom neuen Flicken auf altem Kleid
Vom neuen Wein in alten Schläuchen
Vom Schatz im Acker
Von der kostbaren Perle
Vom verlorenen Groschen
Vom Sauerteig
Vom verlorenen Schaf
Vom Fischernetz
Vom Wachsen der Saat
Vom Unkraut unter dem Weizen
Vom Feigenbaum der keine Frucht bringt
Vom Feigenbaum vor dem Sommer
Jesus verflucht den Feigenbaum
Vom Senfkorn
Der kranke Baum und seine Früchte
FÜR EINANDER DA SEIN
Vom barmherzigen Samaritaner
Von der Heimkehr des verlorenen Sohnes
ARM UND REICH
Vom reichen Jüngling
Vom reichen Kornbauern
Vom reichen Mann und armen Lazarus
DAS RICHTIGE TUN
Wort und Tat
Vom bittenden Freund
Von der Witwe und dem ungerechten Richter
Vom Haus auf Felsen und auf Sand gebaut
IN AUGENHÖHE
Vom Herrn und seinem Knecht
Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße
Wer ist der größte?
Von den Ehrenplätzen bei einer Hochzeit
Vom Pharisäer und Zöllner
UN-GLEICHNISSE
Von der königlichen Hochzeit
Vom großen Gastmahl.
Von den klugen und törichten Jungfrauen
Von den Arbeitern im Weinberg
Vom Gläubiger und den zwei Schuldnern
Vom ungerechten Haushalter
Vom Schalksknecht
Vom treuen Verwalter
Vom treulosen Weingärtner
Vom Turmbau und der Kriegsführung
DIE GLEICHNISSE IM KONTEXT
Gott ist anders!
Vom Weltgericht
Von der Ehebrecherin
Der andere ist wie du
III PAULUS VON TARSOS
Paulus gegen die Anhänger Yeshuas
Vereinnahmung Yeshuas durch Paulus
Yeshua ben Yoseph wird Jesus Christus
BRIEFE AN DIE GEMEINDEN IN ROM UND KORINTH
Gottes Strafgericht
Schändliche Begierden
Für alle gilt der gleiche Maßstab
Friede mit Gott
Adam und Christus
Das Zeugnis von der Auferweckung Christi
Botschaft und Lehre
Glaube statt Werkgerechtigkeit
JÜDISCH-CHRISTLICHE GEMEINDEN.
Synkretischer Kult
Frauen in der Gemeinde
Das Verhalten gegenüber staatlichen Organen
Schlußwort
LITERATUR
Ich bin Übersetzer aus dem Französischen und Spanischen und Autor von Essays und Aphorismen. Seit mehreren Jahren bin ich im Team der Alten Druckerei Ottensen am Kulturprogramm beteiligt.
Nachdem ich ein umfangreiches Werk über die Geschichte des Irrationalen in Europa mit dem Titel Im Meer des Irrtums abgeschlossen habe, stelle ich hier einen Ausschnitt zur Verfügung, indem ich die Unvereinbarkeit zwischen der historischen Persönlichkeit des Jesus von Nazareth und dem Apostel Paulus von Tarsus zum Thema mache.
In der Erkenntnis, daß in der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums die Befangenheit des Glaubens an Jesus Christus eine unvoreingenommene Lektüre der überlieferten Texte weitgehend unmöglich gemacht hat, habe ich Zitate aus den Evangelien und den Briefen des Paulus neu zusammengestellt, übersichtlich gegliedert und mit Titelüberschriften versehen, um eine Lektüre zu ermöglichen, die den Blick auf den sozialpolitische Umwelt der Ereignisse um Jesus von Nazareth öffnet und bisherige Festlegungen in Frage stellt und zu radikal anderen Schlußfolgerungen führt.
Unter dem Titel Im Meer des Irrtums habe ich die Geschichte des (Ir)rationalen in Europa zu erfassen versucht. Ich war von dem Bedürfnis gedrängt, die Gründe für die katastrophalen Fehlentwicklungen herauszufinden, die von Europa ausgehend die gesamte Welt betreffen und die bereits jetzt viele Formen des Lebens auf dem Planeten Erde ausgelöscht haben und weitere gefährden.
Ich schreibe (ir)rational, um mit einem einzigen Begriff den Widerspruch zwischen wissenschaftlich-technischer Rationalität und irrationalem Kontext deutlich zu machen, der unsere Situation bestimmt.
Schon in der griechisch-römischen Antike spiegelten die grundlegenden Auffassungen von der Gesellschaft die Dominanz der städtischen Eliten gegenüber den ländlichen Mehrheitsbevölkerungen wider. Das von Paulus geprägte Christentum hat dazu beigetragen, daß diese Auffassungen allgemeingültig wurden und sich immer weiter verbreiteten.
Ich stelle mit dem Meer des Irrtums die Entwicklung des Christentums mit umfangreichem Wort- und Bildmaterial vor. Daraus habe ich in der hier vorliegenden Veröffentlichung Yeshua/Paulus die grundlegenden entscheidenden Teile ohne Abbildungen herausgenommen.
Mein Ziel:
Ich versuche anhand der von mir zusammengestellten Textpassagen die christliche Überlieferung auf ihre Ursprünge zurückzuführen:
Die Verkündung des Glaubens an Jesus Christus durch den Apostel Paulus war seine eigenmächtige Verkehrung der Lehre des Rabbi Yeshua, die Befreiung von Unrecht und Unterdrückung.
Paulus verkündete den Glauben an
den Auferstandenen Jesus Christus
die
Erlösung von der Sünde
das Ewige Leben
Yeshua lehrte
die
Befreiung
von der römischen Besatzung
die Überwindung gesellschaftlichen Unrechts
Die BIBEL ist mit 5 Milliarden Exemplaren das meistübersetzte und meistverbreitete Buch weltweit. Ihre Auflage ist 5mal höher als die der Worte Mao Tse-Tungs (Rotes Buch) und des Korans, 10mal höher als die aller weiteren anderen Weltbestseller wie Don Quijote, Das kommunistische Manifest und Der Kleine Prinz.
Das ALTE TESTAMENT enthält sehr heterogenes Material, Lyrik und Prosa historische und literarische Texte. Das NEUE TESTAMENT besteht aus dem Evangelium (Frohe Botschaft), der Apostelgeschichte des Lukas, den Briefen des Paulus und der Offenbarung des Johannes.
Die Berichte des Matthäus, Markus und Lukas unterscheiden sich inhaltlich und stilistisch, werden aber aufgrund weitgehender Übereinstimmung als synoptisch bezeichnet. Der Bericht des Johannes ist eindeutig später, greift aber möglicherweise auch auf ältere Quellen zurück. Er hebt sich vor allem mit seiner Jesus mystifizierenden Einleitung von den drei anderen ab.
Die deutschsprachigen Übersetzungen seit Luther sind durch ihre Druckgestaltung eine Herausforderung an ihre Leser. Sie unterscheiden mit Ausnahme der Psalmen nicht zwischen Lyrik und Prosa, zählen aber den fortlaufenden Text in Versen.
Das Verständnis wird aber auch dadurch erschwert, daß traditionell meistens kürzere Passagen gelesen werden, oft ohne den Zusammenhang zu berücksichtigen.
Eine unvoreingenommene Lektüre, besonders des Neuen Testaments, findet nicht statt:
Oft wird das Neue Testament als GanzesEvangelium genannt. Wenn man jemanden fragt: was liest du da?,antwortet er oft: Das Evangelium, meint damit aber: Die Briefe des Paulus.
Denn wer die Evangelien liest, ist meistens erzogen im Geist der Glaubensverkündung des Paulus. Dabei ist vielen nicht bewußt, daß Paulus zwar älter als Jesus war, ihn aber persönlich nicht nur nicht gekannt hat, sondern sich für ihn, sein Wirken und seine Lehre auch nicht interessiert hat.
Der historische Jesus, mit seinem aramäischen Namen wahrscheinlich
Yeshua ben Yoseph
, wollte den Quellen zufolge die Befreiung seines Volkes von der römischen Besatzung und die Wiederherstellung des Reiches Israel mit seinen Zwölf Stämmen.
Damit hatte er seine Zwölf Gesandte (Apostel) beauftragt.
Das Interesse des Paulus galt nicht dem Leben Jesu sondern seinem mysteriösen Nachleben: Paulus machte aus dem Gerücht an den nach seiner Kreuzigung und Grablegung wiederauferstandenen Jesus von Nazareth den Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der von seinem Vater auf die Erde gesandt worden wurde, um durch seinen Opfertod die Menschen von der Sünde zu erlösen.
Paulus verkündete, durch die Gnade
Gottes könne der Mensch im
Glauben an Jesus Christus
den
Weg zum Ewigen Leben
finden.
Damit wurde Paulus zum eigentlichen Gründer des Christentums.
Paulus gab sich selbst den Titel
Apostel
und verkehrte die ursprüngliche Botschaft in ihr Gegenteil:
Für ihn galten die gesellschaftlichen Machtverhältnisse als die
von Gott gegebene Ordnung
, die der Mensch nicht in Frage zu stellen hat.
Ich habe in dem vorliegenden Buch Yeshua/Paulus ungekürzte Texte aus den vier Evangelien, also die Berichte, Erzählungen Sprüche, Reden und Gleichnisse in eine übersichtliche Ordnung gebracht und mit Titelüberschriften versehen.
In meinem Bestreben, eine sich aus den Traditionen lösende unvoreingenommen Lektüre zu ermöglichen, wollte ich die Lektüre so weit wie möglich erleichtern.
* 7-4 v. Chr. – in Nazareth (Galiläa) † 30 oder 33 n. Chr. in Jerusalem
Wanderprediger und Rabbi Sprache: Aramäisch
Vater: Yoseph – Bauhandwerker, Mutter: Mirjam Bruder Yaakov und weitere Geschwister
Wirkungskreis: Wanderungen durch Galiläa und Judäa mit Jerusalem mit einer Schar von Mitstreitern (genannt Die Zwölf).
ZIELE: Als Nachfolger oder auch parallel mit Johannes, der mit der Taufe und seinen Predigten die moralische Erneuerung der Menschen anstrebte, wollte Yeshua die Befreiung von römischer Besatzung und die Wiederherstellung des Reiches Israel mit seinen zwölf Stämmen bewirken. Er verkündete in seinen Reden und Gleichnissen Gerechtigkeit und Frieden für alle, Ausgleich zwischen Arm und Reich und Überwindung aller Standesunterschiede als Bedingung für die innere Stärke des Reiches Gottes.
Quellen: Briefe des Paulus, Quelle X – Sprüche, Reden, Gleichnisse -, Flavius Josephus, Tacitus
NACHWIRKUNG: Mit der Verurteilung als König der Juden und seiner Hinrichtung war das Vorhaben Yeshuas gescheitert. Die Nachricht von seiner Auferstehung verbreitete sich weit über Jerusalem hinaus. Das Liebesmahl (Agape) entwickelte sich zu einem Erinnerungskult, der aus dem Wanderprediger und Rabbi den überzeitlichen Gottessohn und Weltenrichter Jesus Christus machte.
Der Name für die grundlegende Gestalt der christlichen Religion ist traditionell Jesus von Nazareth oder Jesus Christus. Doch diese Benennung ist hinsichtlich der historischen Person nicht angemessen: und nicht korrekt.
Jüdische Vornamen werden üblicherweise durch die Bezeichnung ben für Sohn mit dem Vaternamen verbunden. Die hebräisch-aramäische Form des Namens Jesus wäre demnach Yeshua ben Yoseph. Der Name Jesus von Nazareth dagegen ignoriert nicht nur die Vaterbeziehung, sondern erweckt den Anschein eines Adelsnamens. Daher schreibe ich Yeshua ben Yoseph aus Nazareth, ohne daß der Ort Teil des Namens wird.
Christus wird wie ein Nachname oder Familienname mit Jesus als Vornamen benutzt. Das griechische Wort christós ist die Übersetzung des hebräischen Wortes maschiach (messias) und bedeutet gesalbt. Der griechische Name Iesos christós bezog sich also auf Jesus als den mit heiligem Öl zum König Gesalbten. Von daher wurde nicht Nazareth, sondern Bethlehem als Stadt Davids im Lukasevangelium als Geburtsort Jesu genannt, aber er wuchs dann in Nazareth auf, wo sein Vater als Bauhandwerker, Zimmermann oder Tischler arbeitete.
Statt der vertrauten Namen des legendären Jesus von Nazareth und des mystisch verklärten und überhöhten Jesus Christus mute ich meinen Lesern also eine Umgewöhnung zu, indem ich außer in den zitierten biblischen Texten nur den aramäisch-hebräischen Namen des historischen Jesus verwende und daher immer Yeshua ben Yoseph aus Nazareth oder abgekürzt Yeshua schreibe.
Die Theologie des Christentums gründet sich auf die Briefe, die der Apostel Paulus an die von ihm besuchten ersten christlichen Gemeinden im Mittelmeerraum geschrieben hat.
Yeshua ben Yoseph, wurde zwischen den Jahren 7 bis 4 vor Beginn unserer Zeitrechnung in Nazareth geboren. Über seine Kindheit und Jugend gibt es nur wenige Vermutungen. Yeshua war nach der Überlieferung Sohn des Joseph, der Tischler, Zimmermann oder Bauhandwerker (tekton) in Nazareth war, einer kleineren Stadt in Galiläa. Er hatte mehrere Brüder und Schwestern. Es ist nicht sicher, ob er der Älteste war.
Legendär ist die Geburt Yeshuas in einem Stall in Bethlehem und die Anbetung des Kindes in einer Futterkrippe. Vielleicht ist auch die Armut der jungen Familie legendär. Handwerker hatten in Galiläa meistens für den Lebensunterhalt ausreichende Einkünfte; aber denkbar ist, daß die Familie sich trotz der unterstellten königlichen Abstammung des Vaters Yoseph aktuell in einer Notlage befand.
Jüdische Familien lebten auch damals in einer gewissen Bildungstradition. Yeshua könnte von rabbinischen Lehrern unterrichtet worden sein; vermutlich war er wißbegierig und lernte früh die heiligen Schriften; von daher konnte er sie später erläutern. Es läßt sich aber nicht klären, wieweit er lesen und schreiben konnte.
Möglicherweise tat er sich aufmerksam in der Stadt und ihrer Umgebung um, wanderte in benachbarte Länder und bekam Anregungen aus vielen Traditionen. So entwickelte er seine ganz außergewöhnliche, in ihrer Art einmalige Denkungsart und Redeweise.
Er hatte wohl Zugang zu Häusern mit wohlhabenden und gebildeten Bürgern und wurde wie ein Rabbi geschätzt und geachtet, wandte sich aber auch einfachen Menschen mit Berufen wie Landarbeitern und Fischern zu und scheute sich nicht vor Leuten, die zum Beispiel als Zöllner wegen ihrer Abhängigkeit von der römischen Verwaltung vom Volk verachtet wurden. Er ging auch auf Menschen zu, die im gesellschaftlichen Abseits lebten, die arm, krank und hilfsbedürftig waren. Offenbar verfügte er über Heilungsfähigkeiten und wirkte als Therapeut mit der Gabe, von Kummer und Leid bedrückte Menschen innerlich aufzurichten und ihnen neuen Lebensmut zu geben. Wie weit die Berichte über Teufelsaustreibungen und Heilungswunder etwas anderes als Legende sind, läßt sich nicht entscheiden.
Es ist wohl niemals endgültig zu klären, wie die Berichte über das Wirken des Rabbi Yeshua ben Yoseph aus Nazareth entstanden und übermittelt worden sind. Es gibt keine zeitgenössischen schriftlichen Quellen, und wenn es sie gegeben hat, sind sie bei der Zerstörung des Tempels von Jerusalem und dem Brand der Stadt im Jahre 70 oder spätestens bei der Vertreibung der Bürger 135 verloren gegangen. Die Reden Yeshuas und Berichte über ihn und sein Wirken sind wohl lange Zeit mündlich weitergegeben und erst nach dem Jahre 70 und später schriftlich festgehalten worden. Dabei wurde die aramäische Überlieferung ins Griechische übertragen. Zu den Augenzeugen, die nach Rom gelangten, gehörte Petrus, der aber keine Aufzeichnungen hinterließ.
Die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas waren ihrer Herkunft nach vielleicht Juden, lebten aber weit weg von den Orten der Ereignisse, die sie beschrieben; sie kannten die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Gruppen nicht. Von der Mehrheitsbevölkerung der Besitz- und Namenlosen in Galiläa hatten die Verfasser keine Kenntnis. Von daher läßt es sich nur vermuten welchen sozialen Gruppierungen Yeshua angehörte und welche politische Rolle er gespielt hat. Der Geist des Widerstandes gegen die römische Besatzung war den Berichterstattern fremd; sie sahen Yeshua ausschließlich im Gegensatz zu den jüdischen Autoritäten, den Pharisäern und Schriftgelehrten.
Es ist aber erstaunlich, wie ausführlich und in sich vollständig ihre Berichte sind, wenn auch einiges gestückelt und ungeschickt zusammengestellt wirkt. Es besteht dabei kein Zweifel daran, daß ihnen daran lag, alles, was ihnen zugetragen worden war, so wahrheitsgemäß wiederzugeben, wie es ihnen möglich schien.
Als ältester Bericht gilt der von Markus. Man nimmt an, daß er und Matthäus auf eine gemeinsame Quelle zurückgegriffen haben, die viele der Sprüche, Reden und Gleichnisse umfaßte. Lukas hat den ausführlichsten und stilistisch überzeugendsten Bericht verfaßt. Er wollte das Leben und Wirken Yeshuas mit dem von Sh‘aul alias Saulus oder Paulus von Tarsos verbinden. In allen Ausgaben des Neuen Testaments folgt seine Apostelgeschichte den Vier Evangelien, schließt aber eigentlich unmittelbar an sein Evangelium an. Das Werk des Lukas liest sich wie ein Roman, und der berühmte Anfangsteil ist möglicherweise seine literarische Erfindung. Aber vielleicht gerade deswegen wurde die Erzählung von der Verkündigung und der Geburt, also die Weihnachtsgeschichte, einer der wirkungsmächtigsten Texte des Christentums. Lukas greift aber auch auf Quellen zurück, die die anderen Verfasser nicht verwenden. Das gleiche gilt für Johannes, der wohl die Briefe des Paulus gekannt hat und dessen theologische Annahmen weiterführt.
Auf den Wanderungen Yeshuas durch Galiläa, die er drei Jahre zuvor begonnen hatte und die ihn zuletzt bis nach Judäa und in die Tempelhauptstadt Jerusalem führten, hatte er mit seiner Lehre viele Menschen erreicht, und die Zahl seiner Anhänger war immer größer geworden. Auf ihn richtete sich die Hoffnung vieler Menschen als einem Befreier von der römischen Besatzung, denn die Juden litten unter der Last der Steuerzahlungen und der Willkür der Beamten und Soldaten. Sowohl unter den Steuereinnehmern wie den Soldaten gab es auch Juden, die damit ihr Einkommen sicherten. In ihnen wie in den Verwaltern des Tempels in Jerusalem und den Mitgliedern des Hohen Rates sah die Bevölkerung natürlicherweise Kollaborateure der verhaßten Römer.
In seinen öffentlichen Reden schien Yeshua aber Erwartungen zu wecken, die weit über eine Befreiung von der Besatzung hinausgingen. Seine zwölf Mitstreiter standen ausdrücklich für die Zwölf Stämme Israels, und er begann, sie zu Vorkämpfern für die Wiedergeburt des untergegangenen Gottesstaates Israel auszubilden. Von daher wurde ihm immer wieder die Frage gestellt, ob er der seit Generationen erwartete Messias sei, was er allerdings jedesmal verneinte. Nach seiner Überzeugung würde das ganze jüdische Volk im Vertrauen auf den Gott der Väter in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aus seinem Elend herausfinden. Wenn die Mächtigen gestürzt und die bisher Erniedrigten erhöht worden wären, würde Hunger, Armut und Unrecht verschwinden, und stattdessen würde Friede und Gerechtigkeit herrschen. Aus den Darstellungen der vier Evangelien läßt sich keine Klarheit darüber gewinnen, welcher Weg zur Befreiung von den Römern und zur Wiederherstellung des verlorenen Israel führen könnten.
Was die Lehre Yeshuas betrifft, muß man eindeutig davon ausgehen, daß er einen gewaltsamen Umsturz ausschloß. Er scheint aber seinen Getreuen bewaffneten Widerstand zur Selbstverteidigung gestattet zu haben. Das läßt eine Äußerung zu Waffenkäufen bei der Vorbereitung des Pessachmahls vermuten und wird durch den Schwertstreich des Petrus bestätigt, mit dem er einem der Soldaten, die Yeshua gefangen nehmen sollten, ein Ohr abtrennt.
Völlig offen bleibt, wieweit die Gruppe um Yeshua Kontakt mit anderen Widerstandsgruppen gehabt hat. Einer der Mitstreiter wird Simon Zelotes genannt, gehört also der gewaltbereiten Widerstandsgruppe der Zeloten an (Mt 10,4; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13). Von einigen Autoren wird der Name Jehuda Iskarioth mit einer Gruppe in Verbindung gebracht, die Sikkarier (Dolchträger) genannt wurden. Naheliegender ist aber wohl die Bedeutung Isch Qerijot (aus Kariot). Er ist die rätselhafteste Gestalt der Evangelien. Ihm wird Verrat vorgeworfen. Wenn er die Verantwortung für die Gefangennahme seines Meisters hatte, trifft ihn die Schuld am Tode des Menschen, dessen vertrauter Begleiter er gewesen war. Auf die Namensnähe von Judas und Jude gründet sich der zweitausendjährige Antijudaismus.
Indem man die überlieferte Polemik in Frage stellt, ließe sich das Verhalten des Jehuda nach meiner Auffassung so erklären: Ihm scheint bewußt gewesen zu sein, daß Yeshuas Auftreten in Jerusalem, besonders sein Vorgehen gegen die Tempelhändler, die römischen Machthaber wie ihre jüdischen Kollaborateure gegen ihn aufgebracht hatte und daß für ihn und seine Gruppe höchste Gefahr bestand. Möglicherweise hatte Jehuda, ohne sich mit Yeshua abzustimmen, mit den jüdischen Priestern Kontakt aufgenommen, da er hoffte, sie gegen eine Auslieferung an die Römer bewegen zu können, indem sie Yeshua anhörten. Doch als Yeshua sich als nicht kooperationsbereit erwies, war die Überführung an den römischen Statthalter Pilatus nicht mehr zu verhindern. Demnach hätte Jehuda Yeshua nicht verraten, sondern wäre mit einer diplomatischen Mission gescheitert, mit der er ihn retten wollte, und hätte dann aus Verzweiflung Selbstmord begangen.
Yeshua wurde zum Tod am Kreuz verurteilt, weil er dem ihm zugewiesenen Titel eines Königs der Juden nicht widersprochen hatte. Nach der qualvollen und erniedrigenden Hinrichtung ihres verehrten Meisters mußten seine Mitstreiter erkennen, daß ihr bisheriger gemeinsamer Weg ein schmähliches Ende erreicht hatte.
Dann geschehen Wunder, die weltweite Wirkungen haben sollten: Es beginnt mit dem leeren Grab, in das der Gekreuzigte gelegt worden war. Frauen, die Yeshua begleitet hatten, finden drei Tage nach der Grablegung den Stein vor der Graböffnung beiseite gerollt und verbreiten diese unglaubliche Nachricht.
Die Auferweckung vom Tod und die Auferstehung, die später mit dem Abstieg zur Hölle verbunden wird, werden zu sensationellen Erzählungen. In den folgenden vierzig Tagen erscheint Yeshua seinen Freunden mehrere Male, teilt mit ihnen das Abendessen und ein Frühstück mit frisch gefangenem Fisch, um sich dann für immer von ihnen zu verabschieden.
Die Apostelgeschichte läßt dann die Personen, die ihren Meister verloren haben, neue Wege gehen. Petrus und Jakobus, einer der Brüder Yeshuas, führen in wachsender Anzahl Anhänger des Rabbi zusammen und feiern im Gedenken an ihn gemeinsame Mahlzeiten als Agape (Liebesmahl) und laden Bedürftige dazu ein. Sie werden offenbar von den Beamten geduldet, weil sie das Ziel der Befreiung von der römischen Besatzung und der Wiedererrichtung des Reiches Israel an die Wiederkunft Yeshuas binden, also keine aktuelle Gefahr mehr sind.
Es entsteht eine Erinnerungskultur, in der dem Rabbi Yeshua aus Nazareth die von Gott eingesetzte Nachfolge des Königs David zugewiesen wird. In Israel wurde ein neuer Herrscher mit einem Ritual heiliger Öle eingeführt. Der hebräische Begriff Messias (meschiach - Gesalbter) lautete griechisch christós. Schließlich wurde der Name Yeshua ben Yoseph von dem Namen Jesus Christus verdrängt.
An den Küstenorten um das Mittelmeer, an denen sich schon vor längerer Zeit Juden niedergelassen hatten, bildeten sich neue jüdisch-christliche Gemeinden, die sich zu Gedenkfeiern zusammenfanden, sich um Bedürftige kümmerten uns sich durch ihr soziales Engagement Ansehen und weiteren Zulauf verschafften. Durch ihre Entfernung vom jüdischen Stammland löste sich ihre Bindung an die jüdische Kultur. Das jüdische Ritual der Beschneidung war nicht mehr Voraussetzung zur Aufnahme in die Gemeinschaft. Allmählich rückt die jüdische Hoffnung auf den Messias und der christliche Glaube an die Wiederkunft des Erlösers Jesus Christus weit auseinander.
Für die Christen war der Befreier Yeshua ben Yoseph aus Nazareth zum Messias, dem Erlöser Jesus Christus