Jetzt bin ich mal dran - Ilka Piechowiak - E-Book

Jetzt bin ich mal dran E-Book

Ilka Piechowiak

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Beschreibung

Zeit für mich

In unserer hektischen Welt leben wir häufig am Limit unserer Belastbarkeit, stehen permanent unter Leistungs- und Erwartungsdruck. Wir laufen Gefahr, die Kontrolle über uns und unser Leben zu verlieren.

Um selbstbestimmt und glücklich zu leben, müssen wir öfter mal die Pausentaste drücken und uns neu justieren: Was wollen wir eigentlich? Wo wollen wir hin? Was macht uns wirklich Spaß und was wollen wir nicht mehr? Wir müssen mal runter von der Überholspur, raus aus dem Tunnel und wieder bei uns ankommen.

Doch bei sich selbst ankommen kann nur, wer sich frei macht von den Erwartungen anderer und seinen Weg kennt. Wie das funktioniert und welche Themen für ein selbstbestimmtes Leben auf den Tisch gehören, vermittelt Ilka Piechowiak in diesem Buch. Sie erhalten entscheidende Impulse, um noch mehr Leichtigkeit zuzulassen und vor allem Ihr Leben noch mehr nach Ihren Wünschen und Zielen zu gestalten.

Eins ist sicher: Nach der Lektüre Jetzt bin ich mal dran werden Sie anders über sich und Ihr Leben denken.

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Seitenzahl: 324

Veröffentlichungsjahr: 2020

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1. Auflage

© WALHALLA Fachverlag, Regensburg

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Kurzbeschreibung

Zeit für mich

In unserer hektischen Welt leben wir häufig am Limit unserer Belastbarkeit, stehen permanent unter Leistungs- und Erwartungsdruck. Wir laufen Gefahr, die Kontrolle über uns und unser Leben zu verlieren.

Um selbstbestimmt und glücklich zu leben, müssen wir öfter mal die Pausentaste drücken und uns neu justieren: Was wollen wir eigentlich? Wo wollen wir hin? Was macht uns wirklich Spaß und was wollen wir nicht mehr? Wir müssen mal runter von der Überholspur, raus aus dem Tunnel und wieder bei uns ankommen.

Doch bei sich selbst ankommen kann nur, wer sich frei macht von den Erwartungen anderer und seinen Weg kennt. Wie das funktioniert und welche Themen für ein selbstbestimmtes Leben auf den Tisch gehören, vermittelt Ilka Piechowiak in diesem Buch. Sie erhalten entscheidende Impulse, um noch mehr Leichtigkeit zuzulassen und vor allem Ihr Leben noch mehr nach Ihren Wünschen und Zielen zu gestalten.

Eins ist sicher: Nach der Lektüre Jetzt bin ich mal dran werden Sie anders über sich und Ihr Leben denken.

Autor

Ilka Piechowiak ist Expertin für Führung und Selbstmanagement. Als ehemalige Managerin und Führungskraft sowie Ex-Handball-Nationalspielerin mit über 20 Jahren Erfahrung weiß sie, wie man trotz Ergebnis- und Leistungsdruck selbstbestimmt lebt. Ilka Piechowiak zeigt, was es bedeutet, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und die Richtung – beruflich wie privat – selbstverantwortlich zu bestimmen. Das vermittelt sie als Rednerin, Führungskräfte-Trainerin und Coach. Ilka Piechowiak lebt in Hamburg.

Schnellübersicht

Vorwort

1. ZEIT FÜR EIN SELBSTBILD: WEISST DU, WER DU BIST?

2. ZEIT FÜR WÜNSCHE: WEISST DU, WAS DU WILLST?

3. ZEIT FÜR EIN NEIN: WEISS ICH, WAS ICH NICHT WILL?

4. ZEIT FÜR SELBSTWERTSCHÄTZUNG: WEISST DU, WAS DU DIR WERT BIST?

5. ZEIT FÜR ERFOLG: WEISST DU, WAS ERFOLG FÜR DICH BEDEUTET?

6. ZEIT FÜR SELBSTBESTIMMUNG: WEISST DU, WIE DU ZUM REGISSEUR DEINES LEBENS WIRST?

7. ZEIT FÜR ANDERE: WEISST DU, WIE DU MIT MENSCHEN UMGEHST?

8. ZEIT FÜR LEICHTIGKEIT: WEISST DU, WORAN DU FREUDE HAST?

9. ZEIT FÜR SCHWERES: WEISST DU, WIE DU MIT DEN SCHATTENSEITEN DES LEBENS UMGEHST?

10. ZEIT FÜR FREUNDE: WEISST DU, WER DEINE FREUNDE SIND?

Anhang

ES IST NIE ZU SPÄT FÜR EIN SELBSTBESTIMMTES LEBEN

Viele Menschen merken erst spät im Leben, dass sie bisher meist den Erwartungen anderer entsprochen haben, statt ihr eigenes Leben zu leben. Doch es ist nie zu spät, daran etwas zu ändern. Jeder Mensch kann selbstbestimmt leben, wenn er es nur will. Das betrifft das Berufsleben genau wie das Privatleben. Als Coach für Führungskräfte beobachte ich, dass sich Menschen um die 30 bis Mitte 30 plötzlich andere Fragen stellen als sie es mit 20 getan haben. Mit Anfang bis Mitte 40 werden die Fragen dann noch mal dringender, wenn es bis dahin keine Antworten gegeben hat. Solche Fragen lauten etwa: War das schon alles? Ist mein Leben wirklich mein Leben? Weshalb nervt mich im Alltag so vieles? Warum bin ich mit dem bisher Erreichten so wenig zufrieden? Was ist aus meinen Träumen geworden?

In Führungstrainings habe ich häufig Teilnehmer, die meinen, sich im Berufsalltag ständig mit unangenehmen Situationen abfinden zu müssen. Sie glauben, daran könnten sie nichts ändern. Sie spielen ein Spiel mit, dessen Regeln andere aufgestellt haben. Ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte verdrängen sie und nehmen sie nicht ernst. Das ist kein Wunder: Der Verstand und unser innerer Kritiker überschatten häufig unsere Wünsche und Sehnsüchte. Ich sage: Es geht auch anders! Jeder kann zu jedem Zeitpunkt seines Lebens mitbestimmen, wie es bei ihm innen aussieht und wie er mit den äußeren Umständen umgeht. Fast immer lassen sich auch die Umstände positiv verändern, wenn man nur will. Wir alle haben die Chance, darauf Einfluss zu nehmen, dass in Zukunft die für uns richtigen Dinge passieren.

Sich frei machen von externen Einflüssen, zufrieden und glücklich sein – ist das ein Lebenstraum, der wahr werden kann? Ja, absolut!

Dieses Buch ist für alle geeignet, die zufriedener werden und ihr Leben mehr nach ihren eigenen Vorstellungen leben möchten – egal, ob im beruflichen oder privaten Umfeld. Es gibt ohnehin nur ein Leben! Mein Buch ist auch für Menschen mit Führungsverantwortung geeignet, weil die eigene Grundzufriedenheit einer Führungskraft maßgeblich auf die Mitarbeiter abstrahlt. Führung wird um einiges leichter, wenn Sie als Führungskraft mit sich selbst im Reinen sind. Es ist gleichzeitig auch für alle geeignet, die unangenehme Vorgesetzte haben, die eben nicht mit sich im Reinen zu sein scheinen. Ich gebe Impulse, wie Sie als Mitarbeiter lernen, sich nicht alles gefallen zu lassen, und den Mut finden, Feedback zu geben und Ihre Wünsche und Vorstellungen von einem erfüllten Arbeitsleben offen auszusprechen.

Mein eigener Weg verlief nicht immer geradlinig und es war nicht immer alles eitel Sonnenschein. Aber ich habe immer das gemacht – und auch geschafft! –, was ich von Herzen wollte. Davon möchte ich auf den folgenden Seiten einiges mit Ihnen teilen. Sie werden dabei sicherlich auch mal die ein oder andere harte Sichtweise von mir kennenlernen. Ich nehme ungern ein Blatt vor den Mund. Vielleicht werden Sie zwischenzeitlich sogar einmal wütend auf mich werden, weil ich mir anmaße, bestimmte Dinge zu behaupten, ohne sie haarklein zu belegen. Ich schreibe über das, was nach meiner Auffassung das Leben für uns alle leichter macht. Selbstverständlich dürfen und sollen Sie das jeweils für sich kritisch hinterfragen. Möglicherweise kommen Sie dann hier und da zu anderen Schlüssen als ich. Das ist okay. Ich freue mich, wenn Sie eine eigene Meinung haben – die hat schließlich nicht jeder.

Dieses Buch gibt Ihnen auf unterhaltsame Weise Impulse, wie Sie zufriedener werden, mit mehr Leichtigkeit leben und vor allem Ihr Leben nach Ihren Wünschen und Zielen gestalten. Abhängig davon, wie intensiv Sie sich schon mit Ihrem Leben und Ihrer Persönlichkeit auseinandergesetzt haben, werden Sie mal mehr oder weniger starke Impulse bekommen. Meine Ansichten und Tipps sind wie ein Buffet, von dem Sie sich nach Herzenslust bedienen dürfen. Aber eins ist sicher: Sie werden anders über sich und Ihr Leben denken, nachdem Sie das Buch gelesen haben.

Dabei wünsche ich Ihnen ganz viel Freude!

Ihre

Ilka Piechowiak

In diesem Buch richte ich mich sowohl an Männer als auch an Frauen. Ich schreibe trotzdem so, wie ich es bei meiner Klassenlehrerin in der Grundschule gelernt habe: in der männlichen Form, wenn alle gemeint sind. Einfach, weil es kürzer und lesbarer ist.

1. ZEIT FÜR EIN SELBSTBILD: WEISST DU, WER DU BIST?

Einleitung

Wie viel Zeit ist Zeit genug?

Chaot trifft Kontrolletti

Warum sieht mich denn hier keiner?

Ich habe keine Angst, ich bin der Chef

Auf welcher Spur im Leben sind Sie unterwegs?

Erkenne dich selbst!

Selbsterkenntnis ist der Anfang von allem. Wenn ich mich selbst gut kenne und über mich reflektiere, habe ich die Chance, innere und äußere Stärke zu entwickeln. Ich kann mit meinen Ängsten umgehen und handle so, wie ich es möchte, ohne mich fremdbestimmt zu fühlen. Sobald ich weiß, wer ich bin, kann ich entscheiden, was ich in meinem Leben ändern will.

Einleitung

Uuurlaub! Julia freut sich wie ein kleines Kind auf den Abflug in die Sonne. Nur noch drei Tage, dann ist es endlich soweit. Julia weiß auch schon ungefähr, was sie mitnehmen will. Zum Packen ist ja noch massig Zeit. Wenn Julia bei der Arbeit kurz von ihrem Computer aufblickt, sieht sie sich schon am Strand, im Wasser, an einer coolen Bar. Na, überhaupt, sie ist eigentlich schon am Urlaubsziel.

Der Tag vor dem Abflug, abends um halb sieben.

„Du, Julia, wir müssen noch mal absprechen, wann wir morgen zum Flughafen fahren.“

Martin, Julias Freund.

Julia nimmt sich mehrere Sekundenbruchteile Zeit zum Nachdenken: Der Flieger geht um 14.00 Uhr, mit dem Auto zum Flughafen dauert es etwa eine Stunde.

„12.00 Uhr reicht locker.“

„Das ist aber reichlich spät, du. Wir müssen zwei Stunden vorher eingecheckt haben. So steht es auf der Reservierungsbestätigung. Schau mal, ich habe das extra ausgedruckt.“

„Ja, das steht da. Aber das müssen wir ja nicht so machen. Wenn wir um 13.00 Uhr da sind, ist keine Schlange mehr vor dem Check-in. Dann haben wir ratzfatz eingecheckt.“

„Also, ich würde ja am liebsten um 10.00 Uhr fahren.“

„Was, um 10.00 Uhr schon? So früh?“

Das geht jetzt noch eine Weile hin und her zwischen Julia und Martin. Schließlich gibt Julia nach. Die beiden einigen sich auf 10.30 Uhr.

Nächster Morgen, 10.00 Uhr. Die Sonne lacht von einem wolkenlosen Himmel. Urlaubsfeeling pur, schon Stunden vor dem Abflug.

„Bist du fertig, Julia?“

Martin. Julia denkt: Wieso fertig? Es ist doch erst 10.00 Uhr.

Da kommt Martin auch schon die Treppe runter. Er schleppt seinen schweren Hartschalenkoffer durch die mit einem kleinen Keil offen gehaltene Haustür. Das Auto hat er eigens gewendet und rückwärts in die Einfahrt gesetzt. Die Heckklappe steht offen.

„Ich schreibe gerade noch eine Mail“, ruft Julia vom Sofa aus, ihr Tablet auf dem Schoß. „Dann packe ich den Rest.“ Es fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten in ihrem Koffer. Aber es ist ja auch erst 10.00 Uhr, denkt Julia.

10.20 Uhr. Julia verstaut die letzte Kleinigkeit in ihrem Koffer und fragt sich, wo ihr Freund geblieben ist. Im Haus ist kein Laut mehr zu hören. Ist er noch mal schnell zu den Nachbarn, um Tschüss zu sagen? Er wird ja wohl nicht ohne sie abgefahren sein! Julia öffnet das Fenster, steckt den Kopf raus und schaut zum Auto. Die Heckklappe steht immer noch offen. Die Beifahrertür auch. Und der Motor läuft. Da fliegt auch die Fahrertür auf, Martin springt raus und stürmt zur Haustür als ginge es um Leben und Tod.

„Kommst du jetzt endlich?“, schallt es durch den Hausflur. „Wir müssen los! Sonst kommen wir zu spät zum Flughafen.“

Es ist 10.28 Uhr.

Fünf Minuten später wirft Julia ihren Koffer Marke Ultralight schwungvoll in den Kofferraum des Autos, schließt die Heckklappe, hüpft gut gelaunt auf den Beifahrersitz – und steigt gleich wieder aus. Die Haustür ist noch nicht abgeschlossen. Auf Martins Stirn zeichnen sich kleine Schweißperlen ab.

Auf der Autobahn.

„Ankunft 11.44 Uhr, neun Minuten Zeitverlust“, sagt Martin halb zur Windschutzscheibe, halb zu Julia. Obwohl er mehrmals im Monat zum Flughafen fährt und den Weg in- und auswendig kennt, hat er das Navi programmiert, um die Ankunft und die Staumeldungen in Echtzeit berechnet zu bekommen.

„Das schaffen wir doch locker“, meint Julia, die die Fahrt bereits träumend genießt und aus dem Fenster guckt.

„Hoffentlich klappt das auch mit P7.“

„P was?“

„Na, ich habe doch vor drei Wochen online in P7 reserviert. Das ist das Parkhaus mit der Fußgängerbrücke direkt zum Terminal. Da verlieren wir am wenigsten Zeit. Wir müssen mit meiner Kreditkarte einfahren, dann sollte die Reservierung erkannt werden. Hoffentlich klappt das auch alles. Ich habe gar keine Bestätigungsmail bekommen. Das macht mir gerade etwas Sorgen.“

„Ich dachte, wir fahren einfach in ein Parkhaus, an dem FREI angezeigt ist.“

„Das ist doch viel zu riskant. Es sind Ferien! Wir sind ja nicht die Einzigen, die hier heute abfliegen.“

Abflughalle, 11.58 Uhr.

Martin sieht gestresst aus. Statt einer Stunde hat die Fahrt fast anderthalb Stunden gedauert. Zudem hat die Parkplatzreservierung per Kreditkarte natürlich nicht geklappt. Er musste über die Ruftaste mit der Aufsicht sprechen. Die hat aber ohne Diskussion die Schranke geöffnet.

Da fällt Julia ein, dass das Ladekabel für ihr Smartphone zu Hause auf dem Küchentisch liegt. Sie hat Apple, Martin Android. Also nützt ihr Martins Ladekabel nichts.

„Du, ich gehe noch mal kurz zu dem Elektroladen da hinten.“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“ Martin wird richtig sauer. „Willst du vielleicht auch noch umbuchen? Sollen wir lieber nach Bangkok fliegen als nach Malle? Mach nur, wie du meinst!“

Diesmal setzt Julia sich durch, hetzt zum Elektroladen und ist nach 10 Minuten zurück. Die Schlange vor dem Check-in ist mega lang.

Mit jeder Minute in der Schlange wird Martins Laune schlechter. Julia macht drei vergebliche Anläufe, Martin zu erzählen, worauf sie sich alles schon freut. Er hört nicht zu.

Julia ist zwar Mitte 40, aber sie fühlt sich im Moment stark an die ersten Urlaube mit ihren Eltern erinnert. Da war sie 7 Jahre alt. Die Eltern standen immer so angespannt in langen Warteschlangen, während die kleine Julia die Zeit nutzen und alles erkunden wollte, was es auf einem Flughafen zu entdecken gibt.

Eingecheckt. Sicherheitskontrolle geschafft. 12.40 Uhr.

Martin geht schnurstracks zum Abfluggate und sichert sich einen Sitzplatz zum Warten. Julia verabschiedet sich für eine kleine Tour durch die Shoppingzeile.

Viel Spaß, meine Süße! – sagt Martin nicht, sondern: „Sei bitte pünktlich zurück, ja? Um 13.30 Uhr ist Boarding.“

Das weiß Julia schon seit vier Monaten, weil Martin da nämlich den Flug gebucht hat. Mit Bestpreisgarantie.

13.25 Uhr. Julia steht im Buchladen, tief in einen Krimi versunken. Sie ist im ersten Kapitel hängen geblieben. Es ertönt die Melodie „Don’t worry, be happy“ – Julias Klingelton. Das Display zeigt Martin. Julia geht sofort ran.

Oh Gott, denkt sie. Ist was passiert?

„Alles in Ordnung, Martin?“

„Es ist kurz vor halb. Kommst du auch noch mal zurück?“

„Ja, aber es ist doch noch keine halb. Boarding ist erst um halb.“

„Kommst du bitte!“

„Jaaa.“

Diskutieren ist Julia jetzt zu doof. Sie schlendert zum Gate. Da ist auch schon wieder eine extrem lange Schlange und Martin steht mittendrin.

Julia denkt: Das wird bestimmt ein super Urlaub. Wenn wir erst mal da sind.

Wie viel Zeit ist Zeit genug?

Ist es nicht witzig, dass es am Flughafen immer dieselben sind, die zwei Stunden vor dem Abflug schon in der Schlange am Check-in stehen? Während andere – auch immer dieselben – grundsätzlich erst fünf Minuten vor dem Boarding einchecken. Weil es dann leer ist. Und weil sie wissen, dass ein Koffer, der 35 Minuten vor dem Abflug auf dem Band rollt, garantiert noch mitkommt. Meistens beginnt das Boarding ohnehin später als geplant. So wie auch kaum ein ICE pünktlich abfährt. Dass ein Flieger früher als geplant anfängt zu rollen, ist so wahrscheinlich wie eine Notlandung auf dem Hudson River – und das passiert so selten, dass Clint Eastwood anschließend einen Film darüber drehte. Das Tolle am Fliegen ist aber auch, dass man drei Mal ausgerufen wird, bevor der Flieger wirklich ohne einen abhebt. Das macht die Bahn nicht. Da gehen einfach die Türen zu, und wenn Sie Pech haben, stehen Sie auf der falschen Seite der Tür.

Aber erzählen Sie das mal einem Menschen, der grundsätzlich zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein will. Es interessiert ihn nicht. Und „sie“ übrigens auch nicht. Denn solche Menschen finden sich nicht nur unter Männern, es können genauso gut auch Frauen sein. Dieser Typ Mensch würde niemals fünf Minuten vor Toresschluss einchecken. Genauso wenig, wie er Zeitung lesen würde, bis sich die Schlange beim Boarding aufgelöst hat und er in aller Ruhe in den Flieger spazieren kann. Und wissen Sie was? Wahrscheinlich würde er es auf die Weise tatsächlich nicht schaffen, rechtzeitig im Flieger zu sitzen. Weil er kurz vorher einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte. Na gut, ich übertreibe. Auch die Geschichte von Julia und Martin ist übertrieben. Aber nur ganz, ganz leicht. Das versichere ich Ihnen aus eigener Erfahrung. Julia und Martin stehen für ein unterschiedliches Empfinden von Zeitdruck und dementsprechend unterschiedliche Verhaltensweisen. Das ist vom Persönlichkeitstyp abhängig.

So auch bei Julia und Martin. Julia ist leichtfüßig unterwegs. Sie denkt sich immer: Das klappt schon, das kriegen wir irgendwie hin. Wenn nur wenig Zeit ist, führt das bei Julia noch lange nicht zu einem erhöhten Ruhepuls. Nie würde sie sich von Zeitdruck stressen oder sich vom Zuspätkommen die Laune verderben lassen. Ganz anders Martin. Er hat ein hohes Sicherheitsbedürfnis und baut deshalb immer einen Zeitpuffer ein. Auch plant er gerne alles im Voraus: Dann sind wir da, dort ist unser Parkplatz, dann checken wir ein, danach haben wir noch so und so viel Zeit. Wenn es so langsam Zeit wird, aufzubrechen, wird Martin schon unruhig. Echter Zeitdruck bedeutet großen Stress für ihn. Auch wirkt er in Situationen, in denen es darauf ankommt, pünktlich zu sein, grundsätzlich angespannt. Zum Beispiel, wenn er einen Flieger oder einen Zug bekommen muss. Er kann dann nur schwer ein lockeres Gespräch führen. Das geht erst wieder, wenn wirklich alles geklappt hat und er pünktlich an Ort und Stelle ist.

Chaot trifft Kontrolletti

Sage mir, wie du mit Zeitdruck umgehst, und ich sage dir, wer du bist. Ich bin zum Beispiel genau derselbe Typ wie Julia. Das überrascht Sie jetzt sicher nicht, ich weiß. Die Flughafenstory habe ich ja auch eindeutig aus der Perspektive von Julia erzählt. Das heißt aber nicht, dass ich kein Verständnis für den Persönlichkeitstyp von Martin hätte. Ganz im Gegenteil: Die Menschen, die ich als Coach oder Trainerin dabei unterstütze, ein selbstbestimmteres Leben zu führen und im Alltag mehr Leichtigkeit und Freude zu erfahren, sind oft eher wie Martin. Es befreit sie, wenn sie sich trauen, ein bisschen mehr wie Julia zu sein. Manchmal fühlen sich solche Menschen von ihrem charakterlichen Gegenteil magisch angezogen, ohne sich das wirklich erklären zu können. Die andere Person hat etwas, das in ihnen nicht so zum Vorschein kommt, aber latent vorhanden ist. Sie können einen weiteren Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gehen, sobald sie diesen Teil mehr integrieren. Und obwohl ich es ungern zugebe: Auch eine Julia kann sich natürlich von einem Martin etwas abschauen. Manchmal sind Planung und Struktur im Leben nämlich sehr hilfreich und wichtig.

Nach dem Persönlichkeitsmodell von Riemann und Thomann, mit dem ich gerne arbeite, unterscheidet man vier Persönlichkeitsausprägungen, von denen in diesem Beispiel zwei von Bedeutung sind: der Dauer- und der Wechsel-Typ. Wir haben zwar grundsätzlich beide Typen in uns, aber einer ist stärker ausgeprägt als der andere. Julia ist ein ausgeprägter Wechsel-Typ. Das Bedürfnis nach etwas Neuem, Spontaneität und Kreativität steht für diesen Charaktertyp im Mittelpunkt. Wechsel-Typen leben im Augenblick, im Hier und Jetzt, und lieben alles, was das Leben bunt macht. Sie lieben die Freiheit, das Abenteuer und sind neugierig. Sie denken nicht ständig an Konsequenzen und lieben Herausforderungen. Sie sind mutig. Wechsel-Typen wirken auf andere manchmal chaotisch und unstrukturiert, ein wenig wie Ernie in der Sesamstraße.

Martin dagegen ist ein Dauer-Typ, wie er im Buche steht und ist damit so ziemlich das exakte Gegenteil seiner Freundin. Martin ist eher Bert in der Sesamstraße, auch wenn er sicher Ernie-(Wechsel-Typ)-Anteile hat. Für den Dauer-Typ steht das Bedürfnis nach Struktur, Ordnung, Planung, Regelmäßigkeit und Sicherheit an erster Stelle. Er ist pünktlich, plant und organisiert und behält gern die Kontrolle, über sich und auch über andere. Er kann sich ein Leben ohne permanente Checks, ob alles richtig läuft, nur schwer vorstellen. Im Extremfall ist er pedantisch unterwegs und treibt als Oberkontrolletti und Bestimmer Familie und Kollegen in den Wahnsinn.

Wechsel-Typ kontra Dauer-Typ ist aber nur eine Dimension im Riemann-Thomann-Modell. Zu einer weiteren Dimension komme ich später im Buch. Eine Übersicht über die wichtigsten Modelle, die ich in diesem Buch verwende, finden Sie im Anhang.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich Ihnen mit diesem Modell komme und was das soll. Schließlich gibt es Persönlichkeitsmodelle wie Muscheln am Strand. Vielleicht kennen Sie aus Ihrem beruflichen Kontext auch bereits einige dieser Persönlichkeitsdiagnostik-Instrumente wie Insights®, DISG® oder Persolog®, um nur einige zu nennen. Mir geht es nicht darum, welche davon besser oder schlechter sind als andere. Wenn ich Sie in diesem Buch hin und wieder mit etwas „Psycho-Theorie“ behellige, dann deshalb, weil ich Sie dazu anregen möchte, mehr über sich selbst zu erfahren und sich selbst besser kennenzulernen. Denn Selbsterkenntnis ist der Anfang jeder positiven Veränderung. Schauen Sie einfach, womit Sie etwas anfangen können. In den Coaching-Ausbildungen und anderen Weiterbildungen im Bereich Psychologie durfte ich psychologische Modelle und Werkzeuge kennenlernen, die ich auch heute in meiner Arbeit als Trainerin und Coach hilfreich finde und gerne einsetze. Den erhobenen Zeigefinger werden Sie in diesem Buch nirgendwo finden. Und sollten Sie sich in Julias oder Martins Verhalten – ganz oder teilweise – wiedergefunden haben, wünsche ich mir, Sie können darüber schmunzeln. Ein Besser oder Schlechter gibt es hier nicht. Alle menschlichen Charaktereigenschaften sind gut. Allerdings sind einige manchmal hilfreicher als andere, um ein selbstbestimmtes, glückliches und unbeschwertes Leben zu führen.

Warum sieht mich denn hier keiner?

Unser Alltagsverhalten bringt uns auf die Spur zu uns selbst. Wenn wir uns in alltäglichen und scheinbar banalen Situationen im Privat- und Berufsleben einmal intensiv beobachten, können wir eine Menge über uns herausfinden und unser Selbstbild schärfen. Probieren Sie es doch mal aus! Überprüfen Sie, wie Sie sich verhalten und ob Sie innerlich mit sich selbst und anderen gut unterwegs sind. Der Umgang mit Zeitdruck – aus dem Urlaubsbeispiel – ist nur ein Aspekt von vielen. Da zeigt sich der Unterschied zwischen Wechsel- und Dauer-Typ besonders deutlich. Rechtzeitig am Flughafen oder am Bahnhof sein zu müssen, ist hierfür ein gutes Beispiel. Wie sieht es mit Abgabeterminen im beruflichen Kontext aus? Fast schon ein Klassiker ist die Präsentation, die zu einem wichtigen Meeting fertig sein muss. Wie gehen Sie mit einer solchen Situation um?

Der Wechsel-Typ fängt selten lange vorher an, es gibt immer noch andere Dinge zu tun. Er denkt sich: Wenn ich am Nachmittag vorher anfange, reicht das auch noch. Schließlich habe ich dann noch die ganze Nacht. Denn meist erst wenn der Zeitdruck hoch ist, läuft der Wechsel-Typ zur Bestform auf. Die Ideen sprudeln dann nur so und konzentriertes Arbeiten ist trotz Zeitdruck möglich. Ganz anders der Dauer-Typ: Er macht sich schon Wochen vorher Gedanken über seine Präsentation, fängt mehr als rechtzeitig an und ist mit seinem dritten Korrekturdurchlauf fertig, wenn der Wechsel-Typ gerade mit seinem ersten Chart startet.

Gehen wir einmal weg vom Thema Zeit und Zeitdruck. Eine weitere Frage, mit der Sie sich sehr gut selbst besser kennenlernen können, lautet: Wie schnell beziehe ich etwas auf mich? Diese Frage zielt nicht auf unsere Charaktereigenschaften ab, sondern vielmehr auf die eigene innere Haltung.

AUS DEM ALLTAG

Sie gehen in einen Klamottenladen an der Mö in Hamburg oder auf der Kö in Düsseldorf und wollen dort nicht nur stöbern, sondern sich unbedingt eine neue Jacke kaufen. Sie glauben jetzt vielleicht, das Wort „Umsatz“ müsste auf Ihrer Stirn prangen. Doch keine der Damen vom Verkauf beachtet Sie, als Sie sich hilfesuchend umgucken, obwohl alle nichts zu tun haben und nur Löcher in die Luft starren. Klingt so ein wenig nach dem bekannten Pretty-Women-Effekt, oder? Sie werden einfach nicht bedient? Die Frage ist nun: Sind Sie jetzt schon angefressen und denken sich: Unverschämt, dass die mich nicht beachten, wo ich doch mein sauer verdientes Geld hier ausgeben will! Oder denken Sie eher: Wahrscheinlich wollen die meisten Kundinnen hier eh erst mal nur durchschauen. Deshalb wird man in Ruhe gelassen. Und dann gehen Sie einfach selbst auf eine Verkäuferin zu, sprechen sie an und bitten sie, Ihnen einige Jacken zu zeigen.

Oder im Meeting: Eigentlich möchten Sie noch etwas sagen, gehören aber vielleicht eher zu den ruhigen, introvertierteren Menschen. Es gibt Menschen, die denken dann: „Nie werde ich gefragt, nie darf ich etwas sagen.“ Und es gibt andere, die proaktiv mit der Situation umgehen, dann doch die Stimme erheben und ansprechen, was ihnen wichtig erscheint.

Oder Sie sitzen auf einer Geschäftsreise abends alleine in einem Restaurant und wollen bestellen. Aber der Kellner kommt nicht an Ihren Tisch. Werden Sie jetzt sofort nervös? Verlassen Sie irgendwann demonstrativ das Lokal? Oder üben Sie sich in Geduld und beschäftigen sich einfach mit irgendwas? Wer weiß, warum der Kellner gerade mit den Gedanken woanders ist – irgendwann wird er Sie schon bemerken.

Ich kenne Menschen, die haben solch einen Horror vor dieser Situation, dass sie nie alleine in Restaurants gehen. Lieber bestellen sie etwas beim Zimmerservice oder holen sich an der Tanke um die Ecke ein eingepacktes Sandwich mit Gummikäse. Der ultimative Härtetest ist die Verabredung im Café oder Restaurant. Steigerungsform: das Date. Was, wenn die eine Person schon früher da ist und die andere zu spät kommt? Wäre das für Sie Horror, so lang alleine zu sitzen und zu warten? Oder halb so schlimm? Manche Menschen können damit umgehen, sie können auch mal mit sich selbst sein und sich gut beschäftigen. Wenn sie warten müssen, denken sie über etwas nach oder malen sich was Schönes aus, was sie demnächst unternehmen wollen. Sie lesen solange ein Buch oder schreiben in ihrem Tagebuch und sinnieren eben nicht darüber nach, was wohl die anderen Gäste im Restaurant denken werden. Für andere ist Leere oder ein Mit-sich-selbst-allein-Sein bedrohlich. Ohne Musik im Hintergrund, ohne Zeitschrift oder Smartphone in der Hand fühlen sie sich unwohl. Wie ist das bei Ihnen? Können Sie allein im Restaurant sitzen und schön etwas essen, Autofahren ohne Radio, Joggen ohne Musik, eine Viertelstunde in der Sonne ohne Chatpartner sitzen?

Das alles sind Anregungen für Sie. Eigentlich ist es egal, auf welchen Einstellungs- und Verhaltensebenen wir anfangen, über uns selbst zu reflektieren. Wir müssen nur daran denken, dass wir uns bewusst in unserer privaten oder beruflichen Rolle reflektieren. Denn gerade im Beruf sollten wir uns der Rolle angemessen verhalten und unser Verhalten an diese Rolle anpassen. Da ist dann jemand vielleicht in der Chefrolle und gibt sich distanziert. Oder eine Bankerin überprüft gewissenhaft jede Unterschrift drei Mal, weil sie weiß, dass das in ihrer Rolle dazugehört. Privat ist sie jedoch viel lockerer. Sich der Rolle angemessen – und manchmal anders in seiner Kern-Persönlichkeit zu zeigen – ist im beruflichen Kontext sogar wichtig und richtig. Wenn Sie also Ihren Kerncharakter und Ihre Haltung reflektieren, sollten Sie zuerst schauen: Wer sind Sie eigentlich privat? Und wie weicht das eigene Verhalten oder ggf. auch Ihre Haltung in Ihrer beruflichen Rolle unangenehm ab?

Ich habe keine Angst, ich bin der Chef

Zum Flughafen fahren, in ein Geschäft kommen, im Café auf jemanden warten – lauter alltägliche Situationen, in denen wir eine Menge über uns lernen können, wenn wir uns selbst beobachten. Und auch im Berufsleben gibt es häufig Situationen, in denen wir uns fragen können, wieso wir uns so oder so verhalten. Da trauen wir uns vielleicht nicht, dem eigenen Vorgesetzten mal ein Feedback zu geben. Was haben diese Situationen gemeinsam? Oder anders gefragt: Was macht sie überhaupt zu potenziell schwierigen Situationen? Was genau ist für mich daran herausfordernd? Meist geht es dabei um die sogenannte Sicherheit im Leben. Streng genommen geht es um Selbstsicherheit. Wie viel Halt habe ich in mir selbst? Traue ich mir zu, mit unvorhergesehenen Situationen gut umzugehen? Was befürchte ich, wenn ich wirklich einmal zu spät am Flughafen sein oder dem Chef ein Feedback geben sollte? Sich selbst gut zu kennen bedeutet auch, seine Ängste zu kennen.

Ängste verraten eine Menge über uns und unseren Charakter. Und damit letztlich auch über das, worüber wir mal nachdenken könnten und was wir eventuell bei uns selbst ändern möchten. Klar, Ängste sind immer noch ein gewisses Tabuthema, gerade im beruflichen Umfeld. Aber wir sind ja hier unter uns. Und eigentlich weiß jeder, dass es ein Riesenunterschied ist, wie sicher sich jemand nach außen gibt und was wirklich in ihm vorgeht. Der immer souveräne Chef, durch nichts aus der Ruhe zu bringen, ein Fels in der Brandung – das ist auch nur eines der vielen Bilder, denen Menschen entsprechen wollen. Ich habe in meinen Coachings schon viele Manager erlebt, die nach außen eine ganz klare, starke Haltung zeigten, im Inneren aber extrem unsicher und zweifelnd unterwegs waren. Die Psychologin Gabi Harding gehört zu den ersten, die intensiv zum Thema „Führungskräfte und Angst“ geforscht haben. Angst, so sagt sie, habe immer auch etwas mit Unkontrollierbarkeit zu tun und diese sei in der Arbeitswelt nicht immer nützlich. Insbesondere das Gefühl, nicht mehr Herr oder Frau der Lage zu sein, löse bei Führungskräften große Angst aus. Erstaunlich verbreitet sei auch die Angst um den Statuserhalt, bis hin zu Existenzängsten. Das kann ich aus meiner Erfahrung nur bestätigen. Ich kenne Topmanager, die über ein sechsstelliges Einkommen verfügen und trotzdem Angst haben, eines Tages unter der Brücke schlafen zu müssen. Geld ist buchstäblich eine „Schein-Sicherheit“. Denn Geld ist nichts weiter als bedrucktes Papier. Oder Zahlen auf einem Bildschirm. Noch so viele Geldscheine nützen nichts, um tiefsitzende Existenzängste aufzulösen. Zumal sich die wirklich krassen Lebensrisiken – etwa Krankheiten oder Unfälle – mit Geld gar nicht abwenden lassen.

Aber nicht nur Existenzangst plagt viele Menschen. Es gibt nach Florian Neuhaus auch die sogenannte Leistungsangst, die Angst davor, eine Aufgabe nicht zu schaffen oder ein Ziel nicht zu erreichen. Zudem gibt es die soziale Angst, zum Beispiel die Angst davor, nicht dazuzugehören. Auch diese Ängste können hinderlich sein, wenn es darum geht, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen. Wenn der Kollege fragt „Kommst du morgen Abend auch zum Umtrunk beim Chef?“ und Sie wissen nicht, wovon die Rede ist, fühlt sich das schlecht an. Unsere Ängste haben einen großen Einfluss darauf, wie wir unsere Welt interpretieren und wie wir uns verhalten oder eben nicht verhalten. Nehme ich eine Situation als bedrohlich wahr oder gehe ich selbstsicher mit dieser Situation um? Sehe ich diese Situation als lösbar an, auch wenn ich die Lösung noch nicht vor Augen habe?

Ängste sind grundsätzlich etwas Sinnvolles. Sie sind Warnsignale, die verhindern, dass wir alle schon in jungen Jahren sterben, weil wir uns für unverwundbar halten. Angst taucht immer dann auf, wenn wir etwas nicht kennen oder nicht können. Diese Aussage stammt von dem bekannten Neurobiologen und Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther. Spannend sind die Ängste, von denen wir eigentlich selbst wissen, dass sie übertrieben sind. Wenn ich mich selbst gut kenne – einschließlich meiner Ängste –, kann ich an mir arbeiten. Ich kann schrittweise lernen, mehr Sicherheit in mir selbst zu finden, Dinge lockerer anzugehen und unkomplizierter mit anderen umzugehen. Auch die Psychologin Gabi Harding rät Führungskräften dazu, für ein Arbeitsumfeld zu sorgen, in dem jeder „ein bisschen lockerer lässt“. Ängste verraten etwas über unsere Haltung gegenüber uns selbst und gegenüber anderen. Und auch die Art, wie ich mich reflektiere, wird von unseren Ängsten beeinflusst.

Keine Socke lässt mich rein

Neulich auf der A2. Die Autobahn ist wie fast immer brechend voll. Entspannt fahre ich mit meinem Q3 auf der linken Spur und bin dort minimal schneller als die Autofahrer rechts. Da sehe ich dieses Verkehrsschild am linken Fahrbahnrand, auf dem grüne Autos auf der linken Spur und rote auf der rechten Spur abgebildet sind. Darunter steht „Einfädeln in 600 m“. Bedeutet: Links erst mal bis zum Ende durchfahren und dann dort, wo die linke Spur endet, nach dem Reißverschlussprinzip einfädeln – wie man es eben in der Fahrschule lernt, sofern man mal in einer gewesen ist.

Genau auf der Höhe des Schildes steigt der Fahrer vor mir auf die Eisen und schert dann gefährlich nach rechts aus, sodass dort alle Autos hinter ihm abbremsen müssen.

Ich denke, ich bleibe einfach mal bis zum Ende auf der linken Spur.

Ende linke Spur, Blinker rechts. Ich stehe.

Und stehe.

Schulterblick bis zur Nackenstarre. Keine Socke lässt mich rein.

Dann tut sich endlich eine Lücke auf. Ich fahre an.

Doch jetzt gibt der Autofahrer rechts hinter mir plötzlich Gas und macht die Lücke wieder zu. Bis er Stoßstange an Stoßstange zum Vordermann steht und nicht mal mehr ein Blatt Papier dazwischen passt, geschweige denn mein Auto.

Während ich weiter stehe und warte, male ich mir ein paar alternative Szenarien aus.

Erstes Szenario: Ich sitze in einem froschgrünen Nissan Micra. Was passiert wohl jetzt vorne im Einfädelprozess? Da wird mir ein roter Teppich ausgerollt, da tun sich Lücken auf, von denen man sonst nur träumt. Und der Tiguan-Fahrer rechts neben mir denkt: „Ooooch, wie süß! Die ist auch schon so weit gekommen mit ihrem Autochen. Die lasse ich mal rein.“

Zweites Szenario: Ich fahre einen schwarzen Porsche 911 Targa 4S mit roten Keramikbremsen. Das Verdeck ist offen, mein Haar weht. Wer lässt mich jetzt wohl rein? Die Uschi neben mir im Porsche Cayenne sicher nicht. Die sieht aus, als würde sie denken: „Blöde Kuh.“ Aber der Vertretertyp in der E-Klasse lässt mich vielleicht rein. Nein, der auch nicht. Sein Blick scheint mich zu fragen: „Naaa, hast du das Auto von deinem Mann geliehen oder von deinem Chef?“ Irgendwann erbarmt sich ein Priester im Toyota Prius und winkt mich mit einer einladenden Geste nach rechts. Wie göttlich ist das!

Drittes Szenario: Ich fahre einen silbernen BMW 5er Touring mit blauen Türen, blauer Motorhaube und blauer Heckklappe. Auf dem Dach flackern zwei blaue Lichter. Neben mir sitzt mein grimmig schauender, breitschultriger Kollege. Auf der rechten Spur herrscht Angststarre. Ein 3er-Coupé-Fahrer scheint sich zu fragen: „Meinen die mich? Haben die gemerkt, dass ich eben mit 140 durch die Baustelle bin?“ Einer im Golf starrt stur geradeaus: „Bloß nicht hinschauen, dann fahren die bestimmt weiter!“ Ein Dritter im A4 tut so, als würde er gerade zwischen den Sitzen etwas suchen. Alle meinen, dass Totstellen jetzt das Beste sei. Niemand bewegt sein Auto einen Zentimeter. Und so komme ich auch mit Blaulicht nicht rechts rüber.

Zurück in der Realität. Ein Lastwagenfahrer lässt mich rein. Geht doch, danke schön!

Auf welcher Spur im Leben sind Sie unterwegs?

Wenn wir Deutschen mehr über unser Verhalten und das unserer Mitmenschen erfahren wollen, brauchen wir nur die nächste Autobahnauffahrt zu nehmen. Ist das nicht praktisch? Was auf der Autobahn passiert, nenne ich den deutschen Dreisprung: vor-urteilen, ver-urteilen, be-urteilen. 100 Kilometer auf der Autobahn und wir sind gnadenlos mit unseren eigenen Klischees und denen anderer Leute konfrontiert worden. Unser Aussehen, unser Fahrstil und unser Automodell reichen völlig aus, um abschließend be- und verurteilt zu werden. Spannend ist, dass viele Menschen das Verhalten anderer schnell bewerten und abwerten, statt den Fokus auf sich selbst zu richten. Und wenn Menschen dann den Fokus auf sich selbst richten – das erlebe ich häufig als Führungskräfte-Trainerin oder Coach – sind viele häufig mit ihren eigenen inneren Stimmen konfrontiert, die da fragen: Was sagen die anderen? Was denken die anderen? Was erwarten die anderen? Und: Bin ich richtig, darf ich das?

Sie ahnen es schon: Hilfreich wäre es, wir würden einmal mehr reflektieren, welche Grundhaltung wir haben. Wer bin ich, wie verhalte ich mich und welche Reaktionen provoziere ich durch mein Verhalten bei anderen? Gehe ich wertschätzend oder eher bewertend mit anderen um? Diese Grundhaltung zeigt indirekt auch auf, wie Sie mit sich selbst umgehen. Wer andere abwertet, wertet sich häufig unterbewusst selbst ab. Oder eine andere Frage, die auf Ihr Selbstbild abzielt: Traue ich mich, so zu sein, wie ich es selbst für richtig halte? Oder agiere ich eher nach dem Motto „Bloß nicht auffallen und immer im Mainstream“, weil es sich so gehört? Oder haben Sie ständig Angst, etwas falsch zu machen?

Seinen eigenen Handlungen und denen anderer offen zu begegnen, drückt eine positive Grundhaltung aus – ich bin okay, du bist okay. Hier zeigen wir Wertschätzung uns selbst und anderen gegenüber. Dies hat übrigens Eric Berne zum ersten Mal beschrieben, der Begründer der Transaktionsanalyse. Die Transaktionsanalyse, abgekürzt TA, ist eine psychologische Theorie der menschlichen Persönlichkeitsstruktur, die ich oft im Coaching nutze, wenn ich mit meinen Klienten arbeite. Unsere Einstellung prägt unser Verhalten, ob non-verbal (also über die Körpersprache) oder verbal, über die Sprache. Ist die Einstellung gegenüber anderen Personen bewertend und vorurteilend, wirkt sich das meist auch in der Kommunikation mit anderen Menschen aus (mehr zur Transaktionsanalyse finden Sie im Anhang).

Ich finde diesen Ansatz aus der Transaktionsanalyse sehr hilfreich für die Selbstanalyse und -reflexion der eigenen Haltung. Ich werde deshalb in diesem Buch hin und wieder auf einige Aspekte daraus eingehen. Die Transaktionsanalyse beschreibt vier Grundhaltungen im Leben – es sind die vier OK-Positionen:

1.

Ich bin ok (+), du bist ok (+).

2.

Ich bin ok (+), du bist nicht ok (–).

3.

Ich bin nicht ok (–), du bist ok (+).

4.

Ich bin nicht ok (–), du bist nicht ok (–).

Wenn wir auf die Welt kommen, haben wir die Haltung „Ich bin ok, du bist ok“, also die „+/+“-Haltung. Wir nehmen eine wertschätzende Grundhaltung gegenüber allen ein. Wir haben keine Vorurteile, wir bewerten nicht. Wir sind „freie Kinder“.

Wenn es jedoch ungünstig läuft, werden wir bzw. unser „freies Kind“ durch Erziehung und gesellschaftliche Normen schon in frühen Jahren zum sogenannten „angepassten Kind“, das heißt wir werden von unseren wichtigsten Bezugspersonen zurechtgewiesen, bekommen zu hören, dass es nicht ok ist, wie wir uns verhalten oder sind. Wir versuchen deshalb, Liebe und Anerkennung zu erfahren, indem wir uns anpassen und es allen recht machen wollen. Das entspricht der Grundhaltung „Ich bin nicht ok, du bist ok“, also „–/+“-Haltung. Dadurch wird unser freies Kind eingeschränkt und die Unbeschwertheit und Offenheit gehen verloren.

Manche lernen also in früher Kindheit von den eigenen Eltern oder primären Bezugspersonen (z. B. den Großeltern), zu beurteilen und zu verurteilen, das wäre die Grundhaltung „Ich bin ok, du bist nicht ok“, also die „+/–“-Haltung. Wenn wir uns über den Autofahrer aufregen, der vor uns einfädeln will, obwohl er doch – Achtung, Moralkeule! – eben noch viel zu schnell gefahren ist, kommt dieses Vorurteil aus genau dieser Haltung.

Wer als Erwachsener andere Menschen schnell abwertet („Ich bin ok, du bist nicht ok“, das heißt „+/–“-Haltung), ist häufig auch sich selbst gegenüber sehr kritisch und denkt, dass er ständig etwas falsch macht, gemäß „Ich bin nicht ok, du bist ok“, also der „–/+“-Haltung.

Auch im Umgang mit Feedback zeigt sich unsere Grundhaltung deutlich. Wer in einer „+/+“-Haltung agiert, also „Ich bin ok, du bist ok“, nimmt ein Feedback als ein Geschenk an, egal, von wem es kommt. Bei positivem Feedback sagt er meist einfach Danke. Bei negativem Feedback fragt er sich, ob da was dran sein könnte. Nehmen wir nochmal das Autobahnbeispiel: Während des Einfädelns lässt Sie niemand rein. Pöbeln Sie dann die anderen Autofahrer gleich an oder beschimpfen sie (das wäre die „Ich bin ok, du bist nicht ok“-Haltung) oder bleiben Sie gelassen und halten sich mit einer Bewertung der anderen zurück? Das wäre die „Ich bin ok, du bist ok“-Haltung.

Zurück zum Feedback: Wie geht ein Mensch mit Feedback um, der ängstlich und zweifelnd unterwegs ist, der also aus der „–/+“-Grundhaltung agiert („Ich bin nicht ok, du bist ok“)? Positives Feedback wiegelt er meist ab und kann es auch nicht gut annehmen, weil er es kaum glauben kann, dass jemand etwas Positives sagt: „Ach, das hätte jeder andere auch gekonnt.“ Negatives Feedback ist für ihn negativ bestärkend und könnte ihn noch weiter runterziehen: „Siehste! Ich hab’s wieder nicht hingekriegt.“