Joe Cocker ist tot - Alexander von der Decken - E-Book

Joe Cocker ist tot E-Book

Alexander von der Decken

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Beschreibung

Georg Sartrian ist ein Kind der siebziger Jahre: Joplin, Hendrix, Cocker, Summerhill, ein bisschen Anarchie mit Blume im Haar. Je älter er wird, desto mehr wird ihm klar, dass er diese Zeit nie verlassen hat. Alles spiegelt sich in der guten alten Zeit. Als er eines Morgens in der Zeitung liest, dass der Musiker Joe Cocker gestorben ist, wird ihm klar, dass sich seine Generation im Niedergang befindet. Georg erinnert sich an seine ehemalige große Liebe Gabi. Vor gut 40 Jahren hatte sie ihn mit dem Satz "Vielleicht später noch einmal" rausgeschmissen. Georg will wissen, wie sie das Ende der guten alten Zeit erlebt. Er bricht zu einer Zeitreise auf, die eine unerwartete Wendung nimmt.

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Seitenzahl: 43

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Alexander von der Decken

Joe Cocker ist tot

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Joe Cocker ist tot

Impressum neobooks

Joe Cocker ist tot

Unsere Idole sterben, Joe Cocker ist tot. Die Dinge neigen sich dem Ende zu. Ich muss mit jemandem reden. Alle, die ich kenne, schwelgen in Champagnerlaune. SUV, Kind, Hund und ein Mann, der die Kredite bedient. Halt das ganze Wir-können-es-uns-leisten-Programm. Joe Cocker ist tot! Und ich kann mir gar nichts leisten. Die Reihen am Horizont der guten alten Zeit lichten sich. „Different roads“, ich höre die kratzige Stimme. Woodstock – „With a little help from my friends“. Die Bilder sind bunt. Joe Cocker ist tot. Ich hatte ganz vergessen, dass er noch lebt. Ich muss mit jemandem reden. Bloß mit wem? „Vielleicht später einmal wieder!“ – ein verlorener Satz. Stammt von Gabi, sie hat ihn vor Jahren einmal gesagt. Gabi lebt in Schleswig Holstein, in einem Nest bei Heide, wenn ich richtig informiert bin. Auf 'nem Resthof. Pusta, Steppe, Dithmarschen! Alleine; ihr Lebenspartner ist stiften gegangen. War in Krise. „Männer sind immer in Krise“, hatte sie während eines Telefonats gesagt. Ein gemeinsamer Freund aus Jugendtagen war gestorben – Anfang der Neunziger. Sie hatte ihn angerufen. Es war ein absurdes Gespräch. Sie flüsterte die ganze Zeit, ich konnte sie kaum verstehen. Am Schluss sagte sie, „ich bin eine Nesthockerin“. Wen interessiert das! Sie wird auf dem Resthof sterben, denke ich. Benzin für die Depressionen. Wir werden alle sterben, doch vorher werde ich sie noch besuchen. Immerhin ist Joe Cocker tot.

Ich werde mit meiner Geliebten reisen – meiner DS 21. Gleich morgen breche ich auf, die Zeit drängt. Meine DS ist die Göttin an meiner Seite. Wenn ich sie sehe, bin ich glücklich. Ihre Formen sind vollendet. Gabis waren es auch – damals, 1972, als sie mich rausgeschmissen und „Vielleicht später einmal wieder“ gesagt hat. Ich habe echt gelitten. Ich sehnte mich nach ihren Brüsten und ihrem wunderschönen Becken. Sie war eine echte Schönheit, sie befeuerte die Phantasie. Und ich durfte das alles berühren. Das tat gut. Dabei bin ich kein Beau, ich sehe nicht schlecht aus, aber ein Beau, das bin ich nicht. Ich sehnte mich nach all dieser Schönheit. Ich fühlte mich leer. Unvollkommen. Ja, ich mag es nicht sagen, sie war ein Statussymbol. Wenn sie einem wie mir die Gunst schenkte, dann musste an mir irgendwas dran sein.

Ende der achtziger Jahre, nach einer langen Strecke der Vereinsamung, sah ich sie dann – in einer Citroën-Werkstatt – sie stand in einer Ecke: Dunkelgrün, wunderschön – meine DS 21. Es war Liebe auf den ersten Blick. Doch der Bund fürs Leben hatte seinen Preis. Ich zahlte ihn – in Raten. Noch heute kriege ich eine Gänsehaut, wenn ich sie berühre. Joe Cocker ist tot. Ich werde zu Gabi fahren. Ich bin 60. Das Alter, ein ungebetener Gast, wirft seinen Schatten über mich. „Wie have taken different roads“.

Ich wähle ihre Nummer und warte.

„Ja!“

„Hier auch ,Ja', ich bin's Georg, G-e-o-r-g Sartrian, erinnerst Du dich!“

„G-e-o-r-g? Ich glaub es nicht! Klar erinner ich mich. Hatten doch vor Jahren mal telefoniert, wenn ich mich richtig erinnere.“

„Du erinnerst dich richtig, Andy war gestorben.“

„Stimmt! G-e-o-r-g S-a-r-t-r-i-a-n, meine erste große Liebe! Wie kann ich die vergessen.“

„Ja, ist lange her. Hast ja damals diesen Alexis-Sorbas-Verschnitt heiraten müssen.“

„Den was!“

„Na, diesen Typen, der einen auf Alexis Sorbas machte. Du weißt schon, Anthony Quinn – der Film Alexis Sorbas. Joe Cocker ist tot. Ich muss mit Dir reden.“

„Wie bitte!“

„Joe Cocker ist tot, nicht gehört? Hab ne Sinnkrise. Bei dem Namen Cocker muss ich an Mozart denken. Ein Horror. Ich muss mit Dir reden, bevor auch wir Geschichte sind .“

„Sag mal Georg, sonst geht’s Dir aber gut!“

„Nee, sag ich doch grade, Joe Cocker ist tot, ich fühl mich schlecht.“

„Was geht mich Joe Cocker an. Ist doch alles ewig lang her.“

„Wenn ich mir vorstelle, dass ich sterbe und irgendwo auf der Welt telefonieren zwei Menschen miteinander, um sich mitzuteilen, dass Georg Sartrian ist tot, dann finde ich das eigentlich sehr schön. Gabi, ich bitte Dich, unsere Generation schwankt am Grabesrand. Es geht um uns, um unsere Zeit. Hendrix, Morrissen, Joplin und nun Cocker – sie alle gehören dazu. Eine Ära versinkt. Wir sterben aus, verstehst Du, uns gibt es bald nicht mehr. Wir sind die letzten einer großen Zeit.“

„Sag mal Georg, bist Du auf'm Trip oder trinkst Du zu viel? Ich hab andere Sorgen, als mir irgendwelche Cockersongs mit feuchten Augen anzuhören. Echt, glaub's mir.“

„Freie Liebe, Summerhill, Love and Peace – alles nur noch Betrachtungen für irgendwelche Soziologie-Seminare?“, schiebe ich nach.

Stille.

Ich frage mich, ob sie immer noch ohne Kerl ist.

„Ich wollt dich eigentlich morgen besuchen, weil Cocker tot ist, aber ich denke, das ist doch keine so gute Idee.“

Stille.

„Bist Du noch dran?“

„Joe Cocker ist tot, Du willst mich sprechen, unsere Generation steht am Abgrund, bisschen viel auf einmal, findest Du nicht! Du warst zwar schon immer nen bisschen exzentrisch, aber so durchgeknallt. Ich weiß nicht.“

Stille.

„Aber warum eigentlich nicht, komm einfach vorbei. Aber nicht so früh, muss noch aufräumen. Empfange selten Gäste.“