Johannisfeuer - Wolf S. Dietrich - E-Book

Johannisfeuer E-Book

Wolf S. Dietrich

4,6

  • Herausgeber: Prolibris
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Eine Serie von Bränden versetzt Göttinger Bürger seit Monaten in Unruhe. Nach dem verheerenden Feuer, das im Januar 2005 den Nordturm der Johanniskirche zerstörte, brennen im Lauf des Jahres mehrere Häuser im Stadtgebiet. Dann steht der naturwissenschaftliche Trakt des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums in Flammen. Im Zentrum der Brandstelle wird eine Leiche gefunden. Kriminalkommissar Sven Petersson glaubt an einen Mord und ermittelt gegen einen Kollegen des Verstorbenen. Seine Freundin, die Journalistin Anna Lehnhoff, ist jedoch von der Unschuld des Verdächtigen überzeugt und forscht auf eigene Faust nach ...

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Seitenzahl: 328

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Wolf S. Dietrich

Johannisfeuer

Göttingen Krimi

Prolibris Verlag

Handlung und Figuren dieses Romans sind frei erfunden. Ebenso die Verquickung mit tatsächlichen Ereignissen. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt. Nicht erfunden sind Institutionen, Straßen und Schauplätze in Göttingen. Mit einer Ausnahme: Das Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium gibt es in der Realität nicht.

Prolog

1990

Er würde ihn umbringen. So viel stand fest. Und vorher würde er ihm die Seiten des Mathematikbuches einzeln ins Maul stopfen. Er hasste keinen Menschen so sehr wie Oberstudienrat Sass. Genüsslich malte er sich aus, wie der Lehrer um Gnade wimmern würde, wenn er, Oliver Matusch, auf der Brust des Mannes kniend, mit der Spitze der Messerklinge den Hals des Folterers ritzte und ihm befahl, die Scheiße zu fressen, mit der er jahrelang seine Schüler gequält hatte.

Zu Beginn der ersten Stunde hatten sie noch gelacht, als sich der neue Mathematiklehrer vorgestellt hatte. „Mein Name ist Sass. Oberstudienrat. Merkt euch den Namen und merkt euch Folgendes: Es gibt geniale Menschen – der Namensgeber unserer Schule war so einer – es gibt begabte Menschen und es gibt weniger begabte Menschen. Und andere, die kapieren Mathematik ihr ganzes Leben nicht, die haben den Kopf nur zum Haare Schneiden.“

An dieser Stelle hatte er sich vor der Klasse aufgebaut und die Schülerinnen und Schüler mit kaltem Blick gemustert. Sass war nicht sehr groß, darum hielt er sich gerade und trug Schuhe mit hohen Absätzen. Sein Anzug saß perfekt und wirkte edel. Die Krawatte ebenso. Oliver kannte keinen anderen Lehrer, der so viel Wert auf sein Äußeres legte.

Das Lachen war rasch verstummt. Und als es ganz still geworden war, hatte Sass hinzugefügt: „In den meisten Klassen sitzen hauptsächlich Vertreter der letzten Kategorie. Heutzutage darf ja jeder aufs Gymnasium gehen. Aber, Herrschaften, nicht jeder darf davon ausgehen, dass er die Oberstufe erreicht.“ Erneut hatte er seinen Blick über die Jugendlichen schweifen lassen. „Mindestens ein Drittel von euch wird in den nächsten drei Jahren aussortiert. Dafür werde ich sorgen.“

Noch besser wäre Verbrennen. Bei lebendigem Leibe. Oder mit dem Brennglas Löcher in die Haut. Ja, erst in die Haut, dann in ... Oliver schrak aus seinen Träumen, als das Klassenbuch aufs Pult klatschte. Sass hatte eingetragen, aber die Stunde war noch nicht zu Ende. Und das bedeutete, dass noch eine von seinen speziellen Aufgaben kommen würde. Dazu würde er einen aus der Klasse herauspicken, der die Lösung an der Tafel vorführen musste.

Unwillkürlich rutschte Oliver auf seinem Stuhl tiefer und suchte Deckung hinter dem Vordermann.

„Göttingen hat derzeit 131.629 Einwohner. Davon sind 30.722 Studenten.“ Sass schrieb die Zahlen an die Tafel. „Drei Siebtel davon sind zu dämlich zum Studieren, brechen das Studium ab und verlassen die Stadt. Um wie viel Prozent schrumpft dadurch Göttingens Einwohnerzahl?“

Prozentrechnung und Bruchrechnung in einer Aufgabe. Eine der typischen Gemeinheiten von Oberstudienrat Sass. Oliver starrte auf die Zahlen. Zuerst musste man wohl die Studenten von der Einwohnerzahl abziehen. Und dann? Wahrscheinlich die drei Siebtel berechnen. Von den 30.722. Vielleicht würde er die Aufgabe doch lösen können. Wenigstens den richtigen Ansatz schaffen. Wer die ersten Schritte überzeugend vortragen konnte, würde sofort abgelöst werden. Und Sass würde sich ein anderes Opfer suchen, um anhand der schwierigen Rechnerei vorzuführen, wie unfähig der Schüler war. Oder die Schülerin. Er ließ keine Gelegenheit aus, den Mädchen zu beweisen, wie hoffnungslos der Versuch war, ihnen die Geheimnisse der Mathematik näher zu bringen.

Oliver Matusch duckte sich noch etwas tiefer. Hoffentlich nimmt er ein Mädchen dran. Am besten die dicke Jennifer. Das wäre wenigstens noch witzig. Jenni würde mit ihrem fetten Hintern wackeln, mit den bemalten Augenlidern klimpern und am Ende heulen, weil Sass sie wieder fragen würde, ob sie inzwischen in der Lage sei, ihren Body-Mass-Index zu berechnen. Oder Sandra. Sandra würde das Blaue vom Himmel reden und wild und ziellos drauflosrechnen. Manchmal reizte sie Sass bis zur Weißglut. Sie war die Einzige in der Klasse, die sich von den giftigen Spitzen des Lehrers nicht beeindrucken ließ. Selbst wenn sie sich eine Sechs eingefangen hatte, tänzelte sie ungerührt zu ihrem Platz zurück und ließ sich wie eine Siegerin auf ihrem Stuhl nieder. Sie konnte sich das leisten, denn sie stand in allen anderen Fächern sehr gut.

„Oliver Matusch!“

Er brauchte einige Sekunden, um die Situation zu erfassen. War er wirklich gemeint? Oliver sah sich vorsichtig um. Zahlreiche Augenpaare richteten sich auf ihn. Erwartungsvoll. Erleichtert. Einige mitleidig, andere hämisch. Die Situation war eindeutig: Er war dran.

Langsam schob er sich höher, beugte sich vor, um aufzustehen, verharrte sekundenlang in der wahnwitzigen Hoffnung, dass ein Wunder geschehen und irgendetwas oder irgendjemand ihn retten würde, erhob sich schließlich und setzte einen Fuß vor den anderen. Richtung Aufgabe.

„Nicht einschlafen, Matusch!“ Der Lehrer pochte mit den Fingerknöcheln gegen die Wandtafel. „Die Pause beginnt erst, wenn diese Aufgabe gelöst ist.“

Oliver versuchte, sich an seine Gedanken zu erinnern. Eben hatte er doch noch gewusst, wie der Lösungsweg begonnen werden musste. Er fixierte die Zahlen an der Tafel und suchte nach der Erinnerung. Zumindest der Ansatz war doch ganz einfach. Er nahm ein Stück Kreide. „Zuerst muss ... müssen ... die Einwohner, ich meine die Studenten ...“ Plötzlich war sein Gehirn leer. Ein schwarzes Loch. Unendlich.

Um irgendetwas zu tun, schrieb er die Zahlen ab. Sein Gefühl sagte ihm, dass sie untereinander stehen mussten. Während die Kreide über die Wandtafel schrappte, registrierte Oliver, wie das Gemurmel der Erleichterung in der Klasse erstarb. War er auf dem Holzweg? Seine Finger schwitzten und hatten Mühe, das Kreidestück zu halten. Unter seinen Achseln bildeten sich Rinnsale.

„Und nun?“ Sass tippte mit dem Zeigestock auf die Zahlen. „Was gedenkt der Herr damit zu tun?“

Oliver besserte mit dem angefeuchteten Zeigefinger einige Ziffern aus. „Abziehen ...?“ Die Antwort klang eher wie eine Frage.

„Nur zu, junger Mann.“ Der Lehrer verzog das Gesicht. „Ich nehme an, du meinst subtrahieren. Immerhin eine mathematische Operation. Aber so kommst du in den negativen Bereich. Grob geschätzt hätten wir dann hunderttausend unter Null. Negative Einwohner. Mal was anderes.“

Jemand kicherte verhalten.

Oliver starrte auf die Zahlen. Suchte in seinem Gehirn nach einer Lösung. Also doch nicht abziehen? Aber addieren ergab auch keinen Sinn. Er spürte Schweiß auf Stirn und Nacken und schielte unauffällig zur Uhr. Es musste doch gleich läuten. Sass konnte ihn doch nicht die ganze Pause mit dieser bescheuerten Aufgabe quälen!

„Auf dem Zifferblatt findest du die Lösung nicht“, bellte der Oberstudienrat. Dann seufzte er genervt und wandte sich an die Klasse. „Wer löst dieses Spatzenhirn ab?“

1

Zuerst leuchtete nur ein rötlicher Punkt, den niemand bemerkte.

Die meisten Menschen in der Göttinger Innenstadt schliefen bereits oder bereiteten sich auf die Nachtruhe vor: Sie putzten Zähne, schminkten Augen ab, betätigten Toilettenspülungen.

Auf den Straßen bewegten sich in dieser kalten Januarnacht nur noch ein paar Jugendliche, die den unvermeidlichen Heimweg aus der Disco antraten, und die wenigen Menschen, die aus beruflichen Gründen unterwegs sein mussten. Am Taxistand neben dem Alten Rathaus brummten die Dieselmotoren zweier Fahrzeuge, um die Innenräume warm zu halten, in denen die Fahrer dösten und auf das Ende ihrer Schicht warteten. Hin und wieder stieg einer von ihnen aus, umrundete sein Auto, streckte sich, gähnte und verkroch sich wieder ins Innere des warmen Fahrzeugs.

Kenan Muluzi mochte den Winter nicht. Es war lange her, seit er in Deutschland den Schnee bewundert hatte, den es in seiner Heimat nicht gab. Gewiss, die Landschaft war hübsch anzuschauen, wenn sie ein weißes Kleid trug, besonders in Verbindung mit strahlendem Sonnenschein und einem blauen Himmelszelt. Doch solche Tage waren selten, und für seinen Job als Taxifahrer war der Schneematsch auf winterlichen Straßen eher hinderlich. Außerdem weichten beim Laufen die Schuhe durch, und man bekam nasse Füße. Und Kenan Muluzi ging immer zu Fuß, wenn er kein Taxi fuhr, denn er konnte sich kein eigenes Auto leisten.

In Nächten wie diesen träumte er von der Sonne seiner Heimat und von jenem Tag, an dem er nach Hause zurückkehren würde. Er konnte sich die Sonnenstrahlen so gut vorstellen, dass er glaubte, ihre Wärme auf der Haut zu spüren.

Kenan blinzelte unwillkürlich gegen das tanzende Licht vor seinen Augen. Auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. War es ihm gelungen, den Traum in die Wirklichkeit mitzunehmen?

Er riss die Augen auf. Vor ihm flackerte ein realer Lichtschein, breitete sich aus, leuchtete heller, warf feurige Arme nach allen Seiten, stieß Stichflammen in den nachtschwarzen Himmel.

Plötzlich war Kenan hellwach. Brannte dort ein Feuer? Über der Stadt? Unmöglich! Hastig kletterte er aus dem Wagen, sprang zum Taxi seines Kollegen, riss die Fahrertür auf.

„Sieh mal, da brennt was!“, rief er und zeigte nach oben.

Quälend langsam verließ der Kollege sein warmes Taxi. „Was soll ‘n da brennen, Alter? Spinnst du?“

Kenan stürzte schon wieder zu seinem Wagen und drückte die Ruftaste am Funkgerät. „Ruf die Feuerwehr“, rief er ins Mikrofon, „hier brennt es! Der Kirchturm! Ja, ein Turm von der Johanniskirche!“

Der Kollege in der Zentrale schwieg einen Moment, dann fragte er vorsichtig: „Kenan, bist du das? Bist du sicher? Der Turm der Johanniskirche?“

„Oh, Mann, wenn ich es doch sage!“ Der Taxifahrer stöhnte. Jemand tippte ihm auf die Schulter. „Lass gut sein. Ich rufe die Feuerwehr an.“ Sein Kollege hatte bereits das Handy am Ohr und gab die Meldung durch.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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