Johannisnacht auf der Alhambra - Elke R. Richter - E-Book

Johannisnacht auf der Alhambra E-Book

Elke R. Richter

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Beschreibung

In einer Johannisnacht erlebt das Mädchen Sanchita auf der Alhambra die Pracht eines Maurenkönigs und findet einen Schatz, der das Leben ihrer Familie verändert. Der Journalist Sebastian reist nach Neuseeland und unternimmt mit einem Hobbit eine gefährliche Wanderung in einer anderen Welt, fernab der vertrauten Realität. Eine Archäologin begegnet auf einem Friedhof dem verstorbenen Grafen von Saint Germain und erfährt von seinen Geheimnissen. In China lüftet ein Polizeiagent das Rätsel der verschwundenen Babys. In vierzehn ebenso geheimnisvollen wie spannenden Geschichten entführt uns die Autorin aus dem grauen Alltag in die bunte Welt der Märchen und der Fantasie.

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Seitenzahl: 90

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Inhaltsverzeichnis

Johannisnacht auf der Alhambra

Das Wiedersehen

Der Jadedrachen und das Mädchen

Der zufriedene Jakob

Der Baumeister und das Krokodil

Ungewöhnliche Reise in Neuseeland

Wie es weiter ging mit Schneewittchen

Myra und die Schwäne

Vergebliche Liebesmüh

Die Verwandlung

Die große Flut

Die Polonaise

Die Reise zum Horizont

Der Graf von Saint Germain

Literaturverzeichnis

JOHANNISNACHT AUF DER ALHAMBRA

In einer Zeit, als die Mauren schon lange aus Spanien vertrieben waren, versammelten sich die Bewohner der Alhambra zur Sommersonnenwende auf dem Sonnenhügel in der Nähe der Burg und vergnügten sich. Auf dem höchsten Punkt des Berges entzündeten sie ein Feuer und tanzten und sangen. Sanchita, die kleine Tochter des Schreiners Lopez, spielte derweil am Bach mit Kieselsteinen und vergaß die Zeit. Dabei fand sie einen taubeneigroßen schwarzen Stein, der eine geschnitzte Faust darstellte. Er gefiel ihr besonders, sodass sie ihn in ihrer Hand verbarg.

Überglücklich eilte sie zur Mutter, die ihn misstrauisch betrachtete. Ein Bekannter musterte den Fund und sagte: »Das ist ein magischer Stein, der bedeutet Glück für dein Kind.«

Frau Lopez war zufrieden, befestigte das Amulett an einer Schnur und hängte es ihrer Tochter um den Hals.

»Wir gehen bald nach Hause«, ermahnte sie Sanchita, »geh nicht zu weit weg.«

Das Mädchen lauschte eine Weile den Geschichten von der Alhambra und dass es unter der Erde noch den alten Palast vom König Baobdil geben sollte. Heimlich stahl sie sich abermals fort, um sich das Loch anzusehen, wo es angeblich spukte. Als sie sich wieder umdrehte, da waren alle, ihre Eltern und Freundinnen verschwunden. Der Vollmond stieg hinter der Burg auf und sie machte sich rasch auf den Heimweg.

Die Uhr vom Wachturm der Alhambra schlug gerade Mitternacht. Da sah sie einen Reiterzug den Berghang herabkommen und zum Haupttor ziehen. Vorn waren die Standartenträger, dahinter maurische Krieger mit Lanzen und Schilden bewaffnet. Die Pferde bäumten sich auf, ihre Hufe machten jedoch kein Geräusch. Unter ihnen ritt die Gotenprinzessin auf einem Schimmel, prächtig gekleidet, eine Krone auf den blonden Haaren. Die junge Dame hatte einen müden und traurigen Gesichtsausdruck.

Vor den Würdenträgern ritt auf einem Rappen der letzte Maurenkönig Baobdil, bekleidet mit seinem Krönungsmantel und der juwelenbesetzten Krone auf dem Kopf. Ihm folgten die Soldaten, teils auf Pferden, teils zu Fuß. Die Prozession glich einem Gespensterzug, denn die Menschen waren bleich.

Sanchita folgte dem Festzug, der durch das offene Tor verschwand. Verwundert bemerkte sie in dem großen Loch in der Erde, wo sie vorhin hineingespäht hatte, Treppenstufen. Sie führten hinunter in einen Felsengang, durch den sie in einen herrlichen Saal gelangte, dessen Boden und Wände mit Teppichen bedeckt waren.

Auf einer Ottomane saß ein alter Mann mit einem weißen Bart. Er schlief, sein Haupt mit den langen schlohweißen Haaren nickte ständig hin und her und seine Hände, die einen Stab umklammerten, zitterten. Nicht weit von ihm entfernt saß die schöne Prinzessin, gekleidet in ein kostbares Gewand. Die Locken waren mit Perlen durchflochten, auf dem Schoß hielt sie eine silberne Leier. Mit einer goldenen Kette war sie am Boden gefesselt. Die Melodien, die sie der Leier entlockte, versetzten den Alten in einen Schlummer. Als Sanchita die Halle betrat, schaute die Dame auf: »Ist heute die Johannisnacht?«

»Ja«, antwortete das Mädchen.

»Komm zu mir und berühre mit deinem schwarzen Stein meine Fesseln. Dann werde ich für eine Nacht frei sein. Diesen Talisman darfst du niemals aus der Hand geben.«

Beim Klirren der Kette erwachte der Greis, aber die Prinzessin griff in die Seiten ihrer Leier. Der alte Mann nickte wieder ein und sank auf den Diwan zurück. Die Frau legte ihm das Instrument ans Ohr, zupfte nochmals an den Saiten und sagte: »Oh Schöpfer der Harmonie, lass ihn schlummern, bis der Morgen anbricht.

Folge mir, Kind. Ich will dir die Alhambra zeigen, so wie sie einst war. Dein Talisman lässt dich all ihre Herrlichkeit erkennen.«

Sie durchquerten Höfe und Hallen, die keine Risse und Flecke aufwiesen. Die Wände waren statt mit Spinnweben mit Seidenstoffen und Damast bedeckt. In den Sälen luden Ottomanen zum Ausruhen ein. Auf niedrigen Tischen stand silbernes Geschirr, an den Decken hingen Kristallleuchter. In den Springbrunnen plätscherte Wasser. Im Löwenhof drängten sich Höflinge und Gesandte. Die Köche bereiteten köstliche Speisen zu, Diener eilten geschäftig hin und her. Im Gerichtssaal saß Baobdil auf einem Thron, umgeben von seinem Hofstaat. Aber trotz aller Geschäftigkeit hörte das Mädchen keinen Laut.

Zuletzt kamen die Prinzessin und Sanchita zu einem Portal, das zu einem Turm führte. Neben dem Tor saßen rechts und links in Alabaster gehauene Nymphen. Die Köpfe schauten auf die Seite und ihre Blicke waren auf eine Stelle im Gewölbe gerichtet.

»Diese Statuen bewachen einen Schatz«, erklärte die Dame, »sag deinem Vater, er soll dort, wo die Blicke zusammentreffen, das Versteck suchen. Aber nur du kannst mit dem schwarzen Stein die Kostbarkeiten herausnehmen. Außerdem soll dein Vater täglich eine Messe für mich lesen lassen, damit ich bald aus der Verzauberung erlöst werde.«

Anschließend führte die Prinzessin das Mädchen in einen Garten, pflückte einen Myrtenzweig und flocht ihn in Sanchitas Haare. »Zur Erinnerung an diese Nacht und dass ich die Wahrheit gesprochen habe.«

Hinter den Bergen kündigte ein blasser rötlicher Lichtschimmer die aufgehende Sonne an und die Dame verschwand. Das Mädchen wanderte durch die Hallen und Höfe zurück zur Wohnung ihrer Eltern. Jegliche Pracht von Boabdils Hofstaat war verschwunden. Sanchita suchte ihre Kammer auf, legte den Myrtenkranz unter ihr Kopfkissen und schlief ein.

Spät am Morgen erwachte sie und lief zu ihrem Vater. Erst schimpfte er sie aus, weil sie nicht mit ihnen heimgekommen war. Als sie ihm von den nächtlichen Erlebnissen erzählte, meinte er verärgert:

»Was du nur geträumt hast. Das kann nicht sein.«

Da holte das Mädchen den Myrtenkranz, dessen Zweige aus Gold und die Blätter aus Rubinen und Diamanten waren. Der Vater erkannte, dass seine Tochter nicht geträumt hatte, und ließ sich von ihr zu den Nymphen führen. José Lopez war beeindruckt von der kunstvollen Bewachung des Verstecks und kennzeichnete den Punkt in der Mauer, wo sich die Blicklinien trafen.

Den ganzen Tag war der Schreiner beunruhigt, jemand könnte das Geheimnis entdecken. Hinterher schalt er sich, ein Tor zu sein, denn seit Hunderten von Jahren hatten die Figuren in diesem Hof gestanden.

Nachdem abends die letzten Fremden die Burg verlassen hatten und auch die Nachbarn schlafen gegangen waren, kehrte er mit seiner Tochter zu den Nymphen zurück. Dort, wo er das Zeichen hinterlassen hatte, entfernte er aus der Mauer einige Ziegel und legte eine Nische frei, in der zwei große Porzellankrüge standen. Sie ließen sich nicht bewegen, bis Sanchita sie mit ihrem Stein berührte. Wie erstaunt war José, als er die Krüge öffnete. Bis zum Rand waren sie mit maurischen Goldmünzen und Edelsteinen gefüllt.

Er schaffte den Schatz in seine Wohnung. Doch mit dem Reichtum kamen auch Sorgen und Ängste ins Haus. Wie sollte er dieses Vermögen schützen? Niemandem konnte er davon erzählen, andererseits auch nicht viel ausgeben, das hätte nur Räuber angelockt. Herr Lopez wurde wortkarg, seine Fröhlichkeit schwand dahin und seine Freunde zogen sich von ihm zurück. Seine Frau nahm ihm die Entscheidung ab, indem sie dem Pater Alfons die häuslichen Probleme beichtete. So erfuhr dieser von dem Schatz. »Dein Gatte hat sich gegen den Staat und die Kirche versündigt. Wenn du mir aber den Myrtenkranz bringst, werde ich ihn in unserer Kapelle vor dem Bild des heiligen Franziskus aufhängen. Danach ist die Sünde deines Mannes vergeben.«

Frau Lopez war erleichtert. Der Mönch versteckte den goldenen Myrtenkranz in seiner Kutte und wanderte zum Kloster.

Zu Hause erzählte sie José von ihrem Besuch beim Pater. Ihr Mann war wütend, dass sie das Geheimnis ausgeplaudert hatte. »Wir können nur hoffen, dass dein Beichtvater verschwiegen ist.«

Am nächsten Morgen, nachdem José zur Arbeit gegangen war, klopfte es an der Tür und Pater Alfons trat ein.

»Ich habe zum heiligen Franziskus gebetet. Er ist mir im Traum erschienen und hat mich um einen Teil des maurischen Goldes gebeten. Daraus soll ich einen Kelch und einen Kerzenleuchter anfertigen lassen und auf den Altar der Kapelle stellen. Hinfort kann die Familie Lopez in Frieden leben.«

Die Frau bekreuzigte sich, füllte einen Beutel mit Geldstücken und gab ihn dem frommen Mann. Der bedankte sich, ließ die Geldbörse in den Ärmeln seiner Kutte verschwinden und ging mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach Hause.

Als José nach Hause kam und von dem zweiten Geschenk an die Kirche erfuhr, wetterte er erneut und seine Frau beruhigte ihn: »Es ist doch nur ein kleiner Anteil des Schatzes gewesen. Ein anderer hätte viel mehr verlangt.«

In den folgenden Wochen hatte der Franziskaner für arme Verwandte und hungrige Waisenkinder zu sorgen und bat um Spenden für den heiligen Jakobus und unzählige Heilige.

In seiner Verzweiflung fasste José den Entschluss, Granada heimlich zu verlassen, um in einem anderen Ort zu leben. Er kaufte ein Maultier mit zwei Tragtaschen und stellte es in einem Gewölbe unterhalb des Siebenstöckigen Turms ab. Angeblich sollte sich hier vor Mitternacht ein Höllenross aufhalten, das nachts, gefolgt von Teufelshunden, durch die Straßen von Granada jagte.

Tags darauf schickte José seine Frau und Sanchita in ein Dorf einige Meilen vor der Stadt. Am späten Abend belud er sein Maultier mit dem Schatz und führte es vorsichtig den Weg ins Tal hinunter.

Da sie um ihr Seelenheil besorgt war, beichtete die Frau vor der Abreise den Plan ihres Mannes. So versteckte sich der Pater abends im Gebüsch in der Nähe des Torbogens, um für den heiligen Franziskus noch eine Spende zu ergattern. Vom Wachturm schlug die Uhr jede Viertelstunde, die Eulen riefen und in der Ferne bellten Hunde.

Um Mitternacht hörte der Mönch Hufgetrappel und sah die Umrisse eines Rosses, das den Weg von der Alhambra herunterkam. Er rieb sich die Hände, als er sich das überraschte Gesicht Josés vorstellte.

Kaum war das Tier vor seinem Versteck, sprang er heraus und schwang sich mit einem Schwung auf das Pferd. Das Maultier bäumte sich auf, schlug nach den Seiten aus und galoppierte den Berg hinab. Der Pfaffe konnte sich nur mühsam festhalten bei dem Ritt über Felsen, Büsche und Steine. Seine Kutte wurde dabei in Fetzen gerissen, sein Schädel stieß an Äste, Arme und Beine zerschrammten durch Dornensträucher. Als er sich umdrehte, schrie er vor Angst auf, hinter ihm liefen sieben heulende Hunde.

Weiter sprengte das Höllenross in die Stadt hinunter. Vergebens betete der Mönch zu der Heiligen Jungfrau Maria und rief sämtliche Schutzpatrone an. Trotzdem galoppierte das Teufelspferd immer wilder die ganze Nacht durch die Straßen Granadas und die Höllenhunde rannten hinterher. Sämtliche Knochen taten dem Pater weh, denn er musste sich festklammern, um nicht herabzustürzen.

Endlich krähte ein Hahn und verkündete den neuen Tag. Ross und Hunde kehrten um und jagten zur Alhambra zurück. Bevor sie den Turm erreichten, schlug der Gaul aus, warf den Mönch ab und verschwand im Gewölbe.