JOHN ETTER - Verschollen in den Höllgrotten - John Etter - E-Book

JOHN ETTER - Verschollen in den Höllgrotten E-Book

John Etter

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

John Etter - Verschollen in den Höllgrotten Die Erpressung im Zusammenhang mit einem aussergewöhnlichen, in den Höllgrotten gelagerten Whisky und das gleichzeitig aus der Umgebung jener Sehenswürdigkeit verschwundene junge Paar verändern sein Leben. Schon bald wird klar: die beiden Verbrechen hängen zusammen. Aber die kärgliche Spurenlage lässt ihn fast verzweifeln. Wo soll er mit den Ermittlungen beginnen? Wer hat ein Interesse am aussergewöhnlichen Whisky? Oder hat das junge Paar etwas mit der Erpressung zu tun? Wo sind sie? Wer ist die aussergewöhnliche Frau, die sein Herz berührt? Machen Sie sich gemeinsam mit John Etter auf den Weg durch den spannenden Ermittlungsdschungel.

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John Etter

Privatdetektiv

Verschollen in den

Höllgrotten

Mein Name ist John Etter.

Ich will mit jedem Buch einige Ereignisse aus meinem Leben erzählen.

Jedes Buch soll anders werden - nicht mit dem jeweils vorhergehenden Werk vergleichbar. Wie die ersten beiden Bände.

Lassen Sie sich überraschen.

Viele Personen und Ereignisse in dieser Geschichte sind frei erfunden, andere nicht. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind meist zufällig und häufig nicht beabsichtigt.

Kapitel 1: Fall gelöst

John Etter saß ungemütlich in einer Ecke und wartete. Es war dunkel. Nur ein schwacher Lichtschein der Straßenlaterne erhellte das fremde Hotelzimmer im Erdgeschoss. Er saß schon seit über zwei Stunden hier und fragte sich, ob er das Unternehmen nicht langsam abbrechen sollte. Es war eine Falle, aber es schien, als ob der Köder nicht zog. Die Beute wollte sich nicht zeigen, und es wurde immer später. Wieder einen Abend für nichts vorbeiziehen lassen. Doch noch bestand etwas Hoffnung.

Das Handy vibrierte in seiner Hose und er zog es hervor. Bevor er auf das Display achtete, hörte er nochmals in die Dunkelheit hinaus, ob sich jemand dem Hotelzimmer näherte.

Nichts.

Haben zwei vermisste – wie sieht es bei dir aus. Erfolg? Sonst doch besser Aktion abbrechen und zurück ins Büro. Seine Sekretärin führte sich auf wie der Chef der Detektei. Susanne Gehrig war die Perle der Detektei. Scheinbar vierundzwanzig Stunden im Einsatz.

„Mist“, flüsterte er sich selbst zu. Er würde der Aktion noch eine halbe Stunde geben, dann würde er zurück ins Büro fahren. Er hatte sich so auf sein Bett gefreut. Daraus würde wohl nichts werden. In Kürze würde die Veranstaltung unten im Hotel zu Ende gehen und der Mieter des Zimmers würde hochkommen. Dann war es zu spät. Dann wäre die Falle nicht zugeschnappt. Ein lukrativer Auftrag flöten gegangen.

Sein Rücken tat ihm weh und er verspürte langsam Hunger. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bald Mitternacht schlagen würde. Gib mir noch eine halbe Stunde, dann Abbruch, drückte er aufs Display, schickte die Nachricht ab und verstaute sein Handy.

Wahrscheinlich würde es heute nichts mehr. John Etter überlegte, ob er aufstehen sollte, als er ein leises Kratzen am Fenster vernahm. Auf einmal war sein Rücken vergessen und er war hellwach und angespannt.

Eine Weile tat sich nichts und er strengte seine Ohren an, um jedes Geräusch mitzubekommen. Aber er hörte nichts. War es ein Fehlalarm? Er wollte gerade wieder in sich zusammensinken, als ein leichter Luftzug das Zimmer durchstreifte und die Gardinen sich leicht bewegten.

Hatte er seinen Gehörsinn verloren? Sein Herzschlag dröhnte ihm so laut in den Ohren, dass er sicher noch von den Bewohnern des Nachbarzimmers vernommen werden würde. Eine kühle Brise zog über seine heiße Stirn: Das Fenster schien ganz hochgeschoben zu werden.

Dann wurde es dunkler, als sich ein Schatten vor die Straßenlaterne schob. Der Schatten glitt ins Zimmer, schwerelos und absolut geräuschlos.

Ein dunkler Umriss erschien vor dem dunklen Hintergrund, fast unsichtbar und hielt einen Moment inne. Es sah aus, wie ein Schattenspiel, das er als Kind einmal gesehen hatte.

John Etter hielt den Atem an, und war sich sicher, dass ihn alleine sein lauter Herzschlag verraten würde.

Der Schatten sah sich um, orientierte sich und glitt zielsicher auf den Wandsafe zu, der hinter einem Bild angebracht war. Ohne zu zögern, wurde das Bild zurückgeklappt. Die Gestalt holte einen dunklen Beutel hervor und kramte leise einige Gegenstände hervor, mit denen sie sich an dem Safe zu schaffen machte.

Der Zeitpunkt war gekommen.

Etter drückte den Alarmknopf, ein kleines Kästchen, das er bei sich trug. Er alarmierte so die Leute draußen im Gang, die Tür flog auf und die Helfer stürmten herein. Gleichzeitig erhellten alle Lampen das Zimmer.

Die Gestalt fuhr herum und erstarrte, als sie sich den eindringenden muskelbepackten Männern gegenübersah. Sie blickte rasch umher, auf der Suche nach einem Ausweg, den es nicht gab, denn in dem Moment erhob sich Etter aus seinem Versteck und schnitt damit den Rückweg durch das Fenster ab.

Langsam, unendlich langsam, wie betäubt richtete sich die Gestalt auf und hob die Hände über den Kopf.

Seine Leute gingen auf die Gestalt zu, nahmen ihr die Gegenstände ab und drehten die Hände auf den Rücken, um sie mit Handschellen zu fesseln.

Etter ging auf sie zu und gab dem Nächststehenden einen Wink mit dem Kopf. Der griff nach der schwarzen Gestalt und zog ihr mit einem einzigen Griff die schwarze Maske vom Kopf.

Zum Vorschein kam ein junges Gesicht: gut geschnitten, fast hübsch, Mitte zwanzig, männlich, mit dunklem, lockigem Haar, das bis über die Augen fiel. Augen, von einem intensiven grün.

Der Einbruchspezialist war ihnen endlich ins Netz gegangen. Was der Polizei in den letzten drei Jahren nicht gelang, gelang ihm und seinem Team innert zwei Wochen.

Er war schlank, die schwarze Montur betonte jede Wölbung seines Körpers. Seine Füße steckten in schwarzen Füßlingen.

Ein feines Lächeln überzog John Etters Lippen, als er den Schock in den Augen des jungen Mannes erkannte.

Er gab seinen Leuten einen Wink und sie entfernten die schwarze Gestalt mit leicht unnötiger Brutalität. Sie würden ihn der Polizei übergeben und sein Büro würde einerseits das Kopfgeld sowie die Entlohnung des privaten Auftraggebers einsacken.

Er glaubte zwar nicht, dass es einen Eindruck machen würde, aber es würde den jungen Mann schon mal darauf einstimmen, was ihn im Polizeipräsidium erwarten würde; das Polizeipräsidium, welches ein weiteres Mal vorgeführt wurde. Von John Etter – Privatermittlungen. Eine von der Polizei nicht immer gerne gesehene Visitenkarte. John füllte mit jedem gelösten Fall jeweils die Blätter des Landes. Außer von seinen ehemaligen Kollegen, mit denen er während seiner Polizistenzeit eng zusammengearbeitet hatte.

Seine Sekretärin, Susanne Gehrig, war auf dem PR-Gebiet eine Göttin, was man von der äußeren Erscheinung nicht behaupten konnte. Hundertsechzig Zentimeter groß und die gleiche Zahl in Kilogramm. Aber das Aussehen war John Etter egal – sie war ein Profi auf ihrem Gebiet, und seit er sie engagiert hatte, lief sein Laden. Er hatte ein gutes Dutzend freie Mitarbeiter, die er je nach Fall, den er zu lösen hatte, aufbot. Die meisten waren lediglich im Nebenjob Detektive, aber alle waren immer zuverlässig. Heute war die „Bodybuilderarmada“ dran. Er hatte einst ein paar kräftige Leute für einen speziellen Auftrag mit leichten Einschüchterungstendenzen gebraucht und vier Leute aus einem Fitnesscenter dafür angeheuert. Diese vier brauchte er immer mal wieder, wenn Muskelkraft oder Einschüchterung zur Lösung eines Falles beitrugen.

Die aufgebotene Polizei nahm die Spurensicherung auf und und John Etter verlies zufrieden das Zimmer. Nicht ohne überlegenen Blick in Richtung der Kommissare, denen nun nur noch die Fleißarbeit übrig blieb.

Der neue Fall mit den Vermissten musste bis morgen warten, denn jetzt war erst mal Feierabend. Um die Vermissten konnte sich die Polizei kümmern. Er tippte die Erfolgsnachricht noch seiner Pseudochefin, die rund um die Uhr informiert sein wollte, und fuhr nach Hause.

Am nächsten Morgen betrat John Etter das Diebstahlkommissariat der Polizei. Er musste noch den ganzen Schreibkram vor Ort erledigen, denn die Polizei legte Wert auf ausführliche Rapporte. Ihm war es jeweils ein Graus, aber es musste sein und er hatte dabei jeweils Gelegenheit, auf fremdem Gebiet zu spionieren. Der von ihm Überführte wurde gerade ins Vernehmungszimmer gebracht. Der vernehmende Polizist, Bruno Bär, Abteilungsleiter der Kriminalabteilung Diebstahl war ein alter Bekannter und guter Freund und wohl der einzige Polizist, der das Heu auf gleicher Bühne mit ihm hatte. Bär zeigte Etter mit einer Hand an, dass er sich in den Nebenraum des Vernehmungsraums begeben sollte.

Mit unfreundlichen Mienen der dort stehenden Mitarbeiter Bärs wurde er empfangen. Bruno Bär ging alleine ins Vernehmungszimmer, wusste aber seine Mitarbeiter hinter der Glasscheibe als Zeugen und nun auch John Etter.

Der junge Mann trug mittlerweile nicht mehr seine schwarze Kleidung, sondern an deren Stelle einen einfachen Gefängnisoverall. Er saß an einem kleinen Tisch, die Hände vor sich auf den Tisch gelegt in Handschellen.

Er blickte auf, als Bär hereinkam.

Bär ging auf ihn zu:

„Guten Tag. Ich bin Bruno Bär. Ich war gestern Abend bei der Festnahme am Schluss dabei.“

Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche und löste die Fesseln. Der junge Mann ließ die Hände auf dem Tisch liegen, ohne die Handgelenke zu reiben, wie die meisten es tun würden. Er sah Bär ruhig an, sagte aber nichts. Als sie ihn gestern Abend noch erkennungsdienstlich erfassen wollten, machte er keine Angaben zu seiner Person. So wurden ihm lediglich die Fingerabdrücke abgenommen und er wurde mit neuer Kleidung eingedeckt in die Zelle verbracht.

Bär fragte:

„Und wie heißen Sie?“

„Stephan Meier,“ war die Antwort.

Bär schien überrascht. Er hatte gedacht, dass der Gefangene vielleicht auf eisernes Schweigen bauen würde, aber nein, er antwortete korrekt auf seine Fragen.

„Wo wohnen Sie?“

„Im Moment im Hotel Ochsen in Zug.“

Bär kannte das Hotel. Ein recht gutes Hotel, zentral gelegen.

„Seit wann wohnen Sie dort?“, fragte er weiter.

„Seit einer Woche ungefähr.“

„Und wo waren Sie vorher?“

„Ich bin mit der Bahn gereist.“

„Und von wo sind Sie gekommen?“

„Das kann ich nicht sagen. Ich war dort nicht gemeldet. Der Kondukteur hat mich schwarzfahren lassen, weil ich ihn bestochen habe, darum gibt es keine Unterlagen. Und ich will ihn nicht in Verlegenheit bringen.“

Nun wurde es schon interessanter. Es hätte Bär wohl auch gewundert, wenn ein Profi sich so einfach fangen lassen würde. „Und davor, was gemacht?“

„Alles, was einfaches Geld bringt. Ich habe auf dem Bau gearbeitet, als Gärtner, als Poolboy, als Kellner und dann meine besten Fähigkeiten entdeckt.“

„Irgendwelche Belege?“

„Nein. Immer nur bar bezahlt.“

„Haben Sie wenigstens einen Ausweis?“

„Nein.“

„Einen Führerschein?“

„Ich fahre kein Auto.“

Bär griff nach der Hand seines Gegenübers, die locker auf dem Tisch lag. Dieser ließ widerstandslos zu, dass Bär sie herumdrehte und die Handfläche ansah. Sie war mit Schwielen übersät.

Der Punkt ging an den jungen Mann. Natürlich konnten die Schwielen von harter körperlicher Arbeit stammen. Aber Schwielen würde er auch bei einem professionellen Fassadenkletterer erwarten.

Er fragte weiter:

„Sie haben einen leichten Akzent. Sind sie kein Schweizer?“

„Doch, das heißt, ich glaube schon. Aber ich habe schon überall gelebt. Dort, wo ich Arbeit finde, bleibe ich, bis es mich weiterzieht. Ich war vorher lange im Ausland.“

„Wo?“

„Das kann ich nicht sagen.“

„Wo und wann sind Sie geboren?“

„Ich weiß es nicht. Meine Jugend habe ich in Österreich verbracht.“

„Wie alt sind Sie?“

„25 Jahre, glaube ich.“

Bär wirkte leicht säuerlich. Er ließ den Jungen in seine Zelle zurückbringen und schickte seine Leute los ins Hotel, um weitere Erkundigungen einzuholen. Dort musste er sich ja anmelden.

Dann begrüßte er John Etter. „Hallo alter Kamerad, hast mal wieder unsere Arbeit gemacht.“

„Ja, wenn ihr sie nicht macht“, warf John Etter ihm zu. Sie betraten gemeinsam Bärs Büro und Etter musste den Abend Revue passieren lassen. Mit stoischer Ruhe sprach er alle Angaben ins Mikrofon und ging danach mit Bär in die Kantine. In der Zwischenzeit würde der Rapport getippt und er konnte ihn unterschreiben.

Später am Nachmittag berichtete Bär ihm telefonisch, dass die Geschichte soweit zu stimmen schien. Er hatte ein Zimmer im Ochsen. Dort waren seine Sachen deponiert: ein Koffer mit zwei verblichenen Jeans, ein paar T-Shirts, zwei Pullovern, einer Jacke, Unterwäsche. Aber keine Papiere. Jedoch ein großes Bündel Geld, was aus einem Bruch stammen könnte. Die Papiere, die noch an der Rezeption lagen, waren offensichtlich nicht seine und wäre er nicht so spät am Abend angekommen, wäre dies auch aufgefallen. Er legte gleich fünf Zweihunderter auf den Tisch und faselte etwas von geklauter Brieftasche und dass er keine Kreditkarte habe und sich bald darum kümmern würde. Außerdem hatten sie in der Stadt herumgefragt. Der junge Mann war vor einer Woche angekommen und hatte sich in der ganzen Stadt herumgetrieben. Danach ließ er seine Leute den jungen Mann verhören und er sah hinter der Glasscheibe zu. Stephan Meier erklärte, dass er in einer Bar von einem Mann angesprochen worden war, der ihm Geld geboten hätte, wenn er in dieses Hotelzimmer einsteigen würde. Und er hatte ihm erklärt, wie er den Safe würde öffnen können.

Bär habe ihn genau beobachtet. Er sah seine leichte Unsicherheit, gespielt oder echt? Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn der Junge komplett an der Nase herumführte.

Später habe er seine Leute mit Aufträgen eingedeckt: „Ich will wissen, wer er ist. Alle Datenbanken durchsuchen, die wir haben: Fingerabdrücke, DNA, Führerscheine, Einwanderungsbehörde! Er muss doch irgendwann einmal aktenkundig geworden sein. Und ich will, dass ihr allen seinen Aussagen nachgeht. Und dann will ich, dass das Hotel des Einbruchs und die angrenzenden Gebäude überprüft werden. Vielleicht hatte er selbst auch ein Zimmer im Hotel oder einer seiner Komplizen. Oder in der Nachbarschaft. Hat ein Auto auf ihn gewartet? Worauf wartet ihr! Ich will Antworten!“

Dieser Stephan Meier war scheinbar wirklich ein unbeschriebenes Blatt. Es schien, dass er keine Vergangenheit hatte, und nie existierte, bis vor einer Woche, als er ins Hotel Ochsen eingezogen war. Niemand erinnerte sich an einen Fremden, der mit ihm gesehen worden sein könnte.

Die Erkundigungen über das Hotel und die Personen anlässlich des Einbruchs waren schwieriger. Am Abend hatte es eine große Gala gegeben mit einer großen Anzahl hochkarätiger Gäste. Es war eine Veranstaltung des internationalen Unternehmerverbandes gewesen mit vielen auswärtigen Gästen. Diese waren nur teilweise im Hotel gebucht. Dazu waren noch einige wenige lokale Produzenten, die nur abends an der Gala-Veranstaltung erschienen, anwesend.

Auch wenn er sich nicht viel davon erhoffte, ließ Bär sie doch alle überprüfen. Und jetzt kam John Etter wieder ins Spiel. Bär und Etter waren einmal Kollegen und auch heute noch ein gutes Team. Geben und nehmen war für beide eine gute Devise. Sie waren auch privat schon seit ewigen Zeiten gute Freunde.

„Du kennst doch einige der Leute, die auf dem Empfang waren. Kannst du mir ein paar Tipps geben. Du kennst alle, die in unserem Kanton Rang und Namen haben.“

John Etters Stunde schlug. Er konnte wieder mit seinem Wissen über die Menschen auftrumpfen und hatte bei Bär wieder einen Stein im Brett.

„Wer war denn dabei?“

Bruno Bär las eine Liste vor und John murmelte immer wieder: „OK, OK, OK - OK.“ Als die Liste durch war, klärte er Bär über die kantonale Prominenz auf. Viele auf der Liste kannte auch er nicht, handelte es sich doch um einen internationalen Anlass. Aber die Namen, die im Kanton verwurzelt waren, waren ihm alle ein Begriff. Und einige von nationaler Bedeutung kannte er auch.

Bruno Bär konnte so auf der Liste die Spreu vom Weizen trennen und schickte seine Leute zur Spreu.

Er besuchte nur die wichtigen lokalen Größen: Herbert Iten und Frau, Gabriel Galliker und Frau sowie Leo Schmid, der mit seiner Tochter an der Veranstaltung teilgenommen hatte.

Gabriel Galliker war Geschäftsführer der Etter-Distillerie und mit der Tochter des Inhabers verheiratet. Nach dem Besuch bei Galliker, der ergebnislos endete, da diesem weder vor, während, noch nach dem Anlass etwas aufgefallen war, fuhr er weiter zu Herbert Iten, der ein Reiseunternehmen leitet. Der war Ende fünfzig, mit einer wesentlich jüngeren Frau verheiratet und auch ihnen war nichts Verdächtiges aufgefallen. Danach machte er sich auf den Weg zu Leo Schmid. Bär hatte John Etter versprochen, ihn bei diesem letzten Besuch mitzunehmen, da er so wieder zu neuen Kunden kommen könnte. Eine Hand wäscht die Andere, so funktionierte ihre Freundschaft. Und die Familie Schmid war ein ganz großes Kaliber, die bestimmt mal seine Dienste in Anspruch nehmen konnte.

John Etter hatte über den Industriellen gelesen: Er besaß einen Familienbetrieb, der Spielzeuge herstellt und ihn erfolgreich in das einundzwanzigste Jahrhundert geführt hatte, indem er Tradition und Moderne kombiniert hatte. Etter setzte sich in Bärs Wagen und sie fuhren zu dem Stammsitz des Familienunternehmens. Von der modelmäßigen Rezeptionistin ließen sie sich bei der Geschäftsführung anmelden.

Man schickte sie mit einem Aufzug in den obersten Stock. Dort erwartete sie eine riesige Empfangshalle, ausgelegt mit dicken Teppichen, in denen ihre Schritte geräuschlos versickerten. Die Umgebung war wesentlich luxuriöser, als die der beiden anderen Unternehmer, wie Bär anerkennend feststellen musste.

Eine junge Frau hinter einem Büro lächelte sie an:

„Was kann ich für Sie tun?“

„Bruno Bär, Kantonspolizei! Und John Etter. Wir hätten gerne Herrn Leo Schmid gesprochen.” Es war nicht das erste Mal, dass er sich so vorstellte. Bär hatte sich daran gewohnt, im Vorstellungsprozess keinen Fehler zu machen. Die meisten überhörten die Feinheit und dachten sich, dass Etter ebenfalls zur Polizei gehörte. Und da Bär ihm schon einige Gefallen schuldig war, schien dieser Besuch eine gute Gelegenheit, die Waage etwas mehr auszugleichen.

Die Frau lächelte weiter:

„Es tut mir leid, aber Herr Schmid ist nicht im Haus. Vielleicht möchten Sie mit Alina Schmid sprechen, der Juniorchefin?“

John Etter erinnerte sich. Das musste die Tochter sein, die auch auf dem Empfang gewesen war.

„Ja, wenn das möglich wäre.“

Die Frau drückte eine Taste: „Frau Schmid, verzeihen Sie die Störung. Hier sind zwei Herren von der Kantonspolizei, die Herrn Schmid sprechen wollen. Könnten Sie sie empfangen?“

Sie horchte auf die Antwort und sagte dann:

„Gehen Sie bitte durch die Tür da vorne. Frau Schmid erwartet Sie.“

Beide sanken knöcheltief in den Teppich ein, während sie auf die Tür zugingen. Bär klopfte und sie traten ein.

Das Büro dahinter war ähnlich ausgestattet und hinter dem Schreibtisch saß eine junge blonde Frau mit langen Haaren, die in einem strengen Knoten am Hinterkopf zusammengehalten wurden.

Die Frau erhob sich und kam auf sie zu. Sie war groß, mittelschlank und steckte in einem engen Businesskostüm, das ihre Formen aufs vorteilhafteste betonte, ohne aber aufdringlich zu wirken.

Sie hielt ihnen eine Hand entgegen und lächelte sie an:

„Guten Tag. Ich bin Alina Schmid. Kann ich helfen?“

Etter blieb die Luft weg, als sie ihn mit meerblauen Augen ansah. Sie war das liebreizendste Wesen, das er seit Langem gesehen hatte. Nur mit Mühe antwortete er:

„John Etter!“

Sie lächelte schelmisch: „Was hat mein Vater wieder angestellt? Hat er schon wieder ein Ticket wegen falschen Parkens bekommen?“

Bär übernahm. „Wegen falschen Parkens kommt die Kantonspolizei nicht. Sie waren gestern Abend auf der Gala im großen Zelt in Zug?“

Sie zeigte auf eine Sitzgruppe.

„Setzen sie sich bitte. Ja, ich war mit meinem Vater auf einem Empfang der internationalen Unternehmergesellschaft. Warum fragen Sie?“

„Wir überprüfen alle Anwesenden, da in der Zeit im Hotel ein Dieb unterwegs war.“

„Oh!“

Ihr Mund wurde ganz rund.

„Ein Dieb? Meine Juwelen sind aber alle noch da! Gott sei Dank, denn ich trug ein Diadem, das meiner Mutter gehört hat und nur schwer zu ersetzen gewesen wäre. Was ist denn weggekommen?“

„Nichts, wir haben den Dieb auf frischer Tat ertappt.“

„Ach, das ist interessant. Ja, ich erinnere mich, dass die Polizei uns angehalten hat, um unsere Personalien aufzunehmen. Aber ich wusste nicht, warum.“

„Ja, ich wollte wissen, ob Sie oder ihr Vater etwas bemerkt haben.“

Sie dachte nach. „Wann, während der Veranstaltung, oder danach?“

„Davor, danach, während. Haben Sie vielleicht jemanden bemerkt, der sich ungewöhnlich verhielt. Oder ein auffälliges Fahrzeug?“

Sie schüttelte bedauernd den Kopf und eine bezaubernde kleine Haarsträhne löste sich aus ihrem Knoten:

„Nein, aber ich war auch sehr mit meinem Vater beschäftigt. Sie wissen vielleicht, dass er im Rollstuhl sitzt und es benötigt immer eine gewisse Logistik, die mich ganz in Anspruch nimmt. Wir sind gestern Abend gegen acht Uhr hingefahren, mein Vater und ich. Mein Vater geht gerne auf diese Veranstaltungen, aber es ist zu mühsam, wenn sie in einer anderen Stadt sind. Also gehen wir nur, wenn es mit dem Auto erreichbar ist und so nahe wie gestern.“

Bär sah sich um. „Scheint gut zu gehen, Ihr Unternehmen.“

Sie lächelte wieder. „Ja, unsere Spielzeuge gehen gut im Moment. Vor allem, was elektronisch gesteuert werden kann.“

Etter hatte sich endlich wieder gefasst und konnte den Blick von ihr lassen. Dann deutete er auf ein Porträt, das hinter ihrem Schreibtisch hing. Es zeigte einen gut aussehenden, älteren Mann sitzend und hinter ihm standen ein junger Mann und ein Mädchen. Das Mädchen hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Alina, obwohl es mindestens 15 Jahre jünger war.

„Ist das Ihr Vater?“

„Ja, ist gut gelungen das Bild, aber ich denke, Sie erkennen mich.“

„Ja. Und Ihr Bruder war gestern nicht auf dem Empfang?“

Sie schüttelte immer noch lächelnd den Kopf. Der junge Mann auf dem Bild hatte blonde Haare wie sie und einen Bart. Er schien mindestens fünf Jahre jünger zu sein.

„Mein Bruder Daniel leitet unsere Filiale in Hongkong, wo er auch lebt. Er kommt selten, leider. Sie wissen, heutzutage werden die meisten Spielzeuge aus Kostengründen in Asien angefertigt. Wir mussten mitziehen, wenn wir überleben wollten, auch wenn ich gerne die Produktion hierbehalten hätte. Jetzt lassen wir die Rohprodukte in Hongkong herstellen und hier ist nur noch eine Fabrik, die alles zusammensetzt und drauf schreibt: „Made hier vor Ort. So ist es leider.“

„Ist das legal?“, fragte John Etter, auch wenn die junge Frau ihm mehr gefiel als ihn die Antwort interessierte. Sie hatte Klasse und Charme.

„Ja, das ist es, solange der letzte Arbeitsschritt hier stattfindet und der Teuerste ist. Warum, wollen Sie mich festnehmen?“

Sie hielt ihm ihre Hände demonstrativ entgegen, so als sollte er Handschellen darumlegen. Er nahm die Gelegenheit wahr und nahm ihre Hände in seine:

„Vielleicht sollte ich das, dann kann ich Sie wiedersehen.“

Sie entzog ihm ihre Hände und sagte: „Das können Sie auch so. Sie dürfen mich heute Abend zum Essen einladen und dann erzählen Sie mir alles über Ihren Bösewicht. Denn jetzt muss ich leider weg, ich habe eine Besprechung. Holen Sie mich um zwanzig Uhr ab, dann kann ich Ihnen auch meinen Vater vorstellen. Aber ich versichere Ihnen schon jetzt, dass er nicht in der Lage ist, irgendwo einzusteigen, um etwas zu stehlen, es sei denn, jemand hebt ihn herein.“

Sie neckte ihn und es gefiel John Etter. Bär verfolgte das Geschehen mit perplexem Blick. Aber ein solches Date würde ihm vielleicht auch weitere Erkenntnisse bringen und so mischte er sich nicht weiter ein.

John Etter und Alina Schmid verabredeten sich. Sie überreichte ihm ihre private Visitenkarte, dann verließen die beiden Freunde gemeinsam das Gebäude. Bruno Bär ging zurück ins Präsidium. John Etter, der sich normalerweise von Verdächtigen fernhielt, verwarf den Gedanken, dass sie verdächtig war, denn sie war immerhin den ganzen Abend bei der Veranstaltung gewesen und ihr Vater wohl auch.

Und das Zimmer war das Zimmer seines Auftraggebers. Eine Verbindung zwischen seinem Auftraggeber und dem Auftraggeber des Einbrechers würde die Polizei schon noch finden. Für ihn war dieser Fall erledigt. Außer das Date mit Alina natürlich. Dieses würde er aber nicht auf die Spesen nehmen. Seine rote Zora namens Susanne Gehrig musste nicht alles wissen.

Kapitel 2: Ein neuer Fall?

Kaum zurück im Büro, läutete das Telefon und Susanne erklärte ihm, dass ihn ein Gabriel Galliker suche.

„Scheinbar habe ich irgendwo Eindruck hinterlassen“, flüsterte er sich selbstzufrieden zu, lehnte sich zurück und hörte, was ihm der Geschäftsführer der Etter Distillerie zu erzählen hatte. Der Name war ihm von der Liste von Bruno Bär her bekannt. Er war auch ein Besucher der Gala der Unternehmer.

„John Etter.“

„Herr Etter. Hier ist Gabriel Galliker von der Distillerie Etter Söhne AG, grüezi. Wir haben ein Problem. Da ich bei der Polizei niemanden außer den Herrn Bär kenne, der gestern bei mir war und ich in der Zeitung von heute den Bericht über sie gelesen habe, habe ich mir erlaubt, sie anzurufen.

Wie um Himmels willen hatte Susanne es wohl schon wieder geschafft, dass, kaum war der Fall für ihn erledigt, ein Artikel darüber prominent erschien? Er würde sie mal fragen müssen. Vielleicht war sie ein verkleideter Harry Potter. Woher hatte sie diese Pressekontakte?

„Schon gut, um was geht‘s?“, antwortete John Etter knapp.

„Wie Sie vielleicht wissen, stellen wir diverse Frucht- und Edelbrände her, haben jedoch seit ein paar Jahren auch einen Singlemaltwhisky im Programm.“

„Ja, ich weiß, ich habe davon schon an der Zuger Herbstmesse gekostet und gekauft. Und mehrfach nachgekauft. Herrlich. Und was ist nicht gut mit dem Whisky?“

„Wir werden erpresst. Unser Whisky soll verunreinigt werden, wenn wir nicht bezahlen. Bin ich bei Ihnen richtig?“

„Ja, darum kümmern wir uns auch. Ich mache mich gleich auf den Weg. Sind sie im Büro?“

„Ja, Sie wissen wo?“

„Ja klar, welcher Zuger weiß nicht, wo sich ihre Distillerie befindet. Und ich heiße ja auch noch gleich mit Nachnamen. Nicht verwandt und nicht verschwägert, aber trotzdem … Haben sie die Erpressung bereits bei der Polizei gemeldet?“

„Unsere Sekretärin versucht seit einer halben Stunde erfolglos einen zuständigen Beamten zu erreichen, darum versuche ich es zuerst bei Ihnen.“

„Das ehrt mich, aber ich gebe ihnen die Direktnummer von Bruno Bär. Versuchen Sie diese Nummer zuerst. Ich werde mich morgen früh bei Ihnen melden und ich kann Ihnen dann meine Dienste anbieten, wenn sie dies noch wünschen.“

Gabriel Galliker war überrascht, dass sein Gegenüber am Telefon nicht sofort auf den Auftrag einstieg. Er konnte ja nicht wissen, dass das anfängliche Zögern zur Taktik von John Etter gehörte. Das war ein erster Vertrauensbeweis seinerseits. In diesem Business war das Vertrauen wichtiger als das Geschäft. Denn das Vertrauen war der Grundbaustein für eine optimale Zusammenarbeit. Und John hatte so auch noch etwas Zeit, sich ausführlicher über die Firma zu informieren.

„Das werde ich gerne tun. Aber ich bin überzeugt, dass wir sie auch trotz der Mitarbeit der Polizei brauchen können. Bei uns heißt das zurzeit: Qualität und der Name sind Geld und der Whisky muss auf alle Fälle sauber bleiben und bewacht oder was auch immer.“

„Gut, Herr Galliker. Ich melde mich morgen früh. Sie werden heute mit der Polizei noch genügend Zeit verbringen. Um welche Zeit sind sie im Büro? Ist sieben Uhr zu früh?“

„Nein, kein Problem. Um sieben Uhr im Büro. Ich nehme sowieso nicht an, dass ich gut schlafen werde.

John Etter legte den Hörer auf die Gabel des altmodischen Telefons. Auf dieses Teil war er besonders stolz, sah es doch so aus, wie in alten Filmen, war aber mit der modernsten Technik bestückt.

„Susanne, zur Firma Etter geh ich morgen früh. Was war mit der Entführung, die du mir gestern noch per SMS mitgeteilt hast?“

„War etwas aus dem Polizeifunk. Dachte, es könnte dich interessieren. Ein junges Liebespaar ist in oder bei den Höllgrotten scheinbar verschwunden.“

„Soso, Polizeifunk, wie in alten Tagen, aber mit modernsten Mitteln. Du bist mir ja ein Früchtchen. Dir ist nichts heilig genug, um mich mit Arbeit einzudecken. Hast du schon mehr dazu gehört?“

„Nein leider noch nichts“, rief sie um die Ecke und erschrak, als sie bemerkte, dass John Etter gleich hinter ihr stand und über ihre nackten Schultern auf den Bildschirm ihres Computers sah.

„Mein Gott, spiel hier doch nicht den unhörbaren Ermittler. Ich habe mich fast zu Tode erschreckt“, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war ein kleines Spielchen zwischen den beiden, sich unbemerkt an sie anzuschleichen und sie zu erschrecken. Ihm gefiel die rote Hautfarbe, die sich dann schlagartig über ihr Gesicht ausbreitete und es fast so leuchtete wie ihr rotes, langes Haar, das sie zu einem Zopf nach hinten gebunden hatte.

„Du wirst mir eines Tages dafür dankbar sein. Dein Herz ist auf alle Fälle gut trainiert. Dank mir!“

„Jaja, schon gut. Ich geb dir durch, sobald ich mehr darüber weiß. Aber vermutlich sind die beiden schon wieder gefunden worden, wie meist bei jungen Liebespärchen. Die haben sie irgendwo vergnügt und die Zeit vergessen. Kennen wir doch alle.“

John Etter sah sie an, grinste und versuchte, seine Gedanken nicht in seinem Gesichtsausdruck aufzuzeigen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Frau jemals etwas mit einem Mann gehabt hätte. Aber, stille Wasser sind tief und sie sprach wirklich nie über ihr Privatleben, falls sie überhaupt eines hatte. Sie war wirklich die Perle seiner Unternehmung.

Alle kleineren Fälle koordinierte sie selbstständig mit den freien Mitarbeitern. Meist waren dies Überwachungsaufträge von gehörnten Ehemännern oder Ehefrauen, die es genauer wissen wollten. Hierbei ging es immer nur ums Beobachten, im richtigen Moment fotografieren und alles schriftlich niederschreiben. Seine Agentur nahm für die Vermittlung solcher Aufträge jeweils 30 % der Summe, die den Ermittlern bezahlt wurde und Susanne kontrollierte diese Abrechnungen wie ein Adler. Manchmal machte sie sogar nächtliche Kontrollbesuche bei den Ermittlern unterwegs, um festzustellen, ob sie wirklich ihre Arbeit richtig machen. Es waren keine freien Mitarbeiter mehr verfügbar, die diesen Anforderungen nicht nachkamen. Dafür hatte sie gesorgt. Die Perle. Die Perle, die dafür gesorgt hatte, dass die Detektei John Etter innert Kürze zur Nummer eins in der Region geworden war.

Kapitel 3: Höllgrottengetränk

Am nächsten Morgen war John Etter blendender Laune. Der Abend war wunderbar gelaufen. Er hatte Alina, wie er sie nun nennen durfte, in ihrer Villa abgeholt. Sie hatte ihn ihrem Vater vorgestellt. Er war um die siebzig, aber gut aussehend und imposant. Seiner Ausstrahlung tat es keinen Abbruch, dass er im Rollstuhl saß.

Die Villa war im selben Stil gehalten, wie das Büro: modern, imposant und stilsicher. Nach der kurzen Vorstellungsrunde verließen die beiden den älteren Herrn in Richtung The Blinker, ein Restaurant im Industriegebiet einer Nachbargemeinde. John kannte das Restaurant gut, lud er häufig Kunden hierhin ein. Von außen war es unscheinbar oberhalb einiger Verkaufsräume einer Automarke in der Nähe einer Kreuzung. Daher kam der Name The Blinker. Der Blinker nannte sich selbst das flexible Lokal für Gäste, Business und Feste. John war der Standort genehm, denn es gab immer genügend Parkplätze und die Küchenchefin legte sich immer voll ins Zeug. Wenn er sich mit Kunden hier aufhielt, die das Restaurant nicht kannten, konnte er immer sicher sein, dass sie begeistert waren.

Hubert Erni, der den Laden mit gutem Gespür für die Gäste managte, kannte John nun auch schon einige Jahre und war überrascht, ihn in Begleitung einer Frau zu begrüßen. In Damenbegleitung war er schon des Öfteren hier, aber immer nur am Mittag und so wie es schien, immer zu Geschäftszwecken. Diese Dame kannte er auch, war sie eine der zukünftigen Erben der Schmid-Unternehmungen und ab und zu schon Gast in seinem Haus.

Zur Vorspeise bestellte sich Alina eine Spargelcremesuppe mit Crabmeat Wonton und Zitronenquark. John entschied sich für einen kleinen Caesars Salad. Zur Hauptspeise ließ sich John mit einem Black Angus Rindsfilet vom Grill mit Pommes Dauphine und Alina mit einem Gunzwiler Bierschweinkotelett mit Safranrisotto und Spargeln verwöhnen. Bei der Weinbestellung fiel die Wahl noch etwas schwerer. John liebte die österreichischen Cuvées und Alina liebte die Spanier.

Diesmal entscheide ich und das nächste Mal entscheidest du, hatte sie zu ihm gesagt und so fiel die Wahl auf den Aalto 2014, den John auch liebte.

Sie genossen das Essen und den Wein und sie hatten sich blendend unterhalten. Sie war charmant und witzig und er hatte ihr etwas über den Dieb Stephan Meier erzählt, aber auch von sich und seiner üblichen Arbeit. Sie hatte wenig über sich geredet und sie hatten ihre gemeinsame Vorliebe für Popmusik und Italien entdeckt. Dann erfuhr er noch einige Firmendetails und dass ihr Bruder der eigentlich wichtige Mann im Unternehmen war. Er kaufte interessante Firmen weltweit auf und das Imperium wuchs dank ihm und seinen vielen Ideen immer weiter. Das Firmenkonglomerat bestand im Moment aus rund siebzig Firmen, die allesamt über den ganzen Globus verteilt und erfolgreich waren.

Vor einer Woche sei ihr Bruder in Zug gewesen und habe mit ihrem Vater noch einen neuen Deal abgeschlossen. Sie hatten jetzt auch einen Getränkegroßhändler in Indien aufgekauft und mit diesem noch Großes vor. In den drei Tagen, an denen ihr Bruder da gewesen sei, habe sie ihn nur ein Nachtessen lang gesehen, aber das sei völlig normal gewesen. Am Schluss des Abends hatte Alina John eingeräumt, dass sie vielleicht nochmals mit ihm essen gehen würde. Nur schon der Weinwechselbestellung wegen, wie sie augenzwinkernd meinte.

John Etter sass in seinem Stuhl und träumte vor sich hin. Doch wurde er schnell wieder von der Aktualität ernüchtert. Bruno Bär hatte ihm in der Hoffnung, dass John Etter ihm ein paar weitere Tipps hätte, per Mail Details zum Fall Meier durchgegeben. Alle Untersuchungen der Polizei waren scheinbar fruchtlos geblieben. Dieser Stephan Meier war aus dem Nichts aufgetaucht und dieses Nichts war absolut nicht zu durchdringen. Dann wurde auch ein Anwalt eingeschaltet, der sich als Thomas Gerber vorstellte und verlangte Stephan Meier zu sehen, da er ihn vertrat. Bär sei fast vom Stuhl gefallen. Thomas Gerber war einer der angesehensten Anwälte der Stadt. Warum sollte er einen vermutlich mittellosen Dieb wie Stephan Meier vertreten? Und nach Bärs Wissen hatte Meier nicht telefoniert. Er hätte ihm heute einen Pflichtverteidiger finden müssen.

John Etter rief Bär an. Bär und Etter waren beide Wenigschläfer und es war normal, schon morgens um sechs zu telefonieren. Bär erzählte ihm das Neueste. Es mache keinen Sinn, dass ein solcher Brocken von Anwalt einen unbekannten Einbrecher verteidigen würde.

„Du wirst das schon machen, schließlich habe ich ihn auf frischer Tat ertappt und ihr werdet wohl auch noch herausbekommen, wer der Auftraggeber war. Wem das Zimmer gehört, wisst ihr ja in der Zwischenzeit auch. Da habe ich euren Job ja wieder einmal gut gemacht – gell?“ Das musste einfach sein. John Etters Ego tat das gut.

Und Bruno Bär unterstrich die Worte sogar: „Ja, einen wie dich vermisse ich im Team. Aber immerhin habe ich im Verlauf der Nacht ein schriftliches Geständnis für seinen einfachen Einbruch erhalten. Aber keinen Hinweis auf den Auftraggeber. Wie bist du überhaupt an diesen Fall gekommen?“, fragte Bär nach.

„Der englische Industrielle, der mir den Überwachungsauftrag gab, fühlte sich verfolgt. Nachdem er mit mir Kontakt aufgenommen hatte, konnten wir feststellen, dass er scheinbar überwacht wurde. Er erzählte mir, dass er geheime Dokumente mit dabei hätte über den Verkauf einer seiner Firmen und das Geschäft wäre bereits über die Bühne gegangen. Er hätte viel Bargeld zusätzlich zu der bezahlten Summe als Handgeld erhalten und hätte diese mit dabei. Der einzige Moment, in der das Geld und die Dokumente unbeaufsichtigt waren, wären während der Gala. Da wäre alles im Safe im Hotel. Ja und aus dieser Tatsache haben wir die Falle aufgestellt. Eigentlich nur so auf gut Glück – aber wir haben ihn alles sehr auffällig machen lassen. Die Frage nach dem Tresor, nach Versicherungsbedingungen bei einem allfälligen Diebstahl. Er hatte das alles im Beisein von vielen Gästen im Foyer des Hotels ziemlich laut mit der Rezeptionistin von sich gegeben. Ein allfälliger Dieb hätte es sicher mitbekommen.“

„Danke, wir checken mal die Überwachungsbilder dieser Situation im Foyer. Hast mal wieder einen weitern Stein im Brett bei mir“.

„Was weißt du über den Whiskyfall bei Etter?“, fragte John Etter unvermittelt nach.

„Noch nicht viel, aber warum weißt du schon wieder davon?“

„Ein möglicher Auftrag. Bin um sieben Uhr beim Geschäftsführer.“

„Scheint ziemlich vertrackt. Unsere Spurensicherung ist im Moment gerade in den Höllgrotten. Mehr kann ich leider noch nicht dazu sagen.“ Fast entschuldigend verabschiedete sich nun Bär von John.