John F. Kennedy. Der schwache Präsident - Magdalena Freischlad - E-Book

John F. Kennedy. Der schwache Präsident E-Book

Magdalena Freischlad

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Beschreibung

Der plötzliche Tod John F. Kennedys versetzte die Amerikaner in tiefe Trauer. Die Bestürzung über seine Ermordung war nicht nur in den USA spürbar. Weltweit waren die Menschen ergriffen von dem Tod des jungen und charismatischen Präsidenten, denn er galt weltweit als politische Lichtgestalt und dynamischer Politiker im Weißen Haus. Kennedy wurde durchweg positiv bewertet und gilt bis heute als mutiger und authentischer Politiker, der sich für das Recht der Armen und Diskriminierten einsetzte und in größten politischen Krisen diplomatisches Geschick behielt. Das Bild des strahlenden, charismatischen Präsidenten ist bis in die Gegenwart in den Köpfen und Herzen vieler Menschen verankert. Um jenes Bild von sich in der Öffentlichkeit zu verbreiten, hatte Kennedy sein Leben lang hart und sorgfältig gearbeitet. Doch die Differenz zwischen seinem konstruierten Image und der Person hinter diesem Bild ist groß. Kaum etwas von dem, was er zu sein vorgab, deckt sich mit der tatsächlichen Person. Hinter dem präzis ausgearbeiteten Image des charmant lächelndem John F. Kennedy steckt vielmehr jemand, der durch Betrug, eiskaltes politisches Kalkül und nur mit der Hilfe und dem Geld seines Vaters zum mächtigsten Mann der Welt werden konnte: zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Kurzbiografie beschreibt die wichtigsten Stationen von Kennedys Leben und hinterfragt kritisch unseren Mythos über den amerikanischen Präsidenten. Die Reihe "Geschichte kompakt" bietet einen zeitgemäßen Zugriff auf Themen und Fragen der Weltgeschichte - geeignet für Schule und (Eigen-)Studium, zum Nachlesen, Nachschlagen, Lernen, auf den aktuellen Stand bringen und Bescheidwissen. Mit historischen Fotografien.

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Magdalena Freischlad

John F. Kennedy. Der schwache Präsident

Eine Biografie

Impressum

ISBN: 978-3-86408-137-8 (epub) // 978-3-86408-138-5 (pdf)

Korrektorat: Daniel Kirchhof

© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2012

www.vergangenheitsverlag.de

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Früh übt sich… Der Beginn der Selbstinszenierung

3. Vitamin B

4. Inszenierung eines Helden

5. Erkaufte Macht

6. Präsident der Worte – nicht der Taten

7. The Show must go on…!

Quellenteil

1) Address of Senator John F. Kennedy to the Greater Houston Ministerial Association 12th September 1960

2) John F. Kennedy, Inaugural Address, 20th January 1961

Bibliographie

1. Einleitung

Es war halb zwei Uhr nachmittags als eine Cabriolimousine mit offenem Verdeck durch die Straßen von Dallas fuhr. Entlang des Straßenrands stand eine riesige Menschenmenge, die den Insassen des Wagens euphorisch zujubelte. Als das Auto um eine enge Linkskurve bog, verstummte die heitere Menschenmenge plötzlich. Erschrockene Stille. Ein Schuss war gefallen. Und ein zweiter folgte kurze Zeit später. Blut spritzte. Es war ein furchtbarer Anblick. Die Kugel hatte dem Mann in der Limousine, der nun in die Arme der Frau neben ihm fiel, die Schädeldecke aufgerissen. Noch ehe der letzte Schuss in dieser plötzlichen Stille verhallt war, heulte der Motor der Limousine laut auf. Mit Höchstgeschwindigkeit fuhr sie in Richtung des nächstgelegenen Krankenhauses. Dort angekommen, versuchten die Ärzte durch Wiederbelebungsmaßnahmen den bewusstlosen Mann am Leben zu halten. Doch jede Hilfe kam zu spät. Kurze Zeit später starb der Mann. Es handelte es sich um John F. Kennedy, Amerikas jüngsten Präsidenten. Er war auf seiner Wahlkampfreise in Dallas, Texas, gewesen, als er am Nachmittag des 22. November 1963 in Folge der tödlichen Schüsse in den Armen seiner Frau starb. Und mit ihm starb auch die Hoffnung vieler Menschen. „Für unzählige Menschen“, schrieb der zeitgenössische Historiker Allan Nevins, „schien sich der Himmel plötzlich um die Mittagswende des 22. Novembers 1963 zu verdüstern. Aus dem Leben Amerikas entschwand ein Gefühl der großen Verheißung und die Überzeugung, dass die Zukunft unseres Landes von Ideenreichtum und Hoffnung erfüllt sei; die atemberaubende Anteilnahme an den vor uns liegenden Abenteuern verließ uns.“1 Der plötzliche Tod Kennedys versetzte die Amerikaner in tiefe Trauer. Die Bestürzung über seine Ermordung war nicht nur in den USA spürbar. Weltweit waren die Menschen ergriffen von dem Tod des jungen und charismatischen Präsidenten, denn er galt weltweit als politische Lichtgestalt und dynamischer Politiker im Weißen Haus. Kennedy wurde durchweg positiv bewertet und gilt bis heute als mutiger und authentischer Politiker, der sich für das Recht der Armen und Diskriminierten einsetzte und in größten politischen Krisen diplomatisches Geschick behielt. Das Bild des strahlenden, charismatischen Präsidenten ist bis in die Gegenwart in den Köpfen und Herzen vieler Menschen verankert. Um jenes Bild von sich in der Öffentlichkeit zu verbreiten, hatte Kennedy sein Leben lang hart und sorgfältig gearbeitet. Doch die Differenz zwischen seinem konstruierten Image und der Person hinter diesem Bild ist groß. Kaum etwas von dem, was er zu sein vorgab, deckt sich mit der tatsächlichen Person. Hinter dem präzis ausgearbeiteten Image des charmant lächelndem John F. Kennedy steckt vielmehr jemand, der durch Betrug, eiskaltes politisches Kalkül und nur mit der Hilfe und dem Geld seines Vaters zum mächtigsten Mann der Welt werden konnte: zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

2. Früh übt sich… Der Beginn der Selbstinszenierung

Das Haus der Familie Kennedy befand sich in heller Aufruhr. Bedienstete eilten von einem Zimmer zum nächsten, um allen in dem großen Haus die freudige Botschaft zu überbringen. „Ein Junge war geboren!“ Die Freude der Eltern, Rose und Joseph Patrick Kennedy, war groß. Der Vater trug den nunmehr schlafenden Säugling stolz durch das mehrstöckige Haus in der Beals Street in Brooklyne, Massachusetts. Es war ihr zweiter Sohn, der am jenem Dienstag – es war der 29. Mai 1917 – geboren wurde. Sie gaben ihm den Namen John und, in Anlehnung an seinen Großvater Thomas Fitzgerald, den Beinamen Fitzgerald. Der kleine John Fitzgerald Kennedy war ein prächtiger junger Kerl. Aus ihm sollte einmal eine große Persönlichkeit werden, ganz wie es der Tradition der Familien Kennedy und Fitzgerald entsprach: Die Kennedys waren nämlich wie die Fitzgeralds auch Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aus Irland ausgewandert und hatten sich im Laufe der Jahre aus ärmsten Verhältnissen zu wohlhabenden Familien hochgearbeitet. In kurzer Zeit hatten sie sich im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ als reiche Familien einen Namen gemacht.2

Doch die anfängliche Freude an dem Kind und die Hoffnungen auf einen gesunden, ehrgeizigen und tüchtigen Kennedy-Nachwuchs sollte schon bald gedämpft werden. Denn der kleine John Fitzgerald, der alsbald nur noch „Jack" genannt wurde, gehörte nicht zu der starken und robusten Sorte. Er war ein hagerer, schwächlicher und blasser Junge, der sehr oft krank war. Bereits als er noch ein Kleinkind war, wurde er mehrere Monate von seinen Eltern getrennt, um in einem Krankenhaus zu genesen. Auch in den darauf folgenden Jahren musste er oft für längere Zeit das Krankenbett hüten. Kein Jahr verging, an dem dies nicht der Fall war. Eine Nebennierenrindeninsuffizienz, unter der er litt, hatte nämlich zur Folge, dass er unter Gewichtsverlust und einem allgemeinen Schwächegefühl litt und insgesamt anfällig für Infekte war. Sehr zum Leidwesen seines Vaters. Dieser hatte nicht etwa Mitleid mit seinem Sohn, den die vielen Krankenbettaufenhalte auch psychisch belasteten: Wenn Jack nämlich wie so oft mit hohem Fieber, Schüttelfrost oder anderen Symptomen im Krankenbett lag und draußen auf der Straße die spielenden Kinder aus der Nachbarschaft hörte, hatte dieser oft das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Dann fühlte er sich einsam und ausgeschlossen. Sein autoritär-patriarchalischer Vater interessierte sich jedoch nur wenig für die Befindlichkeiten und Wünsche seines Sohnes. Die vielen Erkrankungen waren in seinen Augen ein Zeichen von Schwäche – und Schwäche galt im Hause Kennedy als eine Untugend. Alles, was zählte, waren Fleiß, Disziplin und harte Arbeit. Gut war eben nicht gut genug. Der Beste, der Schnellste, der Tollste musste man sein. Jacks Mutter, die durch eine mütterlichliebevolle Art der stetigen Druckausübung des Vaters hätte entgegenwirken können, war ebenfalls nicht in der Lage, ihren Kindern ihre Liebe entgegenzubringen. Kein einziges Mal, so hatte Jack einmal gesagt, seien ihr die Worte „ich liebe dich“ über die Lippen gekommen. Es war folglich ein emotionsarmes Umfeld, in der der junge Jack aufwuchs.3

Dabei hatte es Jack in materieller Hinsicht sehr gut: Es war ihm vergönnt, in einer der wohlhabendsten Familien Amerikas aufzuwachsen. Wohl behütet und von zahlreichem Personal umsorgt genoss er ein luxuriöses und unbekümmertes Leben. Es war ein anderes als das der meisten Kinder in seinem Alter. Nach dem großen Börsencrash vom 24. Oktober 1929, dem „schwarzen Donnerstag“, lebten nämlich Tausende von Kindern mit ihrer Familie in größter Armut. Ihre Eltern hatten in Folge der Wirtschaftskrise ihre Jobs verloren und konnten dadurch die Raten für ihre Häuser nicht mehr abbezahlen. Die Folge war, dass sie in notdürftig gebauten Blechhütten wohnen mussten. Manche fanden nur noch unter Brücken Unterschlupf. Um Essen zu bekommen, mussten sie an den immer länger werdenden Schlangen der Suppenküchen anstehen. Von all dem bekam der kleine Jack jedoch nichts mit. Er spielte ausschließlich mit den Kindern anderer gut betuchter Familien. Den Sommer verbrachte er ohnehin ausschließlich gemeinsam mit seiner Familie auf deren sechs Hektar großem, direkt am Wasser gelegenen Anwesen in Hyannis Port.4

Die Familie Kennedy in Hyannis Port im September 1931. Quelle: John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

Während Jack seine Mutter für ihre kalte Art eher verachtete, sehnte er sich nach der Anerkennung seines Vaters – trotz dessen autoritärer Art. Wie sehr hatte er sich gewünscht, einmal ein Lob von ihm zu bekommen. Doch er buhlte vergeblich um die Zuneigung seines Vaters. Dieser hatte nur einen Lieblingssohn: Jacks ältesten Bruder Joseph Kennedy, genannt „Joe“. Jener war ebenso ehrgeizig und fleißig wie sein Vater. Er war stark und groß, der Beste in seiner Schule und der Beste in seiner Sportmannschaft. Er war es auch, der die Kennedy-Tugenden verkörperte. Der hagere, gebrechlich wirkende und schwächliche Jack hingegen besaß diese Tugenden nicht: In der Schule hatte dieser nur mittelmäßige Noten. Im Sport konnte er aufgrund seiner Krankheit keine volle Leistung erbringen. Er hatte ohnehin keinen übermäßigen Ehrgeiz und wollte lieber spielen anstatt zu arbeiten. Der Vater übte zwar mindestens genauso viel Druck auf Jack wie auf seinen Lieblingssohn Joe aus, doch seine Hoffnungen setzte er ausschließlich auf den Erstgeborenen. Jack wusste, dass er für seinen Vater immer nur die Nummer Zwei sein würde – egal wie sehr er sich bemühte. Deshalb suchte er auf anderen Wegen nach Anerkennung. Immer wieder machte er von sich Reden, weil er in der Schule wiederholt Streiche gespielt und sich den Lehrern gegenüber respektlos verhalten hatte. Bei seinen Mitschülern war er wegen seiner ungebührlichen Art sehr beliebt, bei den Lehrern dagegen weniger. Auch wenn er nicht der Lieblingssohn seines Vaters war, so wusste Jack doch, dass dieser alles dafür tun würde, damit aus jedem seiner insgesamt neun Kinder einmal etwas Großes werden würde. Mit diesem Wissen konnte der verwöhnte Jack unbekümmert seine vielen Streiche auf den strengen Privatschulen – es waren natürlich nur die besten Schulen Amerikas – weiterführen. Doch einmal trieb er es zu weit und er wurde von der Schule entlassen. Ein Kennedy-Sohn, der aus der Schule geschmissen wurde? Das durfte es nicht geben! Deshalb setzte Vater Kennedy sämtliche Hebel in Bewegung – immerhin war er vermögend und verfügte über gute Beziehungen. Drei Wochen später drückte Jack wieder die Schulbank.5

Jack lernte noch ein anderes Mittel kennen, wodurch er selbst bei den Lehrern, die er mit seinen Streichen immer wieder zur Weißglut brachte, Sympathien gewann: Sein charmantes Lächeln. Durch seinen Charme sicherte er sich schnell die Zuneigung seiner Mitmenschen und konnte auf diesem Wege die Anerkennung bekommen, nach der er sich so sehr sehnte. Zwar hielt sich Jack für etwas Besseres und ließ andere Menschen gern durch sein herablassendes Verhalten seine soziale und finanzielle Überlegenheit spüren, doch er lernte bald, dass er mehr erreichte, wenn er sein arrogantes Verhalten überspielte. Wie erfolgreich sein gewinnendes Lächeln war, zeigte sich vor allem bei Frauen. Es gab kaum eine Frau, die ihn kannte und nicht von ihm schwärmte und es gab wiederum kaum eine Frau, bei der Jack dies nicht auszunutzen wusste. Die liebevolle Zuwendung, die er sich von seinen Eltern immer gewünscht, aber nie bekommen hatte, konnte er nun in dieser Form kompensieren. Jack lernte auf diese Weise, seine Gefühle und Wünsche zu überspielen und hinter seinem strahlenden Lächeln sein wahres Ich zu verbergen.

Das charmante Lächeln des John F. Kennedy (links) überspielt die familiären Probleme im Hause Kennedy (1948). Quelle: John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston.

3. Vitamin B

„Schluss, aus, vorbei!“, die leidigen Bücher wurden in eine Ecke des Zimmers geschmissen. Die Schuluniform in die Mülltonne gestopft. „Nie wieder Schule!“- erleichtert war er, der achtzehnjährige Jack, dass er dieses strenge und müßige Schulumfeld nun nie mehr erleben müsse. Vor ihm lag eine neue Zeit, neue Abenteuer standen bereit und auf diese begann er sich sogleich vorzubereiten. Ein Hemd nach dem anderen legte er in den großen braunen Koffer, der ihn in den nächsten Monaten begleiten sollte. Er war kaum achtzehn Jahre alt, als er sich auf den Weg in die weite Welt machte: einmal über den großen Teich nach England. Dort hatte er die Möglichkeit, an der prestigeträchtigen London School of Economics zu studieren. Freilich waren seine mittelmäßigen Noten nicht gerade eine Eintrittskarte gewesen. Doch sein Vater zog weiterhin im Hintergrund die Strippen und hatte ihm so einen Studienplatz ermöglich. Der junge Kennedy freute sich auf die bevorstehende Reise. Jedoch weniger auf das Studium als vielmehr auf die neuen Abenteuer und Möglichkeiten, die ihn in dem Land, das ihn so sehr faszinierte, erwarteten.