John Sinclair 1966 - Logan Dee - E-Book

John Sinclair 1966 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Jessika fröstelte, als sie die Fassade des heruntergekommenen Luxushotels betrachtete.

Für das Rendezvous hatte sie sich extra sexy angezogen. Sie trug einen extrem kurzen Lederrock und eine viel zu dünne schwarze Strumpfhose. Unter der Jeansjacke lugte der Saum einer luftigen Seidenbluse hervor.

Aber nicht deshalb fror Jessika, sondern es war die Aura des verlassenen Gebäudes, die ihr plötzlich eine Gänsehaut bescherte ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Horror-Hotel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2766-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Horror-Hotel

von Logan Dee

Jessika fröstelte, als sie die Fassade des heruntergekommenen Luxushotels betrachtete.

Für das Rendezvous hatte sie sich extra sexy angezogen. Sie trug einen extrem kurzen Lederrock und eine viel zu dünne schwarze Strumpfhose. Unter der Jeansjacke lugte der Saum einer luftigen Seidenbluse hervor.

Aber nicht deshalb fror Jessika, sondern es war die Aura des verlassenen Gebäudes, die ihr plötzlich eine Gänsehaut bescherte …

In der Abenddämmerung spiegelte sich das tiefrote Sonnenlicht in einigen der Fenster. Es erinnerte Jessika an blutige Wunden, die jemand in einen riesigen Körper gerissen hatte. Dabei war es nur ein lebloses Gebäude. Die Ruine des einst glamourösen Grandhotels Roter Stern.

Oben auf dem Dach befand sich noch der rote Stern, der einst mit seinem Licht weit in die Leipziger Nacht hineingeleuchtet hatte. Er war längst erloschen. Allein die noch immer prunkvolle Fassade zeugte von einstigem Luxus.

Jessika mochte sich nicht vorstellen, wie verwahrlost es drinnen aussehen musste. Nun, sie würde es ja gleich erfahren.

Während sie noch überlegte, ob sie der Einladung wirklich folgen sollte, glaubte sie, im vierten Stock hinter einer der Scheiben eine Bewegung zu sehen. Ein dunkler Schatten, der blitzschnell wieder davongehuscht war.

Jessika zuckte zusammen, fasste sich jedoch wieder. Vielleicht war das ja Mark gewesen. Wer sonst? Nein, sie würde jetzt nicht kneifen. Sie würde ihm zeigen, dass sie genauso cool war wie er.

Sie wusste zwar nicht genau, ob er wirklich hinter der geheimnisvollen Einladung steckte, die sie heute Morgen in ihrem Rucksack gefunden hatte, aber sie hoffte es. Mark musste sie in der großen Pause dort hineingetan haben. Und zwar so, dass sie die Karte gar nicht übersehen konnte.

Die Vorderseite zeigte eine Abbildung des Hotels. Auf der Rückseite standen in Druckschrift die Worte: Liebe Jessika! Ich würde mich freuen, mit dir heute Abend um sieben im Hotel Roter Stern zusammen sein zu dürfen. Mark.

Die geschraubte, etwas altertümliche Wortwahl passte zu Mark. Er war ein seltsamer Typ. Groß, schlank, und mit seinem markanten Gesicht verdammt gut aussehend. Die schwarzen Haare trug er schulterlang. Er war ein Gothic und kleidete sich ausschließlich in Schwarz, schmückte sich mit bizarren Piercings und lachte nie. Dafür trieb er oft genug mit seiner Redekunst die Lehrer in den Wahnsinn.

Sie wusste, dass einige ihrer Freundinnen in Mark verknallt waren. Aber er hatte sie alle abgewiesen. Er war in dieser Hinsicht unnahbar. Wahrscheinlich hielt er sie alle für zu spießig. Jessika eingeschlossen. In den Pausen stand er meistens mit einem Grüppchen anderer Gothic-Freaks in einer düsteren Ecke auf dem Schulhof herum, oder er war gar nicht zu sehen.

Entschlossen verließ Jessika den Bahnhofsvorplatz, überquerte die Straße und lief auf das Hotel zu. Die denkmalgeschützte Fassade ragte vor ihr auf. Jetzt, wo sie nur noch wenige Schritte von dem Haus trennten, spürte sie die unheimliche Ausstrahlung, die von dem Kasten ausging, geradezu körperlich. Sie musste sich zwingen, nicht wegzulaufen.

Und wenn die rätselhafte Einladung gar nicht von Mark war? Sie hatte versucht, während des Unterrichts mit ihm Blickkontakt aufzunehmen, aber er hatte stets desinteressiert weggesehen. Und nach der Schule war er wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Sie hatte ihn also nicht fragen können, ob er die Einladung ernst gemeint hatte. Und eigentlich hatte sie ihm vorschlagen wollen, sich ganz woanders zu treffen. Warum musste es ausgerechnet dieses leer stehende Hotel sein?

Sie ging einmal auf der Frontseite auf und ab und hoffte, irgendeinen Grund zu finden, das Gebäude nicht zu betreten. Zum Beispiel, indem sie keinen Durchschlupf fand. Ein Bauzaun trennte das Hotel vom Bürgersteig ab, und die Fenster im Erdgeschoss waren ebenso verbarrikadiert wie die Eingangspforte und die restlichen Türen. Trotzdem gingen immer wieder Gerüchte um, dass jemand sich Zutritt verschafft hatte: Diebe, die irgendwelche wertvollen Möbel oder Kupferleitungen darin suchten. Satansanbeter, die dort ihre Schwarzen Messen abhielten. Pennbrüder und Junkies, die ein Dach über dem Kopf suchten.

Daran hatte Jessika bisher noch gar nicht gedacht: dass sie auf jemanden stoßen könnte, der nur darauf wartete, sie zu überfallen … mit ihr zusammen zu sein!

Je mehr sie darüber nachdachte, desto komischer kam ihr die Einladung vor. Mark war zwar etwas seltsam, aber warum hatte er sie nicht persönlich angesprochen? Oder hatte er sie auf den Arm nehmen wollen? Vielleicht hatte er gemerkt, dass sie ihn in den letzten Wochen geradezu angeschmachtet hatte. Oder er zeigte gerade für sie ein paar ganz neue Facetten und wollte sie beeindrucken.

Der Gedanke daran verlieh Jessika wieder etwas Zuversicht. Mit federnden Schritten bewegte sie sich auf die Rückseite des Hotels zu. Mittlerweile war die Sonne ganz untergegangen, sodass Jessika die Fassade noch düsterer erschien. Und wieder glaubte sie, hinter einem der Fenster einen Schatten auszumachen. Diesmal im zweiten Stock. Ehe sie genauer hinsehen konnte, war er auch schon wieder verschwunden.

Zwischen dem Bauzaun entdeckte sie eine Lücke. Gerade groß genug, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Dahinter lag allerlei Unrat. Sie passte auf, dass sie mit ihren Schuhen nicht hineintrat. Die Umgebung ekelte sie an. Sie kam nicht gerade aus einem High-Society-Elternhaus, aber sie war es gewohnt, dass alles blitzblank war. Sie wohnte zusammen mit ihrer Mutter in einem Mehrfamilienhaus am Stadtrand, und dort war auch die Umgebung gepflegter. So gesehen war sie eher ein Landei. Vielleicht war das der Grund, warum Mark sie bisher kaum angesehen hatte.

Die Fassade lag nun vor ihr, sie hätte nur eine Hand ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Aber etwas hielt sie zurück. Sie spürte die Aura, die von dem alten Grandhotel ausging, nun fast körperlich. Und es war kein gutes Gefühl. Der Kloß in ihrem Bauch wurde größer.

Sie hatte niemandem Bescheid gesagt. Ihre Mutter arbeite noch, und Jessika hatte ihr keinen Zettel hinterlassen. So oder so war sie in einem Alter, in dem sie nicht mehr über jeden ihrer Schritte Auskunft geben musste. Ihre Mutter vertraute ihr. Auch in der Schule hatte sie niemandem von der Einladung erzählt. Noch nicht einmal ihrer besten Freundin Mandy.

Jetzt bedauerte sie das. Niemand wusste, wo sie war.

Und niemand wird wissen, warum du niemals mehr zurückkehrst!

Die Stimme war ganz plötzlich in ihrem Kopf. Unsinn, das war keine Stimme, das waren ihre eigenen ängstlichen Gedanken. Kein Wunder, dass Mark bisher nichts mit ihr hatte anfangen können. Und wenn sie weiter hier herumstand und sich nicht hineintraute, würde er nach wie vor denken, dass sie nicht zu ihm passte.

Vor ihr leuchtete etwas auf. Es war eine dünne rote Linie in der Fassade. Und wieder vernahm Jessika die Stimme in ihrem Kopf: Es ist zu spät, aber du kannst jetzt nicht mehr zurück. Ich lasse dich nicht!

Wie hypnotisiert hob sie ihre rechte Hand und fasste nach der Linie. Sie schien unter der Gesteinsschicht zu liegen, aber als sie die Stelle berührte, traf sie ein Schlag. Ihr ganzer Körper erzitterte.

Sie wollte die Hand zurückziehen, aber es ging nicht. Sie schien mit dem Stein verbunden zu sein. Jetzt spürte Jessika auch das Pochen. Es ging von der roten Linie über auf ihre Hand und erfasste ihren Körper. Oder war es doch nur ihr eigener Herzschlag?

Vor ihren Augen begann die dünne Linie zu sprießen, nach rechts und links, nach unten und oben, wie ein nach allen Seiten hin wachsendes Geäst.

Oder wie Blutadern, die das Gebäude durchzogen, und die, warum auch immer, nun nach und nach für sie sichtbar wurden.

Noch immer klebte ihre Hand wie festgewachsen an der Außenwand. Doch der Stein fühlte sich nun warm an, warm und weich, wie etwas Lebendiges.

Angeekelte schrie Jessika, aber auch das löste nicht den Bann.

Voller Panik sah sie sich um, hoffte, hinter dem Bauzaun irgendwelche Passanten zu erblicken. Aber auch der Zaun hatte sich verändert. Ein milchiger Schleier umgab ihn, eine Art Nebel, in dem schattenhafte, verzerrte Gestalten zu sehen waren. Die Schatten schienen von keinen Menschen zu stammen, sondern von Kreaturen, denen Jessika in ihren schlimmsten Albträumen noch nicht begegnet war.

»Hilfe!« Endlich löste sich ein gellender Schrei aus ihrer Kehle.

Wenngleich niemand sie von dem Bürgersteig aus mehr sehen konnte, vielleicht würde sie wenigstens jemand hören.

Es ist zwecklos!

***

Wieder vernahm Jessika die Stimme in ihrem Kopf, und auch, wenn sie sich immer noch einredete, dass sie selbst es war, glaubte sie diesmal ein höhnisches Lachen zu hören, das die Worte begleitete.

Verzweifelt versuchte sie sich loszureißen. Und plötzlich klappte es! Sogar so unvermittelt, dass sie ein paar Schritte zurücktaumelte. In letzter Sekunde fing sie sich wieder. Gerade noch rechtzeitig, um nicht mit dem seltsamen Nebel in Berührung zu kommen. Sie glaubte, ein enttäuschtes Stöhnen zu hören.

Dann betrachtete sie ungläubig ihre Hand. Sie war voller Blut. Als sie den Blick wieder auf das Geflecht richtete, sah sie, dass es nun auch aus der Wand blutete. Wie blutige Tränen liefen ganze Rinnsale die Fassade herab. Was passierte hier nur?

Während Jessika noch fassungslos dastand, spürte sie die Kälte in ihrem Rücken. Erschrocken wirbelte sie herum. Die Nebelwand hatte sich herangeschlichen. Wie ein heimtückisches Gespenst war sie lautlos herangekrochen gekommen. Nur noch ein halber Meter trennte Jessika von den grauenvollen Gestalten, die in dem wabernden Nebel lauerten.

»Nein!«

Sie schrie das Wort hinaus. Gleichzeitig wankte sie zurück, bis sie mit dem Rücken an der Fassade stand. Aber diese fühlte sich anders an als zuvor. Nicht aus Stein, sondern aus … Jessika drehte den Kopf und stellte überrascht fest, dass da, wo zuvor nur die Mauer gewesen war, sich nun eine Tür befand. Sie stand einen Spaltbreit offen.

Ohne lange nachzudenken, sprang Jessika darauf zu. Dabei spürte sie die nebligen Tentakel bereits über ihre Schulter kriechen. Die Eiseskälte lähmte sie fast, aber die Angst überwog das Grauen. Sie übertrat die Schwelle und schaffte es sogar, die Tür hinter sich zuzuwerfen.

Dämmerlicht umfing sie. Kaltes, unwirkliches Dämmerlicht, das ihre Umgebung in ein Schattenlabyrinth verwandelte. Aber wenigstens war sie hier in Sicherheit. Selbst die Kälte war gewichen. Offensichtlich bot das Hotel ihr Schutz und Sicherheit, so unheimlich es auch hier drinnen aussah.

Sie hatte die schrecklichen Tentakel abgeschüttelt! Zumindest waren sie ihr nicht durch die Tür gefolgt. Oder doch? Jessika wandte sich um und hätte fast erneut aufgeschrien. Die Tür war verschwunden!

Ein Schauer erfasste ihren Körper und ließ sie zittern. Die Angst saß plötzlich wie ein dicker Klumpen in ihrem Magen. Das gab es doch nicht! Erst dieser seltsame Nebel, der nach ihr gegriffen hatte, und jetzt eine Tür, die von einem Moment zum anderen einfach nicht mehr da war. Jessika wusste nicht, was schrecklicher war. Alles war wie in einem surrealistischen Traum. Oder war sie schlichtweg dabei, den Verstand zu verlieren?

Nein, für alles gab es eine Erklärung. Eine natürliche Erklärung. Und auch hierfür musste es eine geben.

Trotz ihrer Furcht trat sie vor, bis sie die Stelle, an der zuvor die Tür gewesen war, erreicht hatte. Zaghaft strich sie darüber. Sie fühlte den dicken Stoff einer Tapete, und im Halbdunkel erkannte sie das verschlungene Muster. Die Linien erschienen ihr gleichermaßen dekorativ wie verstörend. Während sie noch darauf blickte, kam es ihr so vor, als würde das Muster sich verändern. Als würden sich die Linien wie Schlangen kringeln und funkelnde Augen sie mit boshaften Blicken verfolgen.

Sie spürte einen schmerzhaften Stich im Zeigefinger und zog rasch die Hand zurück. Als sie in dem Halbdunkel den Finger betrachtete, sah sie das Blut, das daraus hervorquoll. Etwas hatte sie gebissen!

Rasch zog sie mit der anderen Hand ein Taschentuch hervor und presste es auf den pochenden Finger. Das Tuch färbte sich sofort rot.

Das konnte doch nicht wahr sein! Das konnte es einfach nicht geben, dass eine Tapete zubiss! Seltsamerweise war es dieser Gedanke, der einen Teil von Jessikas Angst nahm und sie rational darüber nachdenken ließ, was gerade geschehen war.

Natürlich stammte der Biss oder Stich nicht von der Tapete. Vielleicht hatte sie über einen Nagel gefasst. Oder irgendein Insekt hatte sie gestochen.

Trotzdem wagte sie es nicht, erneut über die Tapete zu streifen, allein schon deshalb nicht, weil sie eine weitere Verletzung fürchtete. Aber zumindest fasste sie den Mut, noch einmal den Blick darauf zu werfen. Sie atmete auf, als alles wieder normal zu sein schien. Das Tapetenmuster schwirrte nicht mehr vor ihren Augen. Und als sie den noch immer pochenden Finger betrachtete, stellte sie erleichtert fest, dass auch die Blutung aufgehört hatte. Na also, alles halb so wild.

Dennoch musste sie irgendeinen Weg hinausfinden. Sie glaubte mittlerweile nicht mehr, dass Mark sich in dem Hotel befand. Spätestens nach ihrem Schrei wäre er sonst sicherlich herangestürzt gekommen.

Doch dann musste sie an die schattenhafte Gestalt denken, die sich hinter den Fenstern gesehen hatte. Oder war das auch nur Einbildung gewesen? Genau wie alles andere?

Sie wusste nicht mehr, ob sie ihren eigenen Sinnen trauen konnte. Umso wichtiger war es jetzt, wieder nach draußen zu kommen. Unter Menschen.

Jessika war kein ängstliches Mädchen. Im Gegenteil, in der Schule und vor allem im Kreis ihrer Freundinnen war sie für ihre vorlaute Klappe bekannt. Und wenn es etwas zu regeln gab, dann übernahm meistens sie das. Seltsam, dachte sie plötzlich, nur bei Mark versagte ihr die Stimme, und sie wirkte schüchtern. Als hätte er sie verzaubert.

Sie konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Sie hatte den Eindruck, dass seit den wenigen Minuten, in denen sie hier drinnen war, die Dunkelheit noch zugenommen hatte. Das Zwielicht hatte sich verdichtet, und darin glaubte sie tanzende Schatten zu erkennen. Aber das war sicherlich nur eine weitere Täuschung, zumal sie nicht den geringsten Laut hörte. Es war sogar ungewöhnlich still. Hätte nicht zumindest der Verkehrslärm von draußen hereindringen müssen?

Sie machte sich zu viele Gedanken, viel zu viele. Entschlossen setzte sie einen Schritt voran. Etwas knirschte unter ihren Sohlen, wahrscheinlich ein Stück Putz, der von der Decke herunter aufs Parkett gerieselt war.

Von dort, wo die hohen Fenster waren, drang noch am meisten Helligkeit herein. Die Fenster waren zwar von außen mit Holzbrettern verrammelt, aber durch die Ritzen zeigte sich hier und da ein Lichtstreif. Sie ging dicht an der Wand entlang, hütete sich aber, noch einmal darüber zu fassen.

Ihr Finger hatte zwar aufgehört zu bluten, aber das Pochen noch nicht.

Allmählich verschaffte sie sich einen Überblick darüber, wo sie überhaupt gelandet war. Der Raum war eher klein und völlig kahl bis auf die luxuriöse Stofftapete, die allerdings in Fetzen von der Wand hing, und das Parkett. Auch dies war zerstört. Ein großer Teil fehlte. Wahrscheinlich hatten irgendwelche Vandalen hier gehaust. Davon zeugte auch das Loch im Boden, das plötzlich vor ihr aufklaffte.

Fast wäre sie hineingestürzt! Es war ihr Instinkt, der sie warnte. Sie verharrte auf der Stelle und wunderte sich über den schwarzen Fleck auf dem Parkett. Erst als sie genauer hinsah, erkannte sie die Falle.

Wer war so verrückt, hier ein meterbreites Loch in den Boden zu schlagen? Ihr Herz klopfte heftiger, als sie sich vorstellte, dass sie dort hätte hineinfallen können.

Sie beugte sich etwas vor. Ein kalter Hauch wehte sie aus der Finsternis an.

Wie tief mochte es sein? Dort unten waren die Kellerräume. Oder ging es noch tiefer hinab? Sie konnte nicht das Geringste erkennen. Nur Schwärze. Wispernde Schwärze. Sie glaubte, ein Flüstern zu hören. Stimmen. Lachen. Oder bildete sie sich das auch nur wieder ein? War es nur der Wind, der durch irgendwelche Ritzen fuhr und diese merkwürdigen Geräusche verursachte?