John Sinclair 2043 - Stefan Albertsen - E-Book

John Sinclair 2043 E-Book

Stefan Albertsen

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Beschreibung

Abe Douglas starrte auf sein Gegenüber, einen blutjungen Mann, der den Blick ohne erkennbare Regung erwiderte. Vor weniger als 24 Stunden war er noch ein alter, grauhaariger Einsiedler gewesen.
"Hast du verstanden, was ich sagte?"
Abe nickte. Sein Atem ging schneller, und ein unangenehmes Prickeln durchströmte ihn.
"Ja, habe ich", gab er mit rauer Stimme zur Antwort. "Du bist Rudy Grenville."
Abe atmete tief durch und starrte auf die Mündung seiner eigenen Pistole, die auf ihn gerichtet war.
"Und du bringst den Tod!"

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EPUB

Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Für immer und einen Tag

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Piotr Szafraniec/Rainer Kalwitz

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5331-0

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Für immer und einen Tag

(3. Teil)

von Stefan Albertsen

Abe Douglas starrte auf sein Gegenüber, einen blutjungen Mann, der den Blick ohne erkennbare Regung erwiderte. Vor weniger als 24 Stunden war er noch ein alter, grauhaariger Einsiedler gewesen.

»Hast du verstanden, was ich sagte?«

Abe nickte. Sein Atem ging schneller, und ein unangenehmes Prickeln durchströmte ihn.

»Ja, habe ich«, gab er mit rauer Stimme zur Antwort. »Du bist Rudy Grenville.«

Abe atmete tief durch und starrte auf die Mündung seiner eigenen Pistole, die auf ihn gerichtet war.

»Und du bringst den Tod!«

Kevin Boyd führte ein Leben, für das andere getötet hätten.

Er war ständig auf Achse, bereiste beinahe die ganze Welt und verdiente dabei eine Menge Geld. Sein wertvollster Besitz war ein Notizbuch, in dem die Telefonnummern wunderschöner Frauen aus den verschiedensten Metropolen standen.

Jede einzelne davon war schon mindestens einmal bereit gewesen, mit ihm auszugehen. Manches Mal hatte sich auch mehr daraus entwickelt. Es mochte ein Klischee sein, aber eines mit einem wahren Kern. Es zog bei der Damenwelt einfach, wenn man sich mit den Worten vorstellte: »Ich bin Pilot.«

Boyd pfiff munter vor sich her, während er den Blick über die Instrumententafel gleiten ließ.

Für die Zeit nach Ankunft in New York hatte er ein Date klargemacht.

Die rassige Samantha – im Notizbuch unter »S« eingetragen – war ein dunkelhäutiger Traum, der seine Brötchen als Unterwäschemodell in Hochglanzkatalogen verdiente. Die Aussicht auf ein Wiedersehen mit ihr hob Kevins Stimmung kolossal.

Er war soeben aus dem hinteren Bereich des Jets zurückgekehrt, wo er eine neunzigminütige Schlafpause gehalten hatte.

An seiner Stelle schlummerte nun Franklin, der Bordfunker, der ansonsten als dritter Mann im Cockpit saß.

»So vergnügt? Hast du so gut geschlafen?«, fragte Frank Alcott. »Oder sind die Träume besonders süß gewesen?«

Der Kopilot grinste ihn an.

»Oh ja, ich hatte ein fantastisches Schläfchen«, antwortete Boyd. Er lehnte sich bequem zurück. Im Moment hatte die Automatik das Kommando über den Business-Jet.

Trotzdem mussten er und Alcott auch, oder gerade, während dieser eintönigen Zeitspanne hochkonzentriert bleiben. Unvorhergesehenes konnte immer passieren. Luft hatte bekanntermaßen keine Balken.

»Ich träumte von dunkler Schokolade, appetitlich verpackt, damit ich sie, bei Gelegenheit, genussvoll auswickeln kann.«

»Ah, der Glückspilz hat ein Date mit der bezaubernden Samantha«, lachte Alcott. »Kevin, du bist unverbesserlich. Wie machst du das? Du siehst nicht einmal übermäßig gut aus.«

Boyd bedachte Frank mit einem scharfen Blick. »Wenn ich dich nicht schon lange kennen würde, wäre ich jetzt stinksauer. Aus dir spricht der blanke Neid.«

Alcott winkte ab. »Wie bitte? Nix da, ich bin glücklich mit meiner Trish. Ich denke eher, du bist es, der neidisch ist.«

Boyd hätte es niemals offen zugegeben, aber Frank lag gar nicht mal so verkehrt. Für eine Frau wie Trish Hunnicutt wäre er sogar bereit gewesen, sein Junggesellendasein an den Nagel zu hängen.

»Okay, okay … schon in Ordnung«, wechselte der Pilot das Thema. »In weniger als drei Stunden landen wir in New York. Du wirst ins Hotel gehen, duschen, dir was zu essen bestellen und vor dem Fernseher einschlafen.« Er zwinkerte Alcott zu. »Ich aber werde …« Boyd ließ unausgesprochen, was er mit Samantha vorhatte.

Ein Zittern durchlief den Sitz des Piloten, der sofort alle Anzüglichkeiten, die ihm durch den Kopf gingen, beiseiteschob.

Vibrationen konnten harmlos sein. Es war aber auch möglich, dass sie auf ernste Probleme hinwiesen.

»Der Flug verlief bislang sehr angenehm. Das wird sich doch nicht etwa ändern?«, unkte der Kopilot.

Die Erschütterungen ließen nach. Boyd setzte ein schiefes Grinsen auf. »Will ich nicht hoffen. Obwohl ein paar Dinge schon etwas merkwürdig sind.«

Alcott wurde hellhörig. »Aha, und welche?«

Der Kommandant deutete über seine Schulter. »Zum Beispiel im First-Class-Bereich. Da sind diese komischen Vögel, die auf den letzten Drücker an Bord kamen.«

»Die drei von Scotland Yard?«

»Genau die. Obwohl … ich glaube, die Frau ist keine Polizistin. Nur die beiden Männer. Ich habe gehört, ein ziemlich hohes Tier hat dafür gesorgt, dass sie noch mitkommen können.«

Alcott verdrehte die Augen. »Wenn der Yard kurzfristig Plätze in Beschlag nimmt – und dann sogar in der First-Class – scheint es irgendwo mächtig zu brennen, was?«

Boyd zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht genau. Ist nicht unser Problem. Wir liefern die Ware nur ab.«

Ein harter Ruck, der das Flugzeug absacken ließ, unterbrach die Unterhaltung.

»Upps … das war heftig«, murmelte der Pilot. Sofort kontrollierte er die Anzeigen.

Luftdruck, Geschwindigkeit, Höhe … alles im Normbereich. Vollkommen in Ordnung.

»War wohl ein kleines Luftloch«, meinte Alcott nach einem Kontrollblick.

Eigentlich sprach nichts gegen diese Annahme, aber da war etwas, was Boyd störte. Er verließ sich in solchen Fällen auf seinen Instinkt.

Und der warnte ihn.

Alcott kannte ihn gut genug, um den nachdenklichen Gesichtsausdruck zu deuten. »Du glaubst, da kommt noch mehr auf uns zu, oder?«

Wie um auf die Frage zu antworten, wurde der Jet erneut durchgeschüttelt. Dieses Mal erheblich stärker und länger.

Als die Vibrationen nachließen, blickte Boyd durch die Frontscheibe. Der Himmel erstreckte sich sonnenhell vor ihm. Beste Sicht oberhalb eines Meeres aus weißen Wolken. Perfektes Flugwetter.

Und doch …

Ein drittes Mal kippte die 737 weg. Es schien, als würde ein unsichtbarer Riese die Nase des Jets packen und runterziehen.

Boyd griff blitzartig nach dem Steuerhorn. Er legte den Daumen auf den Notschalter, mit dem der Auto-Pilot deaktiviert werden konnte. Zu seiner Verblüffung richtete sich Front des Flugzeugs wie von selbst wieder auf.

»Was ist denn da draußen los, verdammt nochmal?«, fluchte Alcott. Er war blass geworden. Schweiß glänzte auf der hohen Stirn. »Jetzt eben dachte ich wirklich: Das war’s.«

Der Flugzeug-Kommandant schüttelte unwillig den Kopf. »Ich habe es so im Urin, dass das nicht alles war«, brummte Boyd. »Ich mache eine Durchsage. Du sprichst dich inzwischen mit den Stewardessen ab. Sie sollen Franklin wecken, falls das nicht schon das Gerüttel erledigt hat. Check danach noch einmal die Wettermeldungen.«

»Roger.«

Der Pilot aktivierte die Sprechanlage.

»Sehr geehrte Fluggäste, hier spricht Ihr Captain …«

***

»… ich bedaure sehr, aber leider hat es einige unvorhergesehene Turbulenzen gegeben. Daher ist es unumgänglich, dass Sie auf Ihren Plätzen bleiben und die Gurte anlegen. Wir werden gleich höher steigen, wo uns hoffentlich eine ruhigere Thermik erwartet. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis.« Ein leises Knistern folgte der Ansage des Kapitäns.

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Suko, der zwei Reihen vor mir saß. Wir brauchten uns nicht abzusprechen. Er bezweifelte ebenso wie ich, dass lediglich Luftlöcher hinter den Erschütterungen steckten.

Unwillkürlich tastete ich nach meinem Kreuz. Das Silber hatte sich nicht erwärmt. Anscheinend waren hier keine schwarzmagischen Kräfte aktiv.

Einen Grund, erleichtert zu sein, gab es dennoch nicht. Bei bestimmten Magien reagierte das kostbare Kleinod nicht. Zum Beispiel, wenn sie aus dem alten Atlantis stammten.

Auf den ersten Blick konnte man meinen, wir befänden uns auf einer luxuriösen Geschäftsreise. Wir saßen in bequemen Ledersesseln, hatten ausreichend Beinfreiheit und die Möglichkeit, uns die leckersten Gerichte servieren zu lassen.

Aber leider trog der Schein.

Wir wurden von einer Frau in die Vereinigten Staaten begleitet, die ein schweres Schicksal erdulden musste. Finstere Mächte hatten ihr bisheriges Leben total auf den Kopf gestellt.

»Alles in Ordnung? Du wirkst auf einmal so angespannt.«

Ich sah nach links, von wo die Stimme erklungen war. Dort saß Chloe Maxwell und blickte mich fragend an.

»Es gibt Angenehmeres, als durch so eine Erschütterung geweckt zu werden.«

Tatsächlich war ich aus tiefem Schlaf gerissen worden. Ich hatte die Zeit während des Fluges nutzen wollen, um meine Batterien aufzuladen.

»Das ist es doch nicht allein?« War es Chloe, die mir Frage stellte oder vielleicht Vrytha? Meldete sich Deborah Arrington zu Wort? Verflixt, es war schwierig, wenn man sich mit einer Frau unterhielt, in der drei Seelen wohnten.

Ich ließ die Geschehnisse, die uns zusammengebracht hatten, noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren.

Professor Morten Lindinger war aus einem monatelangen Koma erwacht. Die Schuld für diesen schlimmen Zustand lag in einer Vision, die den Mathematiker, Suko und mich in die Vergangenheit geführt hatte. Dort hatten wir miterleben müssen, wie die Schwarzen Diener sich gegen Kerrendes, ihren Herrn, aufzulehnen versuchten und einen perfiden Plan ausheckten.1) Mein Partner und ich hatten unversehrt in die Wirklichkeit zurückehren können.

Lindinger leider nicht.

Im Krankenhaus hatten wir den verwirrten Wissenschaftler mit den erbeuteten Seiten aus dem Kompendium von Vrytha zusammengebracht. Ein leuchtender Nebel hatte daraufhin seinen Körper verlassen und sich auf die Blätter übertragen.

Außerdem hatte der Professor einen Begriff genannt, mit dem wir zunächst nichts hatten anfangen können.

Toghan.

Wenig später hatten sich die Ereignisse überschlagen, als Chloe Maxwell, die zufällig zu uns in den Aufzug gestiegen war, mit den Buchseiten in Kontakt kam. In einer magischen Entladung hatten sich die Bögen aufgelöst und waren in ihren Körper übergegangen.

Mittlerweile wussten wir, dass Vrythas Seele sich mit den Buchseiten verbunden und sie in Fragmente zersetzt hatte. Sie war vom Hexer Jeremiah Flynn gerufen und aus einer geheimnisvollen Seelengruft befreit worden, in der sie seit Jahrtausenden gefangen gehalten worden war.

Vermutlich hatte er beabsichtigt, Vrytha zu sich zu holen, um das verlorene Wissen aus dem Kompendium von ihr zu erfahren. Der Plan war gescheitert.

Die Chronistin befand sich nun in Chloe Maxwells Körper und vermochte diesen aus eigener Kraft nicht mehr verlassen. Ihrer beider Seelen waren untrennbar miteinander verschmolzen.

Als wir uns einen Tag später in ihrer Wohnung getroffen hatten, hatte sie, beziehungsweise Vrytha, Licht in die gesamte Angelegenheit bringen können. Sie hatte uns erklärt, dass Toghan der Name eines uralten Kontinents war, von dem sie stammte.

Um uns ihre Geschichte zügig erklären zu können, hatte sie ihre besonderen Kräfte eingesetzt. Wir standen unter Zeitdruck, da Abe Douglas uns in den Staaten erwartete.

Die Chronistin hatte Suko und mich als unsichtbare Beobachter in eine weit zurückliegende Vergangenheit geführt.

Wir wurden Zeugen des Aufstiegs eines charismatischen Mannes namens Kerrendes. Er scharte Vrytha und unzählige Anhänger um sich und erweckte durch Brandreden Fremdenhass gegen die Überlebenden aus Atlantis in der Bevölkerung.

Durch seine Machenschaften konnte er die Absetzung des rechtmäßigen Herrschers erreichen und wurde dessen Nachfolger.

Als neuer Kroagh brachte er Tod, Zerstörung und Verderben über das ehemals blühende Land.

Aber der richtige Donnerschlag traf uns, als wir erfuhren, dass Kerrendes in Wirklichkeit der Schwarze Tod war.

Mit der vollständigen Vernichtung von Atlantis hatte er einst den Zorn seiner Schöpfer auf sich gezogen.

Von den Großen Alten fast aller Macht beraubt wurde er – in einen Menschen verwandelt und ohne Erinnerung – auf die Erde verbannt. Nach jahrelanger Wanderung erreichte er den Kontinent Toghan.

Mit Vrythas Hilfe gewann er sein vollständiges Wissen zurück und wollte die alte Macht zurückerlangen.

Dafür befreite er sogar seine Brüder aus der Vergessenheit, in der sie eine Nichtexistenz führten, seit er sie einst an der Geburt gehindert hatte. Er machte sie zu Sklaven und festigte die Herrschaft über Toghan weiter.

Nur wenig später überbrachte der Höllenfürst Asmodis ein verlockendes Angebot.

Der Schwarze Tod sollte sich der Hölle anschließen. Dafür musste er allerdings alle Verbindungen zu Atlantis abstreifen.

Kurz bevor sich die Großen Alten in ihrem Zorn über seinen Verrat an ihm rächen wollten und Toghan in eine andere Dimension versetzten, machte er reinen Tisch. Er verbannte seine Brüder in Grabkammern.

Den treuesten Diener, Lurion, ernannte er zum neuen Kroagh. Er stattete ihn mit ungeheurer Magie aus und stellte ihm gefährliche Bestien, die Drengars, zur Seite. Danach tötete er Vrytha und kettete ihren Geist an die Seelengruft, wo sie Jahrtausende vor sich hinvegetieren sollte.

Bis Jeremiah Flynn sie durch das Ritual des Seelenrufs befreite.2)

»Du hast mir noch nicht geantwortet?« Chloes Stimme riss mich aus den Erinnerungen.

Das, was ich in der Vergangenheit gesehen und gehört hatte, ließ sich nicht so einfach abschütteln. Wir waren Zeugen von Ereignissen gewesen, die Jahrtausende zurücklagen. So etwas verdaute man nur schwer.

Ich machte mir auch meine Gedanken über den Lebensatem der Sirenen, den ich in Toghan vermutete. In der Vision war mir offenbart worden, dass Kerrendes ihn damals besessen hatte.

Wir brauchten ihn dringend. Mit ihm konnte Sedonia aus ihrem Koma befreit und der Eisernen Engel vor dem sicheren Tod zu bewahrt werden.

»Ich bin beunruhigt, weil ich Abe Douglas nicht habe erreichen können. Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich ein Lebenszeichen von ihm erhalten hätte.«

»Befürchtest du, dass er in Gefahr ist?«

»Aufgrund meines Berufs muss ich von so etwas leider immer ausgehen«, antwortete ich ausweichend. »Das gehört einfach dazu. Ohne diese Skepsis würden Suko und ich längst nicht mehr leben.«

Chloe ließ den Kopf zurücksinken und schloss für einen Moment die Augen. »Das verstehe ich sehr gut, John«, entgegnete sie. »Ich habe ja selber miterlebt, wie ihr gegen die Drengars gekämpft habt. Eure Gegner können überall auf euch lauern.«

Ich blickte zu Suko und nickte.

Der Fall, an dem unser Freund Abe Douglas arbeitete, stand offensichtlich mit den Erlebnissen in London in Zusammenhang.

Ein Police-Sergeant war in Kill Devil Hills – einem kleinen Ort an der Ostküste North Carolinas – auf rätselhafte Weise zu Tode gekommen. Er hatte sich vor den Augen seines Kollegen binnen weniger Augenblicke verflüssigt.

Ein alter Einsiedler namens Rudy Grenville schien dafür verantwortlich zu sein. Er war urplötzlich durchgedreht und hatte Menschen verletzt.

Nach einem Handgemenge, bei dem der Mann schier übernatürliche Kraft entwickelte, hatte der Sergeant ihn durch einen gezielten Schuss verletzen wollen. Leider hatte die Kugel Grenville tödlich verwundet.

Er blieb jedoch nicht tot. Nur wenige Sekunden nachdem der Polizist sich unter Qualen verflüssigt hatte, stand Grenville einfach auf und ging davon.

Das alleine wäre schon wert gewesen, dass wir uns einschalteten, aber es kam noch besser.

Grenville rief den Namen Toghan, ehe er verschwand.

»Ja, genauso ist es«, sagte ich. »Manchmal verdamme ich es, ein solches Leben zu führen. Ich komme nie wirklich zur Ruhe, muss immer misstrauisch und wachsam sein.«

»Das kostet Kraft. Du bist trotz allem ein normaler …« Als was Chloe mich bezeichnen wollte, sollte ich nicht erfahren.

Das Flugzeug zitterte erneut. Dieses Mal deutlich länger als zuvor. Die Lichter flackerten, irgendwo hinter mir klirrte Glas. Unruhiges Gemurmel erfüllte den Passagierraum.

Urplötzlich erwärmte sich das Kreuz. Ganz in der Nähe mussten schwarze Energien wirken.

»Ich muss mich mit Suko absprechen«, raunte ich Chloe zu. »Ich bin gleich wieder zurück.«

Ehe ich meinen Sitzgurt lösen konnte, sah ich, wie sich mein Partner erhob. Er hatte denselben Einfall wie ich gehabt. Nur schneller.

Wie bei einem alten Ehepaar, dachte ich.Manchmal kam es mir tatsächlich so vor, als könne der eine die Gedanken des anderen lesen.

Eine der Flugbegleiterinnen eilte zu meinem Partner. Sie musste sich an den Rückenlehnen festhalten. Die Erschütterungen wurden immer stärker.

Suko wechselte einige Worte mit der Stewardess. Sie wies auf seinen Sitzplatz. Er sollte wohl Platz nehmen, aber der Inspektor schüttelte entschieden den Kopf.

Nun schien es notwendig zu werden, dass ich mich einschaltete. Wir durften nicht zögern und mussten eine Strategie entwickeln, denn außer dem Kreuz und Sukos Stab des Buddha standen uns keine Waffen zur Verfügung.

Die Berettas hatten wir vor dem Abflug abgeben müssen und lagen in einem Spezialtresor im Cockpit. Mein Bumerang und die Dämonenpeitsche befanden sich im Gepäck.

Ich schnallte mich ab und trat in den Mittelgang, der in diesem Teil des Flugzeugs um einiges breiter war, als in der Economy-Class. Drei Leute hätten hier bequem nebeneinander stehen können.

Unter mir bebte der Boden. Jeder Schritt kostete Kraft. Meine Beine schienen sich nicht richtig vom Untergrund lösen zu wollen. Wie auf einem schlecht eingestellten Laufband.

Ich tat es der Stewardess gleich und zog mich an den Rückenlehnen der Sitze vorwärts. Anders war ein Vorankommen fast unmöglich.

»Sir, bitte nehmen Sie wieder Platz«, hörte ich sie zu Suko sagen. »Der Captain hat das Gurtsignal eingeschaltet. Niemand darf aufstehen, es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit.«

Der Inspektor winkte ab. »Und Sie müssen begreifen, dass es unbedingt notwendig ist, dass ich mit meinem Kollegen spreche. Wir könnten uns alle in größter Gefahr befinden.«

Suko sprach eindringlich, aber leise genug, damit keiner der anderen Passagiere etwas mitbekam.

Die Augenbrauen der zierlichen und trotzdem resolut wirkenden Frau, ruckten zusammen. Offensichtlich war sie an der äußersten Grenze ihrer Geduld angelangt und wollte dem Inspektor eine gepfefferte Erwiderung präsentieren.

Sie drehte sich zu mir herum. »Dasselbe gilt auch für Sie. Setzen Sie sich. Alle beide.«

Ich hob beschwichtigend eine Hand – mit der anderen musste ich mich festhalten – und blickte auf ihr Namensschild. »Tanya, bitte beruhigen Sie sich. Mein Kollege hat vollkommen recht. Hier geschehen Dinge, die …«

Weiter kam ich nicht. Die Flugbegleiterin fiel mir ins Wort. »Sie setzen sich jetzt beide auf der Stelle hin, sonst werde ich …«

Ein lauter Knall ertönte und unterbrach Tanya in ihrer Tirade.

Abermals sackte die Maschine ab. Dieses Mal neigte sie sich jedoch so immens, dass der Untergrund zu einer steilen Rutschbahn geriet.