Jon. Harkers Gothic Novels - Dietmar Preuß - E-Book

Jon. Harkers Gothic Novels E-Book

Dietmar Preuß

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Beschreibung

Jon. Harker trägt nicht zufällig einen berühmten Namen. Die Bisse des Grafen und seiner Bräute hatten auch nach der Vernichtung des Untoten ihre Wirkung nicht gänzlich verloren.Die eine war ein unnatürlich langes Leben, die andere ein unstillbarer Wissensdurst. Als Jon. Harker seine Frau Mina, seinen Sohn Quincey, Dr. Seward und lange zuvor den Professor beerdigt hatte, nahm er die Arbeit auf, die die Grundlage zahlloser Spiritisten und Metaphysiker werden sollte.Auf der Suche nach Spuren des unheiligen Geschlechts des Grafen ging er jedem Gerücht, jeder Geschichte, jedem Zeitungsartikel und später jedem Netzeintrag, der von übernatürlichen Fähigkeiten oder Ereignissen zeugte, nach. Eine der ersten Geschichten, die Jon. Harker von einem befreundeten Anwalt zugetragen wurde, soll hier wiedergegeben werden: Einige Jahre nach der Flucht aus ihrem Elternhaus kehrt Penny nach Hastings zurück. Das Fischerdorf hat sich seit dem Selbstmord der Mutter, an dem Penny sich mitschuldig fühlt, verändert. Aber ihr Geist ist noch lebendig und irrlichtert über den Klippen. Gleich nach ihrer Ankunft am Bahnhof merkt Penny, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Doch sie hat die Fähigkeit zu spüren, ob jemand unehrlich zu ihr ist. Wird diese Gabe ihr helfen, einer tödlichen Gefahr zu entkommen? Auch - oder gerade weil - die weiteren Nachforschungen Jon. Harkers keine Verbindung zu den Geschöpfen des Grafen ergaben, kann diese Geschichte hier erzählt werden.

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Seitenzahl: 88

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Jon. Harkers Gothic Novels

Jon. Harkers Gothic NovelsImpressum

Jon. Harkers Gothic Novels

Irrlicht über den Klippen

Als Penny in ihre Heimatstadt zurückkehrt, begegnet sie dem Geist ihrer toten Mutter.

Penny verließ das burgartige Bahnhofsgebäude von Hastings, und es kam ihr vor, als habe sie die Küstenstadt erst vor zehn Tagen verlassen, und nicht vor zehn Jahren. Vorbei hastende Männer trugen noch immer den Trauerflor, den sie sich nach dem Tod der alten Königin ans Revers geheftet hatten. Eine Welle schmerzhafter Gefühle überflutete Penny. Die kleine Reisetasche aus dunkelrotem Brokat glitt aus ihrer Hand, sie fand Halt an einem Schnörkel des schwarz gestrichenen Treppengeländers. Es fühlte sich an, als sei ihr der Tod ein Stück näher gekommen. Nicht, um sie zu holen, sondern um ihr unter einem bedrohlich dunklen Himmel ein wenig Gesellschaft zu leisten. Ein paar Fischerfrauen in langen, ausgeblichenen Röcken sahen zu ihr herüber. Als sie erkannten, dass die Dame aus der Stadt im schwarzseidenen Miederkleid Schwäche zeigte, begannen sie zu tuscheln.

Penny hatte die schwarze Kleidung anfangs aus Trauer getragen. Doch nach dem Trauerjahr hatte sie das mit Spitze durchsetzte Kleid, das ihre schlanken Fesseln frei ließ, anbehalten. Es hatte ihr gefallen, selbst für Londoner Verhältnisse auffällig gekleidet zu sein. Sie legte die rechte Hand auf ihren flachen Bauch, der so viele Schmerzen hatte ertragen müssen. Während dessen spürte sie den Spott der Fischerfrauen, unter den sich aber auch Neid und Sehnsucht mischte.

Sie hob die Tasche wieder auf und sah sich um. Der alte Holzkutter auf dem steinernen Podest in der Mitte des Vorplatzes war schon in schlechtem Zustand gewesen, als sie Hastings verlassen hatte. Sie trat näher an das Boot heran und sog den Geruch des faulenden Holzes ein. Schon als Kind hatte sie der Gestank nach verdorbenem Fisch und Tang gestört. Der Gestank nach Tod, wie sie es zum ersten Mal als junge Frau empfunden hatte. Kurz bevor sie geflohen war.

Seit dieser Flucht aus dem Elternhaus in die Hauptstadt hatte sie wenig Glück gehabt. Am wenigstens mit Männern. Und das, obwohl sie mit ihren langen rotbraunen Locken und den klaren blauen Augen sehr ansehnlich wirkte. In London schien jeder Mann nur an seine Karriere zu denken. Und spätestens wenn sie erzählte, dass sie ihr Erbe, eine Farm nördlich von Hastings, ausschlagen wollte, hatten diese Männer nur noch Interesse an ihrem schlanken Leib gehabt.

Mit einem Ruck kehrte sie in diesen herbstlichen Nachmittag zurück. Vor der Station führten drei Straßen in die Altstadt, zum Hafen und zum Pier, der für die Sommerfrischler errichtet worden war. Ein weiterer Weg führte durch einen Tunnel unter den Gleisen hindurch nach Norden, wo auch Crowhurst lag. Dort lebte ihre alte Tante, die das Erbe angetreten und deren Lebensabend Penny nun zu regeln hatte.

Der Tunnel war gerade breit genug für zwei Fußgänger. Sie war kaum drei Schritte hineingegangen, als es sie fröstelte. War ihr der Tod so nahe? Oder war es einfach nur die feuchte Kälte? Wasser lief in feinen Rinnsalen über den rauen Stein und hinterließ schmutzig-weiße Spuren. Als sich das gegenüber liegende Ende des Tunnels verdunkelte, zuckte sie zusammen. Ein breitschultriger Mann kam ihr langsam entgegen.

„Ohne ein Pfund abgereist und als Dame zurück gekehrt! Trägst du Trauer?“ Die Stimme des Mannes hallte im Tunnel wider, und nun konnte sie die Züge des Mannes erkennen.

Penny runzelte die Stirn, als sie das Gesicht und den dunklen Anzug musterte. Sein Lächeln war ein süffisantes Verziehen des rechten Mundwinkels, das ihr früher manchmal gefallen, sie aber genauso oft verunsichert hatte. Doch Unsicherheit war das Gefühl, dass sie nun von ihm empfing. Als der Mann die etwas zu langen braunen Haare zurück strich, fiel es ihr ein. Es war William Andrews, genannt Billy, der Sohn von Angelica Andrews – der Affäre ihres Vaters.

„Da irrst du dich, Billy Andrews, viel Geld trage ich immer noch nicht mit mir herum.“ Penny freute sich, auch wenn er ihr als Junge oft böse Streiche gespielt hatte. Billy nahm sanft ihren Arm und führte sie die wenigen Schritte aus dem kalten und feuchten Tunnel wieder hinaus. „Es ist gut, dass du kommst!“

„Geht es Tante Sibyll so schlecht? Wird sie bald …?“

„Ich glaube nicht, ich … ich war lange nicht auf Park Farm.“

„Ach, Billy, deine Augen verraten dich noch immer“, sagte Penny und lachte. Für diese Erkenntnis war ihre besondere Fähigkeit, der sie über die Jahre zu vertrauen gelernt hatte, nicht notwendig.

Der lauernde Ausdruck in dem ebenmäßigen Gesicht mit dem weich gerundeten Kinn verschwand. „Na hör mal!“ Die Entrüstung in seiner Stimme schien echt zu sein. „Wie ist es dir ergangen? Bist du mit einem reichen Kaufmann verheiratet?“

Penny war es recht, dass er das Thema wechselte. „Oh, es ist mir nicht anders ergangen, als allen Mädchen, die vom Land in die Hauptstadt ziehen.“ Es gab ihr einen schmerzhaften Stich, als sie an ihr Geheimnis dachte. „Sie werden schlecht bezahlt, und in den Salons machen ihnen verheiratete, unverschämte Männer den Hof.“

„Dafür lernen sie, wie man sich in der Gesellschaft bewegt.“

„Oh, auch da gibt es schlechtes Benehmen.“ Sie lachte, aber es klang in ihren eignen Ohren nicht echt.

Billy Andrews, ließ endlich ihren Arm los. „Was hast du als erstes vor?“

„Ich wollte eine Droschke nach Crowhurst nehmen.“

„Ach, das hat noch Zeit! Wo willst du überhaupt wohnen?“

„Im Crown. Morgen fahre ich zurück nach London.“

„Im Crown? Das ist nichts mehr für eine Dame. Du kannst bei mir wohnen“, schlug Billy vor und grinste unverschämt.

„Ich habe einen Ruf zu verlieren.“ Pennys Entrüstung war echt, doch ärgerte sie sich, dass sie sich an den Bauch fasste.

Sein Grinsen verstärkte sich noch: „Ich habe die Pension meiner Mutter übernommen und ausgebaut. Dort biete ich dir ein ordentliches Zimmer. Oder hast du gedacht, ich mache dir eine unanständige Offerte?“

Das Haus war früher eine Kaschemme gewesen, in der arbeitslose Seeleute und zwielichtige Händler abstiegen. Doch schon damals hatte Billys Mutter versucht, ein besseres Haus daraus zu machen – Billys Mutter, die Schuld daran war, dass Pennys Eltern sich zerstritten hatten. Aber nein, die Schuld lag bei ihrer eigenen Mutter, die ihre Macht als wunderschöne Frau ausgespielt hatte, um den Mann zu gängeln. Vor ihrem inneren Auge sah Penny, wie ihre Mutter in ihrem roten Kleid im Mondlicht auf den Klippenrand zulief. Der Tod folgte ihr auf den Fuß.

„Penny?“, hörte sie aus weiter Ferne.

Auf die Klippen zu, an deren Fuß die hohen Wellen, aufgepeitscht vom tobenden Sturm, an den Felsen zerstoben.

„Penny!“

„Ja? Die Pension deiner Mutter, ist sie immer noch …?“

„Eine üble Spelunke? Aber nein! Ich habe sogar fließendes Wasser und elektrische Leitungen installieren lassen.“ Der Stolz in der Stimme Billys war nicht zu überhören.

„Dann lass uns gehen!“ Penny wandte sich der Altstadt zu.

„Einen Augenblick, schöne Lady!“ Er hob die rechte Hand, und Penny schrak zusammen, als eine der neumodischen Kraftdroschken vor dem Bahnhof den Motor anließ.

Penny war froh, dass sie kurz darauf in dem Wagen saßen, auch wenn es im Innern nach Benzin stank. Schwarz und schwer hingen die Wolken über dem Küstenort, bald würde es regnen. Zügig erreichten sie die Altstadt, in der sich die vom Wind und Alter schiefen Häuser aneinander reihten.

„Was für eine Arbeit hast du in der Hauptstadt gefunden?“, fragte Billy, der etwas zu nah bei ihr saß.

„Zuerst war ich Hilfsschreiberin eines Tuchhändlers.“ Sie erschrak, als dicke Regentropfen gegen das Glas prasselten.

„Hilfsschreiberin“, sagte Billy, „die beste unseres Jahrgangs.“

„Ja, aber immerhin in der Saville R…“ Penny verstummte, denn sie bogen in die George Street ein. Das erste Haus war schon immer ein Kolonialwarenladen gewesen. Oft hatte sie mit ihrem Vater die exotischen Dinge in den Auslagen bewundert. Nun stand dort eine Frau in einem auffälligen roten Kleid. Schwarze Haare, wie die ihrer Mutter, wehten im Wind.

„Ist alles in Ordnung?“ Billy legte seine Hand auf die ihre.

„Ja“, sagte sie. Wenn doch nur diese Bilder verschwänden!

Das weiße Gefache zwischen den schwarzen Fachwerkbalken der meisten Häuser zeigte Spuren des salzigen Seewinds. Beim letzten Haus am östlichen Ende der Straße waren die Flächen frisch gekalkt, die Eingangstür, die ein Fischer im Winter geschnitzt hatte, war in fröhlichen Farben gestrichen.

„Cliffs Dungeon. Du hast es umbenannt, Billy, aber warum dieser Name? Der Kerker ist doch unter der Burgruine.“ Sie nickte hinüber zu der westlichen Klippe.

„Lockt die Städter an.“ Billy stieg aus, bezahlte den Fahrer und nickte dem Hausdiener mit den buschigen Koteletten und hohem steifen Kragen zu, der die Tür aufhielt. „MacGrave, sind Brot, Milch und Käse geliefert worden?“, hörte Penny Billy fragen, als sie in den Flur trat. Die Pension roch wie früher, die schwarzen Dielen knarrten noch immer und im fensterlosen Flur war es genauso schummerig wie einst. Nur zwei Glühbirnen, die in die Arme der einstigen Gaslichter montiert worden waren, leuchteten. Allerdings hatte die Tür zum Schankraum eine Füllung aus geschliffenem Glas erhalten.

„Das Glas lässt bestimmt etwas Licht …“ Penny verstummte, als sich die Tür öffnete. Ihre Ohren brausten, ihr Blick verschwamm, als die schwarzhaarige Frau in dem rotem Kleid in den engen Korridor trat. Den Kopf hielt sie gesenkt und schien unbemerkt an Billy und dem Hausdiener vorbei zu schweben. Mit ihrem besonderen Sinn empfing sie Gehässigkeit, Freude am bösen Tun.

„Wer war das?“ Pennys Herz klopfte bis in die Kehle.

Billy kam auf sie zu. In seinem Blick lag etwas, das Penny nicht deuten konnte. Sein warmer Atem strich über ihre Wange, er griff nach ihrer Hand.

„Das ist Mike MacGrave. Er kümmert sich um die Lieferanten, unsere Kutsche, die Pferde, sogar um das elektrische Licht.“

Penny forschte in seinem Blick, fand aber nur Verwirrung.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, ja, ich … ich bin nur erschöpft von der Reise.“ Vielleicht werde ich verrückt und hier war keine Frau in Rot. Oder der Tod macht sich einen Scherz mit mir. Aber das Parfum der Frau lag noch in der Luft: Patchouli, schwer und süß, wie ihre Mutter es getragen hatte.

Billy öffnete die Tür zum Schankraum. „Bevor ich dir dein Zimmer zeige, lasse ich dir etwas zu Essen und zu Trinken bringen. MacGrave trägt deine Tasche nach oben.“

Im Schankraum waren die schweren Vorhänge vor den kleinen Scheiben abgenommen worden, die Wände waren gekälkt, die Tischplatten frisch geschliffen. Nur die schwarze Decke schien dem Gast immer noch den Nacken zu beugen. Die neue Dekoration ließ sie erschauern: In einer Ecke stand eine Eiserne Jungfrau, Ketten und Ringe waren in die Wände eingelassen. Zangen, Brandeisen und andere Werkzeuge zierten die Wände.

„Gruselig, was?“, sagte Billy. „Die Städter sind begeistert.“

„Und die Gäste von früher? Die Fischer und Matrosen?“

„Anfangs kamen sie noch mit ihren kleinen Münzen.“ Billys Verachtung war nicht zu überhören. „Aber als sie die Damen mit ihren Sprüchen erschreckten, habe ich sie rausgeworfen.“

„Wo gehen die Männer jetzt hin?“ Penny wollte Zeit gewinnen, bevor sie sich setzte. Warum, wusste sie selbst nicht.

„Über die freut sich jetzt der alte Llewellyn im Black Sheep.“

Penny kannte auch diese Pinte, die schon damals einen noch übleren Ruf hatte. Der Wirt des Black Sheep war ein gewalttätiger Mann, der kein Geschäft ausließ, wenn sein Profit nur sicher war. Und er war ein Feind von Sarah, der Mutter Billys, gewesen.

„Nun setz dich schon!“ Billy nahm ihr die Jacke ab und nötigte sie Platz zu nehmen. Hinter die verwaiste Theke, zapfte er ein halbes Pint Bier und füllte ein kleines Glas mit Portwein.