Jules Vernes Kapitän Nemo - Neue Abenteuer 05: Kurs auf die Kokos-Inseln - Alfred Wallon - E-Book

Jules Vernes Kapitän Nemo - Neue Abenteuer 05: Kurs auf die Kokos-Inseln E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Nachdem Kapitän Nemo und seine Mannschaft ihren Widersacher Pieter de Bruyn und dessen Helfershelfer überwältigt haben, setzen sie die Männer auf der Insel Panaitan aus. In der Hoffnung, dass sie dadurch ihre Suche nach weiteren Hinweisen auf Lemuria ungehindert fortsetzen können. Doch de Bruyn gibt nicht auf und verfolgt die Nautilus mit einem Dampfschiff. Er hat das gleiche Ziel. Als die Nautilus das Atoll North Keeling erreicht, entdecken sie dort einen Schiffbrüchigen, der von Männern in glänzenden Anzügen berichtet, die aus einem Krater gekommen sind. Ist dies der Beweis, dass sich auf dem Atoll eine weitere lemurische Station befindet? Die Printausgabe des Buches umfasst 178 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf derVerlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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Alfred WallonKURS AUF DIE KOKOS-INSELN

In dieser Reihe bisher erschienen

1701 Tötet Nemo!

1702 Das Vermächtnis der Eissphinx

1703 Der Gott von Amazonien

1704 Krakatau stirbt

1705 Kurs auf die Kokos-Inseln

1706 Die Station unter dem Eis

Alfred Wallon

Kurs auf die Kokos-Inseln

Neue Abenteuer der NautilusBand 5

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Mario Heyer/123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-969-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Ausgesetzt

30. August 1883

Fünf Meilen nördlich der Insel Panaitan

Am späten Nachmittag gegen 17.00 Uhr

Pieter de Bruyn war immer noch wütend darüber, dass seine Helfershelfer sich so leicht von Kapitän Nemos Leuten hatten überrumpeln lassen. Diese Wut bekam vor allen Dingen der Russe Nikolai ab. Ihm hatte de Bruyn während seiner Abwesenheit das Kommando übertragen und natürlich darauf gehofft, dass es ihm und den anderen bewaffneten Männern gelang, die Situation an Bord der Nautilus unter Kontrolle zu halten. Aber das Gegenteil war eingetreten, und nun hatte de Bruyn das Nachsehen.

Der Blick, den der holländische Geschäftsmann Nikolai zuwarf, war eindeutig. Der Russe zuckte jedes Mal zusammen und schaute betreten zu Boden, weil er wusste, was de Bruyn in diesem Moment durch den Kopf ging. Es änderte jedoch nichts mehr daran, dass sich sämtliche Pläne zerschlagen hatten. Stattdessen hockten sie jetzt alle schon seit Stunden in einem der Lagerräume der Nautilus und mussten unverrichteter Dinge dort ausharren.

Einige der Männer waren in Panik ausgebrochen, als die gewaltige Druckwelle nach der Explosion des Vulkans Krakatau die Nautilus getroffen und in einen Strudel gerissen hatte. De Bruyn hatte für diese Männer nur verächtliche Blicke übrig. Auch wenn es ein überaus beunruhigendes Gefühl war, in diesem Lagerraum eingesperrt zu sein und nicht zu wissen, was auf der anderen Seite der verriegelten Tür geschah, so ließ er sich dennoch nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen dachte er darüber nach, wie er sich für diese Niederlage rächen konnte.

De Bruyn wusste nicht, wieviel Zeit seit dem Vulkan­ausbruch vergangen war. Im Halbdunkel des Lagerraums verstrichen die Stunden unglaublich zäh. Er spürte nur, wie die Nautilus langsam wieder Fahrt aufnahm und auch nicht mehr von einer Unterwasserströmung bedroht wurde. Daraus schloss de Bruyn, dass es Nemo und seine Männer tatsächlich geschafft hatten, sich aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu bringen, ohne größeren Schaden zu nehmen. Sonst hätte das sicher auch Folgen für ihn und die anderen eingesperrten Männer gehabt. Trotzdem blieb die Lage unter den gegebenen Umständen hoffnungslos. De Bruyn war von seinem anfänglichen Ziel, die Geheimnisse des versunkenen Kontinents Lemuria zu entdecken und für sich zu nutzen, weiter entfernt als jemals zuvor. Und wenn man es genau nahm, hatte er das alles diesem Trottel Nikolai zu verdanken, der nicht Manns genug war, einen einfachen Befehl auszuführen.

Seine Gedanken brachen ab, als er auf der anderen Seite der Tür plötzlich Schritte und mehrere Stimmen hörte. Nur wenige Sekunden später machte sich jemand an der Verriegelung zu schaffen und öffnete die Tür. De Bruyn schloss unwillkürlich die Augen, als er in das grelle Licht einer Lampe schaute, deren Schein genau in sein Gesicht fiel.

„Rauskommen!“, hörte er eine Stimme. „Beeilt euch!“

Es war der dänische Maschinist Jan Mortensen, der das befohlen hatte. Wie de Bruyn mittlerweile wusste, hatte dieser elende Kerl entscheidend dazu beigetragen, dass man Nikolai und die anderen Wächter überhaupt hatte überrumpeln können.

„Brauchen Sie noch eine persönliche Einladung, de Bruyn?“, richtete Mortensen nun das Wort direkt an ihn. „Ihre Anwesenheit an Bord der Nautilus hat jetzt ein Ende gefunden!“

Was das bedeutete, wusste de Bruyn nicht. Er sah nur, dass einige der Männer, die neben Mortensen standen, Waffen in den Händen hielten. Waffen, die einmal Nikolai und seinen Kumpanen gehört hatten. Nun benutzte die Nautilus-Besatzung diese Waffen, um damit de Bruyns Leute zu bedrohen.

Der Holländer murmelte einen leisen Fluch vor sich hin, befolgte dann aber doch Mortensens Anweisungen. Er war erst einmal froh darüber, dass er diesen stickigen Raum ohne Licht verlassen konnte.

Am Ende des Ganges wartete Kapitän Nemo auf de Bruyn und seine Männer. Der wachsame Blick des einstigen indischen Prinzen richtete sich auf de Bruyn.

„Unsere Gastfreundschaft kennt Grenzen, de Bruyn“, sagte er zu ihm. „Deshalb werden Sie die Nautilus jetzt verlassen.“

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte de Bruyn in gereiztem Ton. „Wollen Sie, dass wir ertrinken?“

„Ich vergaß zu sagen, dass wir die Insel Panaitan in der nächsten halben Stunde erreichen werden“, klärte ihn Nemo auf. „In einer abgelegenen Bucht werden wir Sie an Land setzen. Dann können Sie selbst sehen, wie Sie von dort aus weiterkommen.“

„Das ist doch …“, murmelte De Bruyn, der völlig fassungslos war, als er das hörte. „Wissen Sie, wie lange das dauert, bis ich von dort wieder zurück nach Batavia komme?“

„Sie werden schon eine Lösung finden“, erwiderte Nemo. „Aber das ist Ihr Problem. Unsere gemeinsame Reise endet jedenfalls hier.“

„Sie wollen Lemuria allein erforschen, nicht wahr?“, stieß de Bruyn aufgebracht hervor. „Sie haben sich mein Wissen und mein Kartenmaterial angeeignet. Das ist hundsgemeiner Diebstahl, und das wissen Sie ganz genau!“

„Sagen wir es mal so“, lautete Nemos Antwort. „Ich sorge lediglich dafür, dass dieses Wissen vor Ihrer Machtgier bewahrt wird, de Bruyn. Nicht mehr und nicht weniger. Damit habe ich eine Sorge weniger.“

„Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, Nemo“, sagte de Bruyn. „Das schwöre ich Ihnen. Sie werden keine Ruhe mehr vor mir haben. Und wenn wir uns dann wieder begegnen, dann wird dieses Zusammentreffen unter anderen Umständen stattfinden. Ganz sicher sogar.“

„Ich habe das zur Kenntnis genommen“, sagte Nemo und schaute dabei zu seinem irischen Steuermann. „Wie lange dauert es noch, bis wir die Bucht erreichen?“

„Vielleicht noch eine Viertelstunde, Sir“, erwiderte dieser. „Unsere ehrenwerten Passagiere können sich schon mal zum Landgang bereitmachen.“

Er grinste, während er das sagte, und er hatte auch einen guten Grund dazu. O´Leary und seine Kameraden waren während der Fahrt von Sangiang bis nach Krakatau von de Bruyns Leuten drangsaliert und bei ihrer Arbeit behindert worden. Das hatte keiner der Männer vergessen, und deshalb waren sie froh darüber, dass diese Halunken endlich von Bord gingen.

De Bruyn deutete den Blick O´Learys richtig. Aber er behielt seine Gedanken lieber für sich. Stattdessen schaute er zu Dr. Vandersteen, der natürlich ebenfalls anwesend war. Er war der Einzige, den man nicht im Laderaum eingesperrt hatte, und das bedeutete natürlich nichts anderes, als dass dieser verdammte Quacksalber die Seiten gewechselt hatte.

„Sie werden Ihre Entscheidung ebenfalls noch bereuen, Dr. Vandersteen“, sagte er deshalb zu dem Arzt und empfand wenigstens etwas Genugtuung, als dieser kurz zusammenzuckte. „Der Tag wird kommen, an dem wir noch ein Gespräch miteinander führen werden.“

„Ich glaube nicht“, sagte der Arzt mit gepresster Stimme. „Wir werden uns nicht mehr sehen, denn ich bleibe an Bord der Nautilus. Kapitän Nemo ist einverstanden. Ich verzichte gerne auf das Honorar, das Sie mir versprochen haben. An diesem Geld klebt Blut, und das wissen Sie sicher am besten.“

De Bruyn wurde blass bei diesen Worten und ballte wütend beide Fäuste. Hätten ihn zwei von Nemos Leuten jetzt nicht an den Armen gepackt und fest­gehalten, dann hätte er sich bestimmt auf Dr. Vander­steen gestürzt. So aber kam es nicht dazu, denn die Nautilus tauchte bereits auf, und wenig später wurde die Luke geöffnet.

„Vorwärts“, sagte Nemo zu ihm. „Sie machen den Anfang, de Bruyn!“

Notgedrungen musste der Holländer diesem Befehl Folge leisten. Er stieg über die schmale eiserne Leiter nach oben und spürte den frischen einsetzenden Abendwind, der durch sein blondes Haar strich.

Während seine Helfershelfer ebenfalls an Deck kamen, ließ er seine Blicke in die Runde schweifen. Panaitan war zwar die größte Insel am südlichen Ende der Sundastraße, aber dennoch kaum bewohnt. Die Nautilus befand sich jetzt unweit einer kleinen Bucht, in der sich viele Palmen und ein fast paradiesisch anmutender Sandstrand befanden. Weit und breit war keine Menschenseele zu entdecken. Genau deswegen hatte Nemo diese Insel ansteuern lassen, weil er wohl genau wusste, dass de Bruyn und seine Leute von hier nicht so schnell wegkommen würden.

„Worauf warten Sie noch?“, hörte er hinter sich Nemos Stimme, der zusammen mit O´Leary, Grunwald und Vasquez ebenfalls an Deck gekommen war. „Bis zum Strand ist es nicht mehr weit. Das schaffen Sie schon.“

De Bruyns Leute blickten bestürzt drein, aber als man sie mit vorgehaltener Waffe aufforderte, ins Wasser zu springen, leistete keiner von ihnen Widerstand.

„Und jetzt Sie!“, sagte Nemo abschließend zu ihm. Da wusste de Bruyn, was die Stunde geschlagen hatte. Er spuckte wütend aus und sprang ebenfalls ins Wasser. Als er kurz unterging, überkam ihn ein kurzes Gefühl der Angst, aber mit kräftigen Schwimmbewegungen gelangte er wieder an die Oberfläche. Dann folgte er seinen Leuten, von denen einer bereits den Strand erreicht hatte. Er selbst schaffte das auch, war aber ziemlich außer Atem, als er schließlich festen Grund unter seinen Füßen spürte. Keuchend rang er nach Luft und stapfte durch das flache Wasser an Land, wo die anderen Männer schon auf ihn warteten.

„Diese verdammten Hundesöhne!“, schimpfte Nikolai und schüttelte drohend die erhobene Faust in Richtung der Nautilus. Dort stand Nemo immer noch an Deck und schien sich vergewissern zu wollen, dass es wirklich allen Männern gelungen war, schwimmend den Strand zu erreichen. Erst dann wandte er sich ab und ging wieder unter Deck. Nur wenige Augenblicke später ging die Nautilus auf Tauchgang.

Dutzende von Gedanken gingen de Bruyn in diesem Moment durch den Kopf. Aber keiner führte zu einer Lösung, mit der er sich zufrieden gab. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als erst einmal die Insel zu erkunden und darauf zu hoffen, dass er und seine Leute irgendwo auf Bewohner stießen, die ihnen weiterhelfen würden. Hauptsache, es gelang ihm, so schnell wie möglich wieder nach Sangiang zurückzukehren. Von dort aus gab es einen regelmäßigen Schiffsverkehr nach Batavia. Wenn de Bruyn erst einmal wieder dort angelangt war, dann würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um diesem elenden Hund Nemo zu folgen.

*

Nemos Anspannung legte sich erst, nachdem er mit einem Blick durch das Fernrohr festgestellt hatte, dass auch der letzte von de Bruyns Männern sicher an Land gelangt war. Er bemerkte aber auch, wie einige der Männer drohend die Fäuste in Richtung Nautilus schüttelten, aber das nahm Nemo nur beiläufig wahr.

Schließlich wandte er sich ab, stieg wieder nach unten und verschloss die Luke.

„Nehmen Sie Kurs in Richtung Südwesten, Mister O´Leary“, sagte er zu dem irischen Steuermann. „Es wird höchste Zeit, dass wir von hier verschwinden.“

„Aye, Sir“, bestätigte O´Leary und ging sofort ans Werk. Jeder der Männer stand an seinem Platz und sorgte dafür, dass die Nautilus rasch wieder Fahrt aufnahm. Langsam ging das Unterseeboot auf Tauchgang. Gerade noch rechtzeitig, denn am Horizont zog ein Schiff vorbei in Richtung Sumatra. Es war zu weit entfernt, um die gestrandeten Männer überhaupt zu entdecken.

De Bruyn und seine Kumpane würden gewiss lange brauchen, um von Panaitan wegzukommen, und je länger das dauerte, umso hilfreicher war es für Nemo. Denn er hatte den verhassten Blick des holländischen Geschäftsmanns genau gesehen, als dieser von Bord gegangen war. Diese Niederlage hatte de Bruyn zwar hinnehmen müssen, aber für Nemo bestand kein Zweifel daran, dass er dafür Rache nehmen würde. Egal, wie lange das dauern mochte. Sobald de Bruyn wieder zurück nach Batavia gekommen war, würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Aber der Indische Ozean war groß, und Nemo hoffte, dass es de Bruyn niemals gelingen würde, die Nautilus jemals zu entdecken.

Nemo beschloss, keine weiteren Gedanken mehr daran zu verschwenden, sondern konzentrierte sich wieder auf das, was vor ihm und seinen Männern lag, eine neue Mission und die Einlösung eines Versprechens, das er dem sterbenden Raksas gegeben hatte, bevor der Vulkan auf Krakatau sowohl die Station der Lemurer als auch die Insel in weiten Teilen zerstört hatte. Es war kein Versprechen, das Nemo leichtfertig gegeben hatte. Er war ein Mann, der auch einhielt, was er zugesagt hatte. Außerdem bot sich ihm die Möglichkeit, weitere Informationen über den versunkenen Kontinent Lemuria und dessen Bewohner herauszufinden. Denn eins war jetzt schon bewiesen, Lemuria hatte tatsächlich einmal in fernster Vergangenheit existiert. Raksas hatte von weiteren Stationen an anderen Stellen dieser Welt gesprochen, wo man unbemerkt die Entwicklung der Menschheit beobachtete und notfalls eingreifen würde. Allein dies hätte schon ausgereicht, um auf den Titelseiten sämtlicher Zeitungen dieser Welt zu stehen.

Er bemerkte, dass Dr. Vandersteen etwas unsicher auf der Brücke stand und verlegen von einer Seite zur anderen schaute. Offensichtlich schien er sich nicht wohlzufühlen angesichts der veränderten Verhältnisse an Bord, vor allem, was seine eigene Person betraf. Es gab noch den einen oder anderen Mann innerhalb der Nautilus-Crew, der Vandersteen nicht über den Weg traute und ihn das auch deutlich spüren ließ.

„Was ist mit Ihnen, Dr. Vandersteen?“, richtete Nemo nun das Wort an ihn. „Geht es Ihnen nicht gut?“

„Doch, schon““, erwiderte er hastig. „Es ist nur, weil …“

„Doktor, von uns reißt Ihnen keiner den Kopf ab“, kam O´Leary seinem Kapitän zuvor. Der irische Steuermann trug sein Herz auf der Zunge und sprach das aus, was jetzt schon längst fällig gewesen war. „Wir brauchen nur noch eine gewisse Zeit lang, um zu verstehen, weshalb Sie für de Bruyn gearbeitet haben. Aber was für uns zählt, ist die Tatsache, dass Sie unserem Kapitän das Leben gerettet haben. Dafür schulden wir Ihnen Dank. Jetzt beruhigen Sie sich endlich wieder. Und willkommen an Bord und in unserer Crew!“

Nemo musste lächeln, als er O´Learys Worte vernahm. Aber sie trugen dazu bei, dass sich der Arzt langsam wieder zu entspannen begann und nicht mehr so eingeschüchtert dreinblickte.

„Danke“, sagte er. „Ich werde versuchen, ein gutes Mitglied der Mannschaft zu sein. Und wenn sich jemand mal unwohl fühlen sollte, Sie wissen ja, dass ich jedem gerne helfen werde. Zumindest, was meine bescheidenen Fähigkeiten und Mittel angeht.“

„Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Dr. Vandersteen“, meinte nun Nemo. „Sollten Sie befürchten, dass es außer Ihrer Arzttasche keine weitere Medizin mehr an Bord gibt, so kann ich Sie beruhigen. Wir verfügen über genügend Vorrat. Sie werden fast wie in einer Praxis arbeiten können.“

„Das ist gut zu wissen“, erwiderte Dr. Vandersteen. „Schließlich haben wir ja eine lange Reise vor uns.“

„In der Tat“, fügte Nemo hinzu. „Wie lang diese Reise wirklich sein wird, weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand. Und vermutlich wird die Suche noch länger dauern, als jeder von uns annimmt. Was uns am Ziel erwartet, ist auch noch sehr ungewiss, falls wir dieses jemals erreichen sollten. Niemand weiß, ob wir dort auch freundlich empfangen werden. Wir werden auch diesmal nichts anderes als Eindringlinge in den Augen der Lemurer sein.“

Die Blicke seiner Männer bestätigten Nemo, dass auch ihnen ähnliche Gedanken gekommen waren. Aber die Nautilus hatte schon viele gefährliche und riskante Fahrten auf allen sieben Meeren ­unternommen. Was ihnen jedoch jetzt bevorstand, war vermutlich das größte Abenteuer von allen.

*

30. August 1883

Auf offener See mit Kurs Indischer Ozean

Am späten Abend gegen 21.30 Uhr

Nemo hatte sich über den großen Tisch in seinem Quartier gebeugt und studierte schon seit fast zwei Stunden das Kartenmaterial, das de Bruyn mit an Bord gebracht hatte und das zum Glück zurück­gelassen worden war. Jetzt endlich fand Nemo Zeit, um sich damit in aller Ruhe zu beschäftigen und jede einzelne Anmerkung des Holländers und dessen Notizen im Detail auszuwerten.

Mittlerweile war Nemo zu der Überzeugung gekommen, dass diese Karte wirklich authentisch war und aus der Zeit stammte, als der Vulkan Krakatau zum ersten Mal ausgebrochen war. Nemo hatte gesehen, dass de Bruyn von der Insel Sangiang eine direkte Linie zu Krakatau auf der Karte gezogen hatte. Von Krakatau führte eine weitere Linie in Richtung Südwesten, direkt zu den Kokos-Inseln, die auch unter dem Namen Keeling Island bekannt waren. Sie lagen weit abseits von Java und Sumatra und standen unter britischer Hoheit. Gab es dort eventuell weitere Hinweise, die Nemo auf dieser Expedition berücksichtigen musste? Die Zahlen, Daten und Fakten, die de Bruyn auf dieser Karte notiert hatte, waren nicht ganz schlüssig. Auf jeden Fall schien de Bruyn diesen kleinen Inseln irgendeine Bedeutung zugemessen zu haben, die sich Nemo noch nicht erklären konnte. Wahrscheinlich hätte er weitere Schlüsse daraus ziehen können, wenn es möglich gewesen wäre, von dem sterbenden Lemurer Raksas noch mehr Informationen zu bekommen. Aber er war gewillt, das herauszufinden.

Er ging zu einem kleinen Schrank, der aus edlem Mahagoniholz geschnitzt war, und öffnete die rechte Tür. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen bärtigen Gesichtszügen ab, als er eine Flasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit hervorholte und etwas davon in ein Kristallglas füllte. Es war guter schottischer Whiskey, und Nemo genoss es, einen Schluck zu trinken. Nach all den dramatischen Abenteuern und Gefahren, die jetzt hinter ihm lagen, hatte er das mehr als verdient. Nachdem sich die Anspannung der letzten Stunde gelegt hatte, hielt er sich noch einmal vor Augen, wie knapp er eigentlich dem Tod entronnen war. Er musste wirklich einen guten Schutzengel gehabt haben, der seine Hand über ihn gehalten hatte. Aber vielleicht war es auch sein Schicksal, weitere Abenteuer zu erleben und Expeditionen in Regionen durchzuführen, die bisher kaum ein anderer Mensch gesehen hatte.

Insbesondere der Indische Ozean erstreckte sich über unermessliche Weiten. Nemo dachte an Captain James Cook, der den Kontinent Australien nach wochenlangen Irrfahrten entdeckt hatte und auch den Seeweg über den Indischen Ozean zurückgelegt hatte. Zum Glück verfügte die Nautilus über eine gute technische Ausstattung und hatte genügend Vorräte und Ausrüstungsgegenstände an Bord, um solch eine lange Strecke ohne Probleme zurücklegen zu können. Eine Flaute inmitten des Ozeans musste Nemo ebenso wenig fürchten wie Nahrungsmangel oder gar Skorbut. Diese heimtückische Krankheit war früher der ständige Begleiter von Schiffsmannschaften gewesen, die auf Entdeckungsfahrt gegangen waren.

Nemo trank den Rest Whiskey aus, stellte das Glas ab und warf nochmals einen Blick auf die Karte. Er überlegte noch einen kurzen Moment und entschied dann, die Kokos-Inseln anzulaufen. Die Informationen, die er besaß, waren recht spärlich. Er wusste nur, dass diese Inselgruppe aus mehreren Atollen bestand und sich im Wesentlichen auf North Keeling und South Keeling aufteilte. Insbesondere das südliche Atoll bestand aus mehr als 20 kleineren Inseln. Die größte davon hieß West Island und wurde nur von mehreren Dutzend Menschen bewohnt. Zusätzlich unterhielt England dort noch einen militärischen Außenposten, und die Kolonialverwaltung hatte einige Gefangene auf die Insel bringen lassen, um sie dort Zwangsarbeit leisten zu lassen. Ob dem immer noch so war, wusste Nemo nicht. Die Meldungen über diese abgelegene Inselgruppe waren so spärlich, dass sie kaum Erwähnung in den großen Zeitungen der Welt fanden. Außerhalb des britischen Empires hatte ohnehin kaum jemand Kenntnis davon.

Waren die Kokos-Inseln womöglich ein guter Stützpunkt für eine lemurische Station? Es lebten ja ohnehin kaum Menschen dort, und womöglich hatten die Lemurer Wege und Mittel gefunden, um das bis heute geheim zu halten.

---ENDE DER LESEPROBE---