Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit - Jens Steiner - E-Book

Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit E-Book

Jens Steiner

4,8

Beschreibung

Alles beginnt harmlos mit einem Jungenstreich: Die Studenten Paul und Magnus planen einen Anschlag auf den Medienzar Kudelka während dessen Auftritt an der Universität. Erstaunt, wie gut das gelingt, sind sie gleichzeitig enttäuscht, dass ihre Tat quasi ohne Folgen bleibt. Doch dann geschieht Unerwartetes: Ein Museum voller sprechender Objekte, ein Teelöffel Salz und eine Pizza lassen Pauls Leben komplett aus den Fugen geraten. Er findet sich als Gefangener in einer fremden Wohnung und erfährt, dass Kudelka entführt wurde - und dass er als Hauptverdächtiger gesucht wird. Nun beginnt eine raffinierte und spannende Verfolgungsgeschichte nach Südfrankreich - mit überraschendem Ende. Jens Steiner überzeugt mit einer in leichtem Ton geschriebenen Geschichte, in der er ganz nebenbei die Fragen nach Familienbanden, Freiheit im Handeln, nach Selbst- und Fremdbestimmung stellt.

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Seitenzahl: 222

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Jens Steiner

JUNGER MANN

MIT UNAUFFÄLLIGER

VERGANGENHEIT

Roman

DÖRLEMANN

Autor und Verlag danken der Abteilung Kultur der Stadt Zürich und der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich für die Unterstützung. Alle Rechte vorbehalten © 2015 Dörlemann Verlag AG, Zürich Umschlaggestaltung: Mike Bierwolf unter Verwendung zweier Fotografien. Junger Mann © ostill/123RF Stockfoto, Hauswand © Zyankarlo/Shutterstock Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-908778-65-3www.doerlemann.com

»Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.«

Arthur Schopenhauer

Zimmer mit Kochnische

Wie soll man hinter diesem modrigen Vorhang auch nur einen guten Einfall haben? Seit einer Ewigkeit stehe ich mir die Beine in den Bauch, in meinem Kopf pocht es, die Füße sind längst taub. Wenn ich mich kurz hinlegen könnte, nur für ein paar Minuten, um dann ausgeruht zurückzukehren und weiterzuwarten. Aber ich darf nicht. Die zwei Fußbreit hinter diesem Vorhang sind meine einzige Chance, hier muss ich meinen nächsten Zug ausdenken. Noch immer fällt mir nichts ein.

Klöppel. Der Name kommt mir vor wie eine billige Verkleidung: Kunstbart, Theaterschlips, oller Filzhut. Nur zu gern möchte ich dies alles für einen Jux halten. Wenn da nur nicht dieser Verdacht wäre. Der Verdacht, dass er im Hintergrund meines Lebens gewartet hat, schon immer Teil davon war, genauso wie die Leute im Treppenhaus unseres Wohnblocks, von denen ich nie etwas anderes als ein diskretes Hallo oder Tagwohl-und-schönen-Abend-noch hörte, genauso wie die Kacheln in meinem Bad und ihre Risse, die ich während unzähliger Sitzungen betrachtete, genauso wie die Köpfe der Nachbarn im Fenster gegenüber. Ich Dummkopf sah ihn erst, als er sich vor sechs Tagen aus dem Hintergrund schälte. Kein Wunder fällt mir nichts ein.

Ich drehe vorsichtig den Kopf, suche das schmale Stück Himmel in der oberen Ecke des Fensters. Eine azurblaue Fläche, wie glatt gerubbelt, ohne ein einziges Wölkchen. Geradeaus Fassaden aus Sandstein, Fenster mit hellblauen Holzläden, Türen mit Briefschlitzen, in denen gefaltete Umschläge klemmen. Auf der Straße unten quetscht sich ein Lieferwagen an den geparkten Autos vorbei, ein Hund kackt, sein Herr zündet sich eine Zigarette an. Ein ganz normaler Septembermorgen in Marseille. Und irgendwo da draußen treibt sich Klöppel herum.

Früher oder später wird er hier auftauchen. Ich stelle mir vor, wie ich seine Gestalt auf dem Trottoir erblicke, seine Gesichtszüge langsam Kontur gewinnen und schließlich das Weiße in seinen Augen zu erkennen ist. In diesem Moment werde ich mich ducken und verharren, bis ich die gedämpften Schritte und das Stochern im Türschloss höre. Dann werde ich meinen nächsten Zug machen. Ein kluger Zug muss es sein, einer, der ihn auf der Stelle in die Knie zwingt. Als er an jenem Tag vor mir stand, sah er mit seinem Schlafzimmerblick und dem halb geöffneten Mund aus wie die personifizierte Unberechenbarkeit. Wie einer, dem man besser aus dem Weg geht, weil man nicht weiß, ob sich in seinem Blick bloße Dumpfheit verbirgt oder eine eiskalte Intelligenz. Trottel, der ich war, ließ ich den Blick ungerührt an mir abprallen, und es folgte die Rache des Hintergrunds am Vordergrund. Früher oder später werde ich es ihm heimzahlen, aber woher weiß ich, dass der nächste Zug mich nicht noch weiter von meinem alten Leben entfernt?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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