Jupiter 8: Wie man Sterne programmiert - Wim Vandemaan - E-Book + Hörbuch

Jupiter 8: Wie man Sterne programmiert E-Book und Hörbuch

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Seit 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. In dieser Zeit haben sich die Erde und die zahlreichen Welten der Liga Freier Terraner zu einer blühenden Gemeinschaft entwickelt. Die Menschen leben weitgehend im Einklang mit den anderen Völkern der Milchstraße; die letzte kosmische Krise liegt lange zurück. Doch dann mehren sich die Anzeichen, dass eine neue Gefahr für die Menschheit heraufzieht. Sie kommt diesmal nicht aus den Tiefen des Universums, sondern aus dem Herzen der menschlichen Zivilisation. Eine mysteriöse Droge vom Riesenplaneten Jupiter wirft dunkle Schatten über Terra. Auf der Suche nach den Hintermännern begibt sich Perry Rhodan an den Ort des Geschehens – und stellt fest, dass unbekannte Mächte den Jupiter in ein Schwarzes Loch verwandeln wollen. Rhodan setzt sein Leben aufs Spiel, um diese kosmische Katastrophe zu verhindern. Er trotzt den Urgewalten des Jupiters und dringt zur Gefahrenquelle vor. Dort erfährt er, WIE MAN STERNE PROGRAMMIERT ...

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Nr. 8

Wie man Sterne programmiert

Krieg um den Psionen-Born – die lange Flucht der Schiqalaya

Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Die Arche

Qala stirbt

Schelekesch

Schatztropfen

Pioniere

Der Bund von Ducphaun

Die Krankheit freier Wille

Bekehrungen

QI TAQROSCH

Eine gottlose Dimension

Die Schwarze Festung

Impressum

Seit 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. In dieser Zeit haben sich die Erde und die zahlreichen Welten der Liga Freier Terraner zu einer blühenden Gemeinschaft entwickelt. Die Menschen leben weitgehend im Einklang mit den anderen Völkern der Milchstraße; die letzte kosmische Krise liegt lange zurück.

Doch dann mehren sich die Anzeichen, dass eine neue Gefahr für die Menschheit heraufzieht. Sie kommt diesmal nicht aus den Tiefen des Universums, sondern aus dem Herzen der menschlichen Zivilisation. Eine mysteriöse Droge vom Riesenplaneten Jupiter wirft dunkle Schatten über Terra.

Auf der Suche nach den Hintermännern begibt sich Perry Rhodan an den Ort des Geschehens – und stellt fest, dass unbekannte Mächte den Jupiter in ein Schwarzes Loch verwandeln wollen.

Rhodan setzt sein Leben aufs Spiel, um diese kosmische Katastrophe zu verhindern. Er trotzt den Urgewalten des Jupiters und dringt zur Gefahrenquelle vor. Dort erfährt er, WIE MAN STERNE PROGRAMMIERT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner wird Zeuge einer Äonenschau.

Ileschqa – Der Schiqalaya offenbart das epische Schicksal seines Volks.

Phalguwan

Die Arche

»Sie können Ihren Helm öffnen. Die Luft ist für Sie atembar.«

Beinahe hätte Perry Rhodan gelacht. Er unterdrückte den Impuls jedoch. Wer hier unten, in dieser Umwelt, sein Haus bauen konnte, konnte auch den internen Funkverkehr eines Skaphanders abhören. Und wer wusste schon, wie er Rhodans Lachgeräusche womöglich gedeutet hätte.

»Was soll ich tun?«, fragte Pao Ghyss.

»Wir steigen aus!«, entschied Rhodan.

Perry Rhodan, Firmion Guidry und Pao Ghyss hatten sich hierhergekämpft, zuletzt zu Fuß, eingeschlossen in der quälenden Enge eines Skaphanders, eines Jupiteratmosphären-Schutzanzugs. Sie hatten den tödlichen Umweltbedingungen auf der Jupiteroberfläche getrotzt und sich zum Fluktuationstransmitter durchgeschlagen. Jenem unbekannten Gebilde, das die Quelle der manipulierten Higgs-Teilchen war, die im Verbund mit den Gravitonen vom Ganymed-Artefakt den Jupiter in ein Schwarzes Loch verwandeln würden – mit verheerenden Folgen für die Erde und alle anderen Welten des Solsystems.

Um herauszufinden, wie sich dies verhindern ließ, war Perry Rhodan mit seinen zwei Begleitern hergekommen und auf ein gewaltiges Zylinderkonstrukt gestoßen. Massiv, unüberwindlich und fugenlos hatte der Turm vor ihnen aufgeragt, nirgendwo ein erkennbarer Angriffspunkt oder Zugang. Dann jedoch hatte sich unvermittelt eine Öffnung in dem Wall vor ihnen gebildet, und sie waren mit einem Traktorstrahl ins Innere geholt worden.

Perry Rhodan verfolgte auf der Bildfolie, die sich vor seinen Augen spannte, wie Firmion Guidry seiner Anweisung folgte und sich aus dem Frontteil des Schutzanzugs schälte. Danach öffnete sich der Rucksack, in dem Rhodan selbst den Marsch im Skaphander verbracht hatte. Er wand sich nun ebenfalls heraus.

Zuletzt klappte der innere Brustteil weit nach vorn, und Pao Ghyss erschien – ein wenig wie der Schmetterling aus der Puppe. Der Skaphander schloss sich hinter ihr beinahe geräuschlos wieder.

Die drei Menschen verzogen geblendet das Gesicht und versuchten, ihre Augen mit der Hand gegen das grelle Licht abzuschirmen. Kurz darauf wurde die Beleuchtung gedämpft.

Sehr aufmerksam, dachte Rhodan. Wir werden genau beobachtet.

Plötzlich überfiel Rhodan die Empfindung eines Déjà-vu: Sie können Ihren Helm öffnen. Die Luft ist für Sie atembar. Er lachte nun doch lauthals auf. Waren das nicht genau die Worte, mit denen ihn vor einer Ewigkeit der Arkonide Crest an Bord seines auf dem Erdtrabanten havarierten Raumschiffs empfangen hatte?

Guidry schaute ihn fragend an. »Habe ich etwas verpasst?«

Rhodan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe mich nur an alte Zeiten erinnert. Und an einen ersten Besuch bei jemandem, der später mein Freund werden sollte.«

»So«, erwiderte Guidry desinteressiert. »Gehen wir also und schließen Freundschaft.« Er kicherte.

Rhodan blieb ernst. »Ich wüsste nicht, was man Besseres tun könnte.«

»Da tut sich was!«, sagte Ghyss.

In der gegenüberliegenden Wand öffnete sich ein Tor. Eine Art Flugschlitten glitt aus einem womöglich noch grelleren Tunnel auf sie zu, die beiden Kufen knapp über dem glatten Boden der Halle.

Auf dem Schlitten saß eine Kreatur, die einem toten, skelettierten Vogel ähnelte, der einen dunklen Poncho über seinen Knochenleib geworfen hatte. Der Schnabel lief spitz zu; der obere Teil war an der Basis ein wenig breiter als sein Gegenstück.

Rhodan glaubte zu erkennen, dass die Gestalt wie ein irdischer Vogel Flügel besaß. Als der Schlitten näher kam, geriet er in Zweifel. Das, was links und rechts aus den Schultern und über den Schädel hinauszuwachsen schien, hätten auch zwei nach Samuraiart auf dem Rücken getragene Schwerter sein können.

Der Schlitten stoppte. Die Kreatur stieg ab. Der Körper und die Proportionen der Arme und Beine wirkten humanoid. Der Fremde trug unter dem Poncho eine Art Rock, eine blaugrau glänzende, metallische Folie, die ihm bis über die Knie fiel.

Allerdings war, was von den Beinen und den Armen sichtbar blieb, die sich unter dem Poncho hoben, knöchern und dürr.

Der Schädel wies keine anderen Sinnesorgane auf als die beiden Augen. Sie lagen tief in den Höhlen und wirkten, als hätte jemand die Augengruben mit einem schwarzen Lack gefüllt.

Erstkontakt, dachte Rhodan.

Der Fremde blieb einige Meter vor den drei Menschen stehen. Er schien unbewaffnet und ungeschützt. Und er machte den Eindruck, dass er sich das leisten konnte.

Rhodan war sich sicher, dass es ringsum genug offensive und defensive Waffensysteme gab, die ihn, seine beiden Begleiter und auch den Skaphander zuverlässig in Schach hielten, ohne dass sie es bemerkten.

»Mein Name ist Perry Rhodan«, stellte er sich vor. »Ich bin Mitglied der Regierung des Volks, das dieses Sonnensystem bewohnt. Wir betrachten die Planeten, die zu diesem System gehören, als unser Hoheitsgebiet. Wir vermuten, dass dieses Konstrukt, in das ihr uns eingelassen habt, maßgeblich an der Manipulation dieses Gasplaneten, den wir Jupiter nennen, beteiligt ist. Wir fordern euch auf, die Transformation sofort zu beenden und den astrophysikalischen Status quo ante wiederherzustellen. Solltet ihr meinen Anweisungen nicht entsprechen, übernehme ich kraft meiner Autorität als Resident der Liga Freier Terraner das Kommando über dieses ...« Er machte eine umfassende Geste.

»Wir nennen es die NAPHAUT DOSCHUR«, sagte der Fremde mit seiner kehligen Stimme, deren Ironie nicht zu überhören war. »Es ist ein Hyperraumboot meines Volks, der Schiqalaya. Wir sind auf dem Planeten, den du Jupiter nennst, havariert. Die Unannehmlichkeiten, die aus unseren Bemühungen resultieren, bedauern wir zutiefst.«

»Dann stellt sie ab!«, forderte Rhodan. »Und wir können über alles reden. Wir helfen euch, das Hyperraumboot wieder flottzumachen und sein Ziel zu erreichen.«

Der Fremde pfiff langsam und – wie es Rhodan empfand – traurig. »Wir wären bereits am Ziel, wenn das Ziel noch existierte. Und wir wären nicht havariert, hättet ihr uns nicht das hyperdimensionale Hindernis in den Weg projiziert.«

»Ich kann mich nicht erinnern, dass die NAPHAUT DOSCHUR eine Einflugerlaubnis erbeten hätte«, sagte Rhodan so sachlich wie möglich. »Deswegen kann von einer bewussten Behinderung keine Rede sein. Wann sollen wir euch behindert haben?«

»Nach eurer Zeitrechnung im Jahr 1344.«

1344 – vor 117 Jahren?, rätselte Rhodan in Gedanken. Schlagartig erkannte er die Zusammenhänge. Schon Irene Lieplich, die Chefwissenschaftlerin der Forschungsstation Cor Jupiter, hatte dieses Datum erwähnt. Die Errichtung des TERRANOVA-Schirms – am 16. März jenes Jahres hat es ein völlig unerklärliches Beben auf Jupiters festem Kern gegeben.

»Ihr seid mit dem TERRANOVA-Schirm kollidiert«, stellte Rhodan laut fest. »Und dieser Kollision wegen ist der Kristallschirm damals zusammengebrochen.«

»Ja«, bestätigte der Schiqalaya. »Beide Seiten haben damals Schaden genommen.«

Rhodan überlegte, ob sein Gesprächspartner diesen Zusammenstoß selbst miterlebt hatte oder ob er ein Nachfahre der ursprünglichen Besatzung war. Ihm fehlten alle Anhaltspunkte, das Alter des Fremden zu schätzen.

Der Schiqalaya fuhr fort: »Du hast mir deinen Namen und deine Funktion genannt. Wer sind die anderen beiden?«

»Das sind meine Begleiter«, gab Rhodan Auskunft. »Pao Ghyss und Firmion Guidry.«

Der Schiqalaya betrachtete die zwei lange und ungeniert aus seinen lackschwarzen Augen. Deutlich länger jedenfalls, als er sich Rhodan gewidmet hatte.

»Mein Name ist Ileschqa«, sagte er sodann. »Ich fürchte, ich bin in der Situation, euch um Hilfe bitten zu müssen. Unser Schiffbruch hat viele Zehntausende das Leben gekostet. Ebenso viele haben zwar nicht das Leben, aber ihren Verstand verloren. Das Leben hier in den Niederungen ist für die meisten meines Volks nicht mehr erträglich.«

Rhodan nickte behutsam. Die Niederungen – etwas sagte ihm, dass der Schiqalaya Ileschqa damit nicht die Metallgassphäre im Kernbereich von Jupiter meinte. Wenigstens nicht ausschließlich.

»Immer wieder haben einige von uns versucht, aus dem Boot ins Freie zu entkommen.«

Rhodan betrachtete den Schiqalaya fragend: »Die Wahnsinnigen? Sie haben sich in den Tod gestürzt?«

»Nein«, widersprach Ileschqa. »Wir sind uns sicher, dass sie überlebt haben könnten. Es jagen, soweit wir sehen, keine eingeborenen Räuber in dieser Welt. Schwieriger dürfte es sein, Nahrung zu finden. Aber nicht unmöglich.«

Ist er selbst wahnsinnig?, fragte Rhodan sich. Wie kann er glauben, dass Organismen wie er, die offenbar dasselbe Gasgemisch atmen wie wir, in der Jupiteratmosphäre überleben könnten?

Er führte das Gespräch wieder zum Thema zurück. »Wie auch immer. Die Zeit drängt. Habe ich dich richtig verstanden? Wegen eurer Havarie könnt ihr den Prozess der Umwandlung nicht stoppen?«

»So ist es«, antwortete Ileschqa.

»Wer könnte es? Und wie?«

»Das lässt sich nicht mit wenigen Worten vermuten.«

»Wir benötigen Informationen«, sagte Rhodan. »Wenn wir euch helfen sollen.« Euch helfen – und uns selbst, ergänzte er in Gedanken.

Rhodan konnte dem fremdartigen Gesicht noch immer nichts entnehmen. Der Schiqalaya stand wie erstarrt, und für einige Augenblicke hatte Rhodan den scheußlichen Eindruck, einer ausgestopften Kreatur gegenüberzustehen, der Trophäe im Haus eines abwesenden Jägers. Die Gesichtshaut des Wesens war so weiß wie abgeschälte und gebleichte Knochen.

Dann bemerkte er die Lichter in den Augen des Schiqalaya. Winzige rote Punkte leuchteten im Lackschwarz der Augen auf, blinkten, verschwanden wieder.

»Wären wir tot«, sagte Ileschqa, als könnte er Rhodans Gedankengänge erahnen, »entrückte alles ins Geheime. Was willst du wissen?«

Rhodan fuhr sich mit der Hand über den Mund. Gute Frage. Was wollte er wissen?

Alles, was von Bedeutung war.

Aber was wäre von Bedeutung, und für wen hätte es diese Bedeutung? Für ihn, den Menschen Perry Rhodan? Für den Schiqalaya? Was, wenn dieser Ileschqa Dinge für bedeutsam hielt, die für Rhodan und alle Menschen ohne jeden Belang waren? Vergeudung von Zeit, die er nicht hatte. Oder wenn der Schiqalaya Ereignisse als Bagatellen ansah, keiner Rede wert, die für Rhodan von ausschlaggebendem Gewicht waren?

»Alles«, entschied Rhodan. »So viel wie möglich.«

»Ich weiß nicht alles«, kam die Antwort.

Überraschung, dachte Rhodan mit komischer Verzweiflung. Doch der Schiqalaya meinte diese Auskunft offenbar ernst. Ob er oft jemandem begegnet ist, der ihn für allwissend hält?

Ileschqa ergänzte: »Aber die NAPHAUT DOSCHUR – unser Boot – verfügt über ein weitreichendes Archiv. Wir werden es dir zugänglich machen.«

»Gut«, erwiderte Rhodan. Er kämpfte jedes Misstrauen nieder. Warum sollten die Schiqalaya ihn, Ghyss und Guidry belügen? Wenn sie aber Anlass sähen, Informationen zurückzuhalten, ihm etwas zu verheimlichen – er würde es so oder so nicht ändern können.

Auf ein für Rhodan unsichtbares Zeichen hin glitt ein Magnetschlitten heran. Rhodan und seine beiden Begleiter setzten sich, Ileschqa nahm auf seinem eigenen Schlitten Platz.

Die Schlitten starteten, wendeten und glitten auf das Tor zu.

Dann tauchten sie ein in die Gänge.

Erst nun bemerkte Rhodan, wie kühl es an Bord war. Verbunden mit dem grellen, kalkweißen Licht entstand der Eindruck, durch eine unwirkliche Schnee- und Eislandschaft zu gleiten.

Durch den Eispalast der toten Engel, dachte Rhodan. Tatsächlich fröstelte es ihn.

*

Die Schlitten trugen sie durch die in manchen Abschnitten engeren, dann wieder weiteren Tunnelgänge. Hin und wieder begegneten ihnen andere dieser Transportmittel, einmal wurden sie überholt.

Aber die anderen Schlitten waren alle unbesetzt.

Ihr Fahrzeug nahm Steigungen, fuhr durch Kurven, sauste steile Gänge hinab. Es war alles andere als eine gerade Strecke. Dennoch entstand vor Rhodans innerem Auge allmählich ein gewisser Eindruck von den Dimensionen des Gebildes, das Ileschqa die NAPHAUT DOSCHUR genannt hatte, ihr Hyperraumboot.

Der Begriff Boot war wohl eine gewaltige Untertreibung. Arche träfe es besser.

Mittlerweile hatte sich die Luft verdichtet. Eine Art Nebel stieg aus dem Boden auf, floss zu grauen Schlieren und Schwaden zusammen, die von den Schlitten auseinandergefegt wurden.

Es war noch kühler geworden.

Der Schlitten des Schiqalaya geriet außer Sicht. Rhodan versuchte, ihn im Nebel wiederzufinden.

Ihr Fahrzeug legte sich in eine überraschend scharfe Kurve – und plötzlich öffnete sich alles. Rhodan spürte körperlich, wie die Wände ringsum zurückwichen.

Bald hatte sich das Gefühl verloren, an Bord eines Raumschiffs zu sein. Wenn es hier etwas Technisches gab, war es verhüllt und hinter die Erscheinungen zurückgetreten, die ihm die Sinne füllten. Der Luftzug war nicht stetig, sondern blies kalt wie ein Winterwind mal schwächer, mal stärker und aus verschiedenen Richtungen. Die Decke hatte sich zu einem Himmel geweitet, an dem zwar keine Sterne standen, der aber dennoch unerreichbar fern und gewaltig schien.

Wahrscheinlich Holoprojektionen, dachte Rhodan. So groß kann dieses Schiff nun auch nicht sein. Wir benutzen ähnliche Konstruktionen an Bord unserer Raumschiffe in den Erholungsbereichen. Wir brauchen beides: das Gefühl unbegrenzter Weite und von Geborgenheit. Wenn es hier ebenso ist: gut. Dann wären sie uns vergleichbar.

Der Schlitten wurde langsamer und blieb schließlich stehen. Rhodan atmete tief ein. Alles war erfüllt von einem eigentümlichen Aroma. Rhodan glaubte, in einem feinen Regenstaub zu stehen. Er fühlte sich beklommen, beinahe asthmatisch, und brauchte Zeit, sich an die Feuchtigkeit und ihre Aromen zu gewöhnen. Es roch nach Alter, nach Ehrfurcht gebietendem, auch nach Wehmut über viele, sehr viele verlorene Dinge.

Wie auf einem Friedhof.

Ileschqa – es musste Ileschqa sein – kam ihnen aus dem feuchten Nebel entgegen und machte eine einladende Geste. Er drehte sich um und schritt voran.

Die drei Menschen folgten ihm. Der Boden unter ihren Füßen knirschte und klirrte leise bei jedem Schritt. Rhodan blickte nach unten. Undurchdringlicher Nebel. Er schaute wieder auf. Die Schwaden waren dichter als in den übrigen Abteilungen des Boots, die sie passiert hatten. Aber allmählich gewöhnten sich seine Augen an das diffuse, von allen Seiten heranfließende, neblige Licht.

Einmal rissen die Schwaden auf. Rhodan erkannte, dass der Boden von winzigen, kaum fingernagelgroßen Muscheln übersät war. Er, Ghyss und Guidry gingen schwer wie durch nassen Sand, sanken bei jedem Schritt fast bis zu den Knöcheln ein. Rhodan hörte Guidry, der schweigend neben ihm ging, vor Anstrengung tiefer atmen.

»Es ist kalt«, sagte Pao Ghyss.

Rhodan widerstand der Versuchung, seinen Arm um sie zu legen. Du könntest sie den Schiqalaya gegenüber als deine Schwachstelle verraten, dachte er. War Pao das denn? War sie nicht seine heimliche Stärke?

Hin und wieder tauchten vereinzelte baumartige Gebilde aus den Schwaden, sechzig, siebzig, ja vielleicht hundert Meter hohe Strukturen. Ihre Stämme wanden sich als hoch und in die Länge gestreckte Spiralen, sich verjüngende Wendeln empor und glichen überdimensionalen Korkenziehern. Im diffusen Licht schimmerten die Gebilde perlmuttfarben.

Manchmal verschwand der Nebel, und Rhodan sah genauer. Die Kronen dieser Perlmuttbäume ähnelten Käfigen. Die bleichen, blattlosen Äste verknüpften und verknoteten sich zu einem kunstvoll gewirkten Gitterwerk und formten kugelförmige Körbe oder Käfige. Zehn oder zwanzig solcher Behältnisse bildeten die Krone eines Baums.

Knochenkäfige, schoss es Rhodan durch den Sinn.

Von dort oben breitete sich ein ganz besonderer Duft aus, schwer wie Moschus und sauer wie der Schlaf eines Kranken.