Perry Rhodan 2919: Die Enklaven von Wanderer - Wim Vandemaan - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2919: Die Enklaven von Wanderer E-Book und Hörbuch

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen. In der Milchstraße hingegen werden die Gemeni aktiv. Sie geben sich selbst als Gesandte einer Superintelligenz aus und wollen die verwaiste Mächtigkeitsballung von ES beschützen. Doch wie verwaist ist die Lokale Gruppe wirklich? Im Wegasystem wird ein Kunstplanet gesichtet, den die Terraner nur allzu gut kennen: Wanderer, die Welt von ES. Deren Geheimnisse bergen DIE ENKLAVEN VON WANDERER ...

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Zeit:3 Std. 56 min

Sprecher:Florian Seigerschmidt

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Nr. 2919

Die Enklaven von Wanderer

Unterwegs im Wegasystem – auf der Spur eines galaktischen Rätsels

Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Im Neuen Universum

1. Siskul

2. Der Merowinger

3. Die Tänzerin

4. Der erste Mensch auf dem Enceladus

5. Homunk

Epilog: 3. November 1551 NGZ

Glossar

Risszeichnung Standard-Medobox der RAS TSCHUBAI

Impressum

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

In der Milchstraße hingegen werden die Gemeni aktiv. Sie geben sich selbst als Gesandte einer Superintelligenz aus und wollen die verwaiste Mächtigkeitsballung von ES beschützen. Doch wie verwaist ist die Lokale Gruppe wirklich? Im Wegasystem wird ein Kunstplanet gesichtet, den die Terraner nur allzu gut kennen: Wanderer, die Welt von ES. Deren Geheimnisse bergen DIE ENKLAVEN VON WANDERER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Ernst Ellert – Ein Mann aus dem 20. Jahrhundert.

Opiter Quint – Ein TLD-Agent.

Aichatou Zakara – Eine Zeitforscherin.

Mahnaz Wynter – Eine USO-Agentin.

Zau

Prolog

Im Neuen Universum

19. Juli 1551 NGZ

Es gongte an der Tür, ein Klang wie von Bronze.

»Es ist Passagier Ellert«, meldete die Tür.

»Herein!«, sagte Opiter Quint vom Sessel aus, ohne den Blick von dem ungeheuren blauweißen Glanz zu nehmen, der sich vor ihm und zu seinen Füßen ausbreitete. Die Außenwand seiner Kabine an Bord des ferronischen Kugelraumschiffes bestand aus Glassit. Der transparente Stoff hatte sich gegen die Lichtflut der Sonne abgetönt, andernfalls hätten Quints Netzhäute dem Licht dieses Sterns keinen Augenblick standgehalten. Er hätte keinerlei Struktur in dieser Helligkeit zu sehen vermocht, nichts vom Zirkulieren und Wirbeln ihrer Atmosphäre, von den Protuberanzen und Spikulen, den Gasspritzern ihrer Chromosphäre, nichts von ihrem Strahlenkranz.

Quint hörte, wie die Tür sich öffnete und kurz darauf wieder schloss, und er spürte, dass Ellert neben ihn getreten war; er hörte ihn atmen.

»Das ist die Wega«, sagte Quint.

Ellert antwortete nicht.

Quint ging davon aus, dass Ellert sich trotz der Kürze des Fluges vom Solsystem kundig gemacht hatte. Er würde wissen, dass die Wega 27 Lichtjahre von der Erde entfernt war, dass sie eine Sonne vom Spektraltyp A0V war, ein blauer Riese, etwa drei Mal so groß wie Sol, aber von der 37-fachen Leuchtkraft des Sterns der Menschheit.

Aber was hieß das schon, verglichen mit der Gegenwart dieses Übermaßes an Licht und Feuer?

»Mir ist kalt«, sagte Ellert. »Wir sind also 27 Lichtjahre geflogen?«

Quint nickte.

»Holla«, sagte Ellert. »Etwas über 250 Billionen Kilometer.«

Quint wandte den Kopf und schaute zu Ellert auf.

»Ich weiß, was ein Lichtjahr ist. Ich habe in meiner Jugend viel im Neuen Universum gelesen«, sagte er.

»Im neuen Universum?«

»Das war ein Jahrbuch«, erklärte Ellert. »Ein Jahrbuch für Haus und Familie, besonders für die reifere Jugend. Es gab Artikel über Traumautos, die mit 300 Sachen durch die Kurven flitzen, über das erste Vulkankraftwerk der Welt, eine elektrische Kanone, das Atom als Energiequelle, über den Schuss zum Mond und die Planeten. Viel Technik. Alles erfreulich mädchenfrei.«

»Aha«, machte Quint verständnislos. »Wieso mädchenfrei?«

Ellert winkte ab, fragte stattdessen übergangslos: »Insgesamt 42 Planeten?«

»Oder 43. Vor etwa 13.000 Jahren sollen es 43 Planeten gewesen sein, und heute möglicherweise wieder.«

»Der Planet Wanderer«, sagte Ernst Ellert. »Wann fliegen wir ihn an?«

»Wir sind ein Frachter und ein Passagierschiff«, erinnerte ihn Quint. »Die NEÈFOR wird planmäßig auf Ferrol landen; sie wird entladen und wieder beladen. Auf dem Rückweg werden wir an Siskul vorbeifliegen. Dort soll sich der Kunstplanet befinden.«

Ellert nickte. »Auf dem Rückweg wohin?«

Quint machte eine unbestimmte Geste. Die NEÈFOR, ein ferronischer Kugelraumer, würde nirgendwohin fliegen. Jenjur Mezepher, der Kapitän des Schiffes, würde sich einige Lichttage außerhalb des Wegasystems in Bereitschaft halten. Sobald Opiter Quint ein Zeichen gab, würde das Raumschiff sie wieder aufnehmen. Erst danach würde man den Rückflug zur Erde starten.

Danach – nachdem man den Kunstplaneten Wanderer betreten und erkundet hätte.

Mit welchen Ergebnissen?

Würde man dort eine Spur von ES finden, der verschwundenen Superintelligenz? Würde man sich überhaupt Zugang verschaffen können zu dem künstlichen Planeten, von dem die terranischen Wissenschaftler lange angenommen hatten, er wäre untrennbar mit ES verbunden, ja, gewissermaßen eins mit ES?

Würde man herausfinden, warum Wanderer zur selben Zeit aufgetaucht war wie dieser Ernst Ellert, am 24. Juni 1551 NGZ nämlich, um 11.38 Uhr, vor etwas mehr als drei Wochen?

Ernst Ellert, den es in dieser Welt nicht geben dürfte. Denn er war gegen Ende des 20. Jahrhunderts alter Zeitrechnung auf unbestimmbare Weise aus dem Leben geschieden, hatte danach eine eigenartige Existenz geführt, mal an der Seite der Menschheit, mal in den Tiefen des Universums, um schließlich, wie es hieß, eine untrennbare Verbindung mit ES einzugehen.

An dieses Dasein aber hatte Ellert keine Erinnerung. Gestern war für ihn ein Tag im Jahr 1972 vor der Zeitenwende zur galaktischen Zeitrechnung gewesen – tiefste Vergangenheit.

Quint, der Agent des Terranischen Ligadienstes, betrachtete Ellert, der neben dem Pneumosessel stand und in den lautlosen Abgrund von Licht schaute: das ungekämmte Haar dunkelblond, die Augen dunkelgrün, der rechte Unterarm durch eine Bioprothese ersetzt. Dieser Ellert hatte die Sprache der Milchstraße, das Interkosmo, erst vor wenigen Tagen in einer Hypnoschulung gelernt. Er sprach es mit einem eigentümlichen Akzent, den er Quint gegenüber mit einem Augenzwinkern als eben bayerisch bezeichnet hatte.

Seine schmucklose Bordkombination wirkte immer noch wie eine Verkleidung, ebenso die weit und modern geschnittene Weste aus indigoblauem Tuch, die er über der Kombination trug.

»Wenn du mich ergründet hast«, sagte Ellert mit einem lausbubenhaften Grinsen, »gib Bescheid. Ich wäre auf das Ergebnis gespannt.«

Opiter Quint seufzte leise und stand auf.

Quint war mit über zwei Metern einen ganzen Kopf größer als Ellert. Wieder wusste er nicht, wohin mit seinen Händen, die zu groß erschienen. Er wusste, dass er auf Betrachter ungelenk wirkte, geradezu linkisch. Dabei muskulös für einen Terraner.

Allerdings war er kein Terraner, jedenfalls nicht im Sinne eines auf Terra geborenen Menschen. Quint stammte von einer ertrusischen Kolonialwelt, Baardhom, und war Nachfahre dieser an ihre Umwelt angepassten Auswanderer von der Erde. Sein Körper war wie die vielen Generationen seiner Vorfahren an eine weit höhere Schwerkraft angepasst als die der Erde oder Ferrols.

In diesem Moment kippte das Lichtmeer links zur Seite weg, die blauweiße Glut versank. Die Stimme von Kapitän Mezepher erklang, an niemand bestimmten gerichtet: »Wir haben Anflugerlaubnis auf Ferrol erhalten. Eintreffen im Orbit dort in 25 Minuten, Landung auf dem Raumhafen von Thorta in maximal zwei Stunden.«

»Wie lange werden wir auf diesem Raumhafen zu tun haben?«, fragte Ellert.

Quint zuckte die Achseln. »Nicht lange. Zwei, drei Stunden. Die Ferronen sind ausgeklügelte Logistiker. Wir nehmen nur Waren auf; keine Passagiere.«

»Haben wir Zeit für einen Landgang?«

Quint schüttelte den Kopf. »Das ist nicht vorgesehen.« Er sah Ellert die Enttäuschung an. »Ich will kein Risiko eingehen«, sagte er.

»Dass ich verloren gehe?«

Quint nickte. Hinter dem Glassit lag das sterngesprenkelte Tuch des Weltraums.

»Vielleicht könnten wir eine kleine Tour durch Thorta machen«, lenkte Quint ein.

Wenig später erbat Aichatou Zakara Zutritt zu Quints Kabine.

Die Chronotheoretikerin befasste sich mit Zeitphänomenen – und dass Ellert ein solches Phänomen war, stand außer Zweifel.

Ebenso außer Zweifel stand, dass Zakara eine spektakuläre Erscheinung war mit ihrem rabenschwarz schimmernden Haar, durch das blaue Spiegelungen glitten, mit indigofarbenen Lippen und roten Strichen, die sie sich auf Nase, Stirn und Wange gemalt hatte, eine Mischung aus Lava und Zorn.

Die drei Ziersteine, die sie in ihr Kinn eingelassen hatte, glänzten wie helles Narbengewebe. Sie hatte die Kapuze ihrer Bluse in den Nacken gelegt.

Quint wusste, dass sie drei Kinder hatte von drei verschiedenen Vätern, alle Kinder erwachsen. Sie hießen Rhissa, Mano und Tin, und der Dreiklang ihrer Namen hatte sich in seinem Gedächtnis festgesetzt wie ein Zauberspruch.

Zakara war eine Targia, dem Volk der Tuareg zugehörig, und stammte vom Planeten Gewas, wohin ein Teil ihres Volks vor Jahrtausenden ausgewandert war. Vielleicht, weil die Wüsten auf der Erde ihnen zu klein geworden waren, und die Oasen zu leicht erreichbar.

Auf Terra existierten die Tuareg längst nicht mehr; dort waren alle Nationen im Sternenvolk der Terraner aufgegangen. Aber auf manchen alten Siedlungswelten hatten sich diese besonderen Kulturen erhalten.

»Ernst würde sich gerne Thorta ansehen«, berichtete Quint.

Zakara deutete ein Nicken an. »Ich bleibe lieber an Bord.«

»Oh«, sagte Ellert; es klang enttäuscht, und es war genau das, was auch Quint hätte sagen wollen.

»Sollen wir unseren Kollegen aus der Lagune einen Tipp geben?«, fragte er stattdessen.

Die Lagune war TLD-Jargon für die Mitarbeiter der Neuen USO. Woher diese Bezeichnung rührte, wusste Quint selbst nicht. Zwei USO-Agenten hatten den Flug mitgemacht und würden an der Expedition nach Wanderer teilnehmen: Mahnaz Wynter, eine Terranerin, und ihr ziemlich undurchschaubarer Begleiter Zau.

Die USO hatte ja von jeher ein Faible für etwas malerische Mitarbeiter gehabt – kein Wunder, wenn man seine Gründung auf einen leibhaftigen arkonidischen Lordadmiral zurückführte, der zu den Terranern konvertiert war.

Sie sprachen noch ein wenig über dies und das; dann breitete sich Ferrol unter ihnen aus wie eine überlebensgroße, grün-braun-blaue Palette eines Malers, der begeistert mit wuchtigen Pinselschwüngen darauf herumgefahren war.

Jenjur Mezephers Stimme erklang erneut und verkündete, dass man in den Landeanflug gehe.

Bald konnten sie Thorta sehen.

Quint hörte Ellert leise durch die Zähne pfeifen. »Wie im Neuen Universum«, sagte er. »Auf einem der Faltblätter. Die Stadt der Zukunft.«

Zakara warf Quint einen fragenden Blick zu.

Quint erklärte: »Das ist seine Lektüre gewesen. Es ging um elektrische Kanonen, Vulkankraftwerke und die Beschießung von Himmelskörpern. Mädchen kamen zur Freude der Leser nicht darin vor.«

Zakara hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Kurz darauf zog sie sich in ihre Kabine zurück. Ellert behauptete, noch etwas in seinem Raum zu tun zu haben.

Quint suchte Jenjur Mezepher auf. Der Kapitän war ein älterer Ferrone mit kahlem Haupt und langem Bart; auf den Händen zeigten sich einige blassrote Altersflecken.

»Hast du mit dem Direktor über den besonderen Gast gesprochen?«

»Ja«, sagte Mezepher. »Wir haben keinerlei Beweis dafür, dass es sich um Adam von Aures handeln könnte, auch wenn NATHAN es vermutet. Genau wie du. Wer kann sich bei Gestaltwandlern schon sicher sein?«

Quint nickte.

»Vingaden deutete an, dass der Resident nicht eben unglücklich darüber wäre, wenn Adam das Solsystem wieder verlassen würde. Vingaden und NATHAN fürchten, dass ein Zugriff auf unseren besonderen Gast in einem Debakel enden könnte. Beide hoffen, dass Ernst Ellert Mittel und Wege finden wird, auf Wanderer zu landen. Und dass es Sache des Kunstplaneten sein sollte, Adam eben davon abzuhalten, sollte er es versuchen.«

Quint nickte wieder.

Der Ferrone fragte: »Du und Ellert – ihr wollt die NEÈFOR verlassen?«

»Ja.«

»Gut. Am Raumhafen warten einige Spezialisten des TLD und der USO. Sobald ihr von Bord seid, werden sie auf unseren besonderen Gast zuzugreifen versuchen. Über diesen Zugriff soll Wynter das Kommando haben. Es wäre gut, wenn ihr die Wissenschaftlerin mitnehmen würdet.«

»In Ordnung«, sagte Quint. Er würde mit Zakara sprechen; es würde ihn freuen, wenn sie ihn und Ellert begleitete.

Die NEÈFOR setzte auf, lautlos und ohne jede Erschütterung, wie ein Schatten.

Quint, Ellert und Zakara trafen sich in einem kleinen Hangar. Sie bestiegen einen bereitgestellten Gleiter, warteten, bis die Schotte zur Seite geglitten waren, und verließen die NEÈFOR.

Als Ellert aus der Kanzel die Skyline der Stadt Thorta sah, pfiff er noch einmal durch die Zähne. »Das neue Universum«, sagte er. »Live und in 3-D!«

Die NEÈFOR blieb zurück. Gleich würden Wynter und ihre Leute aus der Lagune, die irgendwo in den Katakomben des Raumhafens auf ihren Einsatz warteten, den Zugriff versuchen.

Quint aber hielt die Chance, dass man Adam von Aures fasste, für gering.

1.

Siskul

Siskul, der 40. Planet der Wega, befand sich etwa 48 Milliarden Kilometer von seiner Sonne entfernt, mehr als zehnmal so weit wie Neptun von Sol.

Siskul war eine menschenfeindliche Welt, die Schwerkraft niederdrückend, die Atmosphäre für Menschen giftig.

Opiter Quint hielt sich zusammen mit Ernst Ellert, Aichatou Zakara, Mahnaz Wynter und Zau in der Zentrale des ferronischen Raumschiffes auf und schaute auf den Panoramaschirm, in dem Siskul mit seinen Trabanten dargestellt war. Fünf Monde umkreisten den Planeten, einer von ihnen hatte selbst noch einen eigenen Trabanten – ein kompliziertes und nicht für die Ewigkeit gemachtes gravomechanisches Ballett.

Ursprünglich hatten sechs Monde den jupiterähnlichen Himmelskörper umkreist. Die Topsider hatten diese Monde im Zuge ihrer Invasion des Wegasystems vor über drei Jahrtausenden zu Forts ausgebaut; den Gesamtkomplex hatte man als die Festung der sechs Monde bezeichnet.

Nachdem die Invasion mithilfe Rhodans abgewehrt und die topsidische Flotte dank des Arkoniden Crest durch eine Kriegslist vernichtet worden war, hatten die Ferronen diese Festungen übernommen, bald aber deren Nutzlosigkeit erkannt und sie eine Weile lang noch museal erhalten. Im 16. Jahrhundert neuer Zeitrechnung waren die Besuche selten geworden. In den alten Stahlbauten gingen nur noch Roboter um, hin und wieder begleitet von Historikern, mal Terraner oder Ferronen, mal Topsider, mal ein gemischtes Team in wissenschaftlicher Eintracht.

Im Zuge der damaligen militärischen Auseinandersetzung war der kleinste Mond durch eine Gravitationsbombe zerstört worden. Bis in die Gegenwart torkelten Bruchstücke in seiner ehemaligen Umlaufbahn, und hin und wieder stürzte eines dieser Überbleibsel in die dichte, von maßlosen Stürmen beunruhigte Atmosphäre Siskuls.

Die Liga unterhielt eine rein robotische Forschungsstation auf dem leblosen Planeten. Ihre Aufgabe war die Beobachtung und Auswertung von Klimaphänomenen. Als diese Station am 24. Juni 1551 NGZ um 11.38 Uhr einen beachtlichen Körper in der Atmosphäre angemessen hatte, war zunächst abgeglichen worden, ob es sich dabei um eines dieser Trümmerstücke handeln konnte. Aber es war kein Eintritt eines Fragments in die Lufthülle Siskuls erwartet worden, und mit 8000 Kilometern Durchmesser war der Fremdkörper zu groß, um ein Relikt des Mondes zu sein.

Siskul durchmaß an seinem Äquator 164.000 Kilometer, noch einmal deutlich mehr als der größte Gasplanet im Solsystem; der Fremdkörper wies eben ein Zwanzigstel auf.

Der Robotkommandant der Station hatte Sonden ausgeschickt. Der Fremdkörper erwies sich als zu regelmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. Die Sonden hatten eine Scheibe von 600 Kilometern Dicke gefunden. Über den Diskus spannte sich ein kuppelförmiges Energiefeld unbekannter Signatur, schwarz und spiegelnd – der Schwarzschirm, wie man ihn alsbald taufte. In seinem Zenit erreichte er eine Höhe von knapp 4000 Kilometern.

Die Turbulenzen in der Atmosphäre von Siskul ließen nur einen Schluss zu: Die Scheibe war nicht von außen in die Gashülle des Planeten eingeflogen – eine solche Invasion hätte andere Spuren hinterlassen –, sondern sie war in der Gashülle materialisiert.

Zwar hatte die Forschungsstation keinen Transitionsimpuls oder Vergleichbares angemessen, doch das musste nicht viel heißen. Derartige Impulse ließen sich dämpfen, und die Station war nicht für die Anmessung hyperphysikalischer Phänomene ausgerüstet.

Der Robotkommandant informierte Ferrol, Ferrol gab die Daten an die zuständigen Behörden der Liga weiter.

Wenige Minuten nach der Entdeckung hatte NATHAN die Daten gesichtet und Resident Hekéner Sharoun informiert, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 91,9 Prozent die Kunstwelt Wanderer wieder aufgetaucht sei.

»Hm«, machte Ernst Ellert. »Also ist es gar nicht absolut sicher, dass es sich bei diesem Objekt um den Wanderer-Planeten handelt?«

»Nein«, sagte Jenjur Mezepher. »Meine Leute haben das Objekt in den letzten Stunden mit dem neuen Kantor-Sextanten abgetastet, ohne den Schwarzschirm durchdringen zu können. Selbst, wenn es nicht Wanderer sein sollte, ist es aufgrund der zeitlichen Koinzidenz wahrscheinlich ein Objekt, das in Verbindung mit dir und deinem Erscheinen in Terrania stehen muss.«

Ernst Ellert nickte. »Sieht so aus«, gab er zu. »Das Scheibending ist eine Schatzkiste, und ich bin der passende Schlüssel. Das ist wohl die vorherrschende Theorie.«

Du – oder dein Amulett, dachte Quint und fasste sich kurz an die Westentasche, in der das Etui verwahrt lag. Ellert hatte schon in der Gruft bei Terrania ein winziges Artefakt an einer Kette um den Hals getragen, ein offenes Dreieck oder Prisma, die Seiten etwa fünf Millimeter lang, gefertigt aus einem eisgrauen Material, das zu den seltensten dieses Universums gehören dürfte: gefrorene Eiris. Hergestellt also aus einer Erscheinungsform jener raumzeitlichen, mentalen Energie, mit deren Hilfe eine Superintelligenz einen Abschnitt der Raumzeit als ihren Zuständigkeitsbereich markierte.

Ein Amulett, von dem Ellert nichts gewusst hatte.

»Theorien gilt es zu überprüfen«, sagte Mezepher. »Dafür sind wir hier.«

Das Schiff, seinem Äußeren nach nur ein betagter ferronischer Frachter der PIGELL-Klasse, war ortungs- und verteidigungstechnisch auf dem neuesten Stand der Liga. Zu seiner Ausrüstung gehörte ein Kantor-Sextant neuester Bauart, ein sogenannter Kantor-Kompaktsextant. Dieses Ultra-Messwerk war im Gegensatz zu seinen Vorgängern kein rein passives Instrument mehr, das nur in der Lage war, Reflexionen zu empfangen. Der neue Sextant vermochte, wenn auch nur in geringem Maße, selbst Impulse auszusenden, die Sextadim-Komponenten enthielten.

Der Kugelraumer durchmaß 300 Meter; einen Ringwulst hatte er nicht. Die gesamte untere Hälfte der Sphäre stand den Passagieren als Frachtraum zur Verfügung. Das Schiff hatte auf dem Raumhafen von Thorta Fracht geladen; neue Gäste an Bord genommen hatte es nicht.

Der Zugriff auf den besonderen Gast war gescheitert. Wynter hatte ihn wortkarg darüber informiert.

Quint hatte nichts anders erwartet. Gescheitert nicht, weil jener Passagier sich einer Festnahme widersetzt hätte, sondern weil er sich von einem Augenblick zum anderen in Luft aufgelöst zu haben schien. Er war so spurlos verschwunden wie ein Phantom, wie ein Hirngespinst, erträumt von Quint und den Ferronen in einem geheimen, gemeinsamen Schlaf.

Adam von Aures spielt mit uns, dachte Quint. Er wird uns wieder heimsuchen. Fragt sich nur, wo und wann.

»Wir werden in wenigen Minuten Sichtkontakt mit dem Objekt haben«, meldete in diesem Moment die Pilotin.

Quint nickte den anderen zu. Er war der offizielle Expeditionsleiter; auch die beiden USO-Agenten waren ihm – wie Wynter zugesichert hatte – für diesen Fall unterstellt.

Quint, der manchen als überkorrekt galt, hatte auf dem Flug auch Zakara einen Verpflichtungskontrakt unterzeichnen lassen, demzufolge sie sich während des Unternehmens seinen Anordnungen fügen würde.

Einzig Ellert war von der Kommandostruktur ausgenommen.