Jupiter 1: Kristalltod - Wim Vandemaan - E-Book + Hörbuch

Jupiter 1: Kristalltod E-Book und Hörbuch

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Seit 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Die Erde und die weiteren besiedelten Welten der Liga Freier Terraner haben sich zu einer blühenden Gemeinschaft entwickelt. Die Menschen leben weitgehend im Einklang mit den anderen Völkern und Sternenreichen der Milchstraße. Die letzte kosmische Krise liegt lange zurück. Doch dann mehren sich die Anzeichen, dass eine neue Gefahr für die Menschheit heraufzieht. Sie kommt diesmal nicht aus den Tiefen des Universums, sondern aus dem Herzen der terranischen Zivilisation. Unerklärliche Ereignisse geschehen in der tödlichen Atmosphäre des Jupiters und auf Ganymed, seinem größten Mond. Eine mysteriöse Droge verbreitet sich über die Welten des Sonnensystems. Perry Rhodan setzt alles daran, den Feind aufzuspüren und dessen Pläne zu durchkreuzen. Denn die Bedrohung lauert nicht nur auf dem Jupiter, sondern bereits auf der Erde. Hier muss Rhodan erkennen: Die gefährlichste Waffe des Gegners ist der KRISTALLTOD ...

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Seitenzahl: 147

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Zeit:3 Std. 31 min

Sprecher:Marco Sven Reinbold

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Nr. 1

Kristalltod

Eine neue Droge für die Erde – und ein Rhodan verschwindet spurlos

Wim Vandemaan / Kai Hirdt

Seit 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Die Erde und die weiteren besiedelten Welten der Liga Freier Terraner haben sich zu einer blühenden Gemeinschaft entwickelt. Die Menschen leben weitgehend im Einklang mit den anderen Völkern und Sternenreichen der Milchstraße. Die letzte kosmische Krise liegt lange zurück.

Doch dann mehren sich die Anzeichen, dass eine neue Gefahr für die Menschheit heraufzieht. Sie kommt diesmal nicht aus den Tiefen des Universums, sondern aus dem Herzen der terranischen Zivilisation. Unerklärliche Ereignisse geschehen in der tödlichen Atmosphäre des Jupiters und auf Ganymed, seinem größten Mond. Eine mysteriöse Droge verbreitet sich über die Welten des Sonnensystems.

Perry Rhodan setzt alles daran, den Feind aufzuspüren und dessen Pläne zu durchkreuzen. Denn die Bedrohung lauert nicht nur auf dem Jupiter, sondern bereits auf der Erde. Hier muss Rhodan erkennen: Die gefährlichste Waffe des Gegners ist der KRISTALLTOD ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner kehrt zu seinen Wurzeln zurück.

Chayton Rhodan – Ein entfernter Verwandter spielt mit hohem Risiko.

Spiros Schimkos – Der Ingenieur befreit sich von allen Zwängen.

Pao Ghyss

Prolog

MERLIN

27. Dezember 1460 NGZ

Der Tau funkelte.

Die Dose, in der Chayton Rhodan den Kristallstaub verwahrte, war rund und kaum größer als eine antike Taschenuhr. So viel Macht, so viel Schönheit, so viel Freiheit auf so kleinem Raum.

Chayton bewegte das Gefäß höchst vorsichtig, um nichts von dem wertvollen Staub an einen Lufthauch zu verlieren. Das Tau-acht fing das kalte Licht der Faktoreibeleuchtung ein, verwandelte es in etwas Wunderbares. Schillerndes Türkis, wie die Wellen einer Lagune. Smaragdgrün, Purpur, das Indigo einer warmen Sommernacht.

Er benetzte die Spitze seines Zeigefingers mit der Zunge, tippte leicht auf das Pulver. Einige Partikel blieben haften. Er verteilte sie auf seinen Lippen, dann leckte er sie sanft auf.

Es prickelte.

Chayton lächelte. Das war sein kleines Ritual. Es erinnerte ihn daran, wie er das erste Mal Tau-acht genommen hatte: Er hatte es von Paos Lippen geküsst.

Damals hatte diese winzige Menge ausgereicht, um ihn in die Klarheit zu führen. Inzwischen brauchte er mehr, und er musste es auf andere Weise nehmen. Auf die übliche Weise.

Chayton griff nach der Pipette und sog etwas Tau auf, dann schraubte er die Dose wieder zu. Mit Daumen und Zeigefinger fixierte er ein Augenlid, mit der anderen Hand hob er die Pipette.

Die Spitze des gläsernen Röhrchens schwebte vor seiner Pupille. Dieser Moment machte ihm jedes Mal Angst. Doch die Belohnung war wunderbar.

Der Tau sprühte ihm entgegen, löste sich in der Tränenflüssigkeit, entfaltete seine Magie. Über den Sehnerv fand er unmittelbar ins Gehirn.

Chayton Rhodan spürte den Jupiter, das Magnetfeld, die Schwerkraftverwerfungen. Er spürte die Wasserstoff-Helium-Atmosphäre, in der die Faktorei schwebte und erntete. Er spürte die Hyperkristalle.

Den Tau.

Er spürte seine eigene Macht.

Er war vom selben Blut wie Perry Rhodan. Er war zu Großem bestimmt.

Und er war bereit.

Er steckte das Tau-acht ein und machte sich auf den Weg.

*

Mit hocherhobenem Haupt schritt Chayton durch die Korridore der Faktorei. Er war fast am Ziel: Immer mehr Menschen kamen ihm entgegen – und auch Arkoniden, Jülziish, Cheborparner und andere Außerirdische. Die Ladenzeilen im Zentrum von MERLIN heischten mit schriller und aufdringlicher Werbung um Aufmerksamkeit. Chayton hätte sich weder die extravagante Kleidung noch die erlesenen Delikatessen oder die diskret erbrachten Dienste leisten können.

In den etwas abgeschiedeneren Ecken lagen einige träge Körper. Die, die wieder schliefen. Die Bedauernswerten, die nicht stark genug waren für den Tau.

Oder die ihn sich nicht mehr leisten konnten. Wenn er an diesem Tag versagte, würde es ihm genauso ergehen.

Aber er würde nicht versagen. Er war unbesiegbar.

Amüsiert bedachte er die wechselhafte Entwicklung des eigenen Vermögens. Noch vor einem Vierteljahr hatte er nicht geahnt, was das Schicksal für ihn bereithielt, wusste nichts von Pao, nichts von dem Tau. Seine Rücklagen waren aufgebraucht gewesen, und er hatte wieder Geld verdienen müssen.

Der Auftrag war ihm gerade recht gekommen: Drei Monate lang sollte er MERLINS komplexes System von Schirmfeldprojektoren, Antigravitationsgeneratoren und Antriebsmodulen an die neuesten Erkenntnisse anpassen, die aus der Forschungsstation Cor Jupiter in der Tiefe des Gasplaneten stammten.

Der Auftrag war gut bezahlt. So gut, dass er danach mindestens ein Jahr zu Hause bei seinen Kindern und seiner Schwester hätte verbringen können.

Wie sehr diese drei Monate sein Leben verändert hatten. Er hatte Pao getroffen und Tau-acht kennengelernt!

Ein dürrer Jülziish riss Chayton aus seinen Gedanken. »Gib es mir«, krächzte der Blues. »Ich will nicht wieder schlafen ...«

Chayton ging vorbei, ließ die schwache Kreatur zurück. Er hatte keinen Sinn für Schwäche. Er selbst musste schließlich auch stark sein, in jeder einzelnen schlaflosen Nacht, seit Pao ihn verlassen hatte.

Immerhin war ihm der Tau geblieben.

Sein frisch erworbenes Vermögen hingegen hatte sich bis auf einen kleinen Rest wieder verflüchtigt. Er hatte sich die Rücklagen für das komplette nächste Jahr ins Auge gestäubt.

Nun würde er sich alles zurückholen.

Vor ihm lag MERLINS Mittelpunkt. Damals, als die Faktorei noch ein Schiff der Liga Freier Terraner gewesen war, hatte sich hier die Zentrale befunden. Nun war dort das Casino. Ein Torbogen aus Bronze, fünf Meter hoch und ebenso breit, gewährte ihm Zugang.

Er fühlte sich ganz leicht, als er über die Schwelle schritt. Und dafür musste er nicht einmal seine Gabe einsetzen.

*

Hunderte Lebewesen jeder erdenklichen Spezies scharten sich um die Spiele, allen voran Menschen von der guten alten Erde und ihre leichter gebauten, höher gewachsenen Vettern vom Jupitermond Ganymed. Arkoniden umringten einen Würfeltisch. Der Robotcroupier gab Karten aus. Einer der Spieler warf mit Schwung drei Würfel über die lange, grüne Bahn. Wo sie den Tisch berührten, leuchteten farbige Felder auf.

Chayton verstand nicht, wie aus dem Zusammenwirken von Würfelaugen, Farbfeldern und Kartenwerten der Gewinner bestimmt wurde. Es interessierte ihn auch nicht. Er suchte etwas Klassischeres.

Aber zunächst musste er seine Chancen abschätzen.

Chayton sah sich langsam um. Er bemühte sich, völlig ruhig zu wirken. Er sah die Parcours-Bieter, die ein Holo umringten. Zwei Teams bewegten sich durch die Stationen in den unteren Decks, stellten sich den Aufgaben dort. Die Übertragung zeigte, wie glühende, schwebende Fäden einen der Spieler durchbohrten. Wer auf sein frühes Ende gesetzt hatte, konnte sich nun über einen schönen Gewinn freuen.

So, wie Chayton ihn gleich einstreichen würde.

Er wusste, dass er es schaffen konnte. Er konnte alles schaffen, was er sich vorgenommen hatte. Er war zu Großem bestimmt.

Reichtum? Selbstverständlich. Nie wieder würden seine Kinder oder seine Schwester sich Sorgen um ihr Auskommen machen müssen. Caruu, Buster und Payette würden gar nicht wissen, was sie mit all den Galax machen sollten, die er heimbringen würde.

Ruhm? Daran war ihm nicht gelegen. Er hatte einen berühmten Verwandten, mit dem er für kein Tau-acht des Universums tauschen mochte.

Liebe?

Nur noch ein paar Minuten, bis er ausreichend Mittel hatte, um Pao Ghyss zu suchen. Sie zu finden und zurückzugewinnen. Wo immer in der Milchstraße sie sein mochte.

Einer der Techno-Jaguare kam auf ihn zu. »Kann ich helfen?«, fragte das geschmeidige Tier mit wohlklingender Frauenstimme.

»Ich schaue mich um«, sagte Chayton. »Es ist mein letzter Tag auf MERLIN, und ich möchte ihn feiern. Ich muss mich nur entscheiden, wie.«

»Du bist am richtigen Ort«, bestätigte die robotische Raubkatze. »Wünschst du Beratung zu den Spielen?«

Chayton lächelte. Nur ein einziges Spiel war für ihn interessant, aber das durfte der Jaguar nicht wissen. Chayton lehnte das Angebot freundlich ab und ging tiefer in die Halle hinein.

Im Zentrum stand ein weiterer Torbogen, eine etwas kleinere Kopie des Eingangsportals. Die Holografie eines Mädchengesichts schwebte darunter, übermannshoch, ätherisch, unschuldig, allsehend. So zeigte sich DANAE, die Steuerpositronik auf MERLIN. Auch DANAE durfte nichts von dem mitbekommen, was er vorhatte.

Und niemand von der SteDat. Die Sicherheitskräfte in ihren blau-roten Uniformen hielten sich unauffällig in den dunkleren Winkeln des Casinos. Aber wenn die Techno-Jaguare einen Betrüger aufbrachten, war der Polizeidienst sofort zur Stelle. Die Verhaftung galt als die angenehmere Alternative zur Auseinandersetzung mit den Raubkatzen.

Techno-Jaguare, DANAE, SteDat. Er musste sie berücksichtigen, aber sie waren alle kein Hindernis für ihn. Er entdeckte den Roulettetisch, wartete, bis ein Ferrone seinen Platz freigab, und machte sich bereit.

*

Eine Runde lang beobachtete er das Spiel, ohne zu setzen. Spürte die Drehung des Rades, spürte den Lauf der Kugel. Das Rad wurde langsamer, das weiße Flirren auf den schwarzen und roten Feldern wandelte sich zu erkennbaren Ziffern. Die Kugel verlor an Geschwindigkeit, rollte in ihrer enger werdenden Spiralbahn dem Zentrum entgegen, traf auf einen der zehn kleinen Metallrhomben in der Kesselwand und sprang hinüber auf den rotierenden Teller mit den siebenunddreißig Zahlenfächern.

Auf diesen Augenblick kam es an. Die Kugel verlor ihren letzten Schwung, rollte abwärts auf die 19 zu.

Chaytons Gabe war der Telekinese ähnlich genug. Er konnte nicht die Kugel greifen und steuern, aber er konnte Schwerkraftvektoren manipulieren. Für einen kurzen Augenblick wurde die Kugel ein paar Milligramm leichter, rollte eine Winzigkeit langsamer. Statt in 19, rot, landete sie in dem Fach daneben.

»Vier, schwarz«, schnarrte der Robotcroupier.

Chayton unterdrückte ein Lächeln. Ein unauffälliger Blick in die Runde: Niemand hatte etwas bemerkt. Zufrieden ließ er die Jetons in der Hand klappern. Acht Fünfhunderter hatte er eingetauscht. Viertausend Galax waren alles, was ihm von den vierzigtausend geblieben war, die er in den drei Monaten auf MERLIN verdient hatte.

Nicht mehr lange.

»Faites vos jeux!« Der Croupier setzte den Teller in Bewegung. Sein Roboterarm griff in den Kessel, schoss die Kugel mit Luftdruck hinein.

Zwei Versuche würde Chayton sich gönnen. Nicht alles auf einmal setzen, das war zu auffällig. Er schob vier Jetons auf Rot.

Die Kugel rollte, der Teller drehte sich. Chayton fühlte, wie die Schwerkraft an den beweglichen Teilen zerrte, ahnte die Bewegungen voraus.

Ein plötzlicher Aufschrei riss ihn aus der Konzentration. Bei den Parcours-Zuschauern tat sich etwas: Die Techno-Jaguare hatten einen der Wettenden angesprungen und zu Boden geworfen. Zwei SteDat-Männer verließen ihre Posten, um dem Mann Handschellen anzulegen.

Die Ablenkung dauerte keine drei Sekunden, aber es hätte beinahe gereicht, um alles zu verlieren. Erst im letzten Moment zwang sich Chayton in die Konzentration zurück und dirigierte die Kugel auf 34, rot.

Das war knapp gewesen. Keine weiteren Fehler, mahnte er sich. Er mochte unbesiegbar sein – aber er musste trotzdem etwas für seinen Sieg tun!

Er sammelte seinen Gewinn ein. Sechstausend Galax lagen nun vor ihm, knapp ein halber Monatslohn.

Eine Arkonidin von der anderen Seite des Tisches lächelte ihn vielversprechend an. Hoffnung lag in ihren tiefdunkelroten Augen. Sie hatte verloren.

Chayton überlegte. Zweifellos war sie hübsch, aber sie war keine Pao Ghyss. Er beschloss, sie zu ignorieren. »Was ist da passiert?« Mit dem Kopf deutete er in Richtung der Parcours-Wetten.

»Verstoß gegen die Wettbedingungen«, sagte der Croupier ungerührt. »Ein Spieler hat darauf gesetzt, dass jemand in der dritten Runde ausscheidet. DANAE hat herausgefunden, dass er in die Zukunft sehen kann.«

Das war eine unangenehme Überraschung. Chayton hatte nicht damit gerechnet, dass DANAE tatsächlich ein Register der Psi-Fähigkeiten auf MERLIN führte. Was, wenn auch er selbst darin ...? Aber seine Gabe hatte sich erst vor Kurzem manifestiert. Die Positronik konnte nichts davon wissen.

»Was geschieht mit ihm?«, fragte er ruhig. Es gab keinen Grund zur Sorge. Er war unbesiegbar.

»Diese Information liegt mir nicht vor«, antwortete der Croupier. »Du kannst dich bei SteDat erkundigen. Faites vos jeux!«

Ganz bestimmt werde ich bei der Stationspolizei nachfragen, was mit Betrügern passiert, dachte Chayton. Unauffälliger geht es ja kaum.

Er musste seine Strategie ändern. Er hatte viele kleine Gewinne sammeln wollen, aber das erschien ihm nun zu riskant. Sobald er unwahrscheinlich oft gewann, würde DANAE ihn bemerken.

Lieber ein großer Gewinn. Nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht völlig abwegig. Solche Glücksfälle gab es beim Roulette.

Worauf sollte er setzen?

Er grinste. Natürlich, worauf schon? Er schob seine sechstausend Galax auf die Acht. Seine Hand in der Tasche spielte mit dem Tau-Döschen.

Die Kugel rollte.

Chayton verkrampfte, biss die Zähne aufeinander. Was tat er da? Es war eine Sache, die Kugel ein Feld weiterzubefördern, Schwarz oder Rot zu manipulieren. Aber sie in ein bestimmtes Feld hineinzubugsieren? Keine weiteren Fehler. Was er hier tat, war völlig idiotisch! Schnell streckte er die Hand aus ...

»Rien ne vas plus!«

Der Einsatz lag fest, durfte nicht mehr bewegt werden. Nun musste er es durchziehen.

Der Teller wurde langsamer. Wo war die Acht?

Wo war die verdammte Acht?

Er konnte die grüne Null erkennen. Die Acht lag fast genau gegenüber.

Die Kugel rollte die Kesselwand herab, sprang hinüber auf den Teller.

Auf die richtige Seite. Sie würde fünf oder sechs Fächer von der Acht entfernt fallen.

Riskant, aber möglich.

Chayton griff zu. Der Teller wurde etwas schwerer, kam schneller zur Ruhe. Die Kugel behielt ihre Geschwindigkeit bei, obwohl sie eigentlich eine Winzigkeit hätte beschleunigen müssen.

Sie schlug auf die Kante zwischen der 11 und der 30, sprang zurück und fiel dann auf der anderen Seite der 30 in die 8.

Chayton atmete erschöpft aus. Er hatte es geschafft!

Erleichtert sah er in die Runde. Alle anderen Spieler starrten ihn an.

Lauthals begann er zu jubeln. Er war doch unbesiegbar! Hoffentlich hatte niemand die kleine Verzögerung seiner Reaktion bemerkt – oder wenn doch, wurde sie gewiss der Überraschung zugeschrieben. 210.000 Galax schob der Croupier vor ihn, zusätzlich zu seinen 6000 Galax Einsatz.

Die Arkonidin hatte wieder verloren. Sie beugte sich etwas vor und gewährte ihm einen tiefen Einblick in ihren Ausschnitt. Er beachtete sie nicht. Chayton Rhodan hatte keine Zeit für Verlierer.

Er war reich. Er war reich! Um zweihunderttausend Galax anzusparen, hätte er normalerweise fünf Jahre arbeiten müssen!

Noch eine Runde, und er müsste nie wieder ...

Nein, mahnte er sich. Er hatte eben schon einen Leichtsinnsfehler gemacht, und nur Glück hatte ihn gerettet.

Er nahm die Chips und stand auf.

»Noch ein Gewinn, und du zählst zu den Großgewinnern«, sagte der Croupier.

»Kein Bedarf«, lehnte Chayton ab. »Ich habe genug.«

»Du musst nicht viel setzen«, informierte ihn der Roboter. »Drei Gewinne in Folge mit mehr als dreißigtausend Galax Gesamtgewinn, und du wirst mit Gold überschüttet.«

Wortwörtlich, dachte Chayton. Ein paar Mal hatte er von der Einkaufsstraße draußen die Glücklichen betrachtet, die in DANAES Torbogen durch den Goldregen schritten.

Nein, das war zu auffällig. Als Großgewinner würde man seine Spiele überprüfen, und dabei würden die Tempoveränderungen von Teller und Kugel auffallen.

Andererseits ...

»Faites vos jeux!«

Wenn er nun ein Monatsgehalt verlor, würde das die Aufmerksamkeit von ihm ablenken. Er setzte sich wieder und schob zwölftausend Galax auf Schwarz.

Die Kugel begann ihren Tanz.

»Die Regeln für den Großgewinn wurden gestern geändert«, informierte ihn der Croupier. »Die Gewinner erhalten jetzt neben dem Gold auch Tau-acht.«

Chayton erstarrte kurz. Tau-acht! Er hatte nur noch den Rest in seinem Döschen, und er wusste nicht, wie er auf der Erde an Nachschub kommen würde. Er hatte gehört, dass es die Droge in Los Angeles gab. Aber er konnte nicht sicher sein.

Die Kugel sprang aus dem Kessel über auf den Teller. Es sah so aus, als würde sie tatsächlich in einem schwarzen Fach landen. Verdammt, er konnte nicht einmal verlieren, wenn er das wollte!

Er griff zu, veränderte die Schwerkraft. Verlieren? Seine Spuren verwischen? Gewinnen? Tau-acht?

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Sein Zögern war idiotisch. Mit seinem Gewinn konnte er so viel Tau-acht kaufen, wie er wollte – hier auf MERLIN. Er konnte den Tau mitnehmen. Die Droge war so neu, dass der Transport nicht einmal verboten war.

Er lenkte die Kugel in ein rotes Fach und atmete tief durch. Es war vollbracht: Er hatte zwölftausend Galax verspielt, den Goldregen und das Tau-acht. Aber dafür brachte er mehr als zweihunderttausend Galax heim. Genug für sich, die Kinder und Payette. Genug, um Pao zu finden. Genug für den Tau.

»Einundzwanzig, rot.«

Chayton saß still und versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen. Er war überrascht, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen war. Wie lange er dafür gebracht hatte.

Wie lange war es gewesen? Wie lange hatte er die Kugel in der Schwebe gehalten?

Ein plötzlicher Druck auf seiner Schulter. Er drehte den Kopf und starrte in die goldenen Augen eines Techno-Jaguars. Die Tatze direkt neben seinem Hals zeigte vier messerscharfe Krallen.

»DANAE möchte mit dir über Schwerkraftanomalien sprechen«, ließ ihn das Tier mit seiner warmen Frauenstimme wissen.

Zu lange gezögert.

Ein Gefühl der Taubheit machte sich in ihm breit. Was geschah hier? Er war unbesiegbar!

1.

Los Angeles

20. Januar 1461 NGZ

Perry Rhodan saß in der kleinen Raststätte dicht an der Straße zum Flughafen. Auf seinem Teller lag ein riesiges Steak, das er ruhig und systematisch aß. Daneben eine Schüssel mit Salat, eine Flasche Samuel Adams und ein halb volles Glas Bier.

Spiros Schimkos lächelte. Er wusste, dass Rhodan soeben drei Verhandlungen mit Direktoren großer Industrieunternehmen hinter sich gebracht hatte. Er hatte eine Deckadresse in Hongkong angegeben.

Schimkos warf einen Blick durch das Fenster. Draußen auf dem Parkplatz wartete ein Taxi mit Fahrer. Der Fahrer blätterte in einem altmodischen Magazin mit dürftig bekleideten Mädchen. Hin und wieder hob er fachmännisch den Blick und nickte; dann wippte die Zigarette, die er im Mundwinkel hielt.

Rhodan wirkte auf unbestimmte Art jung, erwartungsvoll, sehr selbstsicher.

Er ist zu jung, dachte Schimkos. Fünf Jahre zu jung. Wie alt? Fünfunddreißig?

Der echte Rhodan – der ewige Rhodan – war neununddreißig Jahre alt.