Kairos – Die Entscheidung Band 2 – Der Shumgona-Überfall - Christian Gallo - E-Book
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Kairos – Die Entscheidung Band 2 – Der Shumgona-Überfall E-Book

Christian Gallo

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Beschreibung

Sie glaubten, der unausweichlichen Katastrophe gerade noch entgangen zu sein, als der Angriff wie aus dem Nichts erfolgt. Truppen der Shumgona fallen über die Menschen her. Widerstand scheint zwecklos, schon bald ist die Erde ein unterworfener Planet. Während die letzten Verteidiger im Untergrund Zuflucht und fieberhaft nach einem Ausweg suchen, wird deutlich, dass es den Invasoren gar nicht um die Erde geht. Die Erwählten um die Som’ai Galdea und dem Astrophysiker Alain de Saux bereiten sich inzwischen darauf vor, mit der Gaia die Erde zu verlassen. Allerdings sieht es so aus, dass die Lebensform hinter dem Sternenschiff ihre eigenen Ziele verfolgt und die letzten freien Menschen nur als Instrument in einem Konflikt ungeahnten Ausmaßes fungieren. Oder wird ihnen eine unerwartete Bedeutung in diesem Spiel der Mächte zuteil?

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Christian Gallo

 

 

Kairos – Die Entscheidung

Band 2

 

Der Shumgona-Überfall

 

 

Science Fiction Roman

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer mit Kerstin Peschel, 2022

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Prolog 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

Epilog 

 

Das Buch

 

 

Sie glaubten, der unausweichlichen Katastrophe gerade noch entgangen zu sein, als der Angriff wie aus dem Nichts erfolgt. Truppen der Shumgona fallen über die Menschen her. Widerstand scheint zwecklos, schon bald ist die Erde ein unterworfener Planet.

Während die letzten Verteidiger im Untergrund Zuflucht und fieberhaft nach einem Ausweg suchen, wird deutlich, dass es den Invasoren gar nicht um die Erde geht.

Die Erwählten um die Som’ai Galdea und demAstrophysiker Alain de Saux bereiten sich inzwischen darauf vor, mit der Gaia die Erde zu verlassen. Allerdings sieht es so aus, dassdie Lebensform hinter dem Sternenschiff ihre eigenen Ziele verfolgt und die letzten freien Menschen nur als Instrument in einem Konflikt ungeahnten Ausmaßes fungieren. Oder wirdihnen eine unerwartete Bedeutungin diesem Spiel der Mächte zuteil? 

 

 

***

 

 

»Im kosmischen Maßstab nur ein ganz beschissener Tag, nichts weiter.«

(Sarah-Jemima Watkins)

 

 

Prolog

 

Das Gebilde fällt in den Normalraum zurück.

Zuerst visuelle Effekte wie Schrammen auf rußigem Glas. Ein Schatten wächst vor Sternkonstellationen, daraus entsteht eine kolossale Pilzwolke inmitten eines rollenden, artifiziellen Dunkelnebels.

Navigatorische Neuberechnungen starten.

Das Objekt durchstößt die Heliosphäre, den Systemrand. Weit weg, hell wie die Flamme eines Schweißbrenners blinkt ein gelber Stern. Ihn umrunden Gesteinstrümmer, Eisbrocken, Planeten.

Das Objekt reist sonnenwärts. Das Entfremdete seiner Umwelt betont seine Größe. Seine Grenzen sind verzerrt durch einen blauen und roten Lichtstreifen.

Die Fremden sehen den Flecken nahe Sol.

Ihr Wissensfundus über dieses System ist detailliert.

Von dort, im chaotischen Chor, erklingen sich überlagernde Impulse: Funksprüche, Laserbotschaften, Mikrowellen, Holo-, Pad- und Radarsignale …

Die Fremden lauschen aufmerksam.

Das Bremsmanöver setzt sich fort. Das pilzförmige Objektbewegt sich jetzt mit einer relativistischen Geschwindigkeit von fünfundneunzig Prozent c. Der Tunneleffekt nach vorne und hinten hört auf. Die Reflexionsstrahlen der Sonne lassen seine Hülle schimmern. 

An Bord setzt Aktivität ein.

Die Sonnenscheibe schillert, als das Schiff eine dünne Wolke durchdringt …

… und einen rot schimmernden Wüstenplaneten passiert.

Auf der Marsoberfläche liegt Pioneer Sky im bleichen Sternenlicht. Der Himmel ist hell genug, dass man etwas erkennen kann. 

Die Stationstanks bergen reinen Sauerstoff. Ein Blitz, lautlos im Vakuum. Er rast im weiten Bogen aus der Finsternis heran. Innerhalb eines Lidschlags sind die Ventile an den Tankunterseiten zerstört. Sich explosiv ausbreitender Sauerstoff rast an glühenden Bauteilen in die Marsnacht. Langsam kippt die Antennenkonfiguration in den Sand. Gleich darauf stürzt die Station in einen Feuerball; die Druckwelle peitscht über die Ebene. Immer höher steigt die Feuersäule – und kollabiert. Glimmende Trümmer regnen auf die Sandfelder und verlöschen. 

Lautlos schwebt der Eindringling weiter.

Die United: ein plastisches, zart anmutendes Gefüge, einseitig vom Mond beschienen. An den Polen dreht sich der Tubus mit den Frachtcontainern. 

Wieder ein Lichtblitz im Dunklen. Er durchschlägt die Hauptachse. Hinter den Beobachtungsfenstern donnern Explosionen. Das Stationsinnere füllt sich mit Feuer. Verbindungsknoten zwischen den Modulen brechen. Es zerreißt den Labortrakt. Man sieht, wie Splitter der Sichtluken in die United schweben, dann die Richtung ändern und als Vorhut der Stationsatmosphäre ins All rasen. 

Über dem Horizont blüht ein Explosionsball auf, der rasch verblasst …

… und die United ist nicht mehr da, nur noch eine expandierende, ionisierte Schuttwolke, die durchs Vakuum treibt und eine riesige Silhouette am Himmel über der Erde bildet. Sie postiert sich über der Terminatorlinie zwischen der Tag- und der Nachtseite. 

Verlangsamen auf dreiviertel c, ein halbes, ein viertel. Eindringen und Bremsen, nur auf die Suche und die Eliminierung von Feinden ausgerichtet … 

Es gibt keine Positionslichter. Bis eben war das Schiff praktisch unsichtbar gewesen. Jetzt leuchten alle Sektionen auf einmal auf. Die Oberfläche ist zerklüftet. Dunkle Auswüchse, Würfel und Kappen.

Ein Stiel fährt aus dem Pilz. Er entfaltet sich Schale um Schale wie ein gigantisches Blütenblatt. An der Unterseite hängen zahllose unförmige Gebilde an Vorsprüngen, die sie mit mechanischen Wülsten umfassen. Sie lösen sich von ihren Halterungen und fallen zur Erde. Kommen ihrer Beute immer näher.

Die Invasoren bereiten sich vor; ihre Kriegsmaschinen messen methodisch. Die Erdbewohner ahnen nicht, wie sehr die Shumgona danach gieren, das wertvollste Relikt im Universum zu finden, und ihn zu schlagen; den laut ihrem Rassengedächtnis geächteten Feind …

 

 

1. Kapitel

 

Rampart durchflog mit einer moderaten Geschwindigkeit den Luftraum nördlich der Shetland-Inseln. 

»HEGs scharfmachen«, sagte die Pilotin.

HEGs: Radargestützte Hochenergiegeschosse mit Sprengköpfen samt Aufschlagszündern.

»Roger, Lead«, bestätigte Feuerleitoffizier Major John ›Bronco‹ Aves. 

Staffelführerin Ramira Shatz trieb ihren Jet in eine Steuerbordschleuderkurve. Ihr Verfolger verpasste das Manöver. Ram wich backbords aus. Wieder war ihr Gegner zu langsam. Ram vollführte einen Immelmann-Schwenk, der auch nichts brachte. Ein Lufberry-Wheel schließlich brachte die Lösung. 

Der sie verfolgende Kampfjet rückte in ihr Fadenkreuz. Ram betätigte die Feuerkontrolle, visierte das Heck mit ihrem lasergestützten Übungsstrahl an – und verfehlte es. 

»Shizz!« 

»Ma’am, und was sagen Sie jetzt?«, fragte Talon Fünf sie über Funk. 

»Nichts Berauschendes, Junge.«

Sie gab Vollschub, trieb ihr Ziel vor sich her, wobei sie etliche scheinbarer spontane Rollen flog. 

»Ziehen Sie hoch, Fünf.«

Er unterließ es dennoch.

»Lieutenant, das war keine Bitte. Was ist los?«

Ihr Jäger erzitterte, als sie ihn in die Kurve legte, um Fünf zu folgen.

Der Rest der Staffel lag zurück und flog Duelle und Probeangriffe auf Übungsziele. Es ging darum, in Schussweite zu kommen und das Ziel anzupeilen. Treffer wurden Konten gutgeschrieben. Der Staffelführer bewertete alles später beim Debriefing innerhalb der obligatorischen Flugkritik.

Ram ging auf Niederfrequenz; nur Bronco und Talon Fünf konnten sie hören. »Biggs, sperren Sie mal die Ohren auf.« 

»Ja, Ma’am.« 

»Idiotisch, dass Sie meinen, mehr über den Luftkampf zu wissen als ich.« Sie sprach ganz ruhig. »Wenn Sie nicht sofort hochziehen, zwinge ich Sie runter und reiße Ihnen persönlich Ihr Rangabzeichen ab.«

»Aber ich kann jederzeit ausweichen. Wählen Sie einfach eine Übungssequenz.«

»Hochziehen!«, brüllte Ram.

»Roger, Lead. Ich ziehe jetzt hoch«, bestätigte Biggs.

Ram sah Biggs seinen Kurs ändern. Einen Herzschlag später hätte sie ihn erwischt. 

»Wissen Sie – unter uns –, es wirkt läppisch, wenn Sie vorgeben, clever zu sein. Lead Ende.« 

»O ja. Verflucht clever«, lachte Aves hinter ihr.

Ihr war nicht nach Lachen zumute. Sie war angefressen. »John, hör zu …«

»Geschwader: Achtung! Brechen Sie Ihre Übung sofort ab. Ich wiederhole: Alle Manöverflüge sofort einstellen. Waffensysteme in Kampfmodus, Angriffsmuster Alpha. Gefechtsbereitschaft. Dies ist keine Übung. Ich wiederhole: Dies ist keine Übung!« 

Der Befehl kam völlig unerwartet. Ram reagierte sofort. Im Abdrehen stellte sie ihren Taktikkanal auf Staffelfrequenz.

»An alle: Zu mir. Dreiecksformation.« 

Sie regelte die Aufstellung innerhalb der Formation und drückte den Kontrollknopf. Signaldioden blinkten. Die Piloten identifizierten Rams Führungsjäger, nahmen festgelegte Positionen ein und schickten ihre Klarmeldungen.

»Was geht hier vor?«, fragte Aves hinter ihr. 

»Nicht fragen, Major. Befehle befolgen.« Sie ging auf Einsatzkanal: »Talon Leader an Flugkommando: Talon-Staffel bereit.« 

Andere Staffelkommandanten kamen hinzu. Insgesamt kreisten hier oben über siebzig Jagdmaschinen.

»An alle Einheiten. Hier spricht Luftmarschall Blaskowitz. Wir haben in neunzigtausend Kilometer Entfernung zur Erde einen Schnellgänger geortet. Wiederhole: Sicherheitseinbruch. Killersatelliten auf Abfangkurs. Wir gehen davon aus, dass der Feind durchbrechen und mit Landungsschiffen in die Atmosphäre eindringen wird. Höchste Gefahrenstufe.«

»Was bedeutet das?«

»Ärger.« Ram funkte: »Talon Leader – Sir, dies ist ein Übungsflug. Wir haben nicht genug Treibstoff für ein Gefecht.« 

»Bestätigung, Talon Lead. Schalten Sie nicht auf Nachbrenner, bis man es Ihnen sagt.« 

»Roger.«

Ihre Gedanken rasten. Feindschiff im Anflug? Seit Wochen hielt man sie in höchster Alarmbereitschaft, ließ sie unzählige Alarmmemos lesen – ohne Angabe von Gründen. Es war eine als Dauermanöver und Rund um die Uhr-Bereitschaft getarnte Generalmobilmachung. 

Die Militärs glaubten, dass von irgendwoher Gefahr drohte. Gerüchte kursierten; Weltuntergangswarnungen; der Holocaust; Mutmaßungen über eine bevorstehende Katastrophe. Bergs Tod (die Art, wie er starb) hatte die Mutmaßungen verstärkt. Jetzt wurde es amtlich. In Rams Augen war die Welt sehr abrupt und nachhaltig außer Kontrolle geraten. 

Das Einsatzsignal erklang. »Es spricht Flugkommandant Bast. Killersatelliten vom Feind ausgeschaltet. Höhe des Objektes dreißigtausend Kilometer, rasch abnehmend. Geschwindigkeit fünf-null-sieben-zwo. Es hat Hunderte kleinere Schiffe mit Oberflächenkurs abgesetzt. Mindestens drei steuern bei gleichbleibendem Kurs in den Luftraum des Großraums Glasgow/Edinburgh. Wiederhole: Luftraumverletzung in Sektor C-Vierzehn.«

»Verstanden«, bestätigte Ram. »Gehen auf Abfangkurs.«

»Viel Glück. Bast Ende.« Das war alles.

Die Jagdflieger gewannen in einem Achtzig-Grad-Anstieg rasch Höhe.

Angriff. Invasion, schoss es Ram durch den Kopf. Aber wer? Und warum? Sie zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Die Befehle waren eindeutig. Etwas stand im Begriff, in die Atmosphäre einzudringen und ihr Job lautete, dieses Etwas aufzuhalten. Ein Gedanke formte sich in ihr: die Oberen hatten schon früh gewusst, dass sich etwas Schlimmes anbahnte. Die Deimos-Delegation war mit schlechten Nachrichten zurückgekehrt; man hatte ihnen Furchtbares offenbart. Deimos war ein Vorbote jenes Konfliktes gewesen, dessen Ausbruch nun bevorstand. Darum das Aufrechterhalten des höchsten Bereitschaftsstatus, die ständigen Trainingsflüge, das Üben von Alarmstarts. Irgendjemand wollte mit der Menschheit aufräumen. Bals und den anderen war im Inneren des Mondes genau das mitgeteilt worden. Man musste kein Genie sein, um das zu verstehen; jetzt, in diesem Augenblick lag alles offen. 

Ram steuerte durch ein aufgetürmtes Wolkenmeer, als Aves sich meldete. »Was zum Teufel ist da unterwegs zu uns? Dieses Signalecho ist kolossal.« 

Sie wusste es natürlich auch nicht. »Aber Befehl ist Befehl.«

»Hängt dem Ding einen Kracher an den Schwanz und nichts wie weg.«

Wieder das Luftverteidigungskommando: »Die erste Jägerwelle wird die Gefechtszone gleich erreicht haben. Wir wechseln zu Zonenverteidigung. Warten auf ›Ja/Nein‹-Signal.«

Zonenverteidigung hieß in Bewegung zu bleiben, aber innerhalb eines Koordinatennetzes die Position zu halten. Für jede Staffel einen Sektor. Zonenverteidigung implizierte auch, dass es verdammt viele von diesen Schiffen geben musste.

Sie schossen aus den Wolken, vierundsiebzig in der Sonne glänzende Jagdflieger.

»Willst du eine Standpunktregulierung?«, fragte Aves.

»Negativ, Bronco. Es kreuzt unseren Strahl. Versuchs mit dem Kegel.« 

»Roger.«

Er drehte am Schärferegler des Radars, überzog die Umwelt mit EM-Signalen. Er gab die Anzeige seines Taktikdisplays weiter: »Große Signatur auf dem LTV. Peilung bei … warte.«

»Was ist?«

»Kurze Radarillumination. Ein Impuls. Rasche Näherung. Vektor …« Er riss die Augen auf. »Abkippen, mach schon!«

Im selben Moment stürzte ihnen ein unförmiges, flammenumhülltes Objekt entgegen. Es maß mit bloßem Auge betrachtet erst fünfhundert Meter im Durchmesser, dann tausend, dann viermal soviel. 

Die Frau mit israelischen Genen im Blut und dem Wissen, dass im Luftgefecht ein Lidschlag der Ewigkeit gleichkam, handelte intuitiv und riss den Jet herum. 

Das Objekt raste durch die Formation. Es erwischte Biggs. Sein Jäger wurde pulverisiert. Die Piloten reagierten, wichen blitzschnell aus, ohne einander zu gefährden. Das Ding rauschte weiter, tauchte in die Wolken und war fort.

»Scheiße, was war das denn?«

»Unser Ziel, Drei«, antwortete Ram. »Talon Leader, Sichtkontakt«, meldete sie ruhig. »Wiederhole: Sichtkontakt. Es geht weiter runter. Wir folgen ihm.« 

»Verstanden«, meldete die Kontrolle. »Talon Eins, Intrepid Eins, Everion Eins, Airball Eins, Falcon Eins: Zonen verlassen und Verfolgung aufnehmen.« 

»Bestätige. Irgendwelcher Zivilverkehr da unten?«

»Negativ, Falcon Eins. Lokaler Luftverkehrssektor geräumt.« 

»Roger.« 

»Kontrolle Ende.«

Sekundenbruchteile später traf das den Angriff genehmigende ›Positiv‹-Signal ein. Ram richtete die Zielgrafik ihrer Sichtprojektion aus und sprach zur Staffel: »Flugobjekt drei Kilometer voraus. Ich will einen sauberen Vorbeiflug, keine Kampfhandlung. Sucht und markiert Ziele. Dann Fontänenausbruch mit Schleife, aber ausreichend Abstand.« 

Sie zogen am Objekt vorbei. Ein Wespenschwarm, der um ein Dessert summt.

»Kontrolle, hier Lead. Nord-Süd-Passage. Gebe Warnsignale ab.« … auch wenn es absurd ist. 

Sie flogen ein Streumanöver, brachen mit Loops seitlich aus und rauschten wieder davon.

Ram brachte ihren Jet in einer Hoch-G-Kehre parallel zum Objekt, aktivierte das Video-MG in der Nasenspitze, um dem Taktikstab neben spektakulären Berg- und Talfahrten durch die Wolken auch möglichst viele Feindinformationen zu liefern.

Das Objekt brannte nicht mehr, glühte aber in diversen Orangetönen. Ramira Shatz wollte hinsehen, jedes Detail aufnehmen, aber ihre Augen waren mit den Helligkeitsdifferenzen überfordert. Was sie erkannte, sah aus wie ein Stachel oder Dorn, mit grober, rissiger, wie von Patina überzogener Struktur. Es wirkte wie von langer intensiver Strahlung angerichtet. Als wäre es einem Roten Riesen zu nahe gekommen. Definitiv kein Produkt von der Erde, sondern von weit her.

Und gekommen, um uns fertigzumachen. Ram versuchte, sich die ergebnislosen Wesen im Inneren vorzustellen. Projizierte Fadenkreuze und Gefechtsdaten. Sensorik tastete das Objekt ab, das Ergebnis, direkt vor ihr, eine Drahtform, waldgrün, in ein Gitternetzdiagramm integriert, von Gestalt eines unförmigen Konstruktes um einen zentralen länglichen Antriebskern, vermerkt mit Zahlen und Gradationskurven über Maßstab und Entfernung. Das Objekt wies weder Antriebsfeuer, Hitzesignatur oder Abgasemissionen auf. Ram suchte nach Luken, Abgasrohren, einer Schwachstelle, nach irgendetwas, das half, dieses Ding in tausend Stücke zu sprengen. 

»Konvergenzkurs«, funkte das Flugkommando. »Initialhöhe. Angriffsmuster Papa-Lima-Charlie. Zielvektor ist drei-eins zu sieben. Zielerfassung starten. Radar auf Suchen-und-Zerstören-Modus, keine Prioritätszuweisung. Feuern nach eigenem Ermessen in Sequenz vier-zwo.«

Ram sagte erneut: »Bronco, HEGs aktivieren.« 

Aves hob die Kappe der Raketensicherung und kippte den Schalter von ›Gesichert‹ auf ›Schussbereit‹. »Aktiv, Ram.« 

»Erwartet eure Feuerfreigabe«, funkte Ram.

Es folgten Bestätigungsklicks.

Sie flogen in V-Formation. Ram lag etwas voraus und ein Stück über den anderen. Jede Maschine besaß vier HEGs. Sie lagen auf einem Mikrowellenleitstrahl und steuerten ihr Ziel per Autopilot an. Man hoffte, dass auch genug Zeit blieb, um sie abzufeuern.

»Raketen abgekoppelt«, meldete Aves.

»Okay. An alle: Die Feindseligkeiten sind eröffnet. Los!« 

Lichtblitze unter den Deltaflügeln, als die Pylonen abfielen, die HEGs sich lösten und praktisch sofort zündeten. Eine Missile-Kolonne in zwei Gruppen von je fünf Raketen, ineinandergreifende Kondensstreifen in ihrem Sog, mit eintausend Meilen pro Stunde davonjagend.

»Abdrehen«, funkte Ram. »Sehen wir, wie es ihnen bekommt.«

Aves legte den Cursor des Laserdistanzmessers auf das Objekt. Eine Anzeige leuchtete auf. »Sie fallen sauber. Entfernung Zwei-Komma-Drei-Null … Eins-Komma-Sieben-Sechs …« Er nahm den Blick von dem Infrarotsichtgerät seines Waffensystems und sah mit bloßem Auge hin. »Einschlag!«

Es gab keinen Einschlag.

Die HEGs verfehlten ihr Ziel, beschrieben eine unnatürlich enge Kurve, flogen weit am Dorn vorbei und trudelten davon.

»Nicht gut«, sagte Bronco kaum hörbar. 

»Was für ein Bullshit ist das, Aves? Etwa ein Raketensauger?« Ein Abwehrtool, das die eigene Hülle irgendwie krümmt und der Feindrakete einen Falscheindruck vom Ziel vermittelt. 

»Negativ, Ram. Kein Sauger. Etwas anderes.«

Dann verschwanden alle Fernraketen von den Radarschirmen.

Jemand flucht aufgebracht.

»Alle Einheiten …« Ramparts Stimme wurde von krachender Statik getilgt. Erst dachte man, es hätte sie erwischt. Dann endete das schrille Kreischen und Ram war wieder zu hören. »Das war knapp.« 

»Was ist passiert?«, fragte Aves sie.

»Eine Spannungsüberladung, ein Teilchenausbruch, keine Ahnung. Zwo, du …« Ein Warnsignal im Cockpit. »Shizz!« 

»Nur die Ruhe, ich sehe es.« Die Ortung zeigte, dass sie angemessen wurden. »Man zielt auf uns!«

Es ging alles unglaublich schnell. Aus dem Herzen des Dorns ruckte ein Blitz, hell wie ein Sonnenstrahl im Weltraum. Einen Bogen beschreibend raste er auf Talon Zwei zu. Wie eine Artilleriepatrone durchstach er das Heck, sprengte Bug samt Cockpit in die Atmosphäre. Die Schockwelle raubte dem Piloten das Bewusstsein, ehe sie ihn zerriss. Aufgrund sturer Trägheit setzte brennendes Material die Vorwärtsbewegung noch weiter fort. Rams Mund klappte auf. 

»Bring uns hier raus!«, schrie Aves. »Mach schon!«

Ram riss ihre Maschine in einer Scherenrolle zur Seite. Zwei Maschinen verfolgten eine dieser Lichtkugeln. Die flog wilde Manöver, brachte sich mit einer neunzig Grad Kurve aus dem Blickfeld ihrer Verfolger. Beide Jäger versuchten zu folgen, ohne über das Ziel hinauszuschießen. Sie bemerkten wahrscheinlich nicht einmal die beiden Geschosse hinter ihnen.

»Drei, Vier, da sind welche von denen hinter euch«, drang die Stimme von Sechs in Rams Ohr.

»Wo?«, schrie Drei.

Zwei Explosionen und es war vorbei.

Die Erschütterungen erfolgten in großer Entfernung. Rams Flieger wurde nicht von Trümmern erwischt, aber die Druckwelle warf ihre Phantom aus der Bahn. Ihr Rumpf schnitt den Luftstrom ins Steuerbordtriebwerk ab; es fiel aus. Ram flog zwar noch weiter, prallte aber mit dem Schädel gegen das Kanzeldach. Sie war benommen, aber reaktionsfähig genug, die Drosseln zurückzunehmen und die Ruderpedale zu treten. Sie hieb auf den Zündschalter – der tote Ramjet blieb tot. Sie nahm die Drosseln weiter zurück. Irgendwie schaffte sie es, den Jäger geradeaus zu halten. In dem Augenblick versagte das Backbordtriebwerk. Der antriebslose, überschallschnelle Düsenflieger stürzte im weiten Bogen ab. 

In fünfzigtausend Fuß Höhe traf er auf dichtere Luft. Die Ansaugkegel öffneten sich. Der Strom traf auf rotierende Turbofanschaufeln. Als diese ausreichend Umlauf aufwiesen, versuchte es Ram.

»Okay«, flüsterte sie angespannt und drückte die Zündschalter. Erleichterung, als beide Turbinen ansprangen. Ram öffnete die Drosseln halb, um den Sturz langsam abzufangen. Es funktionierte.

Sie mussten hier weg. Ram initiierte den Nachbrenner, gab Treibstoff in die Sauger und dann Vollschub. Pressluft und Flugbenzin explodierten in den Brennkammern, schufen einen Stoß von fünfundvierzigtausend Kilo. Tempo und Sturzflug bliesen den Jet durch die Schallmauer. Ram riss den Steuerknüppel heran und die Jägerspitze sonnenwärts. Wie ein Katapult trieb der Jet maximal steigend aufwärts.

Bronco stöhnte unter den Acht G. Ram war selbst nahe am Blackout. 

Sie sah drei Jagdmaschinen am Dorn vorbeirasen. Sie bestrichen ihn mit Salven aus ihren Bordkanonen. Eine Leuchtkugelformation war ihnen dicht auf den Fersen. Der Dorn blockierte den Fluchtvektor der Jets. Die Kugeln flogen ein abgestimmtes Flankenmanöver … und die Jets verschwanden in einem Feuerball.

Ram funkte: »Geht auf einen höheren oder niedrigeren Kurs, scheißegal, aber verschwindet von eurer Position!« Sie nahm Schub zurück und flog eine lange geneigte Westkurve von fast dreihundert Grad. Sie öffnete die Drosseln bis zum Anschlag.

Sie überlegte fieberhaft, wie diesem Feind beizukommen war. Eine Jagdfliegerdoktrin sagte, dass man den Gegner unter sich haben sollte, um ihn mit der Sonne im Rücken anzugreifen, bevor er wusste, dass man da war. Ram seufzte gedanklich. Die alten Regeln griffen nicht mehr. Dies war völlig neu.

Ironischer Weise fiel ihr in dem Moment ein alter Trick ein.

»Werft eure Störspreu ab. Vielleicht schaffen wir es, sie zu verwirren. Navtransponder aus. – Los, Bronco!« 

»Roger, ich …«

Ein Krachen ließ Ram zusammenfahren. Plötzlich heulte Sturmwind um sie her. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte, dass eine Leuchtkugel die Glaskuppel gestreift hatte. Aves war tot. Shatz war nur einen Augenblick unachtsam gewesen; eine Ewigkeit im Gefecht. 

Der nächste Treffer zerstörte die Hydraulikzuleitungen, Teile der Elektronik, den Bordcomputer. Rams Kontrollpaneel setzte aus. Die meisten Anzeigen wurden schwarz. Der künstliche Horizont vor ihr rotierte. Ram sah den Stummel der linken Tragfläche umknicken. Das dritte Geschoss traf den Treibstofftank. Talon Lead wurde ein rollend abwärts jagender, rauchender Komet. Die Fliehkraft presste Ram brutal ins Schultergeschirr. Das Cockpit schien zu schrumpfen. Ram spürte einen Anflug von Klaustrophobie. Ihr Rückgrat und Hals waren zum Zerreißen gespannt. Die Anzugsdämpfung zur Reduzierung der Fliehkräfte arbeitete nicht mehr richtig. Das Blut drohte in Richtung Füße gepresst zu werden, mit einer Ohnmacht als Folge, aus der Ram niemals wieder aufwachen würde. 

Der Hebel für den Schleudersitz. Sie tastete danach, während sie spiralförmig zur Erde stürzte. Desorientierung raubten ihr die Sinne. Erde-Himmel/Himmel-Erde/Erde-Himmel … »Mayday! Ich schmiere ab!« Ram suchte noch immer den Hebel.

---ENDE DER LESEPROBE---