Kalte Pracht – doch keine Liebe - Regine König - E-Book

Kalte Pracht – doch keine Liebe E-Book

Regine König

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Hoch, hoch, immer höher fliegen! – Bis in den Himmel hinein fliegen wir, Lilofee!« Das Mädchen mit den langen goldblonden Lokken, die bei den Schaukelbewegungen wie ein Sonnengespinst um Gesicht und Schultern wehten, drückte die Puppe fest an sich. Das süße Gesichtchen der Dreizehnjährigen, die die Kinderschuhe noch nicht abgestreift, die Mädchenschuhe aber noch nicht angezogen hatte, glühte. Die großen, veilchenblauen, dichtbewimperten Augen strahlten. »Ja, bis in den Himmel hinein fliegen wir, in den Liebeshimmel, Lilofee! Weißt du, in Reginas Himmel. Sie verlobt sich in vierzehn Tagen öffentlich. Auf einem märchenhaften Fest!« Die kleine Prinzeß Angela strapazierte die Schaukel immer mehr. »Ach, es muß etwas Herrliches sein, geliebt zu werden und sich zu verloben.« Angela dachte an die soviel ältere Schwester mit dem gleichmäßigen, aber sehr kühlen Antlitz und dem schwarzbraunen Haar, das sie in einem Knoten tief im Nacken trug, meist von einem goldschimmernden Netz umsponnen. »Hast du mich verstanden?« Angela beugte sich wieder zu ihrer Puppe Lilofee hinab. Mochten Regina und auch die Mama sagen, eine Puppe schicke sich nicht mehr für eine Dreizehnjährige – Angela liebte trotzdem ihre Lilofee mit dem pastellfarbenen Wachsgesicht und den altmodischen zarten Porzellanhändchen wie so manche kleine Prinzeß aus dem Haus Rappenweyler auf Schloß Blumenau vor ihr. Angelas kindliches Gesicht glühte, während die Schaukel tatsächlich bis in den Himmel zu fliegen schien. »Hörst du, Lilofee, heute wird er kommen, der Fürst Boris! Mama sagt, er wird Regina den Verlobungsring anstecken. Das ist ein ganz einfacher, schmaler Ring. Aber, weißt du, Lilofee, er bedeutet Treue fürs ganze Leben.«

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Fürstenkinder – 44 –

Kalte Pracht – doch keine Liebe

Lange Jahre mußte Fürst Boris auf sein Glück warten

Regine König

»Hoch, hoch, immer höher fliegen! – Bis in den Himmel hinein fliegen wir, Lilofee!« Das Mädchen mit den langen goldblonden Lokken, die bei den Schaukelbewegungen wie ein Sonnengespinst um Gesicht und Schultern wehten, drückte die Puppe fest an sich. Das süße Gesichtchen der Dreizehnjährigen, die die Kinderschuhe noch nicht abgestreift, die Mädchenschuhe aber noch nicht angezogen hatte, glühte. Die großen, veilchenblauen, dichtbewimperten Augen strahlten. »Ja, bis in den Himmel hinein fliegen wir, in den Liebeshimmel, Lilofee! Weißt du, in Reginas Himmel. Sie verlobt sich in vierzehn Tagen öffentlich. Auf einem märchenhaften Fest!« Die kleine Prinzeß Angela strapazierte die Schaukel immer mehr. »Ach, es muß etwas Herrliches sein, geliebt zu werden und sich zu verloben.«

Angela dachte an die soviel ältere Schwester mit dem gleichmäßigen, aber sehr kühlen Antlitz und dem schwarzbraunen Haar, das sie in einem Knoten tief im Nacken trug, meist von einem goldschimmernden Netz umsponnen. »Hast du mich verstanden?« Angela beugte sich wieder zu ihrer Puppe Lilofee hinab.

Mochten Regina und auch die Mama sagen, eine Puppe schicke sich nicht mehr für eine Dreizehnjährige – Angela liebte trotzdem ihre Lilofee mit dem pastellfarbenen Wachsgesicht und den altmodischen zarten Porzellanhändchen wie so manche kleine Prinzeß aus dem Haus Rappenweyler auf Schloß Blumenau vor ihr.

Angelas kindliches Gesicht glühte, während die Schaukel tatsächlich bis in den Himmel zu fliegen schien.

»Hörst du, Lilofee, heute wird er kommen, der Fürst Boris! Mama sagt, er wird Regina den Verlobungsring anstecken. Das ist ein ganz einfacher, schmaler Ring. Aber, weißt du, Lilofee, er bedeutet Treue fürs ganze Leben.«

Die Puppe antwortete nicht, weil sie keine menschliche Stimme besaß.

Sonst hätte sie die junge liebevolle Mama gewiß gemahnt, nicht immer noch höher zu schaukeln.

Die Schaukel hing zwischen zwei hohen Kastanien, deren Laub sich jetzt zum frühen Herbst bereits bunt zu färben begannen.

»Wie findest du ihn, den Fürsten Boris, Lilofee?« erkundigte sich die kleine Prinzeß Angela. Sie sann ihrer eigenen Frage nach.

Sie hatte ihn etliche Male gesehen. Er war schlank und groß gewachsen.

Sein Gesicht zeigte die hochstehenden Backenknochen seiner slawischen Mutter, einer russischen Prinzessin.

»Er ist so schön wie Regina, Lilofee!« behauptete Angela, während die Schaukel noch höher flog.

Plötzlich ertönte ein Schuß. Ihm folgte ein zweiter.

Angela erschrak. Sie gab nicht mehr acht auf die Schaukel.

Woher kamen diese Schüsse? Wahrscheinlich aus dem entfernt liegenden Schilf. Dort stoben jetzt Enten auf.

Das Schilf gehörte nicht mehr zum Besitz der Fürsten Rappenweyler auf Blumenau. Im Schilf bei den Seen zog sich die Grenze zum Besitz der Fürsten Wittgenstock auf Wolfshausen hin.

Da – ein dritter Schuß!

Die kleine Prinzeß Angela bemerkte zu spät, daß ihre Schaukel zwar nicht bis in den Himmel geflogen war, wohl aber in den Wipfeln einer der hochgewachsenen Kastanien. Die Halteseile hatten sich im Geäst verwirrt.

Angela hing zwischen Himmel und Erde.

»Lilofee!« flüsterte sie angstvoll.

Dann aber schrie ihre Kinderstimme verzweifelt, weil die Schaukel sich nicht wieder in Bewegung setzen ließ: »Hilfe, Hilfe!«

Immer durchdringender erklang der Ruf, denn Angela hatte jetzt erkannt, daß sie sich durch eigene Kraft niemals aus dem Geäst der Kastanie befreien konnte.

Ach, und die Seile der Schaukel…

Des Mädchens Augen suchten angstvoll im Gewirr der Äste.

Gab’s nicht schadhafte Stellen an den Seilen? Alt waren sie, uralt. Das wußte sie genau.

»Hilfe, zu Hilfe!«

Die Kinderstimme überschlug sich schrill in ihrer Angst.

*

»Hol’s der Teufel!« fluchte der Mann im grünen Jägerwams und den hohen Stiefeln. »Dies Geschrei vertreibt mir noch die Beute!«

Boris Fürst Wittgenstock fluchte noch einmal. Sein männlich schönes und interessantes Gesicht färbte sich zornig dunkelrot.

Nun erklang dieser dünne verzweifelte Hilfeschrei erneut.

Da trauerte der Mann nicht mehr dem aufstiebenden Entenschwarm nach.

Er legte die Büchse über die Schulter, um dann jener zu Tode erschrockenen Stimme nachzugehen.

Er brach aus dem Schilf hervor und nahm den schmalen Pfad aus dem Gebiet der sumpfigen Seen, die jetzt zur Herbstzeit wie betupft waren mit golden-robinrotem Laub, das langsam auf dem sonst so klaren Wasser schwamm.

»He, ich komme!« rief Fürst Boris. »Aber wo…, wo ist denn etwas geschehen?«

»Hier, hier!« antwortete jetzt die so zarte Mädchenstimme. »In der Kastanie.«

Es gab viele Kastanien in den weiten Parkanlagen der Fürsten Rappenweyler.

Fürst Boris aber, der in dieser Gegend aufgewachsen war, wußte nun genau, woher der Hilferuf kam. Natürlich von der Schaukel!

»Hol’s der Teufel!« fluchte er noch einmal, während er schon die Grenze zwischen Wolfshausen und Blumenau überschritten hatte.

Ja, hol’s der Teufel! Natürlich wieder die Rappenweyler! Diese verflixten Rappenweyler!

Einen Augenblick noch verhielt der junge Fürst den Schritt.

Er erinnerte sich. Ja, heute sollte er dort drüben auf Schloß Blumenau der Prinzessin Regina einen Heiratsantrag machen.

Dabei kannte er sie kaum. Die Eltern hatten diese Ehe beschlossen, wie so viele fürstliche Eltern es taten.

So war es gestern, vorgestern geschehen.

Durch Generationen hindurch bestimmten die Eltern die Ehen ihrer Söhne und Töchter.

Aber nicht meine! begehrte der Mann auf, der aus dem Sumpfgebiet des Schilfes sich den Hilfeschreien immer mehr näherte. Wir leben in einer modernen Zeit! Und ich bin ein moderner Mann, der Jura studiert hat. Ich kenne die neue Zeit, die mein Vater Hans-Casimir von Wittgenstock immer noch verneint. Und ich…

Der Mann konnte seine Gedanken nicht weiterspinnen. Der Hilferuf klang immer verzweifelter.

Da schaltete er jeden anderen Gedanken ab, folgte nur der immer jämmerlicher werdenden Stimme, die jetzt schon in Weinen überging.

»Ich komme! Aushalten, nur aushalten!«

Als er jetzt aufschaute, mitten hinein in das Gewirr der Kasta­nienäste mit ihrem schon herbstlichen Laub, erkannte er endlich die Hilfesuchende.

»Ja, Angela!« rief er überrascht. »Was treibst du denn dort oben?«

Boris sah das kleine Mädchen, Reginas einzige Schwester, hoch oben im Wipfel.

Ängstlich klammerten sich die noch so mageren Kinderhände an die Schaukelseile.

»Na, nun paß auf!«

Des Mannes dunkle warme Stimme die aber auch drohend und leidenschaftlich temperamentvoll klin­gen konnte, drang an Angelas Ohr. »Rühr dich nicht! Ich komme zu dir hinauf.«

Schon schickte Fürst Boris sich an, in die Kastanie hinaufzusteigen.

Er war aber noch nicht bis zur halben Höhe, da hörte er es über sich krachen. Ein schon herbstdürrer Zweig brach.

»Hilfe!« gellte des Mädchens Stimme.

Boris sprang mit einem einzigen Satz wieder zur Erde.

Da sah er, wie bereits das Schaukelbrett sich aus der Höhe löste.

Die alten, morschen Seile mußten durchgerissen sein.

»Spring!« schrie er. »Spring!«

Mit gegrätschten Beinen stand er unter der Kastanie und breitete beide Arme aus.

»Los, spring! Brauchst keine Angst zu haben, nur spring! Sonst kommen die Seile, das Brett und der Haken mit dir zusammen herunter. Und was dann geschieht…«

Noch ehe der Mann ausgesprochen hatte, hielt er schon das Kind an seiner Brust.

»Engele, ruhig, ruhig!«

Seine nervigen Hände streichelten die verwehten Locken, die wie ein Goldgespinst auf seinem Jagdwams glitzerten.

Engele!

Ja, sie wirkte wirklich wie ein vom Himmel herabgestürztes Engelchen, die kleine Angela.

Ganz still, wie ein scheues Tier, ruhte sie mit laut pochendem Herzen in des Mannes Armen.

Sie wagte kein Wort. Der Schrecken und die ausgestandene Angst waren allzu groß gewesen.

»Engele!« beruhigte der Mann sie erneut, während er den federleichten Körper ganz fest an sich gepreßt hielt.

Fürst Boris galt in der großen Gesellschaft als Frauenliebling. Die schönsten Frauen umschwärmten ihn.

Manche heiße Träne war schon geweint worden, weil es seit Jahren als ausgemacht galt, daß Fürst Boris Prinzessin Regina von Rappenweyler auf Blumenau heiraten würde.

Boris Fürst Wittgenstock hatte geküßt, geliebt in dem Bewußtsein, daß ihm dies alles zustand.

Mit echter Leidenschaft aber liebte er die junge, kluge Anwalts­tochter Waltraud Harden.

Er würde sie heiraten, allen Plänen der Eltern zum Trotz. Durchsetzen wollte er sich gegen die veralteten Standesrücksichten.

Niemals aber noch hatte sein Herz so selbstlos zärtlich geschlagen wie in diesem Augenblick, da er die kleine, wie vom Himmel in seine Arme gefallene Angela im Arm hielt.

Ein Kind noch. Aber welch ein Kind!

»Engele!« wiederholte der Mann sehr leise und warm. »Engele, nun komm wieder zu dir! Es ist doch gar nichts geschehen. Die Schaukel muß natürlich repariert werden. Die Seile waren morsch. Das ist alles. Na, nun mach die Augen auf und überzeuge dich selbst: du lebst sogar noch!«

Des Mannes dunkle Stimme spottete ein wenig.

Angela öffnete ganz langsam die Augenlider mit den seidigen, dichten dunklen Wimpern.

Ach, und dann sah sie als erstes das Unglück!

»Meine Lilofee, meine süße Lilofee!«

Im Nu glitt Angela aus des Mannes Armen und kniete neben der Puppe nieder, der das herabgeschlagene Schaukelbrett nicht nur eine tiefe Schramme in das süße Wachsgesicht geschlagen hatte.

Auch die zierlichen Porzellanhändchen waren zerbrochen.

Lilofee hatte schon viele kleine Mädchen vor Angela in der Familie Rappenweyler glücklich gemacht.

Auf moderne Kinder mochte sie altmodisch wirken. Angela aber liebte wie schon Groß- und Urgroßmutter die Puppe über alles.

»Ihre Händchen!«

»Na, geh!« bemerkte Fürst Boris. »Wirst doch nicht um solch dumme Puppe weinen!«

»Dumme Puppe?«

Angela hob das zarte Gesicht. Die veilchenblauen Augen sprühten jetzt Zorn, ja beinahe Verachtung.

»Lilofee ist mein Kind, verstehen Sie! Und haben Sie nicht auch Kinder lieb?«

Mit einer unendlich sanften, liebevollen Gebärde hob das Engele die Puppe vom Boden auf und bettete sie in den kurzen lichtblauen Rock, der kaum ihre Knie bedeckte.

Es konnte kaum einen rührenderen Anblick geben als dieses Geschöpf zwischen Kind und Mädchen.

Dem Mann griff es unbewußt ans Herz.

»Natürlich habe ich Kinder gern!« bestätigte er im Anblick der vorwurfsvollen Augen. »Ich möchte ja auch selber welche haben.«

Er lächelte versonnen.

Schön und klug würden seine Kinder sein, wenn er die junge Referendarin Waltraud Harden heiratete.

Des Vaters so geliebte Ahnengalerie auf Wolfshausen würde keinen Schaden erleiden, wenn diese »Bürgerliche« einzog.

Weshalb nur leistete der alte Fürst Hans-Casimir auf Wolfshausen bis auf den heutigen Tag Widerstand gegen diese Ehe?

»Du heiratest Regina Prinzessin Blumenau! Das ist mein letztes Wort!« hatte er vergangene Woche abschließend gesagt. »Der Termin der öffentlichen Verlobung ist bereist festgelegt zwischen Blumenau und Wolfshausen. Und das mit der Liebe…, ja nun, die Liebe stellt sich während der Ehe ein. Das war schon immer so. Neue Sitten soll man nicht einführen in alten Geschlechtern.«

Dabei war es geblieben.

Fürst Boris warf jetzt den Kopf mit dem dichten dunklen Haar zurück.

Das wollen wir einmal sehen, ob das dein letztes Wort war, Vater! durchzuckte es des Mannes Gedanken.

»Fürst!« Angelas dünne Stimme suchte wieder den Weg zu des Mannes Herzen. »Meine Lilofee, sehen Sie doch nur!«

Da beugte er sich tief zu Angela hinab.

»Gib sie mir mit, Engele! Ich werde Lilofee zu dem geschicktesten Puppendoktor in der Stadt bringen, den ich auftreiben kann. Und nun komm! Ich werde mich mal erkundigen, wer auf Blumenau für Schaukeln zuständig ist. Und wenn du mir einen Gefallen tun willst, als Dank für die Lebensrettung, führst du mich zu Regina.«

»Geben Sie ihr den Ring?«

Angelas Augen forschten jetzt neugierig-wissend.

»Oh, ich habe noch nie eine richtige Braut gesehen! Und Regina ist so schön! Finden Sie nicht auch?«

»Du hast recht!« Fürst Boris nickte.

Fraglos mußte jeder Regina Prinzessin Rappenweyler schön finden. Aber deshalb brauchte man sie nicht zu lieben – und schon gar nicht zu heiraten.

Heute heiraten sich nur Menschen, die sich lieben! dachte Boris von Wittgenstock, während er neben Angela Schloß Blumenau zuschritt.

Die Puppe Lilofee hatte er in seine Jagdtasche gelegt.

Er würde sich in der Stadt höchstpersönlich nach einer Puppenklinik erkundigen.

Lilofee sollte völlig genesen zu ihrer Puppenmutter zurückkehren.

Des Mannes Augen streiften das Mädchen an seiner Seite.

Puppenmutter?

Einen Augenblick stutzte er.

Eigentlich schien das Engele schon ein wenig zu alt für ein Puppenmütterchen.

Dreizehn mochte die Kleine sein.

Dreizehn – ein Alter zwischen den Zeiten.

Aber noch wirkte sie wie ein Kind.

»Ich werde dem Puppendoktor ins Gewissen reden, damit du dein Kind bald wiederbekommst!« versprach er aus tiefen Gedanken heraus.

*

Schloß Blumenau war einmal Sommerresidenz der Fürsten Rappenweyler gewesen, in jener verspielten Zeit des Rokoko, in der man selbst die Leidenschaften anmutig auszudrücken pflegte. Man verschnörkelte damals alles zierlich. Man wählte die Farben Weiß und Gold und dazu weiche Pastellfarben.

Schloß Blumenau, nach dem Rokoko Sitz der jüngeren Linie der Fürsten Rappenweyler, unterschied sich in nichts von diesen Vorstellungen.

Die Schloßfassade zum Park hin erhob sich über leicht ansteigenden Treppenstufen. Sie schaute auf hochspringende Fontänen, die in kostbare Steinbecken tanzten.

Fürst Boris nahm an diesem Herbsttag all diesen Zauber nicht wahr.

Er sah allein, daß auf der von der Sonne überfluteten Terrasse Regina von Rappenweyler, Angelas ältere Schwester, an einem der eleganten weißen Tischchen saß und versuchte, auf einem Zeichenblock den Zauber des Parks einzufangen.

»Regina, du!«

Das Engele nahm die flachen Stufen mit ein paar Sprüngen.

Das Blut stieg ihr lebhaft in das zarte, vorher durch den Schrecken so blasses Gesicht.

»Regina, Fürst Boris hat mich aufgefangen! Denk dir, die Schaukel ist gerissen. Und nun kommt er, um…«

Fürst Boris ließ sie nicht weitersprechen.

Wahrscheinlich hätte das Engele gesagt: »Er kommt, um dir den goldenen Ring, der für die Ewigkeit bindet, an deinen Finger zu stecken. Die Eltern haben es ja so abgesprochen. Und Mama hat schon die Einladung für die öffentliche Verlobungsfeier fertig gedruckt in ihrem Boudoir liegen. Oh, Mama denkt immer an alles.«

Angela sprach dies alles nicht aus, sie dachte es nur.

Fürst Boris schob sie leicht beiseite.

»Geh dir das Gesicht waschen, Engele!« riet er. »Du siehst wie ein Gassenjunge aus. Keiner darf dich so erblicken.«

»Bin ich wirklich so schmutzig?«

Angelas süßes zartes Gesicht errötete tief.

»Ja, du bist schmutzig!« bestätigte Regina, die mit einer Handbewegung dem Fürsten Boris Platz anbot.

Da verschwand das Engele, obgleich es im Grunde schrecklich neugierig war.

Wie das wohl vor sich ging, so eine Verlobung. Dieses Ringanstecken! Und der Verlobungskuß!

Sie hätte etwas darum gegeben, dabeisein zu dürfen.

»Prinzessin!«

Fürst Boris verneigte sich leicht, während er neben Regina Platz nahm.

Seine Augen streiften die Prinzessin, und er stellte fest, was jeder andere auch hätte feststellen können.

Prinzessin Regina, jetzt zwanzig Jahre alt, war eine Schönheit.

Ihr Haar war im Nacken zu einem Knoten verschlungen, der durch ein hauchfeines Goldnetz gehalten wurde.

Ihr gleichmäßiges ovales Antlitz hätte jeden Maler entzückt, wie auch ihre schlanke, doch volle Gestalt.

Nur mich reizt sie nicht! durchfuhr es den Fürsten, der sich auf Frauenschönheit verstand.

Sie ist kühl bis ins Herz. Und das habe ich bei Frauen noch nie geschätzt.

Boris Fürst Wittgenstock straffte die hohe, kräftig-schlanke Gestalt.