kamalatta - Christian Geissler - E-Book

kamalatta E-Book

Christian Geissler

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Beschreibung

Eine bewaffnete Gruppe bereitet den Anschlag auf ein US- Hauptquartier in Bad Tölz vor. Der NDR-Mann Proff sympathisiert und zerstört dabei sein Familienleben. Werftarbeiter Tapp und seine Kollegen sabotieren die Waffengeschäfte der Oberen. Nina fährt mit Sponties und Arbeitslosen in die DDR; militante Gefangene kämpfen im Knast ums Leben. Tod oder Leben, diese Frage zerreißt auch Ahlers, dessen Kind krank ist. Lauter Genossen, die sich doch wenig kennen. Aber hat "Genossen" nicht auch mit "Genießen" zu tun? Überall geht es ums Ganze: um Liebe, Verrat, Zerstörung, Befreiung. Geisslers Romane "Wird Zeit, dass wir leben" und "Das Brot mit der Feile" erzählten mal übermütig, mal skeptisch vom Widerstand in den 1930er und in den 1960er Jahren. "kamalatta" fragt aus dem Blickwinkel der 70er Jahre, was es heißt, wenn es ums Leben geht.

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Inhaltsverzeichnis
Cover
Titelseite
KAMALATTA lesen...
I GRENZGÄNGEREI
II GRUBEGRABEN
III DIE MÜHE UMS LEBEN
IV FREUDE
Mühe ums Lesen – Nachwort von Oliver Tolmein
I.
II.
III.
IV.
Impressum und Copyright
Christian Geissler
KAMALATTA
romantisches fragment
in den jahren der arbeit an diesem buch haben mir freunde geholfen, auch fremde, haben geld gegeben, essen, wohnung, zutrauen, ermutigung. sie haben zu mir gesagt, schreib weiter. keiner von ihnen hat gewusst, was das wird. deshalb nenne ich jetzt hier nicht die namen. ich will niemandem öffentlich eine geschichte anhängen, die er falsch findet oder gefährlich. ich habe keinen namen vergessen. ich sehe jedes gesicht. es sind auch gesichter gefangener frauen und männer aus guerilla und widerstand. ohne sie alle, drinnen und draußen, hätte ich dieses buch nicht schreiben können.
cg, 8–5–88, aaltuikerei.
DAMIT ETWAS KOMMT MUSS ETWAS GEHENDIE ERSTE GESTALT DER HOFFNUNG IST DIE FURCHT DIE ERSTE ERSCHEINUNG DES NEUEN DER SCHRECKEN(Heiner Müller)
kamalatta
vielleicht nur gekritzelt auf packpapier odermit dem finger geschmiert ins treppenhaus oder rupold ins ohr gezischt dem krummen knecht wer weiß schon hat keiner bemerkt
aber einer gesessen im baum aber einer gesehn den schattenfuchs aber einer notiert den fliehenden greis mit der regenhaut(ludwig lugmeier)
Há-de correr sangueE a Terra se cobrira de Flores (Maria Lino)
(st. jean de buèges 18–10–83)
proff ist nie gefunden worden. auch die weit hinterm stein wissen bis heute von ihm nichts. als ich seinen kopf, geschoren, kalt, aus sonnenwarmem schotter vorsichtig aufhob, ohne den ausgemagerten körper freilich im ganzen bewegen zu können, es lag geröll über alles, selten hatte der fluss so viel wasser geführt, jetzt lag das bett trocken heiß, fand ich die stirn gespalten. ich war von der feinheit der schneidung tief gerührt. keine fremde hand, keine einwirkung von außen kann einen menschen so sicher treffen, so scharf auf das bestimmte bedacht, erpicht auf die endlich eindeutige bewegung. ich sah den symmetrischen griff der hingesunkenen hände. hier war nichts überrascht, nichts niedergestürzt, gefällt. hier war die niederlage als die aufrichtung im stein, das bewegte herz in den starrungen seiner befreiten raserei, die zerreißung ins ganze. das hirn unterm pelzigen haar lag klaffend ins dunkel des nackens, wo uns die ängste hocken. auch ohne die ebenmäßigkeit der vernichtung seines gesichts hätte ich proff erkannt an den höckrigen ausdickungen seiner mittleren fingergelenke. in kluger abstimmung ihrer kräfte hatten die hände, ohne im mindesten zu verziehen, den kopf auf die schneide des steins gerissen. ausgewogen der tod eines menschen eigenartig zerteilt. der stein stand still. ihn traf keine schuld. von nichts gerührt staubt er weiß. es war allein die entscheidung von proff gewesen. sein wille, sein schmerz, seine scham, seine lust, sein wissen von den gewalten, ich würde zu solchen fragen unter die leute gehen müssen, teilen mit ihnen den schreck des gesehenen, sorgfältig, einer den andren erinnernd, entziffern welchen vorsprung, nachdenken solches zerspringen. aber sie alle hatten proff nicht gesucht, sie hätten ihn sonst gefunden. wiederum, ohne damit sonderlich achtung auf mich sammeln zu wollen, der ort am fluss, die berstende helle des steins, um den frei der fluss springt, schnalzend wirft er jammer und stolz in funkelnden schaum, verbirgt den saum für den fuß, den riss für den griff der hand, jeden weg dieser äußersten wendung, es wird dich niemand dort suchen. toll bist du bloß bei dir selbst. aber wen triffst du dort an. wer kommt dir bis dorthin nach. schon im anfang, noch erst unterwegs, schließen sich dir die vertrauten türen, wendet die frau im fenster, der mann auf der bank, der mensch aus arbeit den blick von dir weg, bist du verloren. gezielt erscheinst du von nun an aber begehrt den bewachern. wir hüten uns, davon zu reden. plötzlich entdecken unsre verschwiegenheit die kinder. sie schreien uns an, sehen blank ihre herkunft aus toten, ihre zukunft im toten, hetzen, kaum dass unsre augen ihrer fliegenden fliehenden kraft zu folgen vermögen, im gitter nach einem loch, finden nur nichts, springen fort, den grillen nach, heißt es, die steingrau hocken aber rot fliegen, und aber in ihren augen, die wir ja lieben, leuchtet flirrend das licht aus der biegung des flusses. wir werfen die hände uns übers gesicht und jagen angsterfüllt unsren kindern nach. bellend das schaf hütet die hürde des schlächters. da kränken wir uns in unsinn. da möchten wir das geheimnis der weißen schlange nicht länger achten, das schweigen brechen. was uns ins atmen schlägt. aus polen ist eine frau zu gast, jung und klein hanna, die lehrerin, endlich darf sie nun einkaufen laufen, freie weihnacht, maria und josef, überall butter und blusen, da muss sie zittern, aus freude zuerst, aus kälte zu ende, aus weiß, ich seh ich seh was du nicht siehst, hört aber keiner ihr flüstern, ist alles taub, ist weiß, da schreit sie, der heiland ist kommen, singt sie, und hat nichts gesehen, schreit sie, und sieht nix, ist blind ist blind! hanna schreit laut aus würsten und uhren und tassen und dosen und rosen es ist ein ros entsprungen, schon springen die substituten durchs glitzern nach einem arzt, hanna läuft fort, das weihnachtskaufhaus ist groß, freies fest, sie huscht vom fleck ums eck zum zeck. dort sind in kammern weggesetzt kinder, fürs kaufen will mutti die hände frei, weg mit der kleinen dem kleinen ins kistchen, dort sind sie gut, sind still, dürfen schießen, totfahren, feuer frei freie fahrt freies fest fremde. hanna fürchtet sich. sie bückt von kind zu kind. im kästchen flackerts fad fahl, platzt was und prallt und bombt und bongt, gongt das und fratzt, und fallen über das schutzlose kind wasserhaft feuerfarben, bleiches gefunkel, ins leichte gebogen das schneidende weiß. hanna kuschelt sehnsüchtig an die gesichter der kinder an das kleine gespannte, an das gespensterchenkind liebt sich hanna, ans fellchen lederchen lederkind aus automaten in automaten sind alles bloß automaten ach lieblos schreit hanna. und in den unanrührbaren augen der kinder blitzt frei das fähnchen aus sternen und strichen, der krieg der sterne strahlend der krieg der freunde, den hat hanna jahrelang abgelauscht heimlich, das freie leben, in wroclaw, aus us-free-europe, unheimlich abgeschaut jetzt aus den kindern, die wir ja lieben, das grauen, glatt lau die leere als spiel, die freude aus tod, die fremde, den feind, das weiß. alle kinder verweißt. hanna schreit laut, tanzt schrei, schreit tanz. veitstanz, ja unser krakau, lächelt der ältere arzt, sticht ihr farblosigkeit in das rot ihres arms. zu ihrer sicherheit wird hanna verschubt. fern dort still, die arme nach hinten verjackt, tanzt hanna noch lange gegen die schlange, es ist die kerze des pflegers, die weihnachtskerze, die weiße weihnacht, die schlange so nah so klar so gern vergessen. es gibt keine weiße schlange, sagen die freunde lisa und paul, sind weit gereist ins hochtal der schützenden gräser, die frau und der mann, wärmen einander, träumen vom fliegen, wiegen, sind aufgebrochen ausgebrochen ach hingefahren dahin um luft zu schnappen. vor seinen zetteln sitzt paul im kraut, er schreibt die erstickung, ein schriftsteller­leben. lisa, gekauert in warmen schein, sieht schwarz vor der wand des roc blanc jagend mirages, die übung der unterfliegung, den angriff auf eine schlafende stadt. lisa träumt das zerschellen, den blitz. lisa lacht das wunder der traumerfüllung. taumelnd der dreck brennt weg. der stein steht still. ihn trifft keine schuld. von nichts gerührt staubt er weiß. gefangenschaften, schreibt paul. unter mir weit klein hinab wandern die beiden nach le vigan. dort ist heute markt. am rande des marktes, unter bunt ausgerolltem tuch, nah im rücken der stände, im geruch von pfirsich und fisch, käse und leder, der leichte tisch mit den schweren tassen. die freunde strecken die beine, horchen aufs rufen der händler, der kinder, der finken im käfig, der hennen im sack. paul hat eine alte soldatentasche erworben. überall sucht er versteinertes. in der tasche will ers nachhause bringen. ins bleiche decktuch der tasche sind eingefärbt die buchstaben U und S. paul steht auf von der tasse, kauft einen mit schwarzer tinte gefüllten stift, kommt zurück an die tasse, schlürft heiß, streicht das kennzeichen auf der tasche, das brandmal. wer weiß, wo die tasche überall war. er kann es sich denken, das grün der berge kaut gummi, der dorfbrunnen schreit. lisa greift nach pauls hand, lacht ihn an, lacht, sagt sie, über sein dummes gesicht. sie hat für ihr kind eine winzige jacke gekauft, kolibrifarben aus guatemala, ins rückenstück gemustert der kopf einer schlange, elend gestickt, genäht, gefädelt, gefärbt, gewebt, geerntet, gepflanzt, geackert. blut ist im schuh, sagt paul, ist im jäckchen, im täschchen. rukedigu, macht der täuberich unterm markttisch des bäckers, tanzt wiegend, will lieben, frisst kuchen. einen stein stößt paul unterm tisch fort zwischen die tauben. er trifft den knöchel der bäckerin. es gibt einen schmerz, ein gezank. niemand versteht die verletzung der frau aus mehl. so laufen wir alle weiß, sagt paul, weich gestäubt wölfe. ich will nicht ersticken, sagt lisa, nimmt seine hand hinauf zurück in den schatten des baumes. wo denn. den kann keiner finden. den kannst du nicht kennen, nicht suchen, nicht meiden, plötzlich liegst du in seinem schatten, es weht dich kühl an, alles weiß gras grünt satt nass, aber wo ist meine liebste, wo ist mein liebster. das ist der folterschatten. weder kannst du hinaus, noch kann dich der andre drin finden. im glück bist du unerreichbar dein glück. es gibt noch bei den ältesten menschen die sehnsucht nach dem schatten des baums, ebenso gegen ihn nackte angst, er lässt keinen lebend heraus, es frisst dort verrückt nur jeder sich selbst, es sei denn, aber das ist die stunde, die keiner nennt, du siehst das dir nächste im fremden krustigen baum, in der glätte der schlange, im steinstaub, erkennst, dir nah, das dir nächste als das dir liebste, süß frucht. mich fasste das plötzliche grinsen von proff stark an. gestoßen aus schlechtem geruch, löste sich aus seinen zähnen zischend der einfache ton als das einfache wort, verächtlich gepfiffen, folter, nichts war da misszuverstehen. im roten himmel der mond so nah dem ersten stern. es würde bald kühl aus den steinen steigen an uns, den ärmsten und mich. ich setzte mich auf, schlug fliegen aus seinem zerrissenen haar, stellte mich über ihn hin, sah mich um, stieg hier und da ein, nieder und wieder hinauf, um zu suchen und einzusammeln, was aus früheren fluten und stürmen gebrochen und angeschwemmt war, für ein feuerchen gegen die nacht, für ein gedecktes feuer, es sind genug flache, fast schieferförmige steinsplitterungen im ufergeröll unter mir, es soll kein lichtschein und nur so wenig rauch von hier kommen, als unumgänglich ist, so kann ich das missverständnis vermeiden, ich wollte ein zeichen geben. an wen. in der stadt die lichter waren erloschen. nur still, als schlinge, gleitend das gummi, das licht der bewacher, sie sind weitreichend gegen uns ausgerüstet, von den toten ängstlich gereizt gegen menschen, vernäht ins fremde, ohne begriff und bild. es waren jetzt steine in meiner nähe schon warm vom feuer, ich nahm mit jeder hand einen faustgroßen auf, schob mir den einen und den andren dort und dort unter den arm, pfiff mir ein lob auf die wärme der langsam alt und fest gewordnen äste, auf himmel und erde, schlug später die abgekühlten brocken im takt meines liedes leise gegeneinander, auf jedes knie gestützt einen arm, nah überm nacken von proff wir trommeln wir singen wir wissen wir sagen bescheid, sie sind schon tot. nicht undurchschaubar verendet, kein geheimnis dunkel von innen, sondern vernünftig ist herzuleiten der wahnsinn der toten gestalt, wirklich verrückt aus tod. und jagt sie ihr neid auf das leben des menschen uns nach mit dem irrwitz der von sich selbst verrückten, es gibt auf der welt für sie keinen platz mit lebendigen menschen, das macht ihnen jeden tag angst, das macht sie gegen uns sehnsüchtig böse, rasend gegen die einsicht, dass sie nur nichts sind, wo wir sind. aber wo sind wir. wir sind nur das, was wir gegen sie tun. oder niedergeschlagen im schatten ihrer kontur nicht mal mehr schatten. verkauft. manchmal kommt es zu gefangenschaften, es werden geschleppt die einzelnen, gefangen sind wir, blind, hinterm gitter der hände, hinter hängenden ohren, der bilder geschrei, wir haben gesehen, wir sehen. nicht mehr aus düsterm stein, funkenschlagend gebückt, werden, seit von den ersten freunden saumpfad und riss entdeckt und genutzt sind, in unserem land die häuser der ordnung gebaut, sondern hingegossen verschlossen aus mattem verschmier, eilends für viele, entworfen fröstelnd von kalten, haben die schließhäuser jetzt die alle wärme, kämpfe, auch alle tränen ausdämmende gewalt der glätte, die unentzündbarkeit von augen aus glas, den trug der fortschreitenden klugheit, ihrer veranlassung maß, das der angst. wirklich fassten die schließer, ich hab es gesehen, bei dienstantritt hemden auf pass, jeder nach seinem fett, kaum konnte ich ihre stimmen, gesättigt von dank, unterscheiden von der biegsamen rede dort und dort aus der wand. ich sage das ohne spott, nicht ohne ungeduld. das totenhaus, sein beben geschient, sein schwanken endlich sein bersten weich vertönt, aller vielfacher riss kostbar verglättet, war leise erfüllt von zuspruch aus löchern im putz, durchtrieben von ihrer musik. oder was sie so nennen. wenn sie uns unterwerfen.
damit sie uns unterwerfen, merkwürdig streng weisen sie jeden hin auf die endgültigkeit ihrer absicht, der pfiff im wald, der steinerne zauber, die geste der macht, die verliert, eisen ins fleisch der bewegung, blendung ins auge des aufblicks, das blei ihres todes in unsern tanz, stoßen sie uns in das gitterwerk ihrer figur, auf die unantastbarkeit ihrer arsenale, an die kugelabweisende glätte ihrer abschließenden positionen. sie wollen wir sollen glauben, da bleibe für niemand ein leben, außer er stirbt ihnen zu. ich sah auch den hals mit der schimmernden brille aus schwarz, den zähnen, klein gestellt eng, fehlt einer unten links vorn. im gelipf solchen lachens, noch wenn das die erde, den sand tritt, leise langbeinig gummi, gelb in den haaren der hand, die maske aus angst. horcht als ein hund dem gerissenen weiß der immer kleineren lage, schmeißt münze für blut, zählt kopf, hält länglich den hals für das band der belohnung, den strick. ist von verrückten mördern der freund. ist der verrückte mörder von unsren freunden. einmal werden wir singen: das war die wüste. jetzt nennen wir ihn das pack, den hals. turnschuh, levi und leder. die maske der angst. die wollen wir leise genau betrachten. unterm läuten der fettigen glocken, unterm blöken der herden, unter sonne und wald, unter bauernhäusern, wie bauernhäuser, das zirkusgeviert der toten, bad tölz, der mörderstall, aber kälter. aber höher hinauf die gelbgrünkalkige wand mit den engen augen der dienststubenfenster, unter niederschleppendem dach hoch aufgezogen das einlasstor für die ernte des messers, gestern der adler, die runen, heut die vom goldschuss, heimlich das bündel der pfeile, offen am grünen barett. prall das pack tappt ans licht. es wird killen trainiert. der krieg läuft gummi. die toten lernen den tod. wir leben. wir wollen den platz nicht meiden. auch er gehört uns. wir fliegen leise voraus, kreisen ab, fallen ein, zeichnen scharf. kasernen der angreifenden bewachung, waffenlager, stollen für forschung und folter, kino kasino kirche und kältebad, säurebad, sessel für seelenstunde, kontrollen, sperren. lallt das am strick, der klassenporno, der hals, der weißen augen mächtige krankheit, in der hand und zum schutz von verrückten, mogadischu murmansk katanga nova huta antofagasta Stammheim la belle, geschicktes gummi, heiß gemacht, verformt gezogen zum faden, gebündelt zum strang, keins hat gesicht, nur den ekelnamen, nur das merkmal als brandmal, das kerbzeichen ihrer verwendung, das design des deals mit dem untergang einer klasse, der alte griff, das pack des imperialismus, jedes ersetzbar das teil eines apparates, der zerstört, die teilfunktion eines körpers, der stirbt. das weiße auge aus princeton hat leitungsauftrag, 10th special forces group (airborne) europe, der hals hält kontakt aus bonn. unser land ist in der hand von toten. wir leben. es blitzen mich an aus dem stein die augen eines gefangenen kindes. wir kreisen ab, fallen ein. einmal werden wir singen:das war die wüste. proff hatte gern alles auch mit den händen begriffen. ich tastete in der dunkelheit nach seinem nacken, der lag unverletzt, war, mit den händen zugleich, die kraft gewesen gegen den stein, der stolz gegen den biegenden druck zwiespältiger verwünschung, ach hatte ich lust, ihn zu wärmen, mir selbst war nun kalt, ich suchte den lahmgefrornen rücken, die beine zu schützen im nahen gestrüpp, kroch bald zurück in die seite von proff, ich hatte mir vorgestellt, die berge in dieser region würden auch nachts ihre wärme behalten. es fiel aber aus dem schwarzen unsinn des himmels, stieg aber aus den steinen, dem stein, kein lied, nur das rufen geschlagener tiere. und doch sind dies berge für menschen, nicht hoch, bis in den scheitel der wände verkrautet duftend, dickicht für das gewöhnliche leben, für seine unauffindbarkeit, seine hemmungslose erwartung, seine beratung von arbeit. ich horchte, gekauert in proff, auf rat. nicht weit von hier stehen hütten von hirten in der weiße der gräser, tags in der hitze der schlange, nachts unterm schlag der felseneule, hütten, verlassen von arbeit, gesucht aus angst, manche von uns, obgleich sie erkennen können, dass auch bis dorthin das pack, sein hals sich gelblich nach ihnen windet, suchen in solchen hütten zuflucht, das leichte kleid des friedens gegen die schwere kälte der allgemeinen gewalt. lange möchten wir unsre kleider behalten, gegen die hitze der wirklichen dinge, gegen den schnee der angst, gegen den biss der entscheidung. als wären wir nicht, obgleich in der hand von verrückten, und tief in der kralle des unsinns, die doch nur einzige kraft, die all den verrat zersprengt, schlagen wir uns in rätseltücher, zögerblusen, flüchtestiefel und lügenbärte, fallen wir, statt uns den plunder fetzend zu schwenken, zu unsrer tarnung ihn uns zu stülpen, tief nieder in dero schwarzes gehüt, zaubern uns aus ihm hinauf in glimmer, zappeln lachend, an ohren gehalten, zur trommel, zur schlachtung. und könnte uns doch die freude, mit allen andren zu leben, genügen, dem pack das messer zu brechen. es lauert. was frei sich bewegt, soll sterben. da heißt es behutsam sein. gekauert ins frühe licht blies ich mir zwischen hand und hand, warf mir von einer zur andren weiche kastanien, gescharrt aus der noch heißen asche, die nacht war kalt gewesen, aus tälern wehte nebel auf gegen die steine, auch gegen proff und mich. ich klomm ein stückchen bergan, mir honig zu suchen, zu den festen früchten die süße, auch um, weg von proff, einen flächigen stein zu einem klebrigen lockbett zu streichen, so dass es den fliegen zu einer dauernden ablenkung würde gegen die gier nach den säften aus proff. wie ich ihn kenne von früher, wäre er bald über den zuckerstein hingebeugt, in das summen im leim, ins ratlose ziehen und winden und spreizen der flügel, er, der so gern das weite gesucht hat, zu fliegen.
alles nacht hochzeit heut
kalt ganz in weiß
aus elf alten augen
zwinkerts in schleppschnee
flatterts der pfaffenamsel
so matt aus den federn springts
klirrend der braut in den rindigen
reifrock der weiden hämmert der specht
rotschwarz die nachricht vom glück. kamalatta.

I GRENZGÄNGEREI

(1) nachricht von tapp. scene gabs noch keine, denk dir das weg, noch alles allein, und auch noch nix bessere frauen mit power, die ihre alte mutter verarschen, und wenn die krankfällt und ruft nach dem kind, dann hockt das sich faust auf die ohren straight weg in antiimpergepimper,so nicht, mein freund, so nicht mit menschen, und ich denk noch eben, der kerl mit dem schwarzen köter, so übertier, mehr ganz in dunkel gehalten, im fenster heinhoyer immer die beiden, ohne zu bellen, neben bettenvoss oben, wo neben­an mit dem dokter mit bauchschuss, über den ölschinken von na wie heißt der mal noch, wo sie die alte abgestochen haben letztens, der glaser mit alles dick gold gerahmt in den fenstern, nackte zigeunerbraut, und so wölfeschlitten aus väterchenrussland, klar war der sinti, der mann, frag mal bei popow die billardkugel, ist doch egal, wie der sich schreibt, reichlich die töpfe bulgarisch, mundmalerei, doch doch, die hatten da auch schon mal krieg, hat klaus noch die galerie voll auf lager, auch so der geiger mit sonne im schlappohr, und weiß und weiß und schweigt und geigt, was heißt denn hier saxofon, nichts gegen walter ulbricht, der klassenfeind schläft nie, mein freund, wie macht der das bloß, guck mal unsereiner, guck mal da tini vom fischmarkt, klaus seine liebste musik, klar kennst du die, die macht filme, und klaus gut kohle aus japangummi, und die heiße liebe mit frida, kennst du nicht, musst du doch, specknackenfrida, lockenfrida aus wilhelmsburg, wo merkatt sein terrier damals die lange nacht hatte mit so dem flotten jagdhund aus ghana, hatte landgang gemacht, der schlankfips, und für merkatt paar wochen später neun kleine fridas, für sein wohnboot waren das neun zu viel, hat klaus sich den einen mitgenommen, klein wie ne faust und pisst alles an, aber klaus gibt nicht auf, weil frida die lacht sogar noch beim pissen, überhaupt nämlich nicht wie schniewie, das ist auch so eine vom film, aber mehr was für bessergestellte, und klaus nämlich nicht, da kannst du kommen bei dem egal wann, und da dulde ich keine widerrede, aber traurig genug alles trotzdem, der typ mit dem doppelmoppel im fenster, der hat sich totgeschluckt, kein flachs, gestern, war ja schon bisschen was wärmer die nacht, ist er glatt vom klosett dem hund vor die pfoten getrudelt, und das tier hat geweint wie ne schlossfrau, und die frau doch genau so, weil den kerl, der war bei der all die jahre gar nicht gemeldet gewesen, den hat sie nie wiedergesehen, den haben die kittelmänner fix abgeschleppt und weg mit dem eumel nach eppendorf raus zum schnippeln, und sie kann ihn nun gar nicht mehr finden, alles schon hackfleisch für forschung, musst du mal denken, hast du geliebt, doch doch, die war treu, sowas gibt das, und kann sie ihn jetzt nicht mehr wiederfinden, so machen die das mit uns, frag montag mal nach beim schlachthof, nach buhlemanns willi seim halbfetten ferkelkollegen aus der grenzedorfwirtschaft zachun, wo der jeden schnaufer von dem gekannt hat, und die kicheraugen, wenn der speckmax sich morgens schon mal aufs kobenbrett stemmt und quietscht sich eins, wo die mampfe schon wieder mal abbleibt, ja hast du gedacht, nix da, alles schon lange die zange und abkochtrommel, und das herz geht für hundefutter, nämlich das ist gesetz, mein freund, das sind die verwertungsgesetze, und der mann war noch gar nicht mal alt, so als halbstarker sinti damals in auschwitz so eben und eben noch weggejumpt aus den wirtschaftsöfen von krupp leverkusen, ist mir doch egal, wo die sitzen, das pack, wir schaffen das ab, das muss, die Rote Armee machts möglich, wer sonst, klar schreibt man das groß.
mensch guck dir das an, in berlin haben sie gestern einen rausgeschossen aus all dem knast und gesetze, beim bücherlesen, weil wissen ist macht, na bitte, das fühlt sich gut an, ogottmann, wie sich das fühlt!
verlodern der brücken das mein sprung.
wer war das. ich denk du bist stumm.
stumm auf die dauer macht dumm.
mach kein gedicht, mein freund. du stehst hier noch immer im regen. und nachts. und gesprungen sind die. und wir nicht.
(2) proff war im viertel bekannt gewesen als der, der nie mehr was sagt. alles so weit ganz gut klar mit allen, aber der mann ist gediegen. dem haben sie bei der arbeit was angetan. es ging im viertel damals von proff die rede, und war ja auch durch die presse gegangen mit bild und bunt, er habe, als sie für den olympischen frieden, in mexiko city, paar hundert kämpfende menschen von der straße wegschießen, zweiter oktober achtundsechzig, weil the games must go on, und proff mittenzwischen mit sportauftrag für die dauerblendung in kissen und kneipen, und im bildfeld plötzlich sieht er den aufgetretenen hals eines jungen indianers, runder stiefel leise langbeinig gummi gegen den atem der klasse, da habe er, heißt es im viertel, plötzlich seine beobachterarbeit verlassen, die siebzehn kilo kamera sich von der schulter weg hochgerissen und sie niedergebracht ins genick von pack.bald danach sei er stumm geworden in einer villa der special forces. kein blut, kein schuss. ach kein schuss. keins seiner haare gekrümmt. der hausherr im weißen haus aber, hieß es, sei ein psychiatrisch entwickelter mann aus princeton gewesen.
inzwischen ist das vorbei. proff hatte im regen nachts vor dem kiosk heinhoyer reeper wieder sprechen gelernt am fünfzehnten mai neunzehnhundertundsiebzig, früh nachts um drei, die titel der zeitungen hatten von schusswechsel und von befreiung gesprochen. und auch das war nun längst vorbei, war alles schon weit vor jahren. schon lagen tote, junge frauen und männer, zwischen augsburg und köln und bahrenfeld gegen das pack. schon standen andre verdeckt bewaffnet, hingen zur fahndung, zum freischuss ausgestellt, an postamtstüren und s-bahn-wänden, lagen die ersten, niedergemacht gegen freiheit, nachts in schalldichten zellen, standen andre, seit jahren, im knast gegens weiß, gegen dies weiße auge aus princeton, kämpften.
und eben die weißen augen aus princeton waren jetzt lehrer für lautlos lebenauslöschen, für weichen stiefel im alten haus, in der vormals ss-junkerschule bad tölz, jetzt green berets für großraum europa.
und proff hat noch, denkt er sich, freunde im sender, er springt dort gern gesehen leicht herum, horcht krumm, tut dumm, und als ihn schon draußen der lift wieder wegschluckt, legt sich auf seinen rücken, schatten aus milch, das gelächel von einem politredakteur, blondschopf mit dienstekontakten, unser proff ist gescheit, mein lieblingsroter, schon beinah ein toter, jetzt läufts doch!
proff nahm den auftrag an, als kameramann und als autor für dokumentarischen film. er brauchte geld. auch machte ihm spaß das reisen, das leute aufknacken, das sprache und bildsprache finden gegen die herrschaft, jetzt ss-junkerschule us-special forces, die phrase europa, damals und jetzt die maske der mörder. das thema war heiß. er mochte aber den weg an der grenze, mit dem einen bein im stachelgelände, mit dem andren schön warm zuhaus.
er hatte, fürs wochenende mit frau und kind, bei bauern ein ­altenteilhäuschen gemietet im herzogtum lauenburg, sechshundert meter bis zonengrenze, da darfste nicht gehn, da gehts ab zu die russen, sagte der bauer zu felix, aber der lachte sich eins, wusste von juli und proff die wege besser, malt die Rote Armee mit großbuchstaben wie tapp vorhin auch, läuft mit lina ahlers und buhlemanns willi sachte durch acker, durch nassen raps und rotes ok­tobergeblätter, durch niemandsland, heimlich, nach hallimasch, und im nebel hochdrüber das gänsegeschrei von zachun, gutshofgelände piffpaff, noch immer stumpf alles von oben nach unten, der ganter die gans.
zugegeben, ein heißes gelände, sagte der redakteur zu proff, wir wollen da unbedingt sorgfältig sein. drum hätt ich in tölz gern grad sie. auch will ich nicht den insektenblick diesmal, sondern das auge, genau, das beides kann, schneiden und leiden. sie haben gelitten an denen, proff. sie trauen sich das zu? gibts schon kontakt?
zu dem da.
proff nahm von ihm eine zeitungsnotiz, ein männergesicht unter weichem barett. lehroffizier, sagte blondschopf, für den grenzüberschreitenden psychodienst gegen terror, ich weiß, proff, sie nennens befreiung, egal mal, ausbildung guatemala im jahre der herren vierundfünfzig, muss so in ihrem alter sein, ursprung aus feinem familienverein, weitem grundbesitz mit privatklinik drauf, schon der vater von seinem vater. und war auch mal lehrer in princeton.
es hätte proff beinahe noch einmal die sprache verschlagen, die rede zerschlagen. so nah der hals, das gelb im handhaar, das auge aus weiß. die mörder so nah. so klar für jeden. so gern vergessen.
er hatte sich das uniformfoto mitgeben lassen. damit sie sich darein vertiefen, hatte der blondschopf gespitzt, die sinnliche einfühlung herstellen können ins scheinbar parallele ereignis, das sie, ich kenn sie, längst reizt, am gleichen ort, im gleichen haus damals europas ss und heute die special forces, beides elitekampfbund gegen rot, die bewaffnung der freien welt, ich weiß, proff, sie nennens die falsche welt.
ach was, knurrte proff verloren, ich nenn es die wirkliche welt, wir müssen das realistisch sehen, die welt der herrschaft aus eigentum, das aber, eingekreist, beinah schon tot ist, weißlich schon riecht. ach das macht uns die herren sehr böse, mein lieber.
das freut mich für sie, schnappte fips.
nein, nein, das freut sie für sie, stach proff ab, denn ich hab im gegenteil angst vor dem bösen. er trollte weg an die tür. kommen sie doch auch mal so vorbei, sierichstraße einhundertneunzehn, alsterpaddeln, da hört keiner zu.
in diesem land, in diesem haus, müssen wir unsere faulheit nicht flüstern, sie toller konspi, lächelte proff.
das reisegeld liegt an der kasse, rief ihm der blondschopf nach.
da kam proff noch mal zurück, sah den lockenvogel nah an. hat lederaugen, der dreck. ich will sie von nun an ledermann nennen.
ich weiß, proff, sie mögens altenglisch lieber.
ich seh gar nicht ihre jacken, mann, ich red vom jean paul, der komet. lesen sie das doch mal.
proff schnürte, so nannten die, die ihn kannten, seine schrittegesten in khaki und cord, die schmale kurze bewegung der beine, früher war er mal schwerer gewesen, irgendwas zog ihn längst dünn, ins weite parkplatzgelände der anstalt. sommerfreitags nach drei, das heiße blech der verkleidung. flott mini und vw-cabrio für die frauen der schneideräume, volvo am liebsten für redakteure, fürs höhergesetzte verwaltungsfleisch das leise gummi mit fadenkreuz auf der schnauze, für die ungarnschönheit der alfa, und gleich unterm nebeneingang zwischen küche und kasse, wo sonst keiner stehen darf, der sondergolf für den sondercutter, walter, todkrank, aber genau jeder schnitt.
proff strich weg, fand irgendwo blank knallrot seinen aufge- krempelten 2cv, peitschenantenne und teak an der schaltung, wär gern auch mal teurer gefahren, ds oder lieber noch uralten rover, faltiges leder, rotgolden holz, lehnte sich hin an das warme blech, sah sich das foto vom mörder an, und dachte sich eins, und dachte sich zwei, und als er bei drei war, dachte er gern an juli und felix und sich. er sah auf die uhr. seine beiden waren schon auf und davon, nach schule und öder computervilla, raus aus der stadt, ins dorfteichversteck zachun, mitfahrer, waldgrüner kastenrenault, nina ahlers am steuer, wochenendeinkäufe, dies und das, und in den rücksitzen lina und felix, freunde die kinder und vorn die frauen.
ahlers, der mann mit dem schiefen ohr, dem feinen gehör, macht beim waldrandbaron die waldfacharbeit, alles maschinen wie panzer, ahlers steht auf gewalt noch immer, noch immer am liebsten allein, und baron hast du überall am hals, bloß selten so doof und so nett wie hier, und meistens ist der auf reisen, auf neuntausend hektar wald und see hat ahlers allein das kommando, das wissen in seinen händen, kaum je widerspruch gegen sein können, die wut des angriffs verwunden, gewendet ins dickicht, das sperrt, das starrt, reißhaken oder axt, beim durchzeichnen, für den einschlag später, aufgepasst, nicht zu viel luft, sonst kippt dir, was bleibt, beim nächsten gewitter, kriegst klagen am hals, auch die schlagordnung überwachen, schlechte schlagordnung viele beschädigungen, am besten mit jugoslawengang, die fragen nicht viel, viel wald zuhaus, die schlafen im busch wie die keiler, sind pünktlich gleich morgens am platz, keilen ran, hauptsache kohle stimmt, chef, und auch die geschicklichkeit, macht spaß, balancier mal das anhängermaul am hang genau auf den richtigen winkel, oder gnadenlos mb-trac, widerstand kommt dir, dass du ihn brichst, beim altbuchen schlagen, die kameraden, die wehren sich wie elefanten, ich krieg euch, ihr uralten tanten, das reifenprofil fetzt den waldboden hoch, der specht schreit auwei, ich bin mal so frei, lacht ahlers mit krummem rücken, wir geben nicht auf. wer wir. ich bin hier king, ins dickicht gewendet, das sperrt, das starrt. von ahlers wird ordnung geschlagen. damit es was bringt. wem was bringt. ach hau mir doch ab mit so kämpfe auf links, die wichser, da weiß ich bescheid. alter krach zwischen nina und ihm.
proff mochte ahlers gern leiden. er kannte die dinge der flucht.
juli war lieber mit nina. und felix und lina waren mit allen, ganz klar, am liebsten der waldsee den ganzen tag, und nachts, in den kiefern und buchen fern, im borkig verkrümmten pflaumenbaum nah, der mond, und nina liest vor von indianern, und juli schmeißt apfelpfannkuchen. und einmal, aus lauter indianergeschichten, rot gegen weiß, damals doch schon, der kampf geht weiter, hat proff das von jonny und mangas erzählt, den kampf nachts im februar dreiundreißig hier draußen in eis und schnee, im flintenquieken der pelzledermädchen, der waffenschlitten soll rot nach schwerin gegen die nazibande, die weiße, und jonny und mangas lassen die flintenkisten nicht los. und müssen damit unters waldschattenflackrige eis, und ersticken.
juli war wütend für lina und felix, sie will, dass die schwimmen, der tod soll ihnen nie nah sein, sondern das leben, einfach die liebe. lina und felix springen noch mal aus den betten, die schnorchelausrüstung muss flottgemacht werden, ab morgen ist tieftauchen angesagt, vielleicht sind da unten noch richtige knochen.
proff ließ die laschen reifen quietschen, er wollte bald raus zu seinen leuten, nur eben erst noch das buch über tölz, für die stille da draußen, zum einstudieren, zum vorbereiten der kundschafterfahrt. die scheine saßen schön knisterklar, die kasse hatte tempo gemacht, das fältelte gut in der hemdentasche. die kugelsichere weste, nannte proff das. was juli beknackt fand, so spruch. aber sagte oft lieber nichts. leider.
zuhause, heimhuderstraße, schön edelbude vom onkel notar, sie hausten oben vier dachzimmer satt, lag was im kasten. obgleich, als er losging heut früh, er die post schon rausgeholt hatte. eine kleine nachricht an proff. unterschrift 403. das war nun schon lange her, das ding mit dem alten peugeot. der, mit dem er das zeichen verabredet hatte, bei telefonanruf den verkauf von einem 403 anzusprechen, larry, der bruder von nina, war schon seit vielen jahren gefangen, im käfig in celle. proff hatte damals, schon bald nach dem vierzehnten mai, als er nicht nur die sprache, auch lieder, jarama, auch seine wut sich wieder rangeholt hatte, den familienbriefkasten, obgleich in diesen feineren häusern der stadt die post noch jeden tag hochgelatscht wurde, gleich innen links, noch vor all den treppen, montiert. kann ja sein, dass die anderen leute im haus uns das nachmachen, hat es der briefträger leichter. das sollte für juli und felix so klingen wie nette soziale geste, war für juli aber gleich ding mit verdacht. oft kannte sie proff heimlich besser, als der ihr zutrauen mochte. aber sie wusste von nichts. nur wider­deutlich, das ihm wichtigste macht er allein. sie hätte auch sagen können, das schwein. sie sagte aber, mein mann. den mochte sie gern, auch versteckt. hatte vor ihm aber manchmal wütend die angst, die wir uns, was gar nicht geht, verbieten, die wir uns wegschlagen sollten. was gar nicht geht. und war auch noch gar nichts weggeschlagen, verboten bei proffs. es fühlte sich alles gut an. nun war da, nach reglosen jahren, die nachricht im kasten. wer hatte denn noch den schlüssel? der frau damals mit dem zweitschlüssel war längst in den offenen rücken geschossen. wer noch?
der schlüssel, der lebt, dachte proff.
er hatte noch zeit. die genossen wollten ihn erst nachts um elf. er schnurrte ein stückchen durch fensterwarm abendsonne mit mimi, der dicken, der schwarzweißen katze. er legte sich weg in die badewanne, lauwarm verloren auf löwenbeinen brandrot.
(3) nina war lieber noch nichts verloren, sie fuhr die piste mit pfiff. über trittau und mölln bis zachun sind das fünfviertelstunden. und wenn ahlers vom wald kommt und hat keine suppe, dann mault er. das will sie nicht. das leben soll schmecken, schön satt. nina war mehr für die praktischen dinger, von hier bis wladiwostok, das kriegen wir nach und nach alles noch hin, die partei ist auch nicht das gelbe vom ei, hat ja auch niemand gesagt, sind wir selber ja nicht, aber muss, oder was. schon ninas mutter war kommunistin gewesen, war gut, die frau, bloß lange schon kalt, mit eben erst vierzig, ein scheiß.
kau nicht laufende meter von haribo, lütten, die giften uns alle bald tot.
manchmal, wenn nina ihr kind ansah, und jetzt noch den kleine­ren roger, grad sechs, der name vom niedergemachten lamarque, sie nannten ihn aber bloß rocker, und sah doch auch felix, den sohn von juli, alles so blanke kinder, dann hatte sie plötzlich mehr angst als wut, die machen uns satt und die beine schlapp, und wollen doch lustiges leben laufen, los, mach schon, vorwärts, das geht, das muss.
friseuse war falsch gewesen, bloß alles sabbeln und haare krummdrehen. sie wollte es gradeaus. und auch mehr nah mit vielen kollegen. sie hatte auf umschulung rechnen und tippen und bisschen gesetze und psychotricksen gelernt, jetzt saß sie die woche, vorher morgens lina ins schulzentrum ratzeburg und rocker ins kinderhaus waisenhofstraße, im arbeitsamt lübeck. reichlich zu tun. am schlimmsten die ganz jungen peoples. an simulationsfirmen sollte sie die lancieren, damit niemand aus der übung kommt, niemand ans übel, sagt nina.
hier guck mal paul doktor c. martin, der wicht, das auto ist das, von dem alle leben, und ford boss lutz köln schiebt öffentlich nach, denken wir uns die autos weg, dann können wir uns gleich selbst wegdenken, so sollen wir ihnen nach, hetzt nina, ins auto, und zwar mit karacho, macht kracho. denk dir den ganzen quatsch doch mal weg. alle arbeitslos wären wir dann? unsre welt ist arbeit genug. wenn wir euch erstmal packen. aber immer noch packen sie uns, malochen wir fremd. der dreck, sagte nina, muss weg. und also einmal die woche für frieden in der schrumpfbude dkp. bloß manchmal jetzt rutscht ihr das weg wie alles altes papier, und der wind, der kommt aus den buden der macht, kommt immer noch nicht von uns, wir sitzen kalt, aber trotzdem, das muss, das muss weg, sonst brennt hier noch alles mal ab. o guck mal, ein richtiger dachs!
bloß leider schon totgefahren.
vor kehrsen der feldweg durch storchenwiese und wald war neulich erst breit geteert worden. hauptsache arbeit, egal, wohin. ein blödsinn.
von juli sprang alles das weg, sobald sie die wollebeine, den schwarzen galopp, die freude vom dorfköter richard sah, sie sagte, der wartet schon freitags auf uns, sie meinte, auf mich. als proff nicht geredet hatte, zu ihr nicht, zu niemand ein wort, nur manchmal ein kleiner zettel war zu ihr geflogen, aus liebe, aus mexikoweiß, wer weiß, als proff stumm pfleger gewesen war bei kranken im aka, als er oft noch spät nachts nicht kam, da lag sie jetzt lag sie allein, wollte, dass es ihm gut geht, denn so war ihr, so oft sie ihn ansah, zumute. wo ist proff. oft war er oben im haus aus glas bei einem toten noch sitzen geblieben, bei einer toten, verschworen. kam er zu juli nachhaus, weckte er sie. sie hörte den schrei des gelächters, hielt fest, proff flog schrill wie ein stein, nur noch teil von sich selbst, wohin.
richard wusste, wohin, der war wie aus schneewittchen , so weiß wie schnee seine zähne, so rot wie blut seine hechelzunge, und schwarz, so ebenholzschwarz gelockt und glänzig sein pelz, seine freiherrenjacke. noch nie hatte richard in ketten gelebt, das hast du bei hofhunden selten, bauer atzen war lange genug bei die russen gefangen gewesen, da lernst du für später, sogar was für hunde. die feldmark, der grenzwald, der acker im staub der erntemaschinen, die tümpel und schneesenken winters von jonny und karo, alle hündinnen auch und manchmal ein kleiner hase, schon krank, oder einfach mal fix ein fasanengelege, das alles war king richards ding. und bella, die tochter vom letzten mai, so schwarz wie ihr alter, bloß flott weiße beinchen an allen vier ecken, die fand richard schick. oft liefen die beiden, auch ohne juli, ein stückchen spazieren, so regelrecht hand in hand ja nun nicht, aber fliegendes ohr an fliegendem ohr, und abends klettig nachhaus. am wochenende sprang richard bei juli ins sofa, kuhstall bloß montag bis freitag, bei atzens war das in ordnung so, die wollten schon längst nicht mehr deutschen gehorsam, die hatten doch selber fast nichts mehr im stall, die großen fressen die kleinen, aber bloß keine lpg wie da drüben, lieber klein aber mein oder irgendwann nix, kaputt gehst du überall irgendwann doch, auch richard. juli vergaß den jäger nie ganz.
aber erstmal nun alle elf fenster auf, kleine bude, viel licht, alles bruch, frühsommernachmittag hell blaugrün, und eisenwasser in weiße eimer, für herd und händeschüssel und blumen, vom hof oben abgezapft in buhlemanns ferkelstall, quieken und trampeln und tag, tante else.
hier wirklich war juli zuhaus.
felix war gleich mit rüber mit lina, schlauchboot aufpumpen, paar handvoll kirschen geklaut gleich zack mit an bord, los, tauch mich doch mal durch die beine, lina fand felix schick dünn.
vom see flog schwer ein reiher mit fisch zu den buchen vor haken­dorf.
kraniche gabs nur im märz. und immer nur, wenn du glück hast, siehst du die tanzen. und ganz bestimmt, wenn du die tanzen siehst, hast du glück.
das haus hatte alte öfen. die fressen holz. frühjahr und sommer waren die zeiten für säge und axt. das war juli der liebste proff, weiten weg zusammen durch farben und stille, arbeit, einer dem anderen zur hand, manchmal die himbeerenhände, manchmal ein aststück, ein anschnitt, in dem ein gesicht auftaucht. da war, fand sie, proff bei sich selbst, kein doppelspringer, kein heimlicheliedersinger, nicht fern weg flüchtig besetzt gegen nah, kein wegläufer aus den einfachen sachen, sondern bei ihr als bei sich selbst. dachte juli. und sah ihn sich an.
sie hatten vom waldrandbaron, von ahlers, den tipp, wo holz eingeschlagen lag. dort lagen äste und knarzige reste, die keiner mehr haben wollte. die schleppten und sägten und sammelten juli und proff an schneisen hin, an matschige abfuhrwege, und irgendwann spannte dann buhlemanns willi john deere seine pferde an und kam da raus, solang zwischen ernte und letztem gift noch paar wochen friedlich frei sind. und warfen das holz auf den gummi­anhänger. und holperten heim.
einmal april, da war es plötzlich schon warm gewesen, dass die haut juckt und was alles drinsteckt, und duftet das wintergras schon nach weich grün, und zählt schon der weidenlaubsänger all deine tage, und stand die sonne gelb flach zwischen buchen und erlen, da hatten sie, nah hinterm bruchwald, auf nasser weide, die kraniche tanzen gesehen. die schwingen zu großen finsteren schirmen gespannt, sprangen die hähne, riesig versoffen gespreizt, steil weit hoch über die stillen liebsten, stellten federn auf, bliesen den treueschwur schmetternd mächtig aus sich heraus, die tolle liebe, jetzt oder nie, aber zärtlich, mit allerhand freundlichem nicken und zwicken.
als felix und lina und buhlemanns willi, frei ohne ende die nacht mal endlich bei scrabble und erdbeergesöff, die beiden spät abends zur küchentür reinkommen sahen, roch felix die lust seiner alten sofort und sagte zu juli, grins nicht so doof, wir gehn sowieso jetzt noch nicht ins bett, und was ihr macht, das ist uns egal.
ganz so stimmte das nicht. er hatte auch juli und proff schon elend kaputt gesehen, hatte gestarrt, nicht geweint, verstand nicht, um was, um wen. das waren ihm die schlimmsten tränen. nur steine im hals im herz. er will nie, dass juli weint. und wieso sagt der bengel juli. so heißt die doch überhaupt nicht.
juli hieß früher bei allen bloß jule, weil keiner mochte juliane sagen. aber felix, die ersten paar krabbeljahre tagaus tagein im alster­park, jule will jeden tag luft für den strolch und lust, die welt in der stadt ist für menschen zu eng, da hatte felix im mund von jule sehr oft das wort juli geschnappt, einfach weil er im juli geboren ist, der butt, und alle fragen, wie alt ist er denn, und jule sagt einfach, im juli drei, im juli zwei oder was, und drückt sich das lieblingskerlchen ans knie. das knie so rund wie das wort. und rief er seither mit wonne laut juli. und waren nun alle dabei geblieben. weil juli klingt wie gepfiffen.
heißt aber früher mal kopf ab und revolution, sagte proff, und alle vögel im nest, und alle segel gesetzt.
aber da ging das schon los.
so spruch von proff war juli zuwider, willst du ins nest oder kopf ab von wem oder weg in ein teureres boot. und als er, schon paar jahre her inzwischen, mal wieder die nacht unterwegs war, kurz klingelzeichen von 403, eins lang, zwei kurz, und raus aus der kiste, ich bin gleich zurück, sie wusste genau, das war keine frau, sie wollte nicht wissen, wer, dass er ohne sie losspringt, das reicht, und bringt ihr dann auch noch, auf Zettel gewischt auf englisch an den frühstückstisch morgens um sieben, ships in the harbour are save, but that is not what ships are built for, und lächelt stumm, stimmts? da widerte juli, du faselst dir wind, und hast kein einziges segel genäht, noch nie. wo wir sind, da gehn wir zu fuß. und das sind noch immer die meisten.
denn das wusste juli, proff war nicht gern allein.
küss mich
mach auf mensch
sie haben ponto geschossen
proff hatte niemanden ärgern wollen, nur die spannung sagen, in der er hier lebt. in der wir hier leben. sagt proff. denkt juli genau so. will sie aber nicht denken. sieht die lebendigen hände und beine von felix und lina und rocker und nina und ahlers und proff und proff. hasst seinen hass. und dass da mitten im hass geküsst wird, mitten im kuss gehasst, will sie nicht finden, entweder oder, soll er doch sehn, was er will. sie nicht.
auch da hatte felix erlebt, dass juli über proff weint.
bloß sagt das mal proff, wie das geht, ihr beiden, frei die gedanken durchs waldwasser tauchen, wenn von ponto die bank, mit geld hier vom volk, aus all unsrer Arbeit, woher denn sonst, amazonasindianer verbrennt, waffen gegen angola schiebt, schuldendruck macht gegen nova huta, lustig denn wie denn frei soll das gehen, wenn der angriff auf diese pest, wenn dieser schwierige erste aufstand im zentrum der kraken, jetzt hier in den städten, wenn der angriff auf die, die uns töten, eben jetzt in leichten sommerwochen erstickt werden soll in den knästen, unterm schlauch ihrer zwangsfütterei, verreckt oder sterbt euch uns zu. wie denn vergnügt. los, sag mir das, felix.
das ist nichts für kinder, sagt juli und meint, das ist nichts von proff, das ist legende, getue, was fremdes, woher. sie will aber alles genau von proff, eigenartig von ihm für ihn, alles das beste, wir selbst, und das jeden tag, auch wenn es schmerzt, und wer, sagt sie, mehr will, verschweigt, dass er lieber längst gar nichts mehr will, will, sagt sie, alles, weil nichts mehr geht, weil ihm nah nichts mehr geht, nur alles als tod, die niederlage als aufstand. eure freude aufs schießen, aufs töten, sagt sie, flucht sie, geht fremd.
wie fremd war ihr proff.
sie hatte damit gerechnet, dass proff heut vom sender bei tageslicht noch ins dorf kommt. sie wollten zusammen was hecken gegen den siebenschläfer oben im dachspeichermüll. der rappelte nachts in den alten klamotten, dass felix von schüssen und trommeln träumt, und schreit. das wollten sie nicht. aber nicht mit ner falle, rief felix. also ein langes kabel hochziehen für ne extra mal grelle lampe. wenn ihr die ein paar nächte brennen lasst, sagte atzen, dann schmeißt er die karten, die penner mögens nur finster.
jetzt waren draußen im schwachen mondlicht schon die sterne blass hoch überm nva-grenzwald. juli hockte sich unter der bettdecke auf und sah durch die äste der rose ins feld, in die bucklige wiese ums haus, da graste noch nah unterm fenster eine kuh, paar andre lagen im leisen schnaufen dort und dort unterm pflaumenbaum, im apfelwald. und kurz und sehr scharf, als sie fürs rauchen ein streichholz anriss, sah sie ihr eines auge offen, gespiegelt vom rissigen glas. vor der küche vorn in der speisekammer schlug eine mausefalle. auch felix hatte den schlag, das kleine pfeifen und schleifen danach, gehört. er kroch zu juli ins bett. morgen schlaf ich bei lina, ihr seid gemein. wieso denn ihr? ich bin doch allein. der kommt gleich, nun schlaf, sagte felix und legte auf sie den arm, hielt sich an juli fest.
(4) in der stunde der maus, kein deutlicher schrei, ins auge kein eisen nah gespannt, nur dein eigner schritt, der warme wind jetzt nachts noch um elf, da wäre proff gern ein käfer gewesen im lindenblattschaukeln, aber wir sind in der stadt, nicht leise im offnen land, beckstraße rüber nach thaden die gegend, wo glatze gegen uns ludert für FD7.
aber es war auch diesmal merkwürdig streng, nicht lustig. für proff wars jedes mal bisschen die traurigkeit, so wenig ein fest, so alles nur festigkeiten, was willst du tun, wann geht das los, wir brauchen morgen dies und das, ja morgen sofort oder was. und er hätte so gern mal gefeiert ein stückchen, einfach, dass sie jetzt da sind, einfach, dass er jetzt da ist, wo ist wo sind was weht mich was schleift mich was schreit.
wann fährst du nach tölz.
kann einer von uns da mit.
proff hatte von tölz nur so hingeredet. er redete leicht und gern von seiner nähe, zum, feind, er hatte dabei das gereizte gefühl, dem kampf der genossen verbunden zu sein. aber sie meinten nicht bindung, sie meinten bewegung, die eigene, wir, jetzt heut noch.
das ist ganz klar, sagte proff zu karst, du kannst ja mein assi sein, fahr mit. seine nasenflügel bewegten sich angespannt, hatten den blassen rand.
ihr seid übers wochenende im dorf, sagte die frau, kann ich die nacht bei euch pennen, kannst mir den schlüssel lassen. klar, sagte proff.
karst hatte im schlendrigen wuchs, im zarten gesicht eine große ähnlichkeit mit proffs ältestem sohn. proff löste die beiden schlüssel aus dem ring, briefkasten weißt du ja, kennt ihr eigentlich auch die marie, könnte ja sein, von früher. kennst du die gut, fragte die frau.
ich red mal mit ihr, sagte proff.
da lachte karst ihn an, zog ihn zu sich über das tischeck, oder heißest du etwa arganda.
oder sag ich zu dir alabanda.
dann gingen der mann und die frau. später ging proff. amsel drossel fink und star, so still war jetzt die stadt.
da stand die frau wieder neben ihm, hör noch mal eben, du kennst doch auch tapp.
den kenn ich.
dann redet genau übers boot.
was denn fürn boot.
das soll er dir selbst erklären. sag ihm, wir sagen jetzt ihr. weil ihr kriegt das klar, nicht wir. das boot ist nato. jeder greift an, wo er lebt. ihr hier.
ihr seid fast nur noch auf reisen. wie heißt du.
o warte, sagte sie grinsend, proff kannte das grinsen weither aus kindheit, kanonen und mozart, spott und schande, wer war denn das noch, der so lacht.
dann sagst du mal anna.
die könnte auch clown sein, oder von lühesand apfeltochter. aber die frau war schon fort, das geht schnell, nur eben auf seinem arm ihre hand.
hinterrücks nah die schlinge gleitend lautlos das gummi, das licht der bewacher, ihm konnten sie jetzt nichts mehr tun, die zwei aus der front waren spurlos weg, und er ins leben eingemischt wieder, schlachthof und plaza und ledermiezen, und türkische kinder noch nicht in den betten, und michis bunter radlerbalkon hoch über schanzenstraße, und gudruns eiscaféeinsamkeiten, und masten­messen und teppichtasche von antiatomischen autono­misten. niemand kann proff was tun. nichts tut proff. so hingeschwemmt blass ins bogengelichter unsrer gewöhnlichen Stadt, fand er sich nun wieder frei. was ist deine freiheit, proff? die freude von karst? oder alles dies hier? das zog ihn längst dünn und matt. mitten im sommer da fror ihn. er wollte hier weg, nachhaus nachhaus, auf den immer kleineren Straßen ins dorf, den schlafenden felix angucken, mit juli reden gegens verschweigen.
so rollte er raus aus der riesigen stadt in graues licht, kein schatten, kein roter sonnenblitz, alles nur leer und still, vor stapelfeld draußen, kaum zehn minuten vom stadtrand nach osten, stand schon ein reh im roggen, proff rollte gern so friedlich dahin, krumm eingesackt in den 2cv wie in alte warme pantoffeln, die autobahn war ihm geschissen, tempo ist mehr was für blöde, damit sie nichts merken, das häuschen am grenzwald läuft ihm nicht weg. aber vielleicht laufen paar gedanken, wenn er sich jetzt nicht die zeit nimmt. also tölz. also nicht mehr nur fernsehfilm.
und was wollte er von marie.
(5) warum hat er uns nach marie gefragt, sagte karst.
wo steckt denn die jetzt, fragte pauli.
die gruppe war wieder zusammen im block city-nord.
nur dass er mal mit ihr reden will.
was reden.
nur eben so angetippt.
der tippt und der flippt, ich kenn den typ, sagte blues, sie als einzige kannte rupert koch, genannt proff, aus der ersten zeit der bewaffneten kämpfe, dann war sie verhaftet worden, jetzt ist sie, nach acht jahren isolation, seit zehn monaten wieder frei. achte auf proff genau, sagte sie, der macht am liebsten nur alles allein, so weiß keiner, was er wirklich macht, fast nichts.
aber tölz ist von ihm, sagte karst.
das weißt du noch nicht, so macht er sein geld bei den sendern. achte drauf, was er will, tun will, sein reden ist müll.
überall lagen zettel. jeder hatte nah seine waffe. draußen rechts von der wohnungstür, in der unbeleuchteten küche, lag flügel am fenster.
marie ist sehr gut, sagte pauli.
aber hatte dann plötzlich angst, sagte blues.
gut, wer das rechtzeitig weiß, sagte anna.
besser, wenn sie das hinter sich hat, sagte blues, legte sich auf den boden, kopf an karst, angst hat jeder, ist dreck, ist gewalt, nicht unsre, muss weg, pass auf proff diesmal ganz genau auf, er soll nichts tun, was er nicht kapiert, der knochen entweder oder der pudding, aber er solls kapieren.
weit unten fuhr langsam blaulicht, flügel sah auf die uhr, in ihrem glas die bewacher, dem beifahrer hing der kopf nach hinten. sie ging zu den andren. die gleichen fressen wie gestern und montag, das kennzeichen auch, genau so die zeit wie sonst, zu zweit, der beifahrer pennt, sonst nichts.
flügel ging wieder zurück in die küche. die plötzlich von draußen geöffnete wohnungstür würde sie für sekunden verdecken. das sind die sekunden. wenn sie nicht sprengen.
pauli und feder legten sich weg in das andre zimmer, paar stunden später wollten sie los ins land, die bank für die berets checken. beim rausgehen sah pauli draußen die bleichen bürohausfassaden, die mietkastenwände aus plastik und stahl, keine gegend zum leben, aber zum kämpfen, nicht mal für hunde zum pissen, gut kaputt, sagte blues, ja scheiß, sagt pauli, wir, sagte feder und zog ihn vom fenster.
pauli war in der gruppe der kleinste, einseinundsechzig und dreißig jahre, arbeiterjunge aus bernstorffstraße, skateboardtänzer gewesen, hakenschlagen, der lange schwung, der sprung von kante zu kante, mit lust auf harte musik, früher mal hatten linke studenten ihn sich gesackt als musterproleten für hetzsound aus kleiner trompete, politband für flott mal die revolution, schön geil im bulli durchs land mit kanzki, und überall trampeln sie rot, saufen tot. das hatte er wütend durchschaut. das wollte er nicht. er wollte das ganze. den tod der knechte des todes. sich selbst. kein held. drum mochte er gern auch den zweiten satz, den er beim hikmet gelesen hatte, der hase flieht nicht, weil er sich fürchtet, er fürchtet sich, weil er flieht.
feder war gestern zwanzig, die jüngste. sie hätte am liebsten tierarzt studiert, hatte augen aus flachen feldern, bewegte sich leicht wie gefiedertes pferd, alles leder zerrissen.
und tapp kennt er auch, sagte anna zu blues.
ach tapp, sagte blues, haare auf scheitel gewichst wie früher mein alter auf bildern von der ss, aber dann lässt er uns stehen, hat schiss.
anna hockte sich zu ihr hin, he, hör mal, das stimmt doch so nicht, was denkste denn sowas nie richtig mal aus.
karst sagte, tapp ist genau, das ist schwer.
blues sagte, entweder oder.
anna schüttelte blues.
(6) proff schnurrte sein stückchen gedanken und straße und apfelbaumdörfer durch gen zachun, mühlrade hat er schon hinter sich, er fährt die hügel und hirschepiste durch nusse und lankau, aus einer dorfhütte fliegt ihm sein freund, als frühnebelstreifen fliegt roland über den weg aus dickicht in dickicht, aus denken ins träumen, aus reden ins schweigen ins eis. dann ein fasanenhahn, tapp.
tapp war ihm aus der kp-zeitder wichtigste mensch geblieben. und tapp hatte ihm das ding vertraut, irgendwann musst du genau auch mal reden, den kassensturz und das türkische kind, entweder oder, sagt blues. vor reichlich zehn jahren schon war das gewesen. damals kannte noch ahlers, der jetzt im zachuner wald sich wegwühlt, die ersten, die um die ecke weg waren in kämpfe und fahndung, in kiste und knast. und so kannte tapp, der mit ahlers schon immer blutsbruderherz und scheißarme seele gewesen war, die kämpfer, mal hier, mal da, auch.
waren ja erstmal für mich, sagte tapp, so reichlich was bisschen feinere peoples gewesen, und ich also alles mit denen gegen parteiauftrag, und geld braucht doch jeder mal, wo gehobelt wird, wollen wir auch kohle sehen, das war doch schon immer, wo du unten am boden bist, weil nämlich irgendwann musst du mal wissen, wies läuft, vier mann vier ecken, aber siehst du, so kann das kommen, wo war jetzt der vierte mann? der war nämlich ich, und sonst war da keiner, auch wenn ich nur eben den alten fiat hinterher rausjagen soll nach tonndorf, hat gefehlt, unser mann, unser tapp. ja, ich. aber musst du auch alles mal ehrlich bedenken, mein freund, ich schleich da auf punktzeit, alles korrekt getimet, alles gekämmt und fix abgesichert, war abgeredet der griff auf siebzehnuhrfünfzig an kasse freizeitmarkt jessenstraße, trödel ich so die ecke zeiss gaus, weißt ja bescheid, schön die sonne noch mal übers haar gejuckt, und hoch in die blauen sachen geguckt, sieht ja immer gut aus, so frühlingslüfte, aber denkst du dir so, aber guck dir das an, da sitzt so ein puppi, zwei jahre alt oder was, oben im fenster, und alles schlapp offen, so schrotthäuser für die türken, und alle auf arbeit, die alten, was solls, und unten paar fixe lümmel, so hassan und nazim und alibaba, und wippen vergessenes auto kaputt, und oben die kleine schaukelt den schnuller, zehn meter überm gepflaster, und quiekt, und wo is die mutter, klar ist die alles arbeit bis nachts, und acht minuten bis buffalo, ja siehst du, gedichte immer dabei, und die kernigen warten vor jessenstraße auf pünktlich die fuhre von tapp, und ich frag nochmal blitzartig bei mir nach, ob ich nun männchen bin oder was oder weibchen, und aber egal, proff, mal eben, ich sage dir, alles egal, mensch bleiben erstmal, sonst brauchst du auch keine bewaffnung, und auch keine scheine mehr, gar nichts, also geschenkt die scheine und fiat, ich zitter geschlängelt die treppe hoch, schieb sutsche die tür auf ganz leise, ein glück der türgriff kaputtgedreht, dass lütten mir bloß nicht bange wird, und dann so mit wattefüßchen, mein freund, wie früher mal bei meinem zeisig, als der die freiheit gesucht hat, richtig, die wollen wir alle haben, aber nicht dabei alles so kleine menschen raus aus den fenstern kippen, also ich so wie damals bei butsche, und schieter und butsche und schieter und hansi, bis ich den vogel gegriffen hatte, die lieblingsmaus, und aus der traum, und das fenster fest zu, und für asche haschen bei freizeitmarkt war das nun diesmal zu spät, aber doch nicht für leben, verstehst du, für leben doch nie, ist doch unsers und alles von allen, das haben die freunde auch bisschen gleich später alles ganz gut glatt durchgeschluckt, das sind nämlich welche mit allerhand ahnung, klar mit der knarre, das ist ja das dumme, aber was willst du machen, alles liebe und liberty, das mögen wir alle viel lieber leiden als die kleine kiste von vater staat, oder in celle, wie heißt er mal noch, larry, von nina der bruder, die jungs in den weißen löchern, und die frauen in marliring