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In KAMPF DER EHRE (Band 4 im Ring der Zauberei) ist Thor als abgehärteter Krieger von den Hundert zurückgekehrt und muss nun lernen, was es bedeutet, für seine Heimat in die Schlacht zu ziehen, auf Leben und Tod zu kämpfen. Die McClouds sind auf einem Raubzug tief in MacGil-Revier vorgedrungen—tiefer als je zuvor in der Geschichte des Rings—und während Thor in einen Hinterhalt reitet, wird es auf ihm lasten, den Angriff abzuwehren und Königshof zu retten. Godfrey ist von seinem Bruder mit einem äußerst seltenen und starken Gift vergiftet worden, und sein Schicksal liegt in Gwendolyns Händen, die alles in ihrer Macht tut, um ihren Bruder vor dem Tod zu retten. Gareth verfällt immer tiefer in einen Zustand von Verfolgungswahn und Unzufriedenheit, und er heuert seinen eigenen Stamm von Wilden als persönlichen Kampftrupp an. Er überlässt ihnen die Silberhalle—setzt so die Silbernen vor die Tür und schafft eine Kluft in Königshof, die in einen Bürgerkrieg auszubrechen droht. Er plant auch, Gwendolyn von den wilden Nevarunen holen zu lassen und sie ohne ihre Zustimmung in eine Ehe zu verkaufen. Thors Freundschaften verfestigen sich, während sie an neue Orte reisen, unerwarteten Ungeheuern entgegentreten und Seite an Seite in unvorstellbaren Schlachten kämpfen. Thor reist in sein Heimatdorf und, in einer epischen Konfrontation mit seinem Vater, erfährt ein großes Geheimnis über seine Vergangenheit, darüber, wer er ist, wer seine Mutter ist—und was sein Schicksal ist. Mit dem fortgeschrittensten Training, das er je von Argon erhalten hat, beginnt er, Kräfte anzuzapfen, von denen er nicht wusste, dass er über sie verfügte, und Tag für Tag mächtiger zu werden.
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Seitenzahl: 430
Veröffentlichungsjahr: 2014
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K A M P F D E R E H R E
(BAND #4 IM RING DER ZAUBEREI)
Morgan Rice
Über Morgan Rice
Morgan schrieb auch die Nr. 1 Bestseller Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die bisher aus zehn Bänden besteht und teilweise auch auf Deutsch erschienen ist. Die Serie beginnt mit QUESTE DER HELDEN (Band 1)!
Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller-Serie THE VAMPIRE JOURNALS, eine zehnteiligen Serie für Jugendliche, die bisher in sechs Sprachen übersetzt wurde und teilweise bereits auf Deutsch erhältlich ist.
Morgan Rice schrieb auch die Nr. 1 Bestseller ARENA ONE und ARENA TWO, den ersten beiden Titeln der post-apokalyptischen SURVIVAL Action-Thriller-Trilogie, die in der Zukunft angesiedelt ist.
Sämtliche Bücher von Morgan Rice werden demnächst in deutscher Sprache erhältlich sein.
Bitte besuchen Sie auch www.morganricebooks.com. Morgan freut sich auf Ihren Besuch.
Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rice
„Rice leistet gute Arbeit, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen, mit wunderbaren Beschreibungen, die über das reine Zeichnen des Hintergrundes hinausgehen....schön geschrieben und extrem schnell zu lesen.“
--Black Lagoon Reviews (über Turned - Verwandelt)
„Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice leistet gute Arbeit, eine interessante Wendung herauszuarbeiten...erfrischend und ungewöhnlich, mit allen klassischen Elementen, die in vielen Serien paranormaler Geschichten für Jugendliche zu finden sind. Die Serie dreht sich um ein Mädchen...ein außergewöhnliches Mädchen!...Einfach zu lesen, doch extrem rasant...empfehlenswert für alle, die gerne paranormale Soft-Romanzen lesen. Bedingt jugendfrei.“
--The Romance Reviews (über Turned - Verwandelt)
„Packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht locker... diese Geschichte ist ein fantastisches Abenteuer, von Beginn an rasant und actionreich. Es ist kein langweiliger Moment zu finden.“
--Paranormal Romance Guild {über Turned- Verwandelt}
„Vollgepackt mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Lasst es euch nicht entgehen, und verliebt euch ganz von Neuem.“
--vampirebooksite.com (über Turned - Verwandelt)
„Eine tolle Geschichte, und vor allem die Art von Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende war ein Cliffhanger, der so spektakulär war, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte, nur um herauszufinden, wie es weitergeht.“
--The Dallas Examiner {über Loved - Geliebt}
„Ein Buch, das TWILIGHT und VAMPIRE DIARIES Konkurrenz macht, und dazu führen wird, dass man bis zur letzten Seite nicht genug davon bekommt! Wer Abenteuer, Liebe und Vampire mag, liegt mit diesem Buch genau richtig!“
--Vampirebooksite.com (über Turned - Verwandelt)
„Morgan Rice erweist sich erneut als äußerst talentiert im Geschichtenerzählen...Dies wird eine große Bandbreite an Lesern ansprechen, darunter die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Das Ende ist ein unerwarteter Cliffhanger, der Sie schockieren wird.“
--The Romance Reviews (über Loved - Geliebt)
Bücher von Morgan Rice
auf Deutsch erschienen
DER RING DER ZAUBEREIQUESTE DER HELDEN (Band 1)
MARSCH DER KÖNIGE (Band 2)
FESTMAHL DER DRACHEN (Band 3)
schon bald auf Deutsch erhältlichA CLASH OF HONOR - KAMPF DER EHRE (Band 4)
A VOW OF GLORY - SCHWUR DES RUHMS (Band 5)A CHARGE OF VALOR - ANGRIFF DER TAPFERKEIT (Band 4)A RITE OF SWORDS - RITUS DER SCHWERTER (Band 7)
A GRANT OF ARMS - GEWÄHR DER WAFFEN (Band 8)A SKY OF SPELLS - HIMMEL DER ZAUBER (Band 9)A SEA OF SHIELDS - MEER DER SCHILDE (Band 10)
schon bald auf Deutsch erhältlich
THE SURVIVAL TRILOGYARENA ONE: SLAVERUNNERS (Band 1)ARENA TWO (Band 2)
auf Deutsch erschienen
THE VAMPIRE JOURNALS -
VERWANDELT (Band 1)
GELIEBT (Band 2)
schon bald auf Deutsch erhältlich
BETRAYED (Band 3)
DESTINED (Band 4)
DESIRED (Band 5)BETROTHED (Band 6)
VOWED (Band 7)
FOUND (Band 8)
RESURRECTED (Band 9)CRAVED (Band 10)
Hören Sie sich die RING DER ZAUBEREI-Serie im Hörbuch-Format an!
Jetzt erhältlich auf:
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INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FUENF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWOELF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FUENFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FUENFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FUENFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
“Fürchte dich nicht vor Größe.
Manche werden mitGröße geboren,
manche erreichen Größeund
manchen fliegt die Größe einfach nurzu.”
—William ShakespeareWas Ihr wollt
Luanda stürmte quer über das Schlachtfeld. Nur knapp entging Sie einem galoppierenden Pferd, als sie sich ihren Weg zur der kleinen Behausung bahnte, in der sich König McCloud aufhielt. Zitternd umklammerte sie den kalten eisernen Speer als sie die staubige Ebene der Stadt überquerte. Die Stadt die sie einst gekannt hatte. Die Stadt ihres Volkes.
All diese Monate hatte sie mitansehen müssen, wie sie dahingeschlachtet wurden – und sie hatte genug. Etwas in ihr war zerbrochen. Selbst wenn sie es mit McCloud's ganzer Armee aufnehmen müsste - es kümmerte sie nicht mehr. Sie würde alles geben, um ihn aufzuhalten.
Luanda wusste, dass das was sie im Begriff war zu tun, verrückt war, dass sie ihr Leben riskierte, und dass McCloud sie wahrscheinlich töten würde. Doch sie verscheuchte diesen Gedanken aus ihrem Kopf und rannte. Es war an der Zeit, das Richtige zu tun – ganz egal zu welchem Preis.
Auf der anderen Seite des Schlachtfeldes, inmitten von Soldaten, konnte sie McCloud in der Ferne sehen. Er zerrte ein schreiendes Mädchen in eine verlassene Lehmhütte. Er schlug die Tür so fest hinter sich zu, dass sich eine Staubwolke erhob.
“Luanda!” hörte sie jemanden schreien.
Sie drehte sich um und sah wie Bronson ihr in knapp hundert Metern Entfernung hinterherjagte. Sein Vorankommen wurde erschwert durch einen nicht enden wollenden Strom von Pferden und Soldaten, die ihn mehrfach zum Anhalten zwangen. Jetzt war ihre Chance. Wenn Bronson sie einholen würde, würde er sie von ihrem Plan abhalten.
Luanda rannte schneller und hielt ihren Speer dabei fest umklammert. Sie versuchte nicht daran zu denken, wie verrückt das alles war, wie gering ihre Chancen eigentlich waren. Wenn ganze Armeen nicht in der Lage waren McCloud aufzuhalten, wenn seine eignen Generäle, ja sogar sein eigener Sohn vor ihm zitterten, welche Chance sollte sie dann haben?
Mehr noch, Luanda hatte noch nie zuvor einen Mann getötet, noch viel weniger einen von McCloud’s Statur. Würde sie vor Angst erstarren, wenn die Zeit gekommen ist? Würde sie sich wirklich an ihn heranschleichen können? War er so unverwundbar, wie Bronson sie gewarnt hatte?
Luanda fühlte, dass Sie eine Rolle spielte im Blutvergießen dieser Armee, im Verderben ihres eigenen Landes. Rückblickend bedauerte Sie, dass sie sich jemals bereit erklärt hatte, einen McCloud zu heiraten – trotz ihrer Liebe zu Bronson. Die McClouds waren ein wildes Volk jenseits jeglicher Hoffnung auf Besserung. Das hatte sie gelernt.
Sie erkannte jetzt, dass die MacGils Glück hatten, dass das Hochland sie von ihnen trennte, und dass sie auf ihrer Seite des Rings geblieben waren. Sie war naiv gewesen, dumm anzunehmen, dass die McClouds gar nicht so schlecht sein konnten wie man sie es als Heranwachsende gelehrt hatte. Sie hatte geglaubt, sie ändern zu können, dass die Chance eine Prinzessin und eines Tages Königin der McClouds zu sein es Wert war – welche Gefahr auch immer darin lag.
Doch jetzt wusste Sie, dass sie sich geirrt hatte. Sie würde alles geben – ihren Titel, ihren Reichtum, ihren Ruhm, einfach alles – um die Zeit zurückzudrehen, um die McClouds niemals zu treffen, um zurück bei ihrer Familie und in Sicherheit zu sein. Auf ihrer Seite des Rings. Sie war wütend auf ihren Vater, weil er diese Ehe arrangiert hatte; sie war jung und naiv gewesen, aber er hätte es besser wissen müssen. War die Politik ihm so wichtig, dass er bereit war, seine eigene Tochter opfern? Sie war wütend auf ihn, weil er gestorben war und sie mit all dem alleine gelassen hatte.
Luanda hatte in diesen letzten Monaten auf die harte Tour gelernt, sich auf sich selbst zu verlassen. Und nun war ihre Gelegenheit gekommen, die Dinge richtigzustellen.
Sie zitterte, als sie bei der kleinen Lehmhütte mit der schweren dunklen Eichenholztür ankam. Sie drehte sich um und schaute in alle Richtungen. Sie rechnete damit, dass McCloud's Männer jetzt auf sie zustürzen würden. Doch sehr zu ihrer Erleichterung waren sie alle viel zu sehr damit beschäftigt, alles zu verwüsten und kurz und klein zu schlagen, um sie zu bemerken.
Sie hob den Arm, den Speer in der einen Hand, und griff mit der anderen nach dem Türknauf. Sie drehte ihn so vorsichtig wie sie nur konnte und betete, dass sie McCloud nicht warnen würde.
Sie trat ein. Es war dunkel in der Lehmhütte. Da sie aus dem grellen Sonnenlicht der weißen Stadt kam, mussten sich ihre Augen erst langsam an die Dunkelheit gewöhnen. Es war auch kühler. Und als sie über die Schwelle des kleinen Hauses trat, war das erste, was sie hörte das Jammern und die Schreie des Mädchens.
Als sich ihre Augen besser an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie sich um und sah McCloud. Nackt von der Hüfte abwärts, auf dem Boden, während das unbekleidete Mädchen unter ihm versuchte, sich zu wehren. Sie weinte und schrie mit weit aufgerissenen Augen als McCloud nach oben griff und ihr den Mund mit seiner fleischigen Hand zuhielt.
Luanda konnte kaum glauben, dass das hier real war. Dass sie es wirklich tun würde. Sie machte einen zaghaften Schritt nach vorne. Ihre Hände zitterten, ihre Knie waren schwach und sie betete, dass sie die Kraft haben würde Ihren Plan umzusetzen. Sie umklammerte den eisernen Speer als wäre er ihre Lebensader.
Bitte Gott, lass mich diesen Mann töten!
Sie hörte McCloud grunzen und stöhnen wie ein wildes Tier, das sich satt gefressen hatte. Er war unerbittlich. Die Schreie des Mädchens schienen jede seiner Bewegungen nur zu verstärken.
Luanda machte einen weiteren Schritt, dann noch einen, und war ganz nah. Sie schaute auf McCloud herab, studierte seinen Körper, überlegte wo sie am besten zuschlagen sollte. Zum Glücke hatte er sein Kettenhemd abgelegt und trug nur ein dünnes wollenes Hemd, das jetzt schweißnass war. Sie konnte ihn von hier riechen, und wich zurück.
Seine Rüstung abzulegen war unvorsichtig gewesen, und Luanda entschied, dass dies sein letzter Fehler gewesen sein sollte. Sie würde den Speer mit beiden Händen hochheben und in seinen Rücken rammen.
Als McClouds Stöhnen seinen Höhepunkt erreichte, hob Luanda den Speer. Sie dachte daran, wie sich ihr Leben verändern würde nach diesem Augenblick. Wie, in nur wenigen Sekunden nichts mehr so sein würde wie zuvor. Das Königreich der McClouds würde vom Tyrannen befreit und dem Volk weitere Zerstörung erspart. Ihr neuer Ehemann würde sich erheben und seinen Platz einnehmen, und endlich würde alles gut werden.
Luanda stand da, starr vor Angst. Sie zitterte. Wenn sie jetzt nicht handeln würde, würde sie es niemals tun.
Sie hielt ihren Atem, machte einen letzten Schritt nach vorn, hielt den Speer mit beiden Händen hoch über ihren Kopf und ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht auf die Knie fallen, das Eisen mit aller Kraft nach unten rammend um es ihm in den Rücken zu stoßen.
Doch dann passierte etwas, das Luanda nicht erwartet hatte. Sie sah alles wie durch einen Nebel und es geschah viel zu schnell, als dass sie hätte reagieren können: In letzter Sekunde rollte McCloud aus dem Weg. Für einen Mann seiner Größe war er viel schneller als sie erwartet hatte. Er rollte zu Seite und ließ das Mädchen unter ihm ungeschützt. Es war zu spät. Luanda konnte nicht stoppen. Der eiserne Speer bohrte sich durch die Brust des Mädchens.
Das Mädchen bäumte sich kreischend auf, und Luanda fühlte schmerzlich, wie sich die Spitze in ihr Fleisch bohrte, Zentimeter um Zentimeter, bis zu ihrem Herzen. Blut sprudelte aus ihrem Mund und sie blickte Luanda an. Geschockt. Verraten. Schließlich sank sie zurück auf den Boden. Das Mädchen war tot.
Luanda kniete betäubt und traumatisiert da. Sie konnte nicht fassen, was gerade geschehen war. Noch bevor sie alles verarbeiten konnte, bevor sie überhaupt realisieren konnte, dass McCloud unverletzt war, spürte sie einen brennenden Schlag auf die Seite ihres Gesichts und fiel zu Boden.
Als sie durch die Luft flog, wurde sie sich schwach dessen bewusst, dass McCloud ihr gerade einen schweren Schlag versetzt hatte. Er hatte tatsächlich jede ihrer Bewegungen seit sie den Raum betreten hatte zuvor erahnt. Er hatte so getan, als hätte er nichts bemerkt. Er hatte auf seinen Augenblick gewartet. Die perfekte Gelegenheit nicht nur auszuweisen, sondern sie auch noch das arme Mädchen töten zu lassen, um ihr die Last der Schuld aufzubürden.
Gwendolyn rannte die sich windenden Seitenstraßen der schlimmsten Gegend von King’s Court hinunter. Tränen liefen über ihre Wangen während sie vom Schloss wegrannte, und versuchte so weit von Gareth wegzukommen, wie sie konnte. Ihr Herz raste seit ihrer Auseinandersatzung, seit sie Firth hängen sah, seit sie Gareths Drohungen gehört hatte.
Sie versuchte verzweifelt, die Wahrheit unter seinen Lügen zu entwirren. Aber in Gareths krankem Geist waren Wahrheit und Lüge miteinander eng verzwirnt, und es war so schwer herauszufinden, was die Wahrheit war. Hatte er versucht sie zu erschrecken? Oder war alles, was er gesagt hatte wahr?
Gwendolyn hatte Firth’s Körper mit eigenen Augen baumeln gesehen, und das sagt ihr, dass dieses Mal vielleicht alles den Tatsachen entsprach. Vielleicht war Godfrey tatsächlich vergiftet worden, vielleicht war sie ja tatsächlich in eine Ehe mit den wilden Nevaruns verkauft worden; und vielleicht ritt Thor gerade in einen Hinterhalt. Der Gedanke daran ließ sie erschauern.
Sie fühlte sich hilflos als sie rannte. Sie musste es richtig stellen. Sie konnte nicht den ganzen Weg zu Thor laufen, aber sie konnte zu Godfrey laufen und sich vergewissern, ob er vergiftet worden oder noch am Leben war.
Gwendolyn rannte tiefer in den heruntergekommenen Teil der Stadt, überrascht darüber, sich innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal hier zu finden, in diesem widerlichen Teil von King’s Court – wobei sie doch geschworen hatte, nie wieder hierhin zurückzukehren. Wenn Godfrey wirklich vergiftet worden war, musste es in der Bierstube passiert sein.
Wo auch sonst? Sie war wütend auf ihn, weil er zurückgekehrt war. Dafür, dass er seine Vorsicht hatte fallen lassen, und so leichtsinnig war. Doch am allermeisten sorgte sie sich um ihn. Sie erkannte, wie sehr sie ihren Bruder in den letzten Tagen lieb gewonnen hatte, und der Gedanke, auch ihn zu verlieren – besonders nachdem sie ohnehin schon ihren Vater verloren hatte – brannte auf ihrer Seele. Sie fühlte sich auch in gewisser Weise verantwortlich.
Sie fühlte echte Furcht, als sie durch diese Straßen lief. Nicht wegen der Trunkenbolde und Schurken um sie herum. Sie fürchtete sich vor ihrem Bruder, Gareth. Er hatte sich bei ihrem letzten Zusammentreffen dämonisch verhalten. Sie konnte sein Gesicht nicht aus ihren Gedanken verdrängen. Diese Augen. So schwarz und seelenlos. Er sah aus wie besessen.
Und dass er auf dem Thron ihres Vaters gesessen hatte, ließ das Bild noch unwirklicher erscheinen. Sie fürchtete seine Vergeltung. Vielleicht plante er wirklich, sie zu verheiraten, etwas was sie niemals zulassen würde. Oder vielleicht wollte er sie nur verunsichern, und was er wirklich plante, war sie zu ermorden.
Gwen sah sich um. Und während sie lief, erschien ihr jedes Gesicht feindselig und fremd. Jeder stellte eine mögliche Gefahr dar, von Gareth geschickt, sie umzubringen. Sie wurde paranoid.
Sie bog um die Ecke und stieß mit einem betrunkenen alten Mann zusammen – was sie taumeln ließ und sie stolperte und musste unwillkürlich aufschreien. Sie war unglaublich nervös. Sie brauchte einen Moment um zu realisieren, dass es nur ein unachtsamer alter Mann war, und nicht einer von Gareths Schergen. Sie drehte sich kurz um und sah wie er, ohne auch nur den geringsten Gedanken an eine Entschuldigung zu verschwenden, weiterstolperte. Die Würdelosigkeit dieses Teils der Stadt war mehr, als sie ertragen konnte.
Ginge es nicht um Godfrey, würde sie nicht einmal in die Nähe kommen. Und sie hasste ihn dafür, dass er sie dazu erniedrigte hierher zu kommen. Warum konnte er sich einfach nicht von diesen Wirtshäusern fernhalten?
Gwen lief um eine weitere Biegung und da war sie: Godfrey’s Stamm-Taverne. Ein trauriger Abklatsch von einer Gastwirtschaft. Mit schräger, halboffener Tür, durch die die Betrunkenen heraustorkeln, wie sie es immer taten.
Sie verschwendete keine Zeit und trat ein.
Es dauerte einen Augenblick bis sich ihre Augen an das Dämmerlicht der Taverne gewöhnt hatten. Es stank nach abgestandenem Bier und Schweiß, und als sie eintrat, wurde es plötzlich still. Die Augen von zwei Dutzend Männern richteten sich überrascht auf sie.
Da war sie, ein Mitglied der königlichen Familie, prachtvoll gekleidet und stürmte in einen Raum, der wahrscheinlich seit Jahren keinen Besen gesehen hatte. Sie marschierte auf einen großen Mann mit dickem Bauch zu, den sie als Akorth kannte. Er war einer von Godfrey’s Zechkumpanen.
„Wo ist mein Bruder?“, wollte sie wissen.
Doch Akorth, für gewöhnlich bester Stimmung und jederzeit für einen geschmacklosen Witz gut, überraschte sie. Er schüttelte nur kaum merklich den Kopf.
„Es sieht nicht gut aus, Mylady.“, sagte er grimmig.
„Was meinst du damit?“, beharrte sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
„Er muss ein schlechtes Bier gehabt haben.“, erklärte ein großer, hagerer Mann, den sie unter dem Namen Fulton kannte – ein weiterer Gefährte von Godfrey. „Er ist spät gestern Nacht schlafen gegangen und seither nicht aufgestanden.“
„Ist er am Leben?“, fragte sie voller Panik und ergriff Akorth’s Handgelenk.
„Kaum.“, antwortete dieser und senkte den Blick. „Er hatte eine raue Nacht. Er hat vor etwa einer Stunde aufgehört zu sprechen.“
„Wo ist er?”, beharrte sie.
„Da hinten, meine Kleine.“, sagte der Wirt, und lehnte sich über den Tresen mit einem grimmigen Grinsen auf dem Gesicht. „Hoffentlich nimmst du ihn mit. Ich habe keine Lust, eine Bierleiche in meinem Etablissement herumliegen zu haben.“
Gwen, überwältigt von seiner Dreistigkeit, derart mit ihr zu reden, beugte sich vor, zückte einen kleinen Dolch und hielt die Spitze an den Hals des Wirts.
Er schluckte und schaute sie schockiert an, als sich eine tödliche Stille in der Taverne ausbreitete.
„Zunächst einmal“, zischte sie. „ist dies hier kein Etablissement, sondern der traurige Abklatsch einer Kneipe. Eine, die ich von der königlichen Garde dem Erdboden gleich machen lassen werde, solltest du es noch einmal wagen, derart mit mir zu sprechen. Du darfst mich künftig mit Mylady ansprechen.“
Gwen war außer sich, und selbst überrascht vom Gefühl der Stärke, das sie plötzlich überkam. Sie hatte keine Ahnung, woher es kam.
Der Wirt schluckte.
„Mylady.“ wiederholte er.
Gwen hielt den Dolch still.
„Und Zweitens wird mein Bruder nicht sterben. Und schon gar nicht an einem Ort wie diesem. Selbst sein Leichnam würde dieser Spelunke mehr Ehre erweisen, als jede lebende Seele die jemals hier eingekehrt ist. Doch sollte er sterben, sei versichert, dass du die Folgen tragen wirst.“
„Aber ich habe doch nichts falsch gemacht, Mylady!”, bettelte er. „Es hat das gleiche Bier getrunken, wie alle anderen auch!”
„Jemand muss es vergiftet haben", fügte Akorth hinzu.
„Es könnte jeder gewesen sein", sagte Fulton.
Gwen senkte langsam ihren Dolch.
„Bring mich zu ihm. Sofort!", befahl sie.
Der Wirt senkte demütig seinen Kopf, drehte sich um, und eilte durch eine Seitentür hinter der Theke. Gwen folgte ihm auf den Fersen, und Fulton und Akorth begleiteten sie.
Gwen betrat das kleine Hinterzimmer der Taverne und hörte sie sich selbst nach Luft schnappen, als sie ihren Bruder Godfrey auf dem Rücken liegend am Boden sah. Er war blasser, als sie ihn je zuvor gesehen hatte. Er sah aus als wäre er dem Tod näher als dem Leben.
Es war alles wahr.
Gwen eilte an seine Seite, ergriff seine Hand und spürte, wie kalt und feucht sie war. Er reagierte nicht. Sein Kopf lag auf dem Boden, er war unrasiert und strähniges Haar klebte an seiner Stirn. Doch sie konnten seinen Puls fühlen. Wenn auch nur schwach, aber er hatte noch einen Puls. Sie sah auch wie sich sein Brustkorb mit jedem Atemzug hob. Er war am Leben.
Sie spürte eine plötzliche Wut in sich aufsteigen.
„Wie konntest du ihn nur so hier liegen lassen?", schrie sie den Wirt an. "Mein Bruder, ein Mitglied der königlichen Familie, auf dem Boden liegend zum sterben allein gelassen wie ein Hund?“
Der Wirt schluckte und blickte sich nervös um.
„Was hätte ich sonst tun sollen, Mylady?“, fragte er und klang unsicher. „Das ist kein Spital. Jeder sagte, er sei so gut wie tot und – „
„Er ist nicht tot“, schrie sie. „Und ihr zwei“, fauchte sie und wandte sich Akorth und Fulton zu, „welche Art von Freunden seid ihr? Hätte er euch so im Stich gelassen?“
Akorth und Fulton und tauschten einen bestürzten Blick aus.
„Vergebt mir“, sagte Akorth. „Der Arzt kam letzte Nacht und hat ihn sich angesehen. Er sagte, dass er sterben würde – und dass es nur eine Frage der Zeit sei. Ich dachte nicht, dass wir irgendetwas hätten tun können.“
„Wir sind fast die ganze Nacht bei ihm geblieben, Mylady.“, fügte Fulton hinzu. „Wir haben nur gerade eine kurze Pause gemacht, um unseren Kummer mit einem Bier herunterzuspülen, dann kamt Ihr und – „
Wütend schlug sie den beiden die Humpen aus der Hand. Sie zerbrachen und Bier floss über den Boden. Sie blickten sie schockiert an.
„Du greif seine Arme, du seine Füße.“, befahl sie kalt, während sie erneut ein Gefühl der Stärke in sich aufsteigen fühlte. „Ihr werdet ihn von hier weg tragen. Ihr werdet mir durch King’s Court zur Heilerin folgen. Mein Bruder wird eine Chance bekommen, wieder gesund zu werden. Ich werde ihn nicht dem Tod überlassen, nur weil ein dümmlicher Scharlatan das behauptet.“
“Und du!”, fügte sie hinzu und wandte sich an den Wirt. „Sollte mein Bruder das hier überleben – sollte er jemals an diesen Ort zurückkehren, und du ihm auch nur eines Bier servieren, dann werde ich dafür sorgen, dass du in den Kerker geworden wirst, und niemals wieder auch nur einen Fuß nach draußen setzten wirst!“
Der Wirt wand sich auf der Stelle und senkte den Kopf.
„Und nun bewegt euch!“, schrie sie.
Akorth und Fulton zuckten zusammen und taten wie ihnen geheißen wurde. Gwen eilte aus dem Zimmer und hinaus aus der Taverne ans Tageslicht, dicht gefolgt von den beiden Männern, die ihren Bruder trugen.
Thor galoppierte über das staubige Gelände der äußeren Bereiche von King’s Court, Reece, O’Connor, Elden und die Zwillinge an seiner Seite. Krohn, Kendrick, Kolk, Brom und Truppen der Legion und der Silver ritten ebenfalls mit ihm. Eine große Armee, die bereit war, sich den McClouds entgegenzustellen. Sie ritten zusammen, bereit die Stadt zu verteidigen. Der Klang der Hufe war ohrenbetäubend – wie das Grollen des Donners.
Sie waren den ganzen Tag schon geritten, und die zweite Sonne stand bereits lange am Himmel. Thor konnte kaum glauben, dass er mit diesen großen Kriegern seiner ersten großen militärischen Mission entgegen ritt. Er spürte, dass sie ihn als einen der ihren akzeptiert hatten.
Tatsächlich waren alle Einheiten der Reserve zum Dienst gerufen worden, und seine Waffenbrüder ritten neben ihm. Die Zahl der Mitglieder der Legion wurden von den tausenden von Soldaten der Armee des Königs in den Schatten gestellt, doch Thor fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben als Teil von etwas, das weit grösser war, als er selbst.
Thor spürte ein Gefühl des Zielbewusstseins, das ihn antrieb. Er fühlte sich gebraucht. Seine Landsleute wurden von den McClouds belagert, und es fiel seiner Armee zu, sie zu befreien, sein Volk vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Die Bedeutung von dem, was sie im Begriff waren zu tun, lastete schwer auf seinen Schultern – doch er fühlte sich lebendig wie nie zuvor.
Thor fühlte sich sicher in Gegenwart all dieser Männer, doch er konnte sich eines Gefühls der Angst nicht entledigen: dies war eine Armee echter Männer, doch das hieß auch, dass sie sich echten Männern im Kampf stellen würden. Echten, abgehärteten Kriegern. Dieses Mal ging es um Leben und Tod, und es stand mehr auf dem Spiel als jemals zuvor. Während er ritt, griff er instinktiv nach seiner alten und vertrauten Schleuder und dem neuen Schwert. Das beruhigte ihn.
Er fragte sich, ob es am Ende dieses Tages mit Blut befleckt sein würde. Oder ob er vielleicht selbst verletzt sein würde.
Als sie um eine Biegung ritten, und am Horizont zum ersten Mal die belagerte Stadt in den Blick kam, stießen die Männer plötzlich einen lauten Schrei aus, lauter noch als das Schlagen der Hufe der Pferde. Schwarzer Rauch stieg in dichten Wolken von der Stadt auf, und die Armee der MacGils gab den Pferden die Sporen, damit sie sie noch schneller zur Stadt trugen. Auch Thor gab seinem Pferd die Sporen und versuchte mit den anderen mitzuhalten, während alle ihre Schwerter zogen und mit erhobenen Waffen und tödlicher Absicht auf die Stadt zuritten.
Die Gewaltige Armee teilte sich in kleinere Gruppen auf, und in Thors Gruppe ritten zehn Soldaten. Angehörige der Legion und seine Freunde, und einige Jungen, die er nicht kannte. An ihrer Spitze ritt ein hochrangiger Offizier der Armee des Königs, ein Soldat den die anderen Forg nannten. Ein großer, drahtiger Mann von schlanker Statur, mit pockennarbiger Haut, kurzen, grauen Haaren und dunklen Augen, die in tiefen Höhlen lagen. Die einzelnen Gruppen schwärmten nun in alle Richtungen aus.
„Ihr da, folgt mir!“, befahl er, und bedeutete mit seinem Stab Thor und den anderen ihm zu folgen.
Thors Gruppe folgte dem Befehl und ritt Forg hinterher. Sie entfernten sich von der Masse der Armee und folgten ihm. Thor blickte zurück und bemerkte, dass sich seine Gruppe weiter von den Anderen entfernt hatte, als die übrigen Gruppen, und gerade als sich Thor fragte, wo Forg sie hinführen würde, rief dieser:
„Wir werden eine Position an der Flanke der McClouds einnehmen!“
Thor und die anderen wechselten nervöse und aufgeregte Blicke, während sie sich weiter aus der Sichtweite der übrigen Armee entfernten.
Bald schon erreichten sie neues Terrain und verloren die Stadt völlig aus den Augen. Thor war auf der Hut, doch es gab nirgends ein Zeichen von McClouds Armee. Schließlich hielt Forg sein Pferd in einem kleinen Hain im Schatten eines kleinen Hügels an. Die anderen blieben dicht hinter ihm stehen.
Thor und seine Freunde blickten Forg an und fragten sich, warum er angehalten hatte.
„Diesen Hügel hier zu halten ist unsere Mission.“, erklärte Forg. „Ihr seid alle noch junge Krieger, und wir wollen euch die Hitze des Gefechts ersparen. Ihr werdet diese Position hier halten, während der Hauptteil unserer Armee die Stadt durchkämmt und McClouds Armee konfrontiert. Es ist unwahrscheinlich, dass McClouds Krieger hierher kommen, und ihr werdet hier weitestgehend sicher sein. Nehmt eure Positionen um den Hügel ein und bleibt hier, bis ihr neue Befehle erhaltet. Bewegt euch!“
Forg gab seinem Pferd die Sporen und stürmte den Hügel hinauf; Thor und die anderen taten es ihm nach. Die kleine Gruppe ritt über die staubige Ebene und hinterließ eine Wolke. Thor konnte niemanden ausmachen, soweit sein Auge reichte. Er war zutiefst enttäuscht, dass er nicht an der Schlacht teilnehmen sollte. Warum nur wurden sie so geschützt?
Je weiter sie ritten, desto Stärker wurde Thors Gefühl des Unbehagens. Er konnte es nicht einordnen, doch sein sechster Sinn sagte ihm, dass etwas nicht stimmte.
Als sie sich der Spitze des Hügels näherten, auf dem ein kleiner alter Wachturm stand, ein kleines Türmchen, das aussah als hätte man es schon vor langer Zeit aufgegeben, befahl im seine innere Stimme sich umzudrehen. Als er es tat, sah er Forg.
Thor war überrascht zu sehen, dass Forg allmählich hinter die Gruppe zurückgefallen war, und immer mehr Abstand zwischen sich und der Gruppe ließ. Und während Thor ihn beobachtete, drehte Forg sein Pferd herum, gab ihm ohne Vorwarnung die Sporen und ritt in entgegengesetzte Richtung davon.
Thor verstand nicht, was geschah. Warum hatte Forg sie so plötzlich verlassen?
Neben ihm winselte Krohn.
Gerade als Thor anfing zu verarbeiten, was geschah, erreichten Sie die Spitze des Hügels und den alten Wachturm, in der Erwartung, nichts als Ödland vor sich zu sehen. Doch die kleine Gruppe brachte ihre Pferde zu einem abrupten Halt. Sie saßen da, starr vor Schreck angesichts dessen, was sich vor ihnen auftat.
Dort vor ihnen wartete die gesamte Armee der McClouds.
Gwendolyn eilte durch die verwinkelten Gassen von King’s Court. Akorth und Fulton trugen Godfrey hinter ihr her, während sie sich einen Weg durch das gemeine Volk bahnte. Sie war fest entschlossen, die Heilerin so schnell wie nur irgendwie möglich zu erreichen.
Godfrey durfte nicht sterben. Nicht nach allem was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Und schon gar nicht so! Sie konnte Gareths selbstzufriedenes Grinsen fast vor sich sehen, wenn er die Nachricht von Godfreys Tod erhalten würde. Sie war fest entschlossen, den Ausgang dieser Geschichte zu ändern. Sie wünschte nur, dass sie ihn früher gefunden hätte.
Als Gwen um die Ecke bog, und quer über den Hauptplatz lief, wurden die Menschenmassen besonders dicht. Sie blickte auf und sah Firth, wie er noch immer am Galgen hing, die Schlinge um seinen Hals, damit das gemeine Volk etwas zu gaffen hatte. Instinktiv wandte sie den Blick ab. Es war ein grauenvoller Anblick. Eine Erinnerung an die Bosheit ihres Bruders. Sie hatte das Gefühl, ihm nicht entkommen zu können, egal wohin sie sich wandte.
Es war seltsam zu denken, dass sie erst gestern mit Firth gesprochen hatte – und nun hing er dort. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie vom Tod umringt war – und dass er auch sie holen würde.
So sehr sich Gwen auch abwenden und einen anderen Weg wählen wollte, wusste sie doch, dass der Weg quer über den Platz der kürzeste war. Und sie würde vor ihren Ängsten nicht klein beigeben! Sie zwang sich direkt am Galgen vorbeilaufen, direkt vorbei an Firth’ totem Körper. Als sie vorbeilaufen wollte, war sie überrascht, als sich der königliche Scharfrichter in seiner schwarzen Robe vor ihr aufbaute.
Zuerst dachte sie, dass er nun auch sie töten würde – bis er sich vor ihr verneigte.
„Mylady“, sagte er bescheiden, und senkte den Kopf in Ehrerbietung. „Es gibt noch keinen königlichen Befehl, was mit dem Leichnam geschehen soll. Ich habe noch keine Weisung erhalten, ob er ein ordentliches Begräbnis erhalten, oder ich ihn in ein Massengrab werfen soll.“
Gwen hielt inne, ärgerlich darüber, dass diese Entscheidung ihr aufgebürdet werden sollte; Akorth und Fulton blieben neben ihr stehen. Sie blickte nach oben, blinzelte der Sonne entgegen, und schaute zu Firth‘ Körper, den nur wenige Meter neben ihr vom Galgen hing.
Sie war im Begriff weiterzulaufen und den Scharfrichter zu ignorieren, als ihr etwas einfiel. Sie wollte Gerechtigkeit für ihren Vater.
“Wirf ihn in ein Massengrab.”, sagte sie. „Nicht markiert. Und gebt ihm keine Bestattungsriten. Ich will, dass sein Name von den Annalen der Geschichte vergessen wird.“
Er neigte seinen Kopf in Anerkennung, und sie spürte ein leises Gefühl der Bestätigung. Immerhin war Firth einer der Männer, die ihren Vater umgebracht hatten. Während sie die Demonstration von Gewalt verabscheute, vergoss sie nicht eine einzige Träne für Firth. Sie konnte den Geist ihres Vaters in sich spüren – stärker als jemals zuvor. Und spürte, wie ein Gefühl des Friedens von ihm ausging.
„Und noch etwas“, fügte sie hinzu und unterbrach den Henker. „Nimm den Leichnam jetzt vom Galgen.“
„Jetzt, Mylady?“, fragte der Scharfrichter. „Aber der König hat befohlen, ihn auf unbestimmte Zeit hier hängen zu lassen.“
Gwen schüttelte den Kopf.
„Jetzt“, wiederholte sie. “Das ist dein neuer Befehl.”, erklärte sie.
Der Henker verneigte sich vor ihr und eilte davon, um den Leichnam loszuschneiden.
Gwen spürte einen Anflug von Genugtuung. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass Gareth im Laufe des Tages aus dem Fenster nach Firth Leichnam sehen würde. Seine Beseitigung würde ihn rasend machen vor Wut, und als kleine Erinnerung dienen, dass nicht immer alles nach Plan verläuft.
Sie war gerade im Begriff weiterzugehen, als sie einen markanten Schrei hörte. Sie blieb stehen, drehte sich um und sah hoch auf dem Galgen sitzend Estopheles, den Falken. Sie hob die Hand, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen. Gwen wollte sich versichern, dass ihre Augen ihr nicht einen Streich spielten. Estopheles schrie wieder und schlug mit den Flügeln. Sie konnte spüren, dass der Vogel den Geist ihres Vaters in sich trug. Seine Seele, so rastlos, war dem Frieden ein Stückchen näher.
Gwen hatte plötzlich eine Idee; sie pfiff und streckte einen Arm aus, und Estopheles stürzte sich vom Balken herab und landete auf Gwens Handgelenk. Der Vogel war schwer und die Krallen gruben sich in Gwens Haut.
„Flieg zu Thor“, flüsterte sie dem Vogel zu. „Finde ihn auf dem Schlachtfeld, und beschütze ihn. FLIEG!“, rief sie und hob ihren Arm.
Sie beobachtete, wie Estopheles mit den Flügeln schlug und sich höher und immer höher in die Luft erhob. Sie betete, dass er funktionieren würde. Der Vogel hatte etwas Geheimnisvolles an sich, besonders in seiner Verbindung zu Thor, und Gwen wusste, dass alles möglich war.
Sie eilten weiter durch die verwinkelten Gassen in Richtung des Hauses der Heilerin. Sie kamen durch eines von mehreren Bogentoren auf dem Weg heraus aus der Stadt, und sie lief so schnell sie nur konnte, betend, dass Godfrey lange genug durchhalten würde, bis sie die Heilerin erreichten.
Die zweite Sonne hing tief am Himmel als sie den kleinen Hügel am Rande von King’s Court erklommen und das Häuschen der Heilerin in Sicht kam. Es war ein einfaches Haus mit nur einem Raum, weißen Wänden aus Lehm, einem kleinen Fenster auf jeder Seite und einer niedrigen oben abgerundeten Eichenholztüre an der Vorderseite. Vom Dach hingen Pflanzen in jeder nur erdenklichen Farbe und Sorte. Sie umrahmten das Häuschen, das von einem ausgedehnten Kräutergarten umgeben wurde. Pflanzen jeder Farbe und Größe erweckten den Eindruck, dass das Häuschen inmitten einer Gärtnerei erbaut worden war.
Gwen rannte zur Tür und schlug mehrere Male mit dem Klopfer dagegen.
Die Türe öffnete sich, und vor ihr erschien das erschrockene Gesicht der Heilerin Illepra. Sie war ihr Leben lang die Heilerin der königlichen Familie, und ein fester Bestandteil in Gwens Leben gewesen, solange sie denken konnte. Doch Illepra sah immer noch jung aus. In der Tat wirkte sie kaum älter als Gwen. Ihre Haut leuchtete, ihre gütigen grünen Augen strahlten, und sie wirkte kaum älter als 18 Jahre. Gwen wusste genau, dass ihr Aussehen täuschte und sie weitaus älter war als das. Und sie wusste auch, dass Illepra eine der intelligentesten und talentiertesten Menschen war, denen sie jemals begegnet ist.
Illepra’s Blick wanderte zu Godfrey, während sie die gesamte Szene auf einmal aufnahm. Sie ließ die Förmlichkeiten aus, und ihre Augen weiteten sich mit Besorgnis, als sie die Dringlichkeit der Situation erkannte. Sie eilte an Gwen vorbei an Godfrey’s Seite und legte die Hand auf seine Stirn. Ihre Miene verdunkelte sich.
„Bringt in hinein.“, wies sie die beiden anderen Männer hastig an. „Und macht schnell.“
Illepra ging wieder ins Haus und öffnete die Türe weiter. Akorth und Fulton folgten ihr auf dem Fuße. Gwen kam hinterher und schloss die Türe hinter sich.
Es war dämmerig im Haus, und ihre Augen brauchten einen Moment, um sich anzupassen. Als sie es taten, erschien das Häuschen genau so, wie sie es seit ihrer Kindheit in Erinnerung hatte: klein, hell, sauber und voll mit Pflanzen, Kräutern und Tränken jeder nur erdenklichen Sorte.
„Legt ihn bitte hier hin.“, wies Illepra die Männer an. So ernst hatte sie Gwen noch nie zuvor gehört. „Auf das Bett in der Ecke. Zieht ihm das Hemd und die Schuhe aus. Und dann verlasst uns.“
Akorth und Fulton taten, wie ihnen geheißen wurde. Als sie aus der Türe eilten, ergriff Gwen Akorth’s Arm.
„Steht Wache vor der Tür.“, befahl sie. „Wer auch immer letzte Nacht versucht hat Godfrey zu töten, wird vielleicht noch einmal versuchen in umzubringen. Oder mich.“
Akorth nickte und er und Fulton verließen das Haus und schlossen die Tür hinter sich.
„Wie lange ist er schon so?“, fragte Illepra ohne Gwen auch nur anzusehen während sie an Godfrey’s Seite kniete und begann, sein Handgelenk, seinen Bauch und seine Kehle abzutasten.
„Seit letzter Nacht.“, antwortete Gwen.
„Seit letzter Nacht!“, echote Illepra und schüttelte besorgt den Kopf. Sie untersuchte ihn lange stumm und ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich.
„Es steht nicht gut um ihn.“, sagte sie schließlich.
Sie legte eine Hand auf seine Stirn und dieses Mal schloss sie dabei die Augen, atmete langsam. Gwen kam es wie eine Ewigkeit vor. Eine tiefe Stille durchdrang den Raum, und Gwen begann, ihr Zeitgefühl zu verlieren.
„Gift“, flüsterte Illepra schließlich, die Augen noch immer geschlossen, als ob sie seinen Zustand alleine durch die Berührung ihrer Hand lesen könnte.
Gwen hatte schon immer ihre Fähigkeiten bestaunt; nicht ein einziges Mal war sie falsch gelegen, solange sich Gwen erinnern konnte.
Sie hatte mehr Leben gerettet, als manche Armee genommen hatte. Gwen fragte sich, ob sie die Fähigkeiten erlernt, oder in die Wiege gelegt bekommen hatte; Denn auch Illepra’s Mutter war eine Heilerin gewesen, genauso wie auch deren Mutter zuvor. Und dennoch hatte Illepra jede wache Minute ihres Lebens damit verbracht, die Heilkunst zu studieren.
„Ein sehr starkes Gift.“, fügte Illepra hinzu, selbstbewusster. „Eines, das mir nur selten begegnet. Es ist teuer. Wer versucht hat, ihn zu töten, wusste was er tat. Es ist fast unglaublich, dass er noch am Leben ist. Er muss viel stärker sein, als es den Anschein hat.“
„Das hat er von unserem Vater“, sagte Gwen. „Er hatte die Zähigkeit eines Stieres. Alle McGil Könige waren so.“
Illepra durchquerte den Raum und begann, verschiedene Kräuter auf einem Holzblock zu mischen. Sie zerkleinerte und mahlte sie und fügte eine Flüssigkeit hinzu. Das Ergebnis war eine zähe grüne Paste, die sie dick auf Godfrey’s Hals, unter seinen Armen und auf seiner Stirn auftrug. Als sie fertig war, ging sie wieder auf die andere Seite des Raumes und füllte mehrere farbige Flüssigkeiten in ein Trinkgefäß. Sie waren rot, braun und violett.
Als sie sich vermischten, zischte und blubberte der Trank. Sie rührte ihn mit einem langen hölzernen Löffel, dann eilte sie zurück zu Godfrey und tropfte etwas davon auf seine Lippen.
Godfrey rührte sich nicht; Illepra griff unter seinen Kopf und hob ihn mit ihrer Hand an, um die Flüssigkeit in seinen Mund zu träufeln. Das meiste davon lief seitlich heraus und über seine Wangen, doch er schluckte auch ein wenig.
Illepra tupfte die Flüssigkeit von seinem Gesicht, lehnte sich endlich zurück und seufzte.
„Wird er leben?“, fragte Gwen panisch.
„Vielleicht.“, antwortete Illepra düster. “Ich habe ihm alles verabreicht, was ich gegen das Gift habe. Aber das ist nicht genug. Sein Leben liegt in den Händen des Schicksals.“
“Was kann ich tun?”, fragte Gwen.
Sie wandte sich Gwen zu und blickte sie ernst an.
Kendrick hatte noch nie zuvor so sehr geschätzt was Freiheit – wahre Freiheit – bedeutete. Bis zu diesem Tag. Die Zeit, die er eingesperrt in einem Kerker verbracht hatte, hatte seine Sicht des Lebens verändert. Nun schätzte er jedes noch so kleine Ding – das Gefühl der Sonne, den Wind im Haar, einfach draußen zu sein. Auf seinem Pferd zu reiten, die Erde unter den Hufen vorbeischnellen zu spüren, wieder in einer Rüstung zu stecken, seine Waffen zurückzuhaben und mit seinen Waffenbrüdern zu reiten ließen ihn fühlen, als wäre er aus einer Kanone geschossen worden – sorglos wie nie zuvor.
Kendrick galoppierte, lehnte sich flach in den Wind, sein enger Freund Atme an seiner Seite. So dankbar, für seine Brüder kämpfen zu dürfen, nicht noch eine Schlacht zu verpassen, und begierig, seine Heimatstadt von den McClouds zu befreien und sie für die Invasion zur Rechenschaft zu ziehen. Er ritt mit einem kaum stillbaren Drang zum Blutvergießen, obwohl er genau wusste, dass das eigentliche Ziel seines Zorns nicht die McClouds waren, sondern sein Bruder Gareth.
Er würde ihm niemals verzeihen, dass er ihn dafür in den Kerker geworfen hatte, dass er ihn beschuldigt hatte, seinen Vater umgebracht zu haben. Dafür, dass er ihn vor allen seinen Männern hatte wegschleppen lassen – und dafür, dass er versucht hatte, ihn umzubringen. Kendrick wollte Rache an Gareth – aber da er die nicht haben konnte – zumindest nicht heute – würde er seinen Zorn an den McClouds auslassen.
Doch wenn Kendrick nach King’s Court zurückkehren würde, dann würde er sich der Dinge annehmen. Er würde tun was er konnte, um seinen Bruder abzusetzen und seine Schwester Gwendolyn als neue Herrscherin einzusetzen.
Sie näherten sich der geplünderten Stadt, und riesige schwarze Rauchschwaden, die Kendrick’s Lungen mit beißendem Rauch füllten, zogen ihnen entgegen.
Es schmerzte ihn, eine Stadt der MacGils so zu sehen. Wenn sein Vater noch am Leben gewesen wäre, und wenn Gareth nicht nach ihm den Thron bestiegen hätte, wäre das nie passiert.
Es war eine Schande, ein Fleck auf der Ehre der MacGils und der Silver. Kendrick betete, dass sie nicht zu spät kamen, um diese Menschen zu retten; dass die McClouds nicht schon zu lange da waren, und dass nicht zu viele Menschen verletzt oder getötet worden waren.
Er gab seinem Pferd die Sporen, ritt vor den anderen her, während sie alle einem Bienenschwarm gleich auf das offene Stadttor zuritten. Sie stürmten hindurch. Kendrick zog sein Schwert und bereitete sich darauf vor, einer Vielzahl von McCloud Kriegern zu begegnen, als sie in die Stadt ritten. Er stieß einen lauten Schrei aus, genauso wie alle anderen Männer um ihn herum, und wappnete sich für den Zusammenstoß.
Doch als er durch das Tor auf den staubigen Hauptplatz zuritt, war er ratlos über das, was er sah: Nichts.
Um ihn herum konnte er die Zeichen einer Invasion sehen – Zerstörung, Feuer, geplünderte Häuser, aufgetürmte Leichen, zusammengekauerte weinende Frauen. Er sah getötete Tiere und Blut an den Wanden der Häuser. Es muss ein Massaker gewesen sein. Die McClouds hatten diese unschuldige Stadt und ihre Bevölkerung verwüstet. Der Gedanke daran ließ Kendrick übel werden. Sie waren Feiglinge!
Doch was Kendrick sprachlos machte als er durch die Stadt ritt war, dass die McClouds nirgendwo zu sehen waren. Er konnte es nicht verstehen. Es war, als ob sich ihre ganze Armee bewusst zurückgezogen hätte. Als ob sie gewusst hatten, dass sie kommen würden. Die Feuer brannten noch und es war klar, dass sie nicht ohne einen Zweck angezündet worden waren.
Es begann Kendrick klar zu werden, dass das alles nur eine Ablenkung gewesen war. Dass die McClouds die Armee der MacGils ganz bewusst an diesen Ort gelockt hatten.
Doch warum?
Kendrick fuhr herum, blickte sich um, um zu sehen, ob einer seiner Männer fehlte. Ob jemand vielleicht woanders hin gelockt worden war. Sein Verstand wurde von einem neuen Gefühl überwältigt. Dem Gefühl, dass all das nur dem einen Zweck gedient hatte, eine Gruppe seiner Männer vom Rest abzuschneiden, und sie anzugreifen. Er sah sich überall um, und fragte sich, wer fehlte.
Und dann traf es ihn. Eine Person fehlte. Sein Knappe.
Thor.
Thor saß auf seinem Pferd auf dem Hügel, die Gruppe der Legionäre und Krohn neben ihm, und schaute auf den verblüffenden Anblick, der sich vor ihnen auftat, herab:
So weit das Auge reichte sah er McCloud’s berittene Truppen.
Eine riesige Armee erwartete sie.
Sie waren in eine Falle gelockt worden. Forg musste sie genau zu dem Zweck hierher geführt haben. Er hatte sie verraten.
Doch warum?
Thor schluckte schwer, und blickte dem scheinbar sicheren Tod entgegen.
Ein schrecklicher Schlachtruf stieg auf, als die Armee plötzlich auf sie zustürzte. Sie waren nur wenige hundert Meter entfernt und näherten sich schnell. Thor warf einen Blick über seine Schulter, aber da war soweit er sehen konnte keine Verstärkung. Sie waren vollkommen auf sich alleine gestellt.
Thor wusste, dass ihnen keine andere Wahl blieb, als hier ihr letztes Gefecht zu bestreiten. Hier auf dem kleinen Hügel im Schatten des verlassenen Wachturms.
Ihnen stand eine unglaubliche Zahl von Feinden gegenüber, und sie hatten nicht die geringste Chance auf einen Sieg.
Doch wenn sie untergehen sollten, dann wenigstens tapfer kämpfend von Angesicht zu Angesicht. Die Legion hatte ihn das gelehrt. Weglaufen war keine Option. Thor bereitete sich darauf vor, sich dem Tod zu stellen.
Er wandte sich um und sah die Gesichter seiner Freunde. Er konnte sehen, dass auch sie blass vor Angst waren. Er sah den Tod in ihren Augen. Doch alle blieben tapfer. Nicht einer von ihnen zuckte auch nur, als ihre Pferde anfingen nervös zu tänzeln, oder machte Anstalten, umzudrehen und davonzureiten.
Sie war jetzt eine Einheit. Sie waren mehr als Freunde. Die Hundert hatten sie zu Brüdern geschmiedet. Nicht einer von ihnen würde auch nur daran denken, den anderen im Stich zu lassen. Sie alle hatten den Eid geschworen, und ihre Ehre stand auf dem Spiel. Und für die Legion war Ehre heiliger als Blut.
„Meine Herren. Ich glaube wir haben einen Kampf vor uns”, verkündete Reece langsam, als er nach seinem Schwert griff.
Thor griff nach seiner Schleuder und wollte so viele wie möglich ausschalten, bevor sie sie erreichen konnten. O’Connor zückte seinen kurzen Speer während Elden seinen Wurfspieß aufrichtete. Conval erhob seinen Wurfhammer und Conven seine Dolche. Die anderen Jungen aus der Legion, die Thor nicht kannte, zogen ihre Schwerter und hoben die Schilde. Thor konnte die Angst in der Luft spüren, und er spürte sie selbst, als das Donnern der Hufe anschwoll und der Klang der Schreie der McClouds lauter und lauter wurde, als wollte ein Gewittersturm über sie hereinbrechen.
Thor wusste, sie brauchten eine Strategie. Aber er wusste nicht welche.
Neben Thor knurrte Krohn. Thor ließ sich von Krohns Furchtlosigkeit inspirieren: Er jammerte nie und drehte sich nicht ein einziges Mal um. In der Tat stellten sich die Haare auf seinem Rücken auf und er bewegte sich langsam vorwärts. Als ob er sich der Armee alleine stellen wollte. Thor wusste, dass er in Krohn einen wahren Kampfgefährten gefunden hatte.
„Glaubst du, die anderen werden kommen, um uns zu unterstützen?“, fragte O’Connor.
“Nicht rechtzeitig”, antwortete Elden. “Forg hat uns in eine Falle geführt.”
„Doch warum?“, fragte Reece.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete Thor und machte mit seinem Pferd einen Schritt nach vorn. „Aber ich habe das ungute Gefühl, dass es etwas mit mir zu tun hat. Ich fürchte, jemand will mich tot sehen.“
Thor konnte spüren, wie sich die anderen ihm zuwandten.
„Warum?“, fragte Reece.
Thor zuckte mit den Schultern. Er wusste es nicht sicher, aber er hatte eine Ahnung, bei all den Machenschaften am Hof des Königs, dass es etwas mit der Ermordung von MacGil zu tun hatte. Wahrscheinlich war es Gareth. Vielleicht sah er Thor als eine Bedrohung an.
Thor fühlte sich schrecklich dafür, seine Waffenbrüder in Gefahr gebracht zu haben. Doch es gab nichts, was er hätte tun können. Alles was er nun tun konnte, war zu versuchen, sie zu verteidigen.
Thor hatte genug. Er schrie, trat sein Pferd und brach im Galopp nach vorne, vor alle anderen aus. Er würde nicht warten, bis diese Armee auf ihn zukam. Er würde nicht auf den Tod warten. Er würde die ersten Schläge einstecken, vielleicht sogar einige von seinen Waffenbrüdern ablenken können, und ihnen eine Chance geben, umzudrehen und davonzureiten, sollten sie sich dazu entschließen. Wenn er schon auf sein sicheres Ende blickte, dann wollte er auch furchtlos drauf zu reiten. Mit Ehre.
Innerlich zitterte er vor Angst, weigerte sich aber, es zu zeigen. Thor galoppierte weiter und weiter vor den anderen her, den Hügel hinab in Richtung der vorrückenden Armee. Neben ihm rannte Krohn.
Thor hörte einen Schrei hinter ihm, seine Waffenbrüder versuchten aufzuholen. Sie waren kaum 20 Meter entfernt und galoppierten hinter ihm her, einen Schlachtruf auf den Lippen. Thor blieb vor ihnen, doch es fühlte sich gut an ihre Unterstützung hinter sich zu wissen.
Vor Thor brach eine Einheit von ungefähr 50 Kriegern aus den Linien der McCloud’schen Armee aus und ritt direkt auf ihn zu.
Sie waren knapp 100 Meter vor ihm und kamen schnell näher. Thor nahm einen Stein, holte mit seiner Schleuder aus, zielte und schleuderte. Er zielte auf den Anführer, einen großen Mann mit einer silbernen Brustplatte, und sein Wurf war perfekt. Er traf ihn am Halsansatz, genau zwischen den Platten der Rüstung, und der Mann fiel vor allen anderen zu Boden.
Während er fiel, fiel sein Pferd mit ihm, und ein Dutzend Pferde türmte sich hinter ihm auf und warf die Reiter mit dem Gesicht voran zu Boden.
Bevor sie reagieren konnten, platzierte Thor einen weiteren Stein, lehnte sich zurück und schleuderte erneut. Wieder enttäuschte seine Zielgenauigkeit nicht. Er traf einen der Anführer an der Schläfe und warf ihn seitlich vom Pferd – auf mehrere andere Krieger, die zu Boden gingen wie Dominosteine.
Während Thor ritt, surrte ein Speer an seinem Kopf vorbei, dann eine Wurflanze und ein Wurfhammer. Und er wusste, dass seine Legionsbrüder ihn unterstützten. Ihr Ziel war kein geringeres als seines, und ihre Waffen nahmen McCloud’s Krieger mit tödlicher Präzision. Einige fielen vom Pferd und rissen andere mit sich.
Thor war begeistert zu sehen, dass es ihnen bereits gelungen war, dutzende von McCloud’s Kriegern auszuschalten, einige von ihnen mit direkten Treffern, doch die meisten waren durch Kettenreaktionen von fallenden Kriegern und stolpernden Pferden zu Boden gerissen worden. Die Voraus-Einheit von 50 Mann war nun am Boden, unter einer Wolke von Staub.
Doch die Armee der McClouds war stark, und jetzt waren sie an der Reihe, sich zu wehren. Als Thor bis auf 30 Meter an sie herankam, warfen einige ihre Waffen in seine Richtung. Ein Wurfhammer flog direkt auf sein Gesicht zu, und Thor duckte sich im letzten Moment, so dass das Geschoss sein Ohr nur um Zentimeter verfehlte. Ein Speer kam genauso schnell geflogen, und er duckte sich in die andere Richtung. Dies Spitze verfehlte ihn nur knapp, kratzte jedoch zum Glück nur an seiner Rüstung. Ein Wurfspeer flog aus derselben Richtung auf sein Gesicht zu, Thor hob seinen Schild und konnte auch ihn abwehren. Der Speer blieb in seinem Schild stecken und Thor griff danach, zog ihn heraus, und warf ihn zurück nach dem Angreifer.
Wieder zielte Thor gut, und der Speer bohrte sich in die Brust des fremden Kriegers – durch das Kettenhemd. Mit einem Aufschrei stürzte er vom Pferd und war tot, noch bevor er auf dem Boden aufschlug. Thor ritt weiter wie besessen. Er stürmte mitten unter die feindliche Armee, in ein Meer von Soldaten, bereit dem Tod entgegenzutreten. Er hob sein Schwert und schrie einen Schlachtruf und seine Waffenbrüder hinter ihm taten es ihm nach.
Das war der erwartete Zusammenstoß.
Ein riesiger Krieger stürzte mit erhobener Axt auf Thor zu, und ließ sie mit Wucht in Richtung seines Kopfes hinunterfahren. Thor duckte sich in letzter Sekunde. Die Klinge verfehlte ihn knapp und traf dafür einen vorbeireitenden Krieger in den Bauch, der mit einem Schmerzensschrei vom Pferd fiel. Während er fiel, ließ er seine eigene Streitaxt los, und während sie Thor verfehlte, traf sie das Pferd eines anderen McCloud Kriegers. Es bäumte sich auf und warf seinen Reiter auf mehrere andere.
