Kampf um Rom - Felix Dahn - E-Book

Kampf um Rom E-Book

Felix Dahn

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Beschreibung

Komplettveröffentlichung aller sieben Bände. 1876 veröffentlichte der Historiker Felix Dahn sein epochales Werk, das wohl als der erste deutschsprachige Historienroman bezeichnet werden kann und ein großer Erfolg wurde. Es ist die Amtszeit des letzten Römischen Kaisers der Antike Justinian. Das Byzantinische Reich kämpft gegen den Einfall der Goten. Dahn achtete darauf, seine Geschichte so historisch korrekt wie möglich zu schreiben. Um die Fakten spann er einen spannenden Bestseller, der bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ein großer Erfolg war und sich millionenfach verkaufte. Der Roman wurde 1968 von dem Berliner Filmproduzenten Artur Brauner unter der Regie von Robert Siodmak mit Laurence Harvey und Orson Welles verfilmt. »Ein mit Kontrasteffekten glänzend operierendes Riesenfresko, dessen Figuren sich mir, gewiss nicht zufällig, am stärksten eingeprägt haben.« [Marcel Reich-Ranicki] Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 1605

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Felix Dahn

Kampf um Rom

Historischer Roman

Felix Dahn

Kampf um Rom

Historischer Roman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · info@null-papier.de 2. Auflage, ISBN 978-3-954184-01-9

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Ers­tes Buch: Theo­de­rich

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Buch: Atha­la­rich

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Neun­tes Ka­pi­tel

Zehn­tes Ka­pi­tel

Elf­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Buch: Ama­las­win­t­ha

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Neun­tes Ka­pi­tel

Zehn­tes Ka­pi­tel

Elf­tes Ka­pi­tel

Zwölf­tes Ka­pi­tel

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Vier­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­f­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Buch: Theo­da­had

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Zwölf­tes Ka­pi­tel

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Vier­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Buch: Wi­ti­chis -- Ers­te Ab­tei­lung

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Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Buch: Wi­ti­chis -- Zwei­te Ab­tei­lung

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Kom­plett­ver­öf­fent­li­chung al­ler sie­ben Bän­de.

1876 ver­öf­fent­lich­te der His­to­ri­ker Fe­lix Dahn sein epo­cha­les Werk, das wohl als der ers­te deutsch­spra­chi­ge His­to­ri­en­ro­man be­zeich­net wer­den kann und ein großer Er­folg wur­de.

Es ist die Amts­zeit des letz­ten Rö­mi­schen Kai­sers der An­ti­ke Jus­ti­ni­an. Das By­zan­ti­ni­sche Reich kämpft ge­gen den Ein­fall der Go­ten.

Dahn ach­te­te dar­auf, sei­ne Ge­schich­te so his­to­risch kor­rekt wie mög­lich zu schrei­ben. Um die Fak­ten spann er einen span­nen­den Best­sel­ler, der bis in die zwei­te Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts ein großer Er­folg war und sich mil­lio­nen­fach ver­kauf­te.

Der Ro­man wur­de 1968 von dem Ber­li­ner Film­pro­du­zen­ten Ar­tur Brau­ner un­ter der Re­gie von Ro­bert Siod­mak mit Lau­rence Har­vey und Or­son Wel­les ver­filmt.

*

»Ein mit Kon­trast­ef­fek­ten glän­zend ope­rie­ren­des Rie­sen­fres­ko, des­sen Fi­gu­ren sich mir, ge­wiss nicht zu­fäl­lig, am stärks­ten ein­ge­prägt ha­ben.« [Mar­cel Reich-Ra­nicki]

Erstes Buch: Theoderich

»Die­te­ri­cus de Ber­ne, de quocan­tant ru­sti­ci us­que ho­die.«

Erstes Kapitel

Es war eine schwü­le Som­mer­nacht des Jah­res fünf­hun­dert­sechs­und­zwan­zig nach Chris­tus.

Schwer la­ger­te dich­tes Ge­wölk über der dunklen Flä­che der Adria, de­ren Küs­ten und Ge­wäs­ser zu­sam­men­flos­sen in un­ter­schei­dungs­lo­sem Dun­kel: nur fer­ne Blit­ze war­fen hier und da ein zu­cken­des Licht über das schwei­gen­de Ra­ven­na. In un­glei­chen Pau­sen feg­te der Wind durch die Stein­ei­chen und Pi­ni­en auf dem Hö­hen­zug, wel­cher sich eine gute Stre­cke west­lich von der Stadt er­hebt, einst ge­krönt von ei­nem Tem­pel des Nep­tun, der, schon da­mals halb zer­fal­len, heu­te bis auf dürf­ti­ge Spu­ren ver­schwun­den ist.

Es war still auf die­ser Wald­hö­he: nur ein vom Sturm los­ge­ris­se­nes Fels­stück pol­ter­te manch­mal die stei­ni­gen Hän­ge hin­un­ter und schlug zu­letzt plat­schend in das sump­fi­ge Was­ser der Kanä­le und Grä­ben, die den gan­zen Kreis der See­fes­tung um­gür­te­ten.

Oder in dem al­ten Tem­pel lös­te sich eine ver­wit­ter­te Plat­te von dem ge­tä­fel­ten Dach der De­cke und fiel zer­sprin­gend auf die Mar­mor­stu­fen, -- Vor­bo­ten von dem dro­hen­den Ein­sturz des gan­zen Ge­bäu­des.

Aber dies un­heim­li­che Geräusch schi­en nicht be­ach­tet zu wer­den von ei­nem Mann, der un­be­weg­lich auf der zweit­höchs­ten Stu­fe der Tem­pel­trep­pe saß, den Rücken an die höchs­te Stu­fe ge­lehnt, und schwei­gend und un­ver­wandt in ei­ner Rich­tung über die Höhe hin­ab nach der Stadt zu blick­te.

Lan­ge saß er so: re­gungs­los, aber sehn­süch­tig war­tend: er ach­te­te es nicht, daß ihm der Wind die schwe­ren Re­gen­trop­fen, die ein­zeln zu fal­len be­gan­nen, ins Ge­sicht schlug und un­ge­stüm in dem mäch­ti­gen, bis an den eher­nen Gurt wal­len­den Bart wühl­te, der fast die gan­ze brei­te Brust des al­ten Man­nes mit glän­zen­dem Sil­ber­weiß be­deck­te.

End­lich stand er auf und schritt ei­ni­ge der Mar­mor­stu­fen nie­der: »Sie kom­men«, sag­te er.

Es wur­de das Licht ei­ner Fa­ckel sicht­bar, die sich rasch von der Stadt her dem Tem­pel nä­her­te: man hör­te schnel­le, kräf­ti­ge Schrit­te, und bald da­nach stie­gen drei Män­ner die Stu­fen der Trep­pe her­auf.

»Heil, Meis­ter Hil­de­brand, Hil­dungs Sohn!« rief der vor­an­schrei­ten­de Fa­ckel­trä­ger, der jüngs­te von ih­nen, in go­ti­scher Spra­che mit auf­fal­lend me­lo­di­scher Stim­me, als er die lücken­haf­te Säu­len­rei­he des Pro­na­os, der Vor­hal­le, er­reich­te.

Er hob das Wind­licht hoch em­por -- schö­ne, ko­rin­thi­sche Erz­ar­beit am Stiel, durch­sich­ti­ges El­fen­bein bil­de­te den vier­sei­ti­gen Schirm, und den ge­wölb­ten durch­bro­che­nen De­ckel -- und steck­te es in den Erz­ring, der die ge­bors­te­ne Mit­tel­säu­le zu­sam­men­hielt.

Das wei­ße Licht fiel auf ein apol­li­nisch schö­nes Ant­litz mit la­chen­den, hell­blau­en Au­gen; mit­ten auf sei­ner Stirn teil­te sich das licht­blon­de Haar in zwei lang flie­ßen­de Lo­cken­wel­len, die rechts und links bis auf sei­ne Schul­tern wall­ten; Mund und Nase, fein, fast weich ge­schnit­ten, wa­ren von vollen­de­ter Form, ein leich­ter An­flug gold­hel­len Bar­tes deck­te die freund­li­chen Lip­pen und das leicht ge­spal­te­ne Kinn; er trug nur wei­ße Klei­der; einen Kriegs­man­tel von fei­ner Wol­le, durch eine gol­de­ne Span­ge in Grei­fen­ge­stalt auf der rech­ten Schul­ter fest­ge­hal­ten, und eine rö­mi­sche Tu­ni­ka von wei­cher Sei­de, bei­de mit ei­nem Gold­streif durch­wirkt: wei­ße Le­der­rie­men be­fes­tig­ten die San­da­len an den Fü­ßen und reich­ten, kreuzweis ge­floch­ten, bis an die Knie; die nack­ten, glän­zend­wei­ßen Arme um­wirk­ten zwei brei­te Gold­rei­fe: und wie er, die Rech­te um eine hohe Lan­ze ge­schlun­gen, die ihm zu­gleich als Stab und als Waf­fe diente, die Lin­ke in die Hüf­te ge­stemmt, aus­ru­hend von dem Gang, zu sei­nen lang­sa­me­ren Weg­ge­nos­sen hin­un­ter­blick­te, schi­en in den grau­en Tem­pel eine ju­gend­li­che Göt­ter­ge­stalt aus sei­nen schöns­ten Ta­gen wie­der ein­ge­kehrt.

Der zwei­te der An­kömm­lin­ge hat­te, trotz ei­ner all­ge­mei­nen Fa­mi­li­en­ähn­lich­keit, doch einen von dem Fa­ckel­trä­ger völ­lig ver­schie­de­nen Aus­druck.

Er war ei­ni­ge Jah­re äl­ter, sein Wuchs war der­ber und brei­ter -- tief in den mäch­ti­gen Stier­nacken hin­ab reich­te das dicht und kurz ge­lock­te brau­ne Haar -- und von fast rie­sen­haf­ter Höhe und Stär­ke: in sei­nem Ge­sicht fehl­te je­ner son­ni­ge Schim­mer, jene ver­trau­en­de Freu­de und Le­bens­hoff­nung, wel­che die Züge des jün­ge­ren Bru­ders ver­klär­ten: statt des­sen lag in sei­ner gan­zen Er­schei­nung der Aus­druck von bä­ren­haf­ter Kraft und bä­ren­haf­tem Mut: er trug eine zot­ti­ge Wolfs­schur, de­ren Ra­chen, wie eine Ka­pu­ze, sein Haupt um­hüll­te, ein schlich­tes Wol­len­wams dar­un­ter, und auf der rech­ten Schul­ter eine kur­ze, wuch­ti­ge Keu­le aus dem har­ten Holz ei­ner Ei­chen­wur­zel.

Be­däch­ti­gen Schrit­tes folg­te der drit­te, ein mit­tel­großer Mann von ge­mes­sen ver­stän­di­gem Aus­druck. Er trug den Stahl­helm, das Schwert und den brau­nen Kriegs­man­tel des go­ti­schen Fuß­volks. Sein schlich­tes, hell­brau­nes Haar war über der Stirn ge­rad­li­nig ab­ge­schnit­ten: eine ur­al­te ger­ma­ni­sche Haar­tracht, die schon auf rö­mi­schen Sie­ges­säu­len er­scheint und sich bei dem deut­schen Bau­er bis heu­te er­hal­ten hat. Aus den re­gel­mä­ßi­gen Zü­gen des of­fe­nen Ge­sichts, aus dem grau­en, si­chern Auge spra­chen be­son­ne­ne Männ­lich­keit und nüch­ter­ne Ruhe.

Als auch er die Cel­la des Tem­pels er­reicht und den Al­ten be­grüßt hat­te, rief der Fa­ckel­trä­ger mit leb­haf­ter Stim­me:

»Nun, Meis­ter Hil­de­brand, ein schö­nes Aben­teu­er muß es sein, zu dem du uns in solch un­wirt­li­cher Nacht in die­se Wild­nis von Na­tur und Kunst ge­la­den hast! Sprich -- was soll’s ge­ben?«

Statt der Ant­wort frag­te der Alte, sich zu dem Letzt­ge­kom­me­nen wen­dend: »Wo bleibt der Vier­te, den ich lud?«

»Er woll­te al­lein ge­hen. Er wies uns alle ab. Du kennst ja sei­ne Wei­se.«

»Da kommt er!« rief der schö­ne Jüng­ling, nach ei­ner an­dern Sei­te des Hü­gels deu­tend.

Wirk­lich nah­te dort­her ein Mann von höchst ei­gen­ar­ti­ger Er­schei­nung.

Das vol­le Licht der Fa­ckel be­leuch­te­te ein geis­ter­haft blei­ches Ant­litz, das fast blut­leer schi­en; lan­ge, glän­zend schwar­ze Lo­cken hin­gen von dem un­be­deck­ten Haupt wie dunkle Schlan­gen wirr bis auf die Schul­tern. Hoch­ge­schweif­te, schwar­ze Brau­en und lan­ge Wim­pern be­schat­te­ten die großen, me­lan­cho­li­schen dunklen Au­gen voll ver­halt­ner Glut, eine Ad­ler­na­se senk­te sich sehr scharf­ge­schnit­ten ge­gen den fei­nen, glatt­ge­scho­re­nen Mund, den ein Zug re­si­gnier­ten Gra­mes um­furch­te.

Ge­stalt und Hal­tung wa­ren so ju­gend­lich: aber die See­le schi­en vor der Zeit vom Schmerz ge­reift.

Er trug Ring­pan­zer und Bein­schie­nen von schwar­zem Erz, und in sei­ner Rech­ten blitz­te ein Schlacht­beil an lan­gem, lan­zen­glei­chen Schaft. Nur mit dem Haup­te ni­ckend, be­grüß­te er die an­dern und stell­te sich hin­ter den Al­ten, der sie nun alle vier dicht an die Säu­le, wel­che die Fa­ckel trug, tre­ten hieß und mit ge­dämpf­ter Stim­me be­gann:

»Ich habe euch hier­her be­schie­den, weil erns­te Wor­te müs­sen ge­spro­chen wer­den, un­be­lauscht und zu treu­en Män­nern, die da hel­fen mö­gen.

Ich sah um­her im gan­zen Volk, mon­den­lang: -- euch hab’ ich ge­wählt, ihr seid die Rech­ten. Wenn ihr mich an­ge­hört habt, so fühlt ihr von selbst, daß ihr schwei­gen müßt von die­ser Nacht.«

Der drit­te, der mit dem Stahl­helm, sah den Al­ten mit erns­ten Au­gen an: »Rede«, sag­te er ru­hig, »wir hö­ren und schwei­gen. Wo­von willst du zu uns spre­chen?«

»Von un­serm Volk, von die­sem Reich der Go­ten, das hart am Ab­grund steht.«

»Am Ab­grund?« rief leb­haft der blon­de Jüng­ling. Sein rie­si­ger Bru­der lä­chel­te und er­hob auf­hor­chend das Haupt.

»Ja, am Ab­grund«, rief der Alte, »und ihr al­lein, ihr könnt es hal­ten und ret­ten.«

»Ver­zeih dir der Him­mel dei­ne Wor­te!« -- fiel der Blon­de leb­haft ein -- »ha­ben wir nicht un­sern Kö­nig Theo­de­rich, den sei­ne Fein­de selbst den Gro­ßen nen­nen, den herr­lichs­ten Hel­den, den wei­ses­ten Fürs­ten der Welt? Ha­ben wir nicht dies la­chen­de Land Ita­lia mit all sei­nen Schät­zen? Was gleicht auf Er­den dem Reich der Go­ten?«

Der Alte fuhr fort: »Hört mich an. Kö­nig Theo­de­rich, mein teu­rer Herr und mein lie­ber Sohn, was der wert ist, wie groß er ist -- das weiß am bes­ten Hil­de­brand, Hil­dungs Sohn. Ich hab’ ihn vor mehr als fünf­zig Jah­ren auf die­sen Ar­men sei­nem Va­ter als ein zap­pelnd Knäb­lein ge­bracht und ge­sagt: ›Das ist star­ke Zucht: Du wirst Freu­de dran ha­ben.‹

Und wie er her­an­wuchs -- ich habe ihm den ers­ten Bolz ge­schnitzt und ihm die ers­te Wun­de ge­wa­schen! Ich habe ihn be­glei­tet nach der gold­nen Stadt By­zanz und ihn dort ge­hü­tet, Leib und See­le. Und als er die­ses schö­ne Land er­kämpf­te, bin ich vor ihm her­ge­rit­ten, Fuß für Fuß, und habe den Schild über ihn ge­hal­ten in drei­ßig Schlach­ten. Wohl hat er seit­her ge­lehr­te­re Räte und Freun­de ge­fun­den als sei­nen al­ten Waf­fen­meis­ter, aber klü­ge­re schwer­lich und treue­re ge­wiß nicht. Wie stark sein Arm ge­we­sen, wie scharf sein Auge, wie klar sein Kopf, wie schreck­lich er war un­term Helm, wie freund­lich beim Be­cher, wie über­le­gen selbst den Griech­lein an Klug­heit, das hat­te ich hun­dert­mal er­fah­ren, lan­ge ehe dich, du jun­ger Nest­falk, die Son­ne be­schie­nen.

Aber der alte Ad­ler ist flü­gel­lahm ge­wor­den!

Sei­ne Kriegs­jah­re las­ten auf ihm -- denn er und ihr und euer Ge­schlecht, ihr könnt die Jah­re nicht mehr tra­gen wie ich und mei­ne Spiel­ge­nos­sen: er liegt krank, rät­sel­haft krank an See­le und Leib in sei­nem gold­nen Saal dort un­ten in der Ra­ben­stadt. Die Ärz­te sa­gen, wie stark sein Arm noch sei, je­der Schlag des Her­zens mag ihn tö­ten wie der Blitz, und auf je­der sin­ken­den Son­ne mag er hin­un­ter­fah­ren zu den To­ten. Und wer ist dann sein Erbe, wer stützt dann die­ses Reich? Ama­las­win­t­ha, sei­ne Toch­ter, und Atha­la­rich, sein En­kel: -- ein Weib und ein Kind.«

»Die Fürs­tin ist wei­se«, sprach der drit­te mit dem Helm und dem Schwert.

»Ja, sie schreibt grie­chisch an den Kai­ser und re­det rö­misch mit dem from­men Cas­sio­dor. Ich zweifle, ob sie go­tisch denkt. Weh uns, wenn sie im Sturm das Steu­er hal­ten soll.«

»Ich sehe aber nir­gends Sturm, Al­ter«, lach­te der Fa­ckel­trä­ger und schüt­tel­te die Lo­cken. »Wo­her soll er bla­sen? Der Kai­ser ist wie­der ver­söhnt, der Bi­schof von Rom ist vom Kö­nig selbst ein­ge­setzt, die Fran­ken­fürs­ten sind sei­ne Nef­fen, die Ita­lier ha­ben es un­ter uns­rem Schild bes­ser als je zu­vor. Ich sehe kei­ne Ge­fahr, nir­gends.«

»Kai­ser Jus­ti­nus ist nur ein schwa­cher Greis«, sprach bei­stim­mend der mit dem Schwert, »ich ken­ne ihn.«

»Aber sein Nef­fe, bald sein Nach­fol­ger, und jetzt schon sein rech­ter Arm kennst du auch den? Uner­gründ­lich wie die Nacht und falsch wie das Meer ist Jus­ti­ni­an: ich ken­ne ihn und fürch­te, was er sinnt. Ich be­glei­te­te die letz­te Ge­sandt­schaft nach By­zanz: er kam zu uns­rem Ge­lag: er hielt mich für be­rauscht, der Narr, weiß nicht, was Hil­dungs Kind zu trin­ken ver­mag, und frag­te mich ge­nau um al­les, was man wis­sen muß, um -- uns zu ver­der­ben. Nun, von mir hat er den rech­ten Be­scheid ge­kriegt! Aber ich weiß es so ge­wiß wie mei­nen Na­men: die­ser Mann will dies Land, dies Ita­li­en wie­der ha­ben, und nicht die Fuß­spur ei­nes Go­ten wird er dar­in üb­riglas­sen.«

»Wenn er kann«, brumm­te des Blon­den Bru­der da­zwi­schen.

»Recht, Freund Hil­de­bad, wenn er kann. Und er kann viel. By­zanz kann viel.«

Je­ner zuck­te die Ach­seln.

»Weißt du’s, wie­viel?« frag­te der Alte zor­nig. »Zwölf Jah­re lang hat un­ser großer Kö­nig mit By­zanz ge­run­gen und hat nicht ob­ge­siegt. Aber da­mals warst du noch nicht ge­bo­ren«, füg­te er ru­hig hin­zu.

»Wohl!« kam je­nem der Bru­der zu Hil­fe. »Aber da­mals stan­den die Go­ten al­lein im frem­den Land. Jetzt ha­ben wie eine gan­ze zwei­te Hälf­te ge­won­nen, wir ha­ben eine Hei­mat, Ita­li­en, wir ha­ben Waf­fen­brü­der, die Ita­lier.«

»Ita­li­en uns­re Hei­mat!« rief der Alte bit­ter, »ja, das ist der Wahn. Und die Wel­schen uns­re Hel­fer ge­gen By­zanz! Du jun­ger Tor!«

»Das sind uns­res Kö­nigs eig­ne Wor­te«, ent­geg­ne­te der Ge­schol­te­ne.

»Ja, ja, ich ken­ne sie wohl, die Wahn­re­den, die uns alle ver­der­ben wer­den. Fremd sind wir hier, fremd, heu­te wie vor vier­zig Jah­ren, da wir von die­sen Ber­gen nie­der­stie­gen, und fremd wer­den wir sein in die­sem Lan­de noch nach tau­send Jah­ren. Wir sind hier ewig die Bar­ba­ren!«

»Ja­wohl, aber warum blei­ben wir Bar­ba­ren? Wes­sen Schuld ist das als die uns­re? Wes­halb ler­nen wir nicht von ih­nen?«

»Schweig still«, schrie der Alte, zu­ckend vor Grimm, »schweig, To­ti­la, mit sol­chen Ge­dan­ken: sie sind der Fluch mei­nes Hau­ses ge­wor­den.« Sich müh­sam be­ru­hi­gend fuhr er fort: »Un­se­re Tod­fein­de sind die Wel­schen, nicht uns­re Brü­der. Weh, wenn wir ih­nen trau­en! Oh, daß der Kö­nig nach mei­nem Rat ge­tan und nach sei­nem Sieg al­les er­schla­gen hät­te, das Schwert und Schild füh­ren konn­te vom lal­len­den Knäb­lein bis zum lal­len­den Greis! Sie wer­den uns ewig has­sen. Und sie ha­ben recht. Wir aber, wir sind die To­ren, sie zu be­wun­dern.«

Eine Pau­se trat ein: ernst ge­wor­den frag­te der Jüng­ling: »Und du hältst kei­ne Freund­schaft für mög­lich zwi­schen uns und ih­nen?«

»Kein Frie­de zwi­schen den Söh­nen des Gaut und dem Süd­volk! Ein Mann tritt in die Gold­höh­le des Dra­chen: er drückt das Haupt des Dra­chen nie­der mit eher­ner Faust: der bit­tet um sein Le­ben: der Mann er­barmt sich sei­ner schil­lern­den Schup­pen und wei­det sein Auge an den Schät­zen der Höh­le. Was wird der Gift­wurm tun? Hin­ter­rücks, so­bald er kann, wird er ihn ste­chen, daß der Ver­scho­ner stirbt.«

»Wohl­an, so laß sie kom­men, die Griech­lein«, schrie der rie­si­ge Hil­de­bad, »und laß dies Nat­tern­ge­zücht ge­gen uns auf­zün­geln. Wir wol­len sie nie­der­schla­gen -- so!« und er hob die Keu­le und ließ sie nie­der­fal­len, daß die Mar­mor­plat­te in Sp­lit­ter sprang und der alte Tem­pel in sei­nen Grund­fu­gen er­dröhn­te.

»Ja, sie sol­len’s ver­su­chen!« rief To­ti­la, und aus sei­nen Au­gen leuch­te­te ein krie­ge­ri­sches Feu­er, das ihn noch schö­ner mach­te. »Wenn die­se un­dank­ba­ren Rö­mer uns ver­ra­ten, wenn die falschen By­zan­ti­ner kom­men« -- er blick­te mit lie­be­vol­lem Stolz auf sei­nen star­ken Bru­der -- »sieh, Al­ter, wir ha­ben Män­ner wie die Ei­chen.«

Wohl­ge­fäl­lig nick­te der alte Waf­fen­meis­ter: »Ja, Hil­de­bad ist sehr stark: ob­wohl nicht ganz so stark wie Wi­ni­thar und Walamer und die an­dern wa­ren, die mit mir jung ge­we­sen. Und ge­gen die Nord­män­ner ist Stär­ke gut Ding. Aber die­ses Süd­volk« -- fuhr er in­grim­mig fort -- »kämpft von Tür­men und Mau­er­zin­nen her­un­ter. Sie füh­ren den Krieg wie ein Re­chenexem­pel und rech­nen dir zu­letzt ein Heer von Hel­den in einen Win­kel hin­ein, daß es sich nicht mehr rüh­ren noch re­gen kann. Ich ken­ne einen sol­chen Re­chen­meis­ter in By­zanz, der ist kein Mann und be­siegt die Män­ner. Du kennst ihn auch, Wi­ti­chis?« -- so fra­gend wand­te er sich an den Mann mit dem Schwert.

»Ich ken­ne Nar­ses«, sag­te die­ser, der sehr ernst ge­wor­den, nach­denk­lich. »Was du ge­spro­chen, Hil­dungs Sohn, ist lei­der wahr, sehr wahr. Ähn­li­ches ist mir oft schon durch die See­le ge­gan­gen, aber un­klar, dun­kel, mehr ein Grau­en als ein Den­ken. Dei­ne Wor­te sind un­wi­der­leg­lich: der Kö­nig am Tod -- die Fürs­tin ein halb­grie­chisch Weib -- Jus­ti­ni­an lau­ernd -- die Wel­schen schlan­gen­falsch -- die Feld­herrn von By­zanz Zau­be­rer von Kunst, aber« -- hier hol­te er tief Atem -- »wir ste­hen nicht al­lein, wir Go­ten. Un­ser wei­ser Kö­nig hat sich Freun­de, Ver­bün­de­te ge­schaf­fen in Über­fluß. Der Kö­nig der Van­da­len ist sein Schwes­ter­mann, der Kö­nig der West­go­ten sein En­kel, die Kö­ni­ge der Bur­gun­der, der He­ru­ler, der Thü­rin­ger, der Fran­ken sind ihm ver­schwä­gert, alle Völ­ker eh­ren ihn wie ih­ren Va­ter, die Sar­ma­ten, die fer­nen Esthen selbst an der Ost­see sen­den ihm hul­di­gend Pelz­werk und gel­ben Bern­stein. Ist das al­les.«

»Nichts ist das al­les, Schmei­chel­wor­te sin­d’s und bun­te Lap­pen! Sol­len uns die Esthen hel­fen mit ih­rem Bern­stein wi­der Be­lisar und Nar­ses? Weh uns, wenn wir nicht al­lein sie­gen kön­nen. Die­se Schwä­ger und Ei­da­me schmei­cheln, so lan­ge sie zit­tern, und wenn sie nicht mehr zit­tern, wer­den sie dro­hen. Ich ken­ne die Treue der Kö­ni­ge! Wir ha­ben Fein­de rings­um, of­fe­ne und ge­hei­me, und kei­nen Freund als uns selbst.«

Ein Schwei­gen trat ein, in wel­chem alle die Wor­te des Al­ten be­sorgt er­wo­gen: heu­lend fuhr der Sturm um die ver­wit­ter­ten Säu­len und rüt­tel­te an dem mor­schen Tem­pel­bau.

Da sprach zu­erst Wi­ti­chis, vom Bo­den auf­bli­ckend, si­cher und ge­faßt: »Groß ist die Ge­fahr, hof­fent­lich nicht un­ab­wend­bar. Ge­wiß hast du uns nicht hier­her be­schie­den, daß wir tat­los in die Verzweif­lung schau­en. Ge­hol­fen muß wer­den: so sprich, wie meinst du, daß zu hel­fen sei.«

Der Alte trat einen Schritt auf ihn zu und faß­te sei­ne Hand: »Wa­cker, Wi­ti­chis, Wal­ta­ris Sohn. Ich kann­te dich wohl und will dir’s treu ge­den­ken, daß vor al­len du zu­erst ein männ­lich Wort der Zu­ver­sicht ge­fun­den. Ja, ich den­ke wie du: noch ist Hil­fe mög­lich, und um sie zu fin­den, habe ich euch hier­her ge­ru­fen, wo uns kein Wel­scher hört. Sa­get nun an und ra­tet: dann will ich spre­chen.«

Da alle schwie­gen, wand­te er sich zu dem Schwarz­ge­lock­ten: »Wenn du denkst wie wir, so sprich auch du, Teja. Wa­rum schwiegst du bis­her?«

»Ich schwei­ge, weil ich an­ders den­ke denn ihr.«

Die an­dern staun­ten. Hil­de­brand sprach: »Wie meinst du das, mein Sohn?«

»Hil­de­bad und To­ti­la se­hen nicht die Ge­fahr, du und Wi­ti­chis, ihr se­het sie und hof­fet, ich aber sah sie längst und hof­fe nicht.«

»Du siehst zu schwarz, wer darf ver­zwei­feln vor dem Kampf?« mein­te Wi­ti­chis.

»Sol­len wir, das Schwert in der Schei­de, ohne Kampf, ohne Ruhm un­ter­ge­hen?« rief To­ti­la.

»Nicht ohne Kampf, mein To­ti­la, und nicht ohne Ruhm, so weiß ich«, ant­wor­te­te Teja, lei­se die Streitaxt zu­ckend. »Kämp­fen wol­len wir, daß man es nie ver­ges­sen soll in al­len Ta­gen: kämp­fen mit höchs­tem Ruhm, aber ohne Sieg. Der Stern der Go­ten sinkt.«

»Mir deucht, er will erst recht hoch stei­gen«, rief To­ti­la un­ge­dul­dig. »Laßt uns vor den Kö­nig tre­ten, sprich du, Hil­de­brand, zu ihm, wie du zu uns ge­spro­chen. Er ist wei­se: er wird Rat fin­den.«

Der Alte schüt­tel­te den Kopf: »Zwan­zig­mal hab’ ich zu ihm ge­spro­chen. Er hört mich nicht mehr. Er ist müde und will ster­ben, und sei­ne See­le ist ver­dun­kelt, ich weiß nicht, durch wel­chen Schat­ten. Was denkst du, Hil­de­bad?«

»Ich den­ke«, sprach die­ser, sich hoch auf­rich­tend, »so­wie der alte Löwe die mü­den Au­gen ge­schlos­sen, rüs­ten wir zwei Hee­re. Das eine füh­ren Wi­ti­chis und Teja vor By­zanz und bren­nen es nie­der, mit den an­dern stei­gen ich und mein Bru­der über die Al­pen und zer­schla­gen Pa­ris, das Dra­chen­nest der Mero­win­ger, zu ei­nem Stein­hau­fen für alle Zu­kunft. Dann wird Ruhe sein, im Os­ten und im Nor­den.«

»Wir ha­ben kei­ne Schif­fe ge­gen By­zanz«, sprach Wi­ti­chis.

»Und die Fran­ken sind sie­ben wi­der einen ge­gen uns«, sag­te Hil­de­brand. »Aber wa­cker meinst du’s, Hil­de­bad. Sage, was rätst du, Wi­ti­chis?«

»Ich rate einen Bund, mit Schwü­ren be­schwert, mit Gei­seln ge­si­chert, al­ler Nord­stäm­me ge­gen die Grie­chen.«

»Du glaubst an Treue, weil du sel­ber treu. Nein Freund, nur die Go­ten kön­nen den Go­ten hel­fen. Man muß sie nur wie­der dar­an er­in­nern, daß sie Go­ten sind. Hört mich an. Ihr alle seid jung und liebt al­ler­lei Din­ge und habt vie­ler­lei Freu­den. Der eine liebt ein Weib, der an­de­re die Waf­fen, der drit­te ir­gend­ei­ne Hoff­nung oder auch ir­gend­ei­nen Gram, der ihm ist wie eine Ge­lieb­te. Aber glaubt mir, es kommt eine Zeit -- und die Not kann sie euch noch in jun­gen Ta­gen brin­gen --, da all die­se Freu­den und selbst Schmer­zen wert­los wer­den wie wel­ke Krän­ze vom Ge­lag von ges­tern.

Da wer­den denn vie­le weich und fromm und ver­ges­sen des, was auf Er­den, und trach­ten nach dem, was hin­ter dem Gra­be ist. Ich kann’s nicht und ihr, mein’ ich, und vie­le von uns kön­nen’s auch nicht. Die Erde lie­b’ ich mit Berg und Wald und Wei­de und stru­deln­dem Strom und das Le­ben dar­auf mit heißem Haß und lan­ger Lie­be, mit zä­hem Zorn und stum­mem Stolz. Von je­nem Luft­le­ben da dro­ben in den Wind­wol­ken, wie’s die Chris­ten­pries­ter leh­ren, weiß ich nichts und will ich nichts wis­sen, Eins aber bleibt dem Mann, dem rech­ten, wenn al­les an­de­re da­hin. Ein Gut, von dem er nim­mer läßt. Seht mich an. Ich bin ein ent­laub­ter Stamm, al­les hab’ ich ver­lo­ren, was mein Le­ben er­freu­te: mein Weib ist tot seit vie­len Jah­ren, mei­ne Söh­ne sind tot, mei­ne En­kel sind tot: bis auf einen, der ist schlim­mer als tot: der ist ein Wel­scher ge­wor­den. Da­hin und lang ver­mo­dert sind sie alle, mit de­nen ich ein ke­cker Kna­be und ein mar­ki­ger Mann ge­we­sen, und schon steigt mei­ne ers­te Lie­be und mein letz­ter Stolz, mein großer Kö­nig, müde in sein Grab. Nun seht, was hält mich noch im Le­ben? Was gibt mir Mut, Lust, Zwang zu le­ben? Was treibt mich Al­ten wie einen Jüng­ling in die­ser Stur­m­nacht auf die Ber­ge? Was lo­dert hier un­ter dem Eis­bart heiß in lau­ter Lie­be, in stör­ri­gem Stolz und in trot­zi­ger Trau­er? Was an­de­res als der Drang, der un­au­stilg­bar in uns­rem Blu­te liegt, der tie­fe Drang und Zug zu mei­nem Volk, die Lie­be, die lo­dern­de, die all­ge­wal­ti­ge, zu dem Ge­schlech­te, das da Go­ten heißt, und das die süße, heim­li­che, herr­li­che Spra­che re­det mei­ner El­tern, der Zug zu de­nen, die da spre­chen, füh­len, le­ben wie ich. Sie bleibt, sie al­lein, die­se Volks­lie­be, ein Op­fer­feu­er, in dem Her­zen, dar­in­nen alle and­re Glut er­lo­schen, sie ist das teu­re, das mit Schmer­zen ge­lieb­te Hei­lig­tum, das Höchs­te in je­der Man­nes­brust, die stärks­te Macht in sei­ner See­le, treu bis zum Tod und un­be­zwing­bar.«

Der Alte hat­te sich in Be­geis­te­rung ge­re­det -- sein Haar flog im Win­de -- er stand wie ein al­ter, hü­nen­haf­ter Pries­ter un­ter den jun­gen Män­nern, wel­che die Fäus­te an ih­ren Waf­fen ball­ten.

End­lich sprach Teja: »Du hast recht, die­se Flam­me lo­dert noch, wo al­les sonst er­lo­schen. Aber sie brennt in dir, in uns, viel­leicht noch in hun­dert an­dern uns­rer Brü­der. Kann das ein gan­zes Volk er­ret­ten? Nein! Und kann die­se Glut die Mas­se er­grei­fen, die Tau­sen­de, die Hun­dert­tau­sen­de?«

»Sie kann es, mein Sohn, sie kann es. Dank al­len Göt­tern, daß sie’s kann. Höre mich an. Es sind jetzt fünf­und­vier­zig Jah­re, da wa­ren wir Go­ten, vie­le Hun­dert­tau­sen­de, mit Wei­bern und Kin­dern, in den Schluch­ten der Hämus-Ber­ge ein­ge­schlos­sen.

Wir la­gen in höchs­ter Not. Des Kö­nigs Bru­der war von den Grie­chen in treu­lo­sem Über­fall ge­schla­gen und ge­tö­tet, und al­ler Mund­vor­rat, den er uns zu­füh­ren soll­te, ver­lo­ren: wir sa­ßen in den Fels­schluch­ten und lit­ten so bit­tern Hun­ger, daß wir Gras und Le­der koch­ten. Hin­ter uns die un­er­steig­li­chen Fel­sen, vor uns und zur Lin­ken das Meer, rechts in ei­nem Eng­paß die Fein­de in drei­fa­cher Über­zahl. Vie­le Tau­sen­de von uns wa­ren dem Hun­ger, dem Win­ter er­le­gen; zwan­zig­mal hat­ten wir ver­ge­bens ver­sucht, je­nen Paß zu durch­bre­chen. Wir woll­ten ver­zwei­feln. Da kam ein Ge­sand­ter des Kai­sers und bot uns Le­ben, Frei­heit, Wein, Brot, Fleisch un­ter ei­ner ein­zi­gen Be­din­gung: wir soll­ten ge­trennt von­ein­an­der, zu vier und vier, über das gan­ze Wel­treich Roms zer­streut wer­den, kei­ner von uns mehr ein go­tisch Weib frei­en, kei­ner sein Kind mehr uns­re Spra­che und Sit­te leh­ren dür­fen, Name und We­sen der Go­ten soll­ten ver­schwin­den, Rö­mer soll­ten wir wer­den. Da sprang der Kö­nig auf, rief uns zu­sam­men und trug’s uns vor in flam­men­der Rede und frag­te zu­letzt, ob wir lie­ber auf­ge­ben woll­ten Spra­che, Sit­te, Le­ben uns­res Vol­kes oder lie­ber mit ihm ster­ben? Da fuhr sein Wort in die Hun­der­te, die Tau­sen­de, die Hun­dert­tau­sen­de wie der Wald­brand in die dür­ren Stäm­me, auf­schri­en sie, die wa­ckern Män­ner, wie ein tau­send­stim­mi­ges, brül­len­des Meer, die Schwer­ter schwan­gen sie, auf den Eng­paß stürz­ten sie, und weg­ge­fegt wa­ren die Grie­chen, als hät­ten sie nie ge­stan­den, und wir wa­ren Sie­ger und frei.«

Sein Auge glänz­te in stol­zer Erin­ne­rung, nach ei­ner Pau­se fuhr er fort: »Dies al­lein ist, was uns heu­te ret­ten kann wie da­zu­mal: füh­len erst die Go­ten, daß sie für je­nes Höchs­te fech­ten, für den Schutz je­nes ge­heim­nis­vol­len Klein­ods, das in Spra­che und Sit­te ei­nes Vol­kes liegt wie ein Wun­der­born, dann kön­nen sie la­chen zu dem Haß der Grie­chen, zu der Tücke der Wel­schen. Und das vor al­lem woll­t’ ich euch fra­gen, fest und fei­er­lich: fühlt ihr es wie ich so klar, so ganz, so mäch­tig, daß die­se Lie­be zu uns­rem Volk un­ser Höchs­tes ist, un­ser schöns­ter Schatz, un­ser stärks­ter Schild? Könnt ihr spre­chen wie ich: mein Volk ist mir das Höchs­te, und alle, al­les and­re da­ge­gen nichts, ihm will ich op­fern, was ich bin und habe, wollt ihr das, könnt ihr das!«

»Ja, das will ich, ja, das kann ich!« spra­chen die vier Män­ner.

»Wohl«, fuhr der Alte fort, »das ist gut. Aber Teja hat recht: nicht alle Go­ten füh­len das jetzt, heu­te schon, wie wir, und doch müs­sen es alle füh­len, wenn es hel­fen soll. Da­rum ge­lo­bet mir, von heut an un­abläs­sig euch selbst und alle uns­res Vol­kes, mit de­nen ihr lebt und han­delt, zu er­fül­len mit dem Hauch die­ser Stun­de. Vie­len, vie­len hat der frem­de Glanz die Au­gen ge­blen­det: vie­le ha­ben grie­chi­sche Klei­der an­ge­tan und rö­mi­sche Ge­dan­ken: sie schä­men sich, Bar­ba­ren zu hei­ßen: sie wol­len ver­ges­sen und ver­ges­sen ma­chen, daß sie Go­ten sind -- wehe über die To­ren!

Sie ha­ben das Herz aus ih­rer Brust ge­ris­sen und wol­len le­ben, sie sind wie Blät­ter, die sich stolz vom Stam­me ge­löst, und der Wind wird kom­men und wird sie ver­we­hen in Schlamm und Pfüt­zen, daß sie ver­fau­len: aber der Stamm wird ste­hen mit­ten im Sturm und wird le­ben­dig er­hal­ten, was treu an ihm haf­tet. Da­rum sollt ihr euer Volk we­cken und mah­nen über­all und im­mer. Den Kna­ben er­zählt die Sa­gen der Vä­ter, von den Hun­nen­schlach­ten, von den Rö­mer­sie­gen: den Män­nern zeigt die dro­hen­de Ge­fahr und wie nur das Volks­tum un­ser Schild: eure Schwes­tern er­mahnt, daß sie kei­nen Rö­mer um­ar­men und kei­nen Röm­ling: eure Bräu­te, eure Wei­ber lehrt, daß sie al­les, sich selbst und euch op­fern dem Glück der gu­ten Go­ten, auf daß, wenn die Fein­de kom­men, sie fin­den ein star­kes Volk, stolz, ei­nig, fest, dar­an sie zer­schel­len sol­len wie die Wo­gen am Fels. Wollt ihr mir dazu hel­fen?«

»Ja«, spra­chen sie, »das wol­len wir.«

»Ich glau­be euch«, fuhr der Alte fort, »glau­be eu­rem blo­ßen Wort. Nicht um euch fes­ter zu bin­den -- denn was bän­de den Fal­schen? --, son­dern weil ich treu hän­ge an al­tem Brauch und weil bes­ser ge­deiht, was ge­schieht nach Sit­te der Vä­ter -- fol­get mir.«

Zweites Kapitel

Mit die­sen Wor­ten nahm er die Fa­ckel von der Säu­le und schritt quer durch den In­nen­raum, die Cel­la des Tem­pels, vor­über an dem zer­fal­le­nen Haupt­al­tar, vor­bei an den Posta­men­ten der lang her­ab­ge­stürz­ten Göt­ter­bil­der nach der Hin­ter­sei­te des Ge­bäu­des, dem Po­sti­cum. Schwei­gend folg­ten die Ge­la­de­nen dem Al­ten, der sie über die Stu­fen hin­un­ter ins Freie führ­te.

Nach ei­ni­gen Schrit­ten stan­den sie un­ter ei­ner ur­al­ten Stein­ei­che, de­ren mäch­ti­ges Ge­äst wie ein Dach Sturm und Re­gen ab­hielt. Un­ter die­sem Baum bot sich ih­nen ein selt­sa­mer An­blick, der aber die go­ti­schen Män­ner so­fort an eine alte Sit­te aus dem grau­en Hei­den­tum, aus der fer­nen nor­di­schen Hei­mat ge­mahn­te. Un­ter der Ei­che war ein Strei­fen des dich­ten Ra­sens auf­ge­schlitzt, nur einen Fuß breit, aber meh­re­re El­len lang, die bei­den En­den des Strei­fens haf­te­ten noch lo­cker am Grun­de: in der Mit­te war der Ra­sen­gür­tel auf drei un­gleich in die Erde ge­ramm­te hohe Spee­re em­por­ge­spreizt, in der Mit­te von dem längs­ten Speer ge­stützt, so daß die Vor­rich­tung ein Drei­eck bil­de­te, un­ter des­sen Dach zwi­schen den Speer­säu­len meh­re­re Män­ner be­quem ste­hen konn­ten. In der so ge­won­ne­nen Er­drit­ze stand ein eher­ner Kes­sel, mit Was­ser ge­füllt, da­ne­ben lag ein spit­zes und schar­fes Schlacht­mes­ser, ur­alt: das Heft vom Horn des Au­ers­tiers, die Klin­ge von Feu­er­stein. Der Greis trat nun her­an, stieß die Fa­ckel dicht ne­ben dem Kes­sel in die Erde, stieg dann, mit dem rech­ten Fuß vor­aus, in die Gru­be, wand­te sich ge­gen Os­ten und neig­te das Haupt: dann wink­te er die Freun­de zu sich, mit dem Fin­ger am Mund ih­nen Schwei­gen be­deu­tend. Laut­los tra­ten die Män­ner in die Rin­ne und stell­ten sich, Wi­ti­chis und Teja zu sei­ner Lin­ken, die bei­den Brü­der zu sei­ner Rech­ten, und alle fünf reich­ten sich die Hän­de zu ei­ner fei­er­li­chen Ket­te. Dann ließ der Alte Wi­ti­chis und Hil­de­bad, die ihm zu­nächst stan­den, los und knie­te nie­der. Zu­erst raff­te er eine Hand­voll der schwar­zen Wal­der­de auf und warf sie über die lin­ke Schul­ter. Dann griff er mit der an­dern Hand in den Kes­sel und spreng­te das Was­ser rechts hin­ter sich. Da­rauf blies er in die we­hen­de Nacht­luft, die sau­send in sei­nen lan­gen Bart weh­te. End­lich schwang er die Fa­ckel von der Rech­ten zur Lin­ken über sein Haupt. Dann steck­te er sie wie­der in die Erde und sprach mur­melnd vor sich hin:

»Höre mich an, alte Erde, wal­len­des Was­ser, leich­te Luft, fla­ckern­de Flam­me! Hö­ret mich wohl und be­wah­ret mein Wort: Hier ste­hen fünf Män­ner vom Ge­schlech­te des Gaut, Teja und To­ti­la, Hil­de­bad und Hil­de­brand und Wi­ti­chis, Wal­ta­ris Sohn.

Wir ste­hen hier in stil­ler Stun­de, Zu bin­den einen Bund von Bluts­brü­dern, Für im­mer und ewig und alle Tage. Wir sol­len uns sein wie Sip­pe­ge­sel­len In Frie­den und Feh­de, in Ra­che und Recht. Ein Hof­fen, ein Has­sen, ein Lie­ben, ein Lei­den, Wie wir träu­fen zu ei­nem Trop­fen Un­ser Blut als Bluts­brü­der.«

Bei die­sen Wor­ten ent­blö­ßte er den lin­ken Arm, die an­dern ta­ten des­glei­chen, eng an­ein­an­der streck­ten sich die fünf Arme über den Kes­sel, der Alte hob das schar­fe Stein­mes­ser und ritz­te mit ei­nem Schnitt sich und den vier an­de­ren die Haut des Vor­der­ar­mes, daß das Blut al­ler in ro­ten Trop­fen in den eher­nen Kes­sel floß.

Dann nah­men sie wie­der die frü­he­re Stel­lung ein, und mur­melnd fuhr der Alte fort:

»Und wir schwö­ren den schwe­ren Schwur, Zu op­fern all un­ser Ei­gen, Haus, Hof und Habe, Roß, Rüs­tung und Rind, Sohn, Sip­pe und Ge­sin­de, Weib und Waf­fen und Leib und Le­ben Dem Glanz und Glück des Ge­schlech­tes von Gaut, Den gu­ten Go­ten. Und wer von uns sich woll­te wei­gern, Den Eid zu eh­ren mit al­len Op­fern« --

Hier tra­ten er, und auf sei­nen Wink auch die an­dern, aus der Gru­be und un­ter dem Ra­sen­strei­fen her­vor:

»Des ro­tes Blut soll rin­nen un­ge­rä­chet Wie dies Was­ser un­term Waldra­sen« --

Er er­hob den Kes­sel, goß sein blu­ti­ges Was­ser in die Gru­be und nahm ihn wie das an­de­re Gerät her­aus:

»Auf des Haupt sol­len des Him­mels Hal­len Dumpf nie­der­don­nern und ihn er­drücken, Wuch­tig so wie die­ser Ra­sen.«

Er schlug mit ei­nem Streich die drei span­nen­den Lan­zen­schäf­te nie­der, und dumpf fiel die schwe­re Ra­sen­de­cke nie­der in die Rin­ne. Die fünf Män­ner stell­ten sich nun mit ver­schlun­ge­nen Hän­den auf die wie­der vom Ra­sen ge­deck­te Stel­le, und in ra­sche­rem Ton fuhr der Alte fort: »Und wer von uns nicht ach­tet die­ses Ei­des und die­ses Bun­des und wer nicht die Bluts­brü­der als ech­te Brü­der schützt im Le­ben und rächt im Tode, und wer sich wei­gert, sein Al­les zu op­fern dem Volk der Go­ten, wann die Not es be­gehrt und ein Bru­der ihn mahnt, der soll ver­fal­len sein auf im­mer den un­tern, den ewi­gen, den wüs­ten Ge­wal­ten, die da hau­sen un­ter dem grü­nen Gras des Erd­grun­des: gute Men­schen sol­len mit Fü­ßen schrei­ten über des Nei­dings Haupt, und sein Name soll ehr­los sein so­weit Chris­ten­leu­te Glo­cken läu­ten und Hei­den­leu­te Op­fer schlach­ten, so­weit Mut­ter Kind ko­set und der Wind weht über die wei­te Welt. Sagt an, ihr Ge­sel­len, soll’s ihm also ge­sche­hen, dem nied­ri­gen Nei­ding?«

»So soll ihm ge­sche­hen«, spra­chen die vier Män­ner ihm nach.

Nach ei­ner erns­ten Pau­se lös­te Hil­de­brand die Ket­te der Hän­de und sprach: »Und auf daß ih­r’s wißt, wel­che Wei­he die­se Stät­te hat für mich -- jetzt auch für euch --, warum ich euch zu sol­chem Tun ge­ra­de hier­her be­schie­den und zu die­ser Nacht -- kommt und se­het.« Und also spre­chend er­hob er die Fa­ckel und schritt vor­an hin­ter den mäch­ti­gen Stamm der Ei­che, vor der sie ge­schwo­ren. Schwei­gend folg­ten die Freun­de, bis sie an der Kehr­sei­te des al­ten Bau­mes hiel­ten und hier mit Stau­nen ge­ra­de ge­gen­über der Ra­sen­gru­be, in wel­cher sie ge­stan­den, ein brei­tes of­fe­nes Grab gäh­nen sa­hen, von wel­chem die de­cken­de Fels­plat­te hin­weg­ge­wälzt war: da ruh­ten in der Tie­fe, im Licht der Fa­ckel geis­ter­haft er­glän­zend, drei wei­ße, lan­ge Ske­let­te, ein­zel­ne ver­ros­te­te Waf­fen­stücke, Lan­zen­spit­zen, Schild­bu­ckel la­gen da­ne­ben. Die Män­ner blick­ten über­rascht bald in die Gru­be, bald auf den Greis. Die­ser leuch­te­te lan­ge schwei­gend in die Tie­fe. End­lich sag­te er ru­hig: »Mei­ne drei Söh­ne. Sie lie­gen hier über drei­ßig Jah­re. Sie fie­len auf die­sem Berg, in dem letz­ten Kampf um die Stadt Ra­ven­na. Sie fie­len in ei­ner Stun­de, heu­te ist der Tag. Sie spran­gen ju­belnd in die Spee­re für ihr Volk.«

Er hielt inne. Mit Rüh­rung sa­hen die Män­ner vor sich hin. End­lich rich­te­te sich der Alte hoch auf und sah ge­gen den Him­mel. »Es ist ge­nug«, sag­te er, »die Ster­ne blei­chen. Mit­ter­nacht ist längst vor­über. Geht, ihr an­dern, in die Stadt zu­rück. Du, Teja, bleibst wohl bei mir: -- dir ist ja vor an­dern, wie des Lie­des, der Trau­er Gabe ge­ge­ben -- und hältst mit mir die Ehren­wacht bei die­sen To­ten.«

Teja nick­te und setz­te sich, ohne eine Wort, zu Fü­ßen des Gra­bes, wo er stand, nie­der. Der Alte reich­te To­ti­la die Fa­ckel und lehn­te sich Teja ge­gen­über auf die Fels­plat­te. Die an­dern drei wink­ten ihm schei­dend zu. Und ernst und in schwei­gen­de Ge­dan­ken ver­sun­ken stie­gen sie hin­un­ter zur Stadt.

Drittes Kapitel

We­ni­ge Wo­chen nach je­ner nächt­li­chen Zu­sam­men­kunft bei Ra­ven­na fand zu Rom eine Ve­rei­ni­gung statt, eben­falls heim­lich, eben­falls un­ter dem Schut­ze der Nacht, aber von ganz an­de­ren Män­nern zu ganz an­de­ren Zwe­cken.

Das ge­sch­ah in der Ap­pi­schen Stra­ße nahe dem Gö­me­te­ri­um des hei­li­gen Ka­lix­tus in ei­nem halb­ver­schüt­te­ten Gang der Ka­ta­kom­ben, je­ner rät­sel­haf­ten un­ter­ir­di­schen Wege, die un­ter den Stra­ßen und Plät­zen Roms fast eine zwei­te Stadt bil­de­ten. Es sind die­se ge­heim­nis­vol­len Räu­me -- ur­sprüng­lich alte Be­gräb­nisplät­ze, oft die Zuf­lucht der jun­gen Chris­ten­ge­mein­de -- so viel­fach ver­schlun­gen und ihre Kreu­zun­gen, End­punk­te, Aus- und Ein­gän­ge so schwie­rig zu fin­den, daß nur un­ter ort­ver­trau­tes­ter Füh­rung ihre in­ne­ren Tie­fen be­tre­ten wer­den kön­nen. Aber die Män­ner, de­ren ge­hei­men Ver­kehr wir dies­mal be­lau­schen, fürch­te­ten kei­ne Ge­fahr. Sie wa­ren gut ge­führt. Denn es was Sil­ve­r­i­us, der ka­tho­li­sche Archi­dia­ko­nus der al­ten Kir­che des hei­li­gen Se­bas­ti­an, der un­mit­tel­bar von der Kryp­ta sei­ner Ba­si­li­ka aus die Freun­de auf stei­len Stu­fen in die­sen Zweig­arm der Ge­wöl­be ge­führt hat­te; und die rö­mi­schen Pries­ter stan­den in dem Rufe, seit den Ta­gen der ers­ten Chris­ten Kennt­nis je­ner La­by­rin­the fort­ge­pflanzt zu ha­ben. Die Ver­sam­mel­ten schie­nen sich auch hier nicht zum ers­ten­mal ein­zu­fin­den: die Schau­er des Or­tes mach­ten we­nig Ein­druck auf sie. Gleich­gül­tig lehn­ten sie an den Wän­den des un­heim­li­chen Hal­brunds, das, von ei­ner bron­ze­nen Hän­ge­lam­pe spär­lich be­leuch­tet, den Schluß des nied­ri­gen Gan­ges bil­de­te, gleich­gül­tig hör­ten sie die feuch­ten Trop­fen von der De­cke zur Erde fal­len, und wenn ihr Fuß hier und da an wei­ße, halb­ver­mo­der­te Kno­chen stieß, scho­ben sie auch die­se gleich­gül­tig auf die Sei­te.

Es wa­ren au­ßer Sil­ve­r­i­us noch ei­ni­ge an­de­re recht­gläu­bi­ge Pries­ter und eine Mehr­zahl vor­neh­mer Rö­mer aus den Adels­ge­schlech­tern des west­li­chen Kai­ser­reichs an­we­send, die seit Jahr­hun­der­ten in fast erb­li­chem Be­sitz der hö­he­ren Wür­den des Staa­tes und der Stadt ge­blie­ben.

Schwei­gend und auf­merk­sam be­ob­ach­te­ten sie die Be­we­gun­gen des Archi­dia­kons, der sich, nach­dem er die Er­schie­ne­nen ge­mus­tert und in ei­ni­ge der ein­mün­den­den Gän­ge, in de­ren Dun­kel man jun­ge Leu­te in pries­ter­li­chen Klei­dern Wa­che hal­ten sah, prü­fen­de Bli­cke ge­wor­fen hat­te, jetzt of­fen­bar an­schick­te, die Ver­samm­lung in al­ler Form zu er­öff­nen.

Noch ein­mal trat er auf einen hoch­ge­wach­se­nen Mann zu, der ihm ge­gen­über re­gungs­los an der Mau­er lehn­te, und mit dem er wie­der­holt Bli­cke ge­tauscht hat­te: und nach­dem die­ser auf eine fra­gen­de Mie­ne schwei­gend ge­nickt, wand­te er sich ge­gen die üb­ri­gen und sprach:

»Ge­lieb­te im Na­men des drei­ei­ni­gen Got­tes! Wie­der ein­mal sind wir hier ver­sam­melt zu hei­li­gem Werk.

Das Schwert von Edom ist ge­zückt ob uns­rem Haupt, und Kö­nig Pha­rao lechzt nach dem Blut der Kin­der Is­rael. Wir aber fürch­ten nicht jene, die den Leib tö­ten und der See­le nichts an­ha­ben kön­nen, wir fürch­ten viel­mehr je­nen, der da Leib und See­le ver­der­ben mag mit ewi­gem Feu­er. Wir ver­trau­en im Schau­er der Nacht auf die Hil­fe des­sen, der sein Volk durch die Wüs­te ge­führt hat, bei Tag in der Rauch­wol­ke, bei Nacht in der Feu­er­wol­ke. Und dar­an wol­len wir hal­ten und wol­len es nie ver­ges­sen: was wir lei­den, wir lei­den es um Got­tes wil­len, was wir tun, wir tun’s zu sei­nes Na­mens Ehre. Dank ihm, denn er hat ge­seg­net un­sern Ei­fer. Klein, wie des Evan­ge­li­ums, wa­ren un­se­re An­fän­ge, aber schon sind wir ge­wach­sen wie ein Baum an fri­schen Was­ser­bä­chen. Mit Furcht und Za­gen ka­men wir an­fangs hier zu­sam­men: groß war die Ge­fahr, schwach die Hoff­nung: ed­les Blut der Bes­ten war ge­flos­sen: -- heu­te, wenn wir fest blei­ben im Glau­ben, dür­fen wir es kühn­lich sa­gen: der Thron des Kö­nigs Pha­rao steht auf Fü­ßen von Schilf, und die Tage der Ket­zer sind ge­zählt in die­sem Lan­de.«

»Zur Sa­che!« rief ein jun­ger Rö­mer da­zwi­schen, mit kurz­krau­sem, schwar­zem Haar und blit­zen­den, schwar­zen Au­gen; un­ge­dul­dig warf er das Sa­gum von der lin­ken Hüf­te über die rech­te Schul­ter zu­rück, daß das kur­ze Schwert sicht­bar wur­de. »Zur Sa­che, Pries­ter! Was soll heut’ ge­schehn?«

Sil­ve­r­i­us warf auf den Jüng­ling einen Blick, der leb­haf­ten Un­wil­len über solch ke­cke Selb­stän­dig­keit nicht ganz mit sal­bungs­vol­ler Ruhe zu ver­de­cken ver­moch­te. Schar­fen To­nes fuhr er fort: »Auch die an die Hei­lig­keit uns­res Zweckes nicht zu glau­ben schei­nen, soll­ten doch den Glau­ben an die­se Hei­lig­keit bei an­dern nicht stö­ren, um ih­rer eig­nen welt­li­chen Zie­le wil­len nicht. Heu­te aber, Li­ci­ni­us, mein ra­scher Freund, soll ein neu­es hoch­will­kom­me­nes Glied uns­rem Bun­de ein­ge­fügt wer­den: sein Bei­tritt ist ein sicht­ba­res Zei­chen der Gna­de Got­tes.«

»Wen willst du ein­füh­ren? Sind die Vor­be­din­gun­gen er­füllt? Haf­test du für ihn un­be­dingt? Oder stellst du and­re Bürg­schaft?« so frag­te ein and­rer der Ver­sam­mel­ten, ein Mann in rei­fen Jah­ren, mit gleich­mä­ßi­gen Zü­gen, der, einen Stab zwi­schen den Fü­ßen, ru­hig auf ei­nem Vor­sprung der Mau­er saß. -- »Ich haf­te, mein Scä­vo­la; üb­ri­gens ge­nügt sei­ne Per­son.«

»Nichts der­glei­chen. Die Sat­zung uns­res Bun­des ver­langt Ver­bür­gung, und ich be­ste­he dar­auf«, sag­te Scä­vo­la ru­hig. -- »Nun gut, gut, ich bür­ge, zä­he­s­ter al­ler Ju­ris­ten!« wie­der­hol­te der Pries­ter mit Lä­cheln. Er wink­te in einen der Gän­ge zur Lin­ken.

Zwei jun­ge Os­tia­rii führ­ten von da in die Mit­te des Ge­wöl­bes einen Mann, auf des­sen ver­hüll­tes Haupt al­ler Au­gen ge­rich­tet wa­ren. Nach ei­ner Pau­se hob Sil­ve­r­i­us den Über­wurf von Kopf und Schul­tern des An­kömm­lings.

»Al­bi­nus!« rie­fen die an­dern in Über­ra­schung, Ent­rüs­tung, Zorn.

Der jun­ge Li­ci­ni­us fuhr ans Schwert, Scä­vo­la stand lang­sam auf, wild durch­ein­an­der scholl es: »Wie? Al­bi­nus? Der Ver­rä­ter?« Scheu­en Blickes sah der Ge­schol­te­ne um sich, sei­ne schlaf­fen Züge be­kun­de­ten an­ge­bo­re­ne Feig­heit: wie Hil­fe fle­hend haf­te­te sein Auge auf dem Pries­ter. »Ja, Al­bi­nus!« sag­te die­ser ru­hig. »Will ei­ner der Ver­bün­de­ten wi­der ihn spre­chen? Er rede.« -- »Bei mei­nem Ge­ni­us«, rief Li­ci­ni­us rasch vor al­len, »braucht es da der Rede? Wir wis­sen alle, wer Al­bi­nus ist, was er ist. Ein fei­ger, schänd­li­cher Ver­rä­ter!« -- Der Zorn er­stick­te sei­ne Stim­me. »Schmä­hun­gen sind kei­ne Be­wei­se«, nahm Scä­vo­la das Wort. »Aber ich fra­ge ihn selbst, er soll hier vor al­len be­ken­nen. Al­bi­nus, bist du es, oder bist du es nicht, der, als die An­fän­ge des Bun­des dem Ty­ran­nen ver­ra­ten wa­ren, als du noch al­lein von uns al­len ver­klagt warst, es mit an­sahst, daß die ed­len Män­ner, Boëthi­us und Sym­ma­chus, uns­re Mit­ver­bün­de­ten, weil sie dich mu­tig vor dem Wü­te­rich ver­tei­dig­ten, ver­folgt, ge­fan­gen, ih­res Ver­mö­gens be­raubt, hin­ge­rich­tet wur­den, wäh­rend du, der ei­gent­li­che An­ge­klag­te, durch einen schmäh­li­chen Eid, dich nie mehr um den Staat küm­mern zu wol­len, und durch ur­plötz­li­ches Ver­schwin­den dich ge­ret­tet hast? Sprich, bist du es, um des­sen Feig­heit wil­len die Zier­den des Va­ter­lan­des ge­fal­len?«

Ein Mur­ren des Un­wil­lens ging durch die Ver­samm­lung. Der An­ge­schul­dig­te blieb stumm und beb­te, selbst Sil­ve­r­i­us ver­lor einen Au­gen­blick die Hal­tung. Da rich­te­te sich je­ner Mann, der ihm ge­gen­über an der Fels­wand lehn­te, auf und trat einen Schritt her­zu; sei­ne Nähe schi­en den Pries­ter zu er­kräf­ti­gen, und er be­gann wie­der: »Ihr Freun­de, es ist ge­sche­hen, was ihr sagt, nicht wie ih­r’s sagt. Vor al­lem wis­set: Al­bi­nus ist an al­lem am we­nigs­ten schul­dig. Was er ge­tan, er tat’s auf mei­nen Rat.« -- »Auf dei­nen Rat?« -- »Das wagst du zu be­ken­nen?« -- »Al­bi­nus war ver­klagt durch den Ver­rat ei­nes Skla­ven, der die Ge­heim­schrift in den Brie­fen nach By­zanz ent­zif­fert hat­te. Der gan­ze Arg­wohn des Ty­ran­nen war ge­weckt: je­der Schein von Wi­der­stand, von Zu­sam­men­hang muß­te die Ge­fahr ver­meh­ren. Der Un­ge­stüm von Boëthi­us und Sym­ma­chus, die ihn mu­tig ver­tei­dig­ten war edel, aber tö­richt. Denn er zeig­te den Bar­ba­ren die Ge­sin­nung des gan­zen Adels von Rom, zeig­te, daß Al­bi­nus nicht al­lein ste­he. Sie han­del­ten ge­gen mei­nen Rat, lei­der ha­ben sie es im Tode ge­büßt. Aber ihr Ei­fer war auch über­flüs­sig: denn den ver­rä­te­rischen Skla­ven raff­te plötz­lich vor wei­tern Aus­sa­gen die Hand des Herrn hin­weg, und es war ge­lun­gen, die Ge­heim­brie­fe des Al­bi­nus vor des­sen Ver­haf­tung zu ver­nich­ten. Je­doch glaubt ihr, Al­bi­nus wür­de auf der Fol­ter, wür­de un­ter To­des­dro­hun­gen ge­schwie­gen ha­ben, ge­schwie­gen, wenn ihn die Nen­nung der Mit­ver­schwo­re­nen ret­ten konn­te? Das glaubt ihr nicht, das glaub­te Al­bi­nus selbst nicht. Des­halb muß­te vor al­lem Zeit ge­won­nen, die Fol­ter ab­ge­wen­det wer­den. Dies ge­lang durch je­nen Eid. Un­ter­des­sen frei­lich blu­te­ten Boëthi­us und Sym­ma­chus: sie wa­ren nicht zu ret­ten, doch ih­res Schwei­gens, auch un­ter der Fol­ter, wa­ren wir si­cher. Al­bi­nus aber ward durch ein Wun­der aus sei­nem Ker­ker be­freit wie Sankt Pau­lus zu Phil­ip­pi. Es hieß, er sei nach Athen ent­flo­hen, und der Ty­rann be­gnüg­te sich, ihm die Rück­kehr zu ver­bie­ten. Al­lein der drei­ei­ni­ge Gott hat ihm hier in sei­nem Tem­pel eine Zuf­luchts­stät­te be­rei­tet, bis daß die Stun­de der Frei­heit naht. In der Ein­sam­keit sei­nes hei­li­gen Asy­les nun hat der Herr das Herz des Man­nes wun­der­bar ge­rührt, und un­ge­schreckt von der To­des­ge­fahr, die schon ein­mal sei­ne Lo­cke ge­streift hat, tritt er wie­der in un­sern Kreis und bie­tet dem Diens­te Got­tes und des Va­ter­lan­des sein gan­zes un­er­meß­li­ches Ver­mö­gen. Ver­nehmt: er hat all sein Gut der Kir­che Sank­tä Ma­riä Ma­jo­ris zu Bun­des­zwe­cken ver­macht. Wollt ihr ihn und sei­ne Mil­lio­nen ver­schmä­hen?«

Eine Pau­se des Stau­nens trat ein: end­lich rief Li­ci­ni­us: »Pries­ter, du bist klug wie -- ein Pries­ter. Aber mir ge­fällt sol­che Klug­heit nicht.« -- »Sil­ve­r­i­us«, sprach der Ju­rist, »du magst die Mil­lio­nen neh­men. Das steht dir an. Aber ich war der Freund des Boëthi­us: mir steht nicht an, mit je­nem Fei­gen Ge­mein­schaft zu hal­ten. Ich kann ihm nicht ver­ge­ben. Hin­weg mit ihm!« -- »Hin­weg mit ihm!« scholl es von al­len Sei­ten. Scä­vo­la hat­te der Emp­fin­dung al­ler das Wort ge­lie­hen. Al­bi­nus erblaß­te, selbst Sil­ve­r­i­us zuck­te un­ter die­ser all­ge­mei­nen Ent­rüs­tung. »Cethe­gus!« flüs­ter­te er lei­se, Bei­stand hei­schend.

Da trat der Mann in die Mit­te, der bis­her im­mer ge­schwie­gen und nur mit küh­ler Über­le­gen­heit die Spre­chen­den ge­mus­tert hat­te. Er war groß und ha­ger, aber kräf­tig, von brei­ter Brust und sei­ne Mus­keln von ei­tel Stahl. Ein Pur­pursaum an der Toga und zier­li­che San­da­len ver­rie­ten Reich­tum, Rang, und Ge­schmack, aber sonst ver­hüll­te ein lan­ger, brau­ner Sol­da­ten­man­tel die gan­ze Un­ter­klei­dung der Ge­stalt. Sein Kopf war von de­nen, die man, ein­mal ge­se­hen, nie mehr ver­gißt.

Das dich­te, noch glän­zend schwar­ze Haar war nach Rö­mer­art kurz und rund um die ge­wölb­te, et­was zu große Stirn und die edel ge­form­te Schlä­fe ge­scho­ren, tief un­ter den fein ge­schweif­ten Brau­en wa­ren die schma­len Au­gen ge­bor­gen, in de­ren un­be­stimm­tem Dun­kel­grau ein gan­zes Meer ver­sun­ke­ner Lei­den­schaf­ten, aber noch be­stimm­ter der Aus­druck käl­tes­ter Selbst­be­herr­schung lag. Um die scharf ge­schnit­te­nen, bart­lo­sen Lip­pen spiel­te ein Zug stol­zer Ver­ach­tung ge­gen Gott und sei­ne gan­ze Welt. Wie er vor­trat und mit ru­hi­ger Vor­nehm­heit den Blick über die Er­reg­ten strei­fen ließ, wie sei­ne nicht ein­schmei­cheln­de, aber be­herr­schen­de Re­de­wei­se an­hob, emp­fand je­der in der Ver­samm­lung den Ein­druck be­wuß­ter Über­le­gen­heit, und we­ni­ge Men­schen moch­ten die­se Nähe ohne das Ge­fühl der Un­ter­ord­nung tra­gen.

»Was ha­dert ihr«, sag­te er kalt, »über Din­ge, die ge­sche­hen müs­sen? Wer den Zweck will, muß die Mit­tel wol­len. Ihr wollt nicht ver­ge­ben? Im­mer­hin! Da­ran liegt nichts. Aber ver­ges­sen müßt ihr. Und das könnt ihr. Auch ich war ein Freund der Ver­stor­be­nen, viel­leicht ihr nächs­ter. Und doch -- ich will ver­ges­sen. Ich tu’ es, eben weil ich ihr Freund war. Der liebt sie, Scä­vo­la, der al­lein, der sie rächt. Um der Ra­che wil­len Al­bi­nus, dei­ne Hand.« -- Alle schwie­gen, be­wäl­tigt mehr von der Per­sön­lich­keit als von den Grün­den des Red­ners. Nur der Ju­rist be­merk­te noch:

»Ru­sti­cia­na, des Boëthi­us Wit­we und des Sym­ma­chus Toch­ter, die ein­fluß­rei­che Frau, ist un­serm Bun­de hold. Wird sie das blei­ben, wenn die­ser ein­tritt? Kann sie je ver­ge­ben und ver­ges­sen? Nie­mals!«

»Sie kann es. Glaubt nicht mir, glaubt eu­ren Au­gen.« Mit die­sen Wor­ten wand­te sich rasch Cethe­gus und schritt in einen der Sei­ten­gän­ge, des­sen Mün­dung bis­her sein Rücken ver­deckt hat­te. -- Hart am Ein­gang stand lau­schend eine ver­schlei­er­te Ge­stalt: er er­griff ihre Hand: »Komm«, flüs­ter­te er, »jetzt komm.« -- »Ich kann nicht! Ich will nicht!« war die lei­se Ant­wort der Wi­der­stre­ben­den. »Ich ver­flu­che ihn. Ich kann ihn nicht se­hen, den Elen­den!« -- »Es muß sein. Komm, du kannst und du willst es: denn ich will es.« Er schlug ih­ren Schlei­er zu­rück: noch ein Blick, und sie folg­te wie wil­len­los.

Sie bo­gen um die Ecke des Ein­gangs: »Ru­sti­cia­na!« rie­fen alle. -- »Ein Weib in un­se­rer Ver­samm­lung!« spräch der Ju­rist. »Das ist ge­gen die Sat­zun­gen, die Ge­set­ze.«

»Ja, Scä­vo­la, aber die Ge­set­ze sind um des Bun­des wil­len, nicht der Bund um der Ge­set­ze wil­len. Und ge­glaubt hät­tet ihr mir nie, was ihr hier se­het mit Au­gen.«

Er leg­te die Hand der Wit­we in die zit­tern­de Rech­te des Al­bi­nus.

»Seht, Ru­sti­cia­na ver­zeiht: wer will jetzt noch wi­der­stre­ben?« -- Über­wun­den und über­wäl­tigt ver­stumm­ten alle. Für Cethe­gus schi­en das Wei­te­re je­des In­ter­es­se ver­lo­ren zu ha­ben. Er trat mit der Frau an die Wand im Hin­ter­grund zu­rück. Der Pries­ter aber sprach: »Al­bi­nus ist Glied des Bun­des.« -- »Und sein Eid, den er dem Ty­ran­nen ge­schwo­ren?« frag­te schüch­tern Scä­vo­la. -- »War er­zwun­gen und ist ihm ge­löst von der hei­li­gen Kir­che. Aber nun ist es Zeit, zu schei­den. Nur noch die eilends­ten Ge­schäf­te, die neues­ten Bot­schaf­ten. Hier, Li­ci­ni­us, der Fes­tungs­plan von Nea­po­lis: du mußt ihn bis mor­gen nach­ge­zeich­net ha­ben, er geht an Be­lisar. Hier, Scä­vo­la, Brie­fe aus By­zanz, von Theo­do­ra, der from­men Gat­tin Jus­ti­nians: du mußt sie be­ant­wor­ten. Da, Cal­pur­ni­us, eine An­wei­sung auf eine hal­be Mil­li­on So­li­di von Al­bi­nus: du sen­dest sie an den frän­ki­schen Ma­jor­do­mus, er wirkt bei sei­nem Kö­nig ge­gen die Go­ten. Hier, Pom­po­ni­us, eine Lis­te der Pa­trio­ten in Dal­ma­ti­en: du kennst die Din­ge dort und die Men­schen: sieh zu, ob be­deu­ten­de Na­men feh­len. Euch al­len aber sei ge­sagt, daß, nach heu­te er­hal­te­nen Brie­fen von Ra­ven­na, die Hand des Herrn schwer auf dem Ty­ran­nen liegt; tie­fe Schwer­mut, zu spä­te Reue über all sei­ne Sün­den soll sei­ne See­le nie­der­drücken, und der Trost der wah­ren Kir­che bleibt ihm fern. Har­ret aus noch eine klei­ne Wei­le, bald wird ihn die zor­ni­ge Stim­me des Rich­ters ab­ru­fen: dann kommt der Tag der Frei­heit. An den nächs­ten Iden, zur sel­ben Stun­de, tref­fen wir uns wie­der. Der Se­gen des Herrn sei mit euch.« Eine Hand­be­we­gung des Dia­kons ver­ab­schie­de­te die Ver­sam­mel­ten: die jun­gen Pries­ter tra­ten mit den Fa­ckeln aus den Sei­ten­gän­gen und ge­lei­te­ten die ein­zel­nen in ver­schie­de­nen Rich­tun­gen nach den nur ih­nen be­kann­ten Aus­gän­gen der Ka­ta­kom­ben.

Viertes Kapitel

Sil­ve­r­i­us, Cethe­gus und Ru­sti­cia­na stie­gen mit­ein­an­der die Stu­fen hin­auf, wel­che in die Kryp­ta der Ba­si­li­ka des hei­li­gen Se­bas­ti­an führ­ten. Von da gin­gen sie durch die Kir­che in das un­mit­tel­bar dar­an­ge­bau­te Haus des Dia­ko­nus. Dort an­ge­langt, über­zeug­te sich die­ser, daß alle Haus­ge­nos­sen schlie­fen bis auf einen al­ten Skla­ven, der im Atri­um bei ei­ner halb her­ab­ge­brann­ten Am­pel wach­te. Auf den Wink sei­nes Herrn zün­de­te er die ne­ben ihm ste­hen­de sil­ber­fü­ßi­ge Lam­pe an und drück­te auf eine Fuge im Mar­mor­ge­tä­fel. Die Mar­mor­plat­ten dreh­ten sich um ihre Ach­se und lie­ßen den Pries­ter, der die Leuch­te er­gif­fen, mit den bei­den an­dern in ein klei­nes, nie­de­res Ge­mach tre­ten, des­sen Öff­nung sich hin­ter ih­nen rasch und ge­räusch­los wie­der schloß. Kei­ne Rit­ze ver­riet nun wie­der, daß hier eine Tür.

Der klei­ne Raum, jetzt mit ei­nem ho­hen Kreuz aus Holz, ei­nem Bet­sche­mel und ei­ni­gen christ­li­chen Sym­bo­len auf Gold­grund ein­fach aus­ge­stat­tet, hat­te in heid­nischen Ta­gen of­fen­bar, wie die an den Wän­den hin­lau­fen­den Pols­ter­sim­se be­zeug­ten, dem Zweck je­ner klei­nen Ge­la­ge von zwei oder drei Gäs­ten ge­dient, de­ren zwang­lo­se Ge­müt­lich­keit Hora­ti­us fei­ert. Zur Zeit war hier das Asyl für die ge­heims­ten geist­li­chen -- oder welt­li­chen -- Ge­dan­ken des Dia­ko­nus. Schwei­gend setz­te sich Cethe­gus, auf ein ge­gen­über in die Wand ein­ge­leg­tes Mo­sa­ik­ge­mäl­de den flüch­ti­gen Blick des ver­wöhn­ten Kunst­ken­ners wer­fend, auf den nie­de­ren Lec­tus. Wäh­rend der Pries­ter be­schäf­tigt war, aus ei­nem Misch­krug mit hoch­ge­schweif­ten Hen­keln Wein in die be­reit­ste­hen­den Be­cher zu gie­ßen und eine eher­ne Scha­le mit Früch­ten auf den drei­fü­ßi­gen Bron­ze­tisch zu stel­len, stand Ru­sti­cia­na Cethe­gus ge­gen­über, ihn mit un­wil­lig stau­nen­den Bli­cken mes­send. Kaum vier­zig Jah­re alt, zeig­te das Weib Spu­ren ei­ner sel­te­nen, et­was männ­li­chen Schön­heit, die we­ni­ger durch das Al­ter als durch hef­ti­ge Lei­den­schaf­ten ge­lit­ten hat­te; schon war hier und da nicht grau­es, son­dern wei­ßes Haar in ihre ra­ben­schwar­zen Flech­ten ge­mischt, das Auge hat­te einen un­s­te­ten Blick, und star­ke Fal­ten zo­gen sich ge­gen die im­mer be­weg­ten Mund­win­kel. Sie stütz­te die Lin­ke auf den Erz­tisch und strich mit der Rech­ten wie nach­sin­nend über die Stirn, da­bei fort­wäh­rend Cethe­gus an­star­rend. End­lich sprach sie: »Mensch, sage, sage, Mann, wel­che Ge­walt du über mich hast? Ich lie­be dich nicht mehr. Ich soll­te dich has­sen. Ich has­se dich auch. Und doch muß ich dir fol­gen wil­len­los. Wie der Vo­gel dem Auge der Schlan­ge. Und du legst mei­ne Hand, die­se Hand, in die Hand je­nes Schur­ken. Sage, du Frev­ler, wel­ches ist die­se Macht?«

Cethe­gus schwieg un­auf­merk­sam. End­lich sag­te er, sich zu­rück­leh­nend: »Ge­wohn­heit, Ru­sti­cia­na, Ge­wohn­heit.«

»Ja­wohl, Ge­wohn­heit! Ge­wohn­heit ei­ner Skla­ve­rei, die be­steht, seit ich den­ken kann. Daß ich als Mäd­chen den schö­nen Nach­bars­sohn be­wun­der­te, war na­tür­lich; daß ich glaub­te, du lieb­test mich, war ver­zeih­lich: du küß­test mich ja. Und wer konn­te -- da­mals! -- wis­sen, daß du nicht lie­ben kannst. Nichts: kaum dich selbst. Daß die Gat­tin des Boëthi­us die­se wahn­sin­ni­ge Lie­be nicht er­stick­te, die du wie spie­lend wie­der an­fach­test, war eine Sün­de, aber Gott und die Kir­che ha­ben sie mir ver­zie­hen. Doch, daß ich jetzt noch, nach­dem ich jahr­zehn­te­lang dei­ne herz­lo­se Tücke ken­ne, nach­dem die Glut der Lei­den­schaft er­lo­schen in die­sen Adern, daß ich jetzt noch blind­lings dei­nem dä­mo­ni­schen Wil­len fol­gen muß -- das ist eine Tor­heit zum Laut­auf­la­chen.«

Und sie lach­te hell und fuhr mit der Rech­ten über die Stirn. Der Pries­ter hielt in sei­ner wirt­li­chen Be­schäf­ti­gung inne und sah ver­stoh­len auf Cethe­gus; er war ge­spannt. Cethe­gus lehn­te das Haupt rück­wärts an den Mar­mor­sims und um­faß­te mit der Rech­ten den Po­kal, der vor ihm stand:

»Du bist un­ge­recht, Ru­sti­cia­na«, sag­te er ru­hig. »Und un­klar. Du mi­schest die Spie­le des Eros in die Wer­ke der Eris und der Erin­nyen. Du weißt es, daß ich der Freund des Boëthi­us war. Ob­wohl ich sein Weib küß­te. Vi­el­leicht eben­des­halb. Ich sehe dar­in nichts Be­son­de­res, und du -- nun, dir ha­ben es ja Sil­ve­r­i­us und die Hei­li­gen ver­ge­ben. Du weißt fer­ner, daß ich die­se Go­ten has­se, wirk­lich has­se, daß ich den Wil­len und -- vor an­dern -- die Fä­hig­keit habe, durch­zu­set­zen, was dich jetzt ganz er­füllt: dei­nen Va­ter, den du ge­liebt, dei­nen Gat­ten, den du ge­ehrt hast, an die­sen Bar­ba­ren zu rä­chen. Du ge­horchst da­her mei­nen Win­ken. Und du tust dar­an sehr klug. Denn du hast zwar ein sehr be­deu­ten­des Ta­lent, Rän­ke zu schmie­den. Aber dei­ne Hef­tig­keit trübt oft dei­nen Blick. Sie verdirbt dei­ne feins­ten Plä­ne. Also tust du wohl, küh­ler­er Lei­tung zu fol­gen. Das ist al­les. -- Aber jetzt geh. Dei­ne Skla­vin kau­ert schlaf­trun­ken im Ves­ti­bu­lum. Sie glaubt dich in der Beich­te, bei Freund Sil­ve­r­i­us. Die Beich­te darf nicht gar zu lan­ge wäh­ren. Auch ha­ben wir noch Ge­schäf­te. Grü­ße mir Ka­mil­la, dein schö­nes Kind, und lebe wohl.« Er stand auf, er­griff ihre Hand und führ­te sie sanft zur Türe. Sie folg­te wi­der­stre­bend, nick­te dem Pries­ter zum Ab­schied zu, sah noch­mal auf Cethe­gus, der ihre in­ne­re Be­we­gung nicht zu se­hen schi­en, und ging mit lei­sem Kopf­schüt­teln hin­aus.

Cethe­gus setz­te sich wie­der und trank den Po­kal aus.

»Son­der­ba­rer Kampf mit die­sem Wei­be«, sag­te Sil­ve­r­i­us und setz­te sich mit Grif­fel, Wachs­ta­feln, Brie­fen und Do­ku­men­ten zu ihm. »Nicht son­der­bar. Sie will ihr Un­recht ge­gen ih­ren Gat­ten gut­ma­chen, in­dem sie ihn rächt. Und daß sie die­se Ra­che ge­ra­de durch ih­ren ehe­ma­li­gen Ge­lieb­ten fin­det, macht die hei­li­ge Pf­licht be­son­ders süß. Frei­lich ist ihr dies al­les un­be­wußt. -- Aber, was gib­t’s zu tun?« Und nun be­gan­nen die bei­den Män­ner ihre Ar­beit, sol­che Punk­te der Ver­schwö­rung zu er­le­di­gen, die al­len Glie­dern des Bun­des mit­zu­tei­len sie nicht für rat­sam hiel­ten. »Dies­mal«, hob der Dia­ko­nus an, »gilt es vor al­lem, das Ver­mö­gen des Al­bi­nus fest­zu­stel­len und des­sen nächs­te Ver­wen­dung zu be­ra­ten. Wir brau­chen ganz un­ab­weis­lich Geld, viel Geld.« -- »Geld­sa­chen sind dein Ge­biet«, sag­te Cethe­gus trin­kend. »Ich ver­ste­he sie wohl, aber sie lang­wei­len mich.«

»Fer­ner müs­sen die ein­fluß­rei­chen Män­ner auf Si­zi­li­en, in Nea­po­lis und Apu­li­en ge­won­nen wer­den. Hier ist die Lis­te der­sel­ben mit No­ti­zen über die ein­zel­nen. Es sind Men­schen dar­un­ter, bei de­nen die ge­wöhn­li­chen Mit­tel nicht ver­fan­gen.« »Gib her«, sag­te Cethe­gus, »das will ich ma­chen«, und zer­leg­te einen per­si­schen Ap­fel. --

Nach ei­ner Stun­de an­ge­streng­ter Ar­beit wa­ren die drin­gends­ten Ge­schäf­te be­rei­nigt, und der Haus­herr leg­te die Do­ku­men­te wie­der in ihr Ge­heim­fach hin­ter dem großen Kreuz in der Mau­er. Der Pries­ter war er­mü­det und sah mit Neid auf den Ge­nos­sen, des­sen stäh­ler­nen Kör­per und un­an­greif­ba­ren Geist kei­ne spä­te Stun­de, kei­ne An­span­nung er­mat­ten zu kön­nen schi­en. Er äu­ßer­te et­was der­glei­chen, als sich Cethe­gus den sil­ber­nen Be­cher wie­der füll­te.

»Übung, Freund, star­ke Ner­ven und« setz­te er lä­chelnd hin­zu, »ein gu­tes Ge­wis­sen: das ist das gan­ze Rät­sel.«

»Nein, im Ernst, Cethe­gus, du bist mir auch sonst ein Rät­sel.« -- »Das will ich hof­fen.« -- »Nun, hältst du dich für ein mir so un­er­reich­bar über­le­ge­nes We­sen?« -- »Ganz und gar nicht. Aber doch für ge­ra­de hin­rei­chend tief, um an­dern nicht min­der ein Rät­sel zu sein als -- mir selbst. Dein Stolz auf Men­schen­kennt­nis mag sich be­ru­hi­gen. Es geht mir selbst mit mir nicht bes­ser als dir. Nur die Trop­fen sind durch­sich­tig.« -- »In der Tat«, fuhr der Pries­ter aus­ho­lend fort, »der Schlüs­sel zu dei­nem We­sen muß sehr tief lie­gen. Sieh zum Bei­spiel die Ge­nos­sen uns­res Bun­des. Von je­dem läßt sich sa­gen, wel­cher Grund ihn dazu ge­führt hat. Der hit­zi­ge Ju­gend­mut einen Li­ci­ni­us, der ver­rann­te, aber ehr­li­che Rechts­sinn einen Scä­vo­la, mich und die an­dern Pries­ter -- der Ei­fer für die Ehre Got­tes.«

»Na­tür­lich«, sag­te Cethe­gus trin­kend.

»An­de­re treibt der Ehr­geiz oder die Hoff­nung, bei ei­nem Bür­ger­krieg ih­ren Gläu­bi­gern die Häl­se ab­zu­schnei­den, oder auch die Lan­ge­wei­le über den ge­ord­ne­ten Zu­stand die­ses Lan­des un­ter den Go­ten oder eine Be­lei­di­gung durch einen der Frem­den, die al­ler­meis­ten der na­tür­li­che Wi­der­wil­le ge­gen die Bar­ba­ren und die Ge­wöh­nung, nur im Kai­ser den Herrn Ita­li­ens zu se­hen. Bei dir aber schlägt kei­ner die­ser Be­weg­grün­de an und« --

»Und das ist sehr un­be­quem, nicht wahr? Denn mit­tels Kennt­nis ih­rer Be­weg­grün­de be­herrscht man die Men­schen? Ja, ehr­wür­di­ger Got­tes­freund, ich kann dir nicht hel­fen. Ich weiß es wirk­lich selbst nicht, was mein Be­weg­grund ist. Ich bin selbst so neu­gie­rig dar­auf, daß ich es dir herz­lich gern sa­gen und mich -- be­herr­schen las­sen woll­te, wenn ich es nur ent­de­cken könn­te. Nur das eine fühl’ ich: die­se Go­ten sind mir zu­wi­der. Ich has­se die­se voll­blü­ti­gen Ge­sel­len mit ih­ren brei­ten Flachs­bär­ten. Unaus­steh­lich ist mir das Glück die­ser bru­ta­len Gut­mü­tig­keit, die­ser nai­ven Ju­gend­lich­keit, die­ses al­ber­ne Hel­den­tum, die­se un­ge­broch­nen Na­tu­ren. Es ist eine Un­ver­schämt­heit des Zu­falls, der die Welt re­giert, die­ses Land -- nach ei­ner sol­chen Ge­schich­te -- mit Män­nern wie -- wie du und ich -- von die­sen Nord­bä­ren be­herr­schen zu las­sen.« Un­wil­lig warf er das Haupt zu­rück, drück­te die Au­gen zu und schlürf­te einen klei­nen Trunk Wei­nes. »Daß die Bar­ba­ren fort müs­sen«, sprach der an­de­re, »dar­über sind wir ei­nig. Und für mich ist da­mit al­les er­reicht. Denn ich will ja nur die Be­frei­ung der Kir­che von die­sen irr­gläu­bi­gen Bar­ba­ren, wel­che die Gött­lich­keit Chris­ti leug­nen und nur einen Halb­gott aus ihm ma­chen. Ich hof­fe, daß als­dann der rö­mi­schen Kir­che der Pri­mat im gan­zen Ge­biet der Chris­ten­heit, der ihr ge­bührt, un­be­strit­ten zu­fal­len wird. Aber so lan­ge Rom in der Hand der Ket­zer liegt, wäh­rend der Bi­schof von By­zanz von dem al­lein recht­gläu­bi­gen und recht­mä­ßi­gen Kai­ser ge­stützt wird«

»So lan­ge ist der Bi­schof von Rom nicht der obers­te Bi­schof der Chris­ten­heit, so­lan­ge nicht Herr Ita­li­ens, und des­halb der rö­mi­sche Stuhl, selbst wenn ein Sil­ve­r­i­us ihn ein­neh­men wird, nicht das, was er wer­den soll: das Höchs­te. Und das will doch Sil­ve­r­i­us.«

Über­rascht sah der Pries­ter auf.

»Beun­ru­hi­ge dich nicht, Freund Got­tes. Ich weiß das längst und habe dein Ge­heim­nis be­wahrt, ob­wohl du es mir nicht ver­traut hast. Al­lein wei­ter.« Er schenk­te sich aufs neue ein: »Dein Fa­ler­ner ist gut ab­ge­la­gert, aber er hat zu viel Süße. Du kannst ei­gent­lich nur wün­schen, daß die­se Go­ten den Thron der Cäsa­ren räu­men, nicht, daß die By­zan­ti­ner an ihre Stel­le tre­ten: denn sonst hat der Bi­schof von Rom wie­der zu By­zanz sei­nen Ober­bi­schof und einen Kai­ser. Du mußt also an der Go­ten Stel­le wün­schen -- nicht einen Kai­ser -- Jus­ti­ni­an, son­dern -- etwa was?« »Ent­we­der« -- fiel Sil­ve­r­i­us eif­rig ein -- »einen eig­nen Kai­ser des We­streichs« -- »Der aber«, vollen­de­te Cethe­gus sei­nen Satz, »nur eine Pup­pe ist in der Hand des hei­li­gen Pe­trus --« -- »Oder eine rö­mi­sche Re­pu­blik, einen Staat der Kir­che --« -- »In wel­chem der Bi­schof von Rom der Herr, Ita­li­en das Haupt­land und die Bar­ba­ren­kö­ni­ge in Gal­li­en, Ger­ma­ni­en, Spa­ni­en die ge­hor­sa­men Söh­ne der Kir­che sind. Schön, mein Freund. Nur müs­sen erst die Fein­de ver­nich­tet sein, de­ren Spo­li­en du be­reits ver­teilst. Des­halb ein alt­rö­mi­scher Trink­spruch: wehe den Bar­ba­ren!«

Er stand auf und trank dem Pries­ter zu. »Aber die letz­te Nacht­wa­che schleicht vor­über und mei­ne Skla­ven müs­sen mich am Mor­gen in mei­nem Schlaf­ge­mach fin­den. Leb’ wohl.« Da­mit zog er den Cu­cul­lus des Man­tels über das Haupt und ging.

Der Wirt sah ihm nach: »Ein höchst be­deu­ten­des Werk­zeug!« sag­te er zu sich. »Gut, daß er nur ein Werk­zeug ist. Möge er es im­mer blei­ben.«

Cethe­gus aber schritt von der Via ap­pia her, wo die Kir­che des hei­li­gen Se­bas­ti­an den Ein­gang in die Ka­ta­kom­ben be­deckt, nach Nord­wes­ten dem Ka­pi­to­le zu, an des­sen Fuß am Nor­den­de der Via sa­cra sein Haus ge­le­gen war, nord­öst­lich vom Forum Ro­ma­num.

Die küh­le Mor­gen­luft strich be­le­bend um sein Haupt.



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