Kane (Arizona Vengeance Team Teil 8) - Sawyer Bennett - E-Book
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Kane (Arizona Vengeance Team Teil 8) E-Book

Sawyer Bennett

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Beschreibung

Seid ihr bereit für Kane Bellans Geschichte? Ich habe ein Problem. Oder ist es ein potenzielles Problem? Ich bin mir nicht ganz sicher. Es ist wie folgt: Da ist dieses Mädchen – fängt es nicht immer so an? – und ihr Name ist Mollie. Ich mag sie. Ich mag sie wirklich sehr. Hoffentlich lässt mich das nicht unmännlicher erscheinen, als es meine professionelle Eishockeyspieler-Persönlichkeit vermuten lässt. Der Haken ist: sie ist meine beste Freundin. Die einzige Person, auf die ich mich in jeder Lebenslage verlassen kann. Als Mollie vor meiner Tür auftaucht, reisemüde und verängstigt nach einer Attacke ihres Ex-Freundes, läuft mein Beschützerinstinkt auf Hochtouren. In dem Moment wird mir bewusst, dass sie mehr als nur meine beste Freundin ist - und es zieht mir die Schlittschuhe unter den Füßen weg, als ich herausfinde, dass sie genauso empfindet. Unser Übergang von Freunden zu Liebenden verläuft reibungslos, das Arizona Vengeance-Team ist zurück auf dem Eis und mein Leben war nie besser. Doch dann legt die Realität unsere blühende Beziehung auf Eis. Es fühlt sich an, als wäre das Spiel gerade in die Verlängerung gegangen und ich stehe kurz vor dem größten Sieg - oder der enttäuschendsten Niederlage - meines Lebens. Doch Verlieren kommt nicht in Frage! Teil 8 der Reihe rund um das Eishockey-Team der Arizona Vengeance von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.

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Seitenzahl: 304

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Sawyer Bennett

Arizona Vengeance Teil 8: Kane

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Joy Fraser

© 2020 by Sawyer Bennett unter dem Originaltitel „Kane (Arizona Vengeance, Book #8)“

© 2022 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

© Coverfoto: Shutterstock.com

ISBN Print: 978-3-86495-574-7

ISBN eBook: 978-3-86495-575-4

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig. 

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Autorin

Kapitel 1

Kane

„Ich muss jetzt wirklich gehen, Süßer“, sagt Nalia und versucht, sich aus meinen Armen zu schälen.

Obwohl ich ihr körperlich nichts mehr geben kann, weil wir fast das ganze Wochenende im Bett gewesen sind, ziehe ich sie dennoch eng an mich und kitzele ihren Hals mit meiner Nasenspitze. „Melde dich krank und bleibe noch einen Tag.“

Ihr Lachen ist rau, doch ihre Haltung entsprechend ihrer britischen Erziehung strikt. Sie tätschelt meine Wange. „Ich kann mich nicht einfach krankmelden, Kane. So geht das nicht. Außerdem ist das meine letzte Möglichkeit, nach Raleigh zu kommen.“

Ich lasse sie los und habe nicht wirklich damit gerechnet, dass sie bleibt. So etwas sagt man eben, wenn einem etwas an einer Frau liegt, die dabei ist, zu gehen. Und mir liegt etwas an Nalia. Man weiß nie, wann wir uns wiedersehen. Es könnte Wochen dauern, vielleicht Monate, doch so hält unsere Beziehung schon zwei Jahre an.

Nicht, dass man es wirklich eine Beziehung nennen könnte.

Es ist mehr ein regelmäßiges Sextreffen, das entstanden ist und wunderbar funktioniert hat, als ich bei den Carolina Cold Fury in Raleigh gespielt habe. Nalia ist Flugbegleiterin. Sie fliegt oft internationale Routen und häufig zwischen Raleigh und London. Dann hat sie meistens einen Tag oder eine Nacht frei, bevor sie zurückfliegt, und dann nutzen wir ihre wenige Zeit, um es wie die Karnickel zu treiben.

Das klappt wie gesagt super. Nalia liebt das Reisen und ist viel zu unabhängig, um sich in einer festen Beziehung niederzulassen. Und ich … ich habe noch keine Ahnung, was ich will. Bis es so weit ist, sind heiße Aufrisse und Freundinnen mit gewissen Vorzügen genau das Richtige.

Unglücklicherweise haben Nalia und ich uns nicht mehr oft gesehen, nachdem ich zu den Arizona Vengeance gegangen bin. Doch jetzt haben wir es endlich geschafft, uns auf ein Wochenende zu verabreden, an dem sie mich besucht, und konnten einiges nachholen. Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch zu einem Ständer fähig wäre, denn wir haben uns schwer verausgabt.

Nalia nutzt ihre neue Freiheit und steht auf. Ich rolle auf die Seite, stütze den Kopf mit der Hand ab und sehe ihr ungeniert zu. Sie sieht unglaublich gut aus. Ihre libanesische Herkunft macht sie exotisch, das Haar ist schwarz, die Augen sind mandelförmig und ihr britischer Akzent und der trockene Humor machen sie noch attraktiver.

Nackt ist sie unbeschreiblich schön.

Ich mag Nalia.

Sehr sogar, aber nicht genug, um mehr daraus zu machen. Ich glaube, wenn ich es darauf anlegen würde, wäre sie bereit, über Exklusivrechte und Treue zu sprechen, doch in diesen Dingen höre ich lieber auf meine Intuition. Meine Instinkte schreien, dass sie noch nicht bereit dafür ist, dass ich noch nicht bereit dafür bin und dass unsere Berufe uns nicht viel gemeinsame Zeit lassen. Nein, es ist besser, wenn wir nur unsere Zeit zusammen ausgiebig genießen und wissen, dass nie mehr daraus werden wird.

„Magst du mit unter die Dusche kommen?“, fragt sie und sieht mich neckend über die Schulter an.

Sie erwischt mich dabei, wie ich ihren Hintern anstarre. Sie lächelt und ermahnt mich nicht. Schließlich sind wir das ganze Wochenende nackt herumgelaufen. Sie ist daran gewöhnt, von mir begafft zu werden.

Ich denke über die Einladung nach, denn sie ist verführerisch. Zwar habe ich gedacht, dass mein Schwanz durch Überlastung verstorben wäre, ich wette aber, dass er mit einer nackten, eingeseiften Nalia in meinen Armen sofort wiederauferstehen würde. Doch sie hat wenig Zeit. Sie muss ihren Flieger nach Raleigh erwischen und ich muss ins Stadion. Heute Mittag findet das erste Teammeeting statt, bei dem Teamfotos gemacht werden, und nächste Woche beginnt das Trainingslager. Vor dem Meeting möchte ich noch ein Work-out machen.

Während der Off-Season im Sommer habe ich mit ein paar Jungs meiner Second Line trainiert und bin jetzt in besserer Form als je zuvor. Fünfmal die Woche treffe ich mich mit Jim Steele, Jett Olsson und Bain Hillridge im Fitnessstudio des Stadions und wir arbeiten zwei bis drei Stunden wirklich hart. Den anderen Defenseman aus unserer Line, Riggs Nadeau, haben wir noch nicht getroffen. Er kam als Spätsommer-Deal von den San Diego Renegades zu uns. Ich habe gehört, es sei etwas schwer, mit ihm auszukommen, was schade ist, denn Jim, Jett, Bain und ich verstehen uns super, und das wirkt sich erfolgreich auf dem Eis aus.

„Duschen?“ Nalia steht vor dem Badezimmer und schnippt mit den Fingern, um mich aus den Gedanken zu holen.

Ich blinzele, grinse und schüttele den Kopf. „Ich sollte uns lieber ein schnelles Frühstück machen.“

„Wunderbar“, antwortet sie und geht ins Bad. „Für mich bitte zum Mitnehmen, denn ich muss echt los.“

„Alles klar.“ Ich ziehe eine Jogginghose über. Nackt in der Wohnung herumzulaufen ist jetzt erst einmal vorbei.

Ich hole die Eier und eine Tüte Toasties aus dem Kühlschrank. Ein Frühstückssandwich sollte ihrer Bitte entsprechen, es mitnehmen zu können. Ich weiß genau, wie Nalia Eier am liebsten isst. Witzigerweise erst seit diesem Wochenende, denn es ist das erste Mal, dass wir so lange am Stück zusammen sind. In Raleigh ist es stets nur für eine Nacht gewesen und morgens blieb keine Zeit für Frühstück, weil sie schon aufstehen musste, während ich noch schlief.

Ich befehle Alexa, meine Playlist zu spielen, und die Musik der Arctic Monkeys inspiriert mich. Ich schlage sechs Eier auf, mache Rührei daraus und würze es mit Pfeffer und Salz. Danach sprühe ich die Pfanne mit Öl ein, stecke die Toasties in den Toaster und setze Kaffee auf. Als ich die Eier in die inzwischen heiße Pfanne gieße, kommt Nalia mit ihrem Rollkoffer aus dem Bad. Sie hat die Haare auf dem Kopf zusammengebunden und sich nicht mit Schminken aufgehalten, außer um die Augen, was diese stark betont. Sie trägt weiße Jeans, ein blaues Tanktop und wirkt, als wäre sie bereit, in ein schönes Wochenende zu jetten, anstatt von einem zu kommen.

Ich rühre weiter in der Pfanne und stelle fest, dass ich sie genau so mag, wie sie ist. Genau so, wie wir sind. Treffen, wenn es geht, und ansonsten keine weiteren Verpflichtungen.

„Kaffee ist fertig“, verkünde ich und nicke in Richtung Maschine.

Sie rümpft die Nase und tritt näher. „Ich hoffe, dass du das nächste Mal einen anständigen schwarzen Tee da hast.“

„Versprochen.“ Ich grinse, rühre die Eier noch einmal um und nehme sie von der Platte.

„Und wann wird das sein?“, fragt sie und öffnet den Kühlschrank. Sie nimmt die Milch heraus, dreht sich zu mir um und lässt die Kühlschranktür von allein zufallen. „Ich meine, wann soll ich dich wieder besuchen kommen? Oder vielleicht passt mein Flugplan zu deinem Spielplan in Raleigh? Du hast die Termine schon, oder?“

Ich halte inne. Normalerweise planen wir nicht im Voraus. Wir küssen uns zum Abschied nur zu vagen Versprechungen, irgendwann über unsere Termine zu reden.

Doch jetzt bittet Nalia um ein Date.

Sie schüttet Milch in ihren Kaffee, nimmt die Tasse an den Mund und pustet über die dampfende Oberfläche. Sie nippt vorsichtig daran und sieht mich dabei an.

„Ist das nicht okay?“, frage ich zögerlich und deute zwischen uns hin und her. „So, wie es zwischen uns ist?“

Nalia neigt den Kopf zur Seite. „Wie meinst du das?“

Irgendwie finde ich es peinlich, es laut auszusprechen. Nicht meinetwegen, sondern weil ich nicht möchte, dass Nalia sich wegen der lockeren Beziehung erniedrigt vorkommt.

Als ich zu lange zögere, rät sie drauflos. „Du meist, weil wir uns nur zum Sex verabreden?“

Ich verziehe das Gesicht. Doch genau so ist es. Ich nicke. „Das funktioniert bei uns gut, oder?“

„Absolut.“ Sie lächelt mich zufrieden an. „Anscheinend habe ich deinen wunderbaren Schwanz nur sehr vermisst, seit du umgezogen bist. Und ich kann es kaum erwarten, ihn wieder zu reiten.“

Ich verdrehe die Augen, doch auch damit hat sie recht, denn wir passen im Bett super zusammen.

„Okay. Ich sehe mir meinen Spielplan später an und schicke dir die Daten, wann ich in Raleigh bin. Ich gebe dir auch die Daten, wann ich freie Wochenenden habe, aber das wird selten sein und unregelmäßig.“

Noch ein Grund, warum es mit uns nie klappen würde. Zu versuchen, unsere beiden Terminkalender aufeinander abzustimmen, wäre ein Albtraum. Langzeitbeziehungen funktionieren selten, und besonders nicht mit zwei inkompatiblen Berufen.

Nalia tippt auf ihre Armbanduhr. Schnell mache ich ihr das Sandwich und sie ruft sich inzwischen ein Uber zum Flughafen. Als ich ihr das Sandwich in eine Serviette gewickelt reiche, stellt sie ihre leere Kaffeetasse in den Geschirrspüler.

Sie legt das Sandwich neben ihre Handtasche auf den Tresen, schlingt die Arme um meinen Hals und neigt den Kopf zurück. „Vielen Dank für ein wunderbares Wochenende.“

„Gern geschehen.“ Lächelnd küsse ich sie. „Ich verspreche, das nächste Mal Tee dazuhaben.“

„Dann bis nächstes Mal.“ Sie lässt mich los.

Ja, das ist doch die beste Art von Beziehung. Besonders, weil ich ehrlich gesagt kein bisschen traurig bin, sie jetzt gehen zu sehen. Ich mag Nalia, aber ich verzehre mich nicht nach ihr. Das sollte ich jedoch, wenn die Frau geht, oder?

Egal. Was weiß ich schon darüber? Ich bin zufrieden mit mir, wie ich bin, und nur darauf kommt es an.

Ich ziehe ihren Koffer für sie bis an die Tür. Sie gibt mir einen letzten Kuss, dauerhafter und mit dem stillen Versprechen, bald wieder so ein schönes Wochenende miteinander zu verbringen.

Vage – aber das funktioniert bei uns.

Ich öffne die Wohnungstür, will Nalia vorgehen lassen, doch da steht schon jemand.

Nicht nur irgendjemand.

Sondern sie.

Mollie Callister.

Sie hat die Hand gehoben, als wollte sie soeben anklopfen. Ich muss sie überrascht haben, denn sie quietscht und tritt zurück. Ihr Hund Samson sitzt neben ihr und ist voll auf sie eingeschwungen. Selten ist er an der Leine und ist dennoch der am besten trainierte Hund, den ich kenne.

Gott, Mollie sieht gut aus. Wie eine frische Brise. Doch das tut sie immer. Wie Sonnenschein, warme Meereswellen und frische Blümchen im Frühling.

Ja, mein innerer Poet erwacht bei dieser Frau. Meiner besten Freundin auf der Welt.

Ich gebe einen überraschten Laut von mir, lasse Nalias Koffer fallen, stürme vorwärts und umarme Mollie, hebe sie hoch. Sie schlingt die Arme um mich und ich wirbele sie herum.

„Was machst du denn hier?“, frage ich überrascht, doch eigentlich ist es mir egal. Ich freue mich total, sie zu sehen. Es ist neun Monate her, seit wir uns bei einem Spiel gesehen haben, für das sie extra nach Raleigh geflogen war.

Mollie lacht, und verdammt … dieses Lächeln. Strahlend weiß, mit zwei niedlichen Grübchen neben den Mundwinkeln.

Ich beuge mich vor, um sie wieder abzusetzen, da nehme ich im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Nalia hatte ich total vergessen. Ich sehe sie an und sie lächelt aufrichtig. Da weiß ich ganz sicher, dass zwischen uns nie mehr als Sex sein kann. Nach dem sehr intimen Wochenende zeigt sie nicht die geringste Spur von Eifersucht, weil ich eine andere Frau umarme.

Trotzdem fühlt es sich ein bisschen peinlich an, dass Mollie ausgerechnet in dem Moment kommt, als eine andere Frau geht. Deswegen wird Mollie allerdings nicht schlecht von mir denken, denn wir sind Freunde und über die Jahre haben wir uns von unseren Erlebnissen mit anderen erzählt.

Das ist normal unter Freunden, nicht wahr?

Ich stelle die beiden einander vor, damit sich Nalia nicht wundert. „Nalia, das ist Mollie Callister, meine Freundin aus College-Zeiten. Mollie, das ist Nalia Raymond. Sie ist … äh …“

„Eine Freundin“, antwortet Nalia und reicht Mollie die Hand.

„Schön, dich kennenzulernen.“ Sie deutet auf ihren Hund. „Und das ist Samson.“

„Oh, hallo, Samson“, sagt Nalia höflich und streckt ihm eine Hand hin.

In der anderen hat sie das Sandwich, das sie außer Reichweite hält. Samson leckt ihre Handfläche, behält das Sandwich jedoch im Auge. Da passiert allerdings nichts, denn er ist zu gut erzogen, um danach zu schnappen.

Nalia wendet sich mir zu und gibt mir einen schnellen Kuss auf die Wange. „Mach’s gut, Kane. Bis hoffentlich bald.“

„Ja, gern. Pass auf dich auf.“

Nalia lächelt Mollie an und dreht sich zum Gehen um. Sie nimmt ihren Rollkoffer und geht den Flur entlang zum Aufzug, der sie auf die Straßen der Innenstadt von Phoenix bringt.

„Eine schöne Frau“, sagt Mollie.

„Yep“, antworte ich. „Und jetzt sag mir, wie du hierherkommst. Du wolltest mich doch erst im Oktober besuchen.“

Wir sind erst in der zweiten Septemberwoche, und doch steht sie ohne Ankündigung plötzlich vor meiner Tür. Nicht, dass es mich stören würde. Kaum jemand darf das bei mir, aber für Mollie steht meine Tür immer offen.

Mit einer kurzen Handbewegung erlaubt sie Samson, aufzustehen, und er trottet in meine Wohnung. Mollie folgt ihm, und mir fällt auf, dass sie ziemlich zerknirscht wirkt.

Ich schließe die Tür. „Mollie, echt jetzt … ich liebe Überraschungen, aber das passt gar nicht zu dir. Was ist los?“

Das Lächeln verblasst auf dem schönen, sonnengebräunten Gesicht und sie verengt die blauen Augen ein wenig. Dann seufzt sie. „Ich bin einfach nur erschöpft, Kane. Ich bin so lange herumgereist und brauche eine Pause.“

Verblüfft sehe ich sie an. Das klingt gar nicht nach Mollie. Sie ist eine reisende Bloggerin. Die Landstraßen auf der Suche nach Abenteuern zu befahren, liegt in ihrer Natur. Mollie blüht auf bei dem Gefühl, nicht zu wissen, was der nächste Tag bringt. Sie lebt von einem Augenblick zum anderen, hat mehr Energie als alle, die ich sonst kenne, und ihre Begeisterungsfähigkeit ist einmalig.

Doch wenn ich sie so ansehe, die dunklen Ringe unter den Augen erkenne und merke, dass ihre gebräunte Haut dennoch blass wirkt, frage ich mich, ob sie irgendwie gebrochen ist.

Mit einem tröstenden Lächeln nehme ich sie in die Arme. Diesmal drücke ich sie an meine Brust. „Du kommst zur rechten Zeit, Nudel. Ich habe ein schönes Gästezimmer, mit sozusagen deinem Namen an der Tür, und hier kannst du dich ausruhen, so lange du willst.“

Ihr Seufzen gibt mir ein beklemmendes Gefühl. Der Klang sagt mir, dass sie vielleicht zusammengebrochen wäre, hätte ich eine andere Antwort gegeben.

Kapitel 2

Kane

Ich öffne die Gästezimmertür und bin froh, dass die Wohnung frisch renoviert ist und es keine quietschenden Türangeln gibt. Samson, der auf Mollies Bettende zusammengerollt ist, hebt jedoch den Kopf. Als er sieht, dass nur ich es bin, legt er den Kopf wieder auf die Pfoten und schließt die Augen. Er kennt mich seit Jahren und weiß, dass ich ein guter Freund seines Frauchens bin.

Ich mache mir Sorgen um Mollie und sehe sie an. Sie liegt auf der Seite, hat die Knie angezogen und umarmt eins der Kopfkissen. Ich gebe ganz offen zu, dass ich mir Gedanken um sie mache. Nachdem ich ihr gestern Frühstück gemacht habe, taumelte sie sofort ins Bett. Gegen Mittag weckte ich sie und fragte sie, ob sie etwas brauche, doch sie bat mich nur, mit Samson spazieren zu gehen. In einer ihrer Taschen fand ich seine Leine und machte einen schönen Spaziergang mit ihm. Nur seine Scheiße einzusammeln, fand ich nicht so prickelnd.

Später am Abend kam Mollie für das Abendessen aus dem Bett. Wir unterhielten uns, aber ich spürte, dass da etwas in ihr ist, was mehr bedarf als ein paar müden Worten beim Essen. Sie sah erschöpft aus. Nach dem Essen ging sie wieder in ihr Zimmer und schlief die ganze Nacht durch. Ich kümmerte mich um Samson, fütterte ihn, ließ ihre Tür einen Spalt offen, damit er bei ihr schlafen konnte, und lauschte, ob er an der Haustür kratzte, weil er rausmusste.

Jetzt ist der nächste Tag und wieder fast Mittag, und ich weiß nicht, was ich machen soll.

Ist sie krank? Ist sie zum Sterben hergekommen? Das klingt wie ein blöder Fernsehfilm, und ich habe keine Lust, darin eine Rolle zu spielen.

Natürlich würde ich mich um sie kümmern, wenn etwas mit ihr nicht stimmen würde. Für diese Frau würde ich alles tun. Ich will sie nur noch nicht verlieren.

Doch das kann es nicht sein. Molly ist voller Leben und sie kann gar nicht sterbenskrank sein. Es ist dumm, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Diese Frau ist um die Welt gereist. In nichts anderem als einem gebrauchten, zum Wohnmobil umgebauten Mercedes-Minibus und mit ihrem Hund. Das könnte ich nie tun. Ich habe weder das Gehirn, um so ein Abenteuer zu planen, noch könnte ich so lange derartig eingeschränkt leben.

Ich gehe aus dem Zimmer und lasse sie noch eine Weile schlafen. Im Wohnzimmer öffne ich Instagram und suche ihren Account. Sie nennt sich dort „die Reisehexe“. Das ist albern, denn sie hat nichts von einer Hexe an sich. Mollie hat mir erklärt, dass sie den Namen gut fand, weil sie so genügsam lebt. Sie trägt kein Make-up, schneidet sich die Haare selbst und kauft ihre Kleidung in Secondhandläden. Sie benutzt auch keine teuren Kosmetikprodukte. Wenn sie nicht in eiskalten Bergflüssen badet, dann benutzt sie die Duschen auf Campingplätzen. Sie besitzt nicht einmal einen Föhn, sondern bevorzugt es, die Haare lufttrocknen zu lassen, egal ob im Sommer oder Winter. Sie erzählte mir, dass ihr einziger Luxus Rasierer sind, denn auch wenn sie eine Reisende ist, mag sie keine haarigen Beine oder Achseln.

Ich scrolle durch die Fotos, die sie vom Blog ihrer Webseite kopiert. Auf ihrer Webseite veröffentlicht sie ausgiebige Artikel über ihre Reisen, während sie auf Instagram vor allem die wunderbaren Fotos postet. Sie ist nicht nur wortgewandt, sondern auch eine erstklassige Fotografin, und das nur mit dem Smartphone.

Lächelnd betrachte ich die Fotos, die ich bereits alle kenne und mir sicherlich nicht zum letzten Mal ansehe. Die meisten zeigen Landschaften. Bergketten, Strände oder Felder voller Wildblumen. Manchmal benutzt sie den Selbstauslöser und erscheint mit auf dem Foto. Sie liebt Yoga und postet Selfies in einer Yogaposition vor atemberaubender Landschaft. Zwar bemühe ich mich, nicht auf sexuelle Art an Mollie zu denken, aber ich kann nicht übersehen, dass sie eine fantastische Figur hat. Rank und schlank, aber an den richtigen Stellen kurvig. Sie hat eine gute Muskulatur. Die Haut schimmert golden und das karamellfarbene Haar ist von der Sonne gesträhnt. Auf einigen Fotos ist sie mit Samson zu sehen und man merkt den beiden ihr inniges Band an. Vor sechs Jahren, als sie mit dem Reisen begann, holte sie ihn aus einem Tierheim.

Viele ihrer Artikel handeln vom Reisen mit wenig Geld. Ihr größter Besitz, den ihr ihre Eltern gekauft haben, ist der umgebaute Minibus, der alles enthält, was sie zum Leben auf Reisen braucht. Stauraum für Lebensmittel und Kleidung, ein Bett, das man tagsüber hochklappt, sodass man dann in der Küche steht, und auf dem Dach befindet sich eine Solarzellenplatte für die eigene Stromversorgung.

Mollie Callister ist eine außergewöhnliche Frau.

Ich werfe das Handy neben mich auf die Couch, lege die Füße auf den Couchtisch und denke darüber nach, wie unsere Freundschaft begonnen hat. Vor zehn Jahren, als wir beide achtzehnjährige Studenten auf dem Boston College waren, sah ich sie über den Campus gehen, während ich mit meinen Eishockeykameraden dort entlangging. Sofort fand ich, dass sie die schönste Frau der Welt ist. Mit der Absicht, sie um ein Date zu bitten, sprach ich sie an und erkannte bald, dass sie sich verloren fühlte und Mühe hatte, sich einzugliedern.

Man könnte es für Schicksal halten. Wir sind beide in Südkalifornien geboren, in Kleinstädten, die nur eine Fahrtstunde auseinander liegen. Unser gemeinsamer Hintergrund, an den kalifornischen Stränden aufgewachsen zu sein, führte letztendlich zu einer guten Freundschaft. Ich fand sie wahnsinnig attraktiv, begriff aber schnell, dass Mollie mehr einen Freund brauchte als einen Liebhaber. Und ich war seltsamerweise zufrieden damit, ihr nur ein Freund zu sein.

Im ersten Studienjahr waren wir nur im Fach Englisch zusammen, doch wir verbrachten viel Zeit beim gemeinsamen Studieren in der Bibliothek. Ich hatte stets weniger Zeit als sie, denn ich musste trainieren, und die Eishockeysaison dauert von Oktober bis März. Aber bei jeder Gelegenheit hingen wir zusammen ab. Mollie kam zu meinen Heimspielen und feuerte mich an. Sie wurde zum Ehrenmitglied des Teams, weil sie immer bei mir war. Wir vertrauten uns einander an und konnten stundenlang reden.

Den Spitznamen Nudel bekam sie von mir, als sie sich auf einer Party restlos betrunken hat. Ich musste sie drei Blocks weit nach Hause tragen, weil ihre Gliedmaßen schlaff wie eine gekochte Nudel waren und sie total weggetreten war. Das war, nachdem sie von einem Kerl belästigt worden ist. Ich musste ihn erst verprügeln, bevor ich Mollie nach Hause bringen konnte. Die ganze Nacht saß ich auf einem Sessel neben ihrem Bett, falls sie aufwachte und brechen musste.

In dem Studienjahr entstand die Basis unserer Freundschaft. Nach neun Monaten Studentenleben in Boston kehrten wir beide in den Sommerferien nach Hause zurück und verbrachten mehr Zeit denn je zusammen. Zwar hatten wir beide Sommerjobs, aber an den Wochenenden befanden wir uns mit Freunden am Strand und feierten Partys.

Die nächsten drei Jahre auf dem College in Boston vergingen wie im Flug. Ich spielte Eishockey und erlebte die besten Jahre meines Lebens, die mich in die Profiliga brachten. Mollie und ich gingen aus – nur nie miteinander. Wir waren beste Freunde und dabei blieb es. Wir verbrachten unsere Sommer an den Stränden und aßen gemeinsam jeweils beim anderen zu Hause. Ihre Eltern wurden zu meinen und meine zu ihren. Alle behaupteten stets, dass Mädchen und Jungs nicht nur Freunde bleiben können, aber wir schafften es. Alle sagten, wir sollen mehr daraus machen, aber wir ignorierten das Gerede.

Nicht, dass wir es nicht versucht hätten. Zumindest ein Mal.

Als einmal Mollies Freund mit ihr Schluss machte, war ihr Herz gebrochen. In meinem Studentenzimmer tranken wir eine Flasche Wodka und waren dementsprechend sehr betrunken. Sie küsste mich und wollte wissen, ob sie eine schlechte Küsserin sei.

Weil sie meine beste Freundin war und ich sie sehr liebte, sagte ich ihr, es sei der schönste Kuss meines Lebens gewesen. Wir küssten uns weiter und es wurde mehr daraus. Alkohol erhöhte unser Verlangen und wir schliefen miteinander. Es war unüberlegt, trunken und wir kicherten die ganze Zeit, aber … wir kamen verdammt heftig.

Und dann schämten wir uns und es wurde peinlich. Doch unsere Freundschaft war stark genug, dass wir es als Fehler abhaken konnten. Wir stimmten überein, es zu vergessen und nicht mehr darüber zu reden. Eines Tages, wenn ich alt und grau bin, werde ich vielleicht zu dem Schluss kommen, dass diese Entscheidung der größte Fehler meines Lebens war. So zu tun, als wäre es falsch gewesen, und es zu vergessen.

Ich höre ein Geräusch aus Mollies Zimmer, als ob Samson vom Bett gesprungen ist. Ich erhebe mich, um ihn Gassi zu führen, aber dann geht die Tür ganz auf und Mollie kommt mit dem Hund heraus. Ihre Haare sind zerzaust. Mit einem Knoten auf dem Kopf ist sie schlafen gegangen, und nun sind die Haare nach Stunden des Herumwälzens derartig verwuschelt, dass ich mir Sorgen mache, ob da je eine Bürste durchkommen wird. Es wäre schrecklich, wenn sie sich die schöne braune, karamell- und honigfarbene Pracht abschneiden müsste.

Mollie gähnt und ihr Blick aus den blauen Augen schweift durch den Raum, bis er bei mir landet. Sie kratzt sich am Bauch und schwankt auf mich zu. Mit einem verlegenen Grinsen lässt sie sich auf die Couch fallen und stellt die Füße auf den Couchtisch. Sie trägt Shorts und betrachtet ihre nackten Beine, streicht über ihre Wade.

„Ekelhaft, ich muss mir die Beine rasieren.“

Samson legt sich mit einem „Wuff“ auf den Boden, als ob er ihr da zustimmt.

Ich schaue auf ihre Beine. Okay, Mollie könnte eine Rasur gebrauchen. Und eine Dusche. Und gründliches Zähneputzen, schätze ich mal. Aber ich behalte diese Gedanken für mich.

„Bist du sicher, dass du nicht wieder ins Bett gehen und noch mal vierundzwanzig Stunden deines Lebens verschlafen willst?“, frage ich neckend.

Sie nickt und lehnt den Kopf an ein Kissen. „Ich wusste gar nicht, dass ich derartig müde war. Danke, dass du dich um Samson gekümmert hast.“

„Bist du krank?“, platzt es aus mir heraus. Zwar habe ich mir diese Vermutung bereits ausgeredet, aber verdammt … falls dem so ist, will ich es lieber früher als später wissen.

Mollie rollt mit den Augen. „Natürlich nicht, Dummerchen. Wenn, dann wäre ich jetzt in einer berühmten Klinik und würde mich einer lebensrettenden Therapie unterziehen.“

„Warum dann der Winterschlaf?“

Sie zuckt mit den Schultern und spielt mit dem Saum ihres T-Shirts. „Ich vermute, dass mir alles zu viel wird. Ich bin schon so lange unterwegs, lebe schnell und aktiv, kümmere mich allein um mich und habe Angst vor dem großen Unbekannten. Ich komme mir vor, als wäre ich gegen eine Wand gerannt. Ist das verrückt?“

Ich greife nach ihrer Hand. Mollie sieht mich an und ich schüttele den Kopf. „Nein. Vielleicht sagt dir dein Körper, dass du eine längere Pause brauchst. Du kannst so lange du willst bei mir bleiben.“

Mollie lächelt mich so dankbar an, dass mein Herz klopft. Aber sie muss mir nicht so dankbar sein. Ich würde ihr sowieso alles geben, was immer sie braucht.

„Und jetzt geh erst einmal duschen“, befehle ich ihr. „Putz dir den Pelz von den Zähnen. Zieh dir etwas an, was zumindest sauber ist. Knitterfalten sind erlaubt, bei deinem Nomadentum. Und dann führe ich dich zum Essen aus.“

Ihr Lächeln wird breiter und sie nickt. „Das klingt wunderbar.“

Ich erwidere ihr Lächeln.

Noch erwähne ich nicht, dass wir uns unterhalten werden. Sosehr sie auch hofft, dass ich ihr die vage Ausrede abkaufe, sie scheint vergessen zu haben, dass ich sie besser kenne als jeder andere Mensch.

Sie verheimlicht mir etwas.

Kapitel 3

Mollie

Seit langer Zeit fühle ich mich mal wieder wie mein altes Ich. Wie eine Frau, der das Lächeln leichtfällt, weil sie keine Sorgen hat. So ging es mir, als ich mit achtzehn nach Boston aufs College ging. Es war schwer, den Busen der Kleinstadtfamilie zu verlassen und auf die andere Seite des Kontinents zu ziehen, in eine laute Großstadt voller Fremder.

Für Boston entschied ich mich aus verschiedenen Gründen. Erstens wegen des Abenteuers. Das ist schon immer ein fester Bestandteil meines Wesens gewesen. Zwar liebte ich die Sicherheit meines Zuhauses, aber ich sehnte mich danach, die Welt zu sehen, und Boston war ein guter Anfang. Dass mein Vater ebenfalls am Boston College gewesen ist, war der zweite Grund. Es bestand sozusagen eine Familientradition.

Doch als ich dort ankam, fühlte ich mich total verloren. Einsam, verängstigt, und ich vermutete, einen Fehler gemacht zu haben. Ich zweifelte daran, dass ich je auf mich allein gestellt leben könnte.

Kane Bellan änderte alles. Zwar kann ich nicht genau sagen, wie sehr er mir half, mein Selbstbewusstsein wieder aufzubauen, doch ich weiß, dass ich ihm zu verdanken habe, mein Leben selbst zu bestimmen. Über die Jahre im College und in den Sommern zu Hause half er mir dabei, zu entdecken, dass ich eine Abenteurerin bin. Er tat das auf so simple Weise, dass ich an mich selbst glauben konnte. Nur durch das Selbstbewusstsein, das er in mir aufbaute, indem er mich bei meinem Wunsch ermutigte, eines Tages eine reisende Bloggerin zu sein, war ich in der Lage, mich in das Abenteuer des Reisens zu stürzen. Das kann ich ihm niemals zurückzahlen.

Interessant, dass ich mich an einem Tiefpunkt im Leben nicht an meine Eltern wende. Sosehr ich sie auch liebe wie die Luft zum Atmen, ist es doch Kane, dem ich nah sein will.

Heute war es schön und stressfrei. Ich habe geduscht, meine Beine rasiert und mir natürlich die Zähne geputzt. Ich benutzte sogar seinen Föhn. Kane ist ein Mann, der sich nichts dabei denkt, eitel seine Frisur zu stylen. Als ich zum Abendessen erschien, kam ich mir fast hübsch vor.

Zu Fuß gingen wir zu einem Tapas-Restaurant und tranken Sangria zu den verschiedenen Tapas. Ich wusste, dass er sich Sorgen um mich macht, doch er hielt die Unterhaltung locker und unbeschwert. Dafür war ich dankbar, aber ich bin nicht blöd. Ich sehe die Sorge in seinen Augen und weiß, dass er mich früher oder später bedrängen wird. Und da er mein bester Freund ist, werde ich mich ihm anvertrauen.

Ja, ich reise beruflich. Ich schaffe es kaum, Kane zweimal im Jahr zu treffen. Ich versuche immer, wenigstens zu einem seiner Spiele zu gehen, und wenn er Sommerurlaub hat und seine Familie besucht, lege ich meine Reisen so, dass wir Zeit miteinander verbringen können. Wir telefonieren oft und schreiben uns fast täglich mit dem Handy. In den über zehn Jahren unserer Freundschaft hat es nie eine Funkstille zwischen uns gegeben, und ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich ohne ihn machen würde.

Nach dem Dinner machen wir einen schönen Spaziergang zu seiner Eigentumswohnung zurück. Die Sommernacht ist perfekt. Wir führen Samson noch Gassi, und dann schlägt Kane vor, auf seinem Balkon zu sitzen, von wo aus man Phoenix überblicken kann, und eine Flasche Wein zu öffnen. Der Balkon ist recht geräumig. Dort stehen ein Gasgrill, ein Gartentisch und vier Stühle. Es fehlen nur ein paar Blumenkübel, aber bei Kanes vollem Terminkalender würden Pflanzen wohl elendig verdursten.

Wir setzen uns an den Tisch, trinken Wein und betrachten die Straßen unter uns. Samson legt sich neben das Geländer, steckt die Nase zwischen die Gitterstäbe und schnüffelt die Luft.

Kane kommt zur Sache. „Erzählst du mir jetzt, warum du gekommen bist?“

Mein Besuch war erst für Oktober geplant, aber die Umstände haben mich einen Monat früher hergeführt, und ich weiß, dass Kane besorgt ist.

Ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll. „Wärst du zufrieden damit, wenn ich sage, dass ich eine Existenzkrise habe?“

Er lacht leise. „Nein. Viel zu vage.“

Ich trinke einen Schluck Wein, der größer ist als nur ein Nippen. Ein klares Zeichen, dass ich Ermutigung brauche. Kane verengt die Augen. Ich schaue wieder auf das Lichtermeer der Stadt. „Es gab einen Zwischenfall. Ich bin angegriffen worden.“

Schweigend setzt er sich aufrechter hin. Ich spüre seine empörte Ausstrahlung. Das erinnert mich an eine Party auf dem College, auf der ich mich betrunken habe. Ich weiß nichts mehr von der Party, aber am nächsten Tag erzählte er mir, dass er einen Kerl auf mir erwischt hatte und ich wahrscheinlich beinahe vergewaltigt worden wäre. Ich habe nie erfahren, was er mit dem Typen gemacht hat, aber er versicherte mir, das Problem sei erledigt. Er trug mich nach Hause und blieb bis zum Morgen bei mir, bis ich aufwachte, einen Kater hatte und mich schrecklich fühlte. Als er mir die Geschichte erzählte, fühlte es sich an wie jetzt. Energetische Wellen der Wut schwappten zu mir herüber, und ich spürte sein Verlangen, demjenigen wehzutun.

Ich nehme meinen Mut zusammen und schaue ihn an, um ihm klarzumachen, warum ich eine Krise habe. „Ich habe alle fünfzig Staaten bereist“, beginne ich und er hört mir zu. Er kann sehr geduldig sein. „Plus Kanada, Mittelamerika, Lateinamerika und zweimal Europa. Ich war an so vielen Orten, dass ich eine Excel-Liste brauche, um noch alle zu wissen.“

„Ich habe eine digitale Landkarte, auf der ich alle Orte eintrage, an denen du warst“, sagt er.

Der Stolz in seinem Ton verursacht mir einen Kloß im Hals.

„Wirklich?“, frage ich angenehm erstaunt.

„Ich habe immer ein Auge auf dich, Mollie“, antwortet er, doch seine Stimme klingt hart.

Das zeigt seine Enttäuschung, aus der Distanz nicht viel mehr tun zu können.

Ich nicke und verstehe sein Dilemma. Er war schon immer mein Beschützer und kann bei der Entfernung diesen Job nicht wirklich ausführen. Und das tut ihm weh.

Ich fahre fort. „Noch nirgends habe ich mich in Gefahr gefühlt. Du weißt, dass ich vorsichtig bin. Ich habe Samson und eine Waffe, zumindest hier in den USA, mit der ich umgehen kann. Ich suche mir die Camping- und Rastplätze genau aus, um gefährliche Gegenden zu meiden. Nirgends bleibe ich einsam und allein, denn ich weiß, dass belebte Orte sicherer sind. Und stets mache ich nur nette Erfahrungen. Ich habe die freundlichsten Menschen kennengelernt. Leute wie ich, die ständig auf Tour sind, und wir halten zusammen und achten aufeinander.“

Kane schweigt, doch an seinem Kiefer zuckt ein Muskel. Das verrät, dass er sich auf den schlimmen Teil meines Berichts vorbereitet.

„Es war kein Fremder“, sage ich leise.

Kane beugt sich leicht über den Tisch. „Spuck’s schon aus, Mollie.“

Ich wende den Blick ab. „Es war Matthew.“

Matthew ist der Mann, mit dem ich ein paar Monate zusammen gewesen bin. Kane weiß Bescheid, denn ich erzähle ihm praktisch alles. Aber Moment mal … interessant, dass er mir nichts von der schönen, exotischen Frau erzählt hat, die gestern aus seiner Wohnung gekommen ist.

Jedenfalls habe ich Matthew Brighton vorigen Sommer in Dakota kennengelernt. Er war am Ende einer zweimonatigen Fahrradtour. Ein Freigeist wie ich. Ebenfalls ein Blogger. Gut aussehend, humorvoll und gesellig. Wir hatten so viel gemeinsam, dass wir unweigerlich zusammenkamen, und ich fühlte mich absolut sicher, als ich ihn einlud, mit mir weiterzureisen.

Er folgte meiner geplanten Route, und ich passte sie so an, dass er kilometermäßig mit dem Rad auch mitkam. Morgens wachten wir in den Laken meines Bettes im Minibus zusammen auf. Dann fuhr ich weiter zur nächsten Sehenswürdigkeit und traf ihn abends am vereinbarten Ort wieder.

Das war cool und echt schön.

Er gab mir etwas, was mir so langsam im Leben gefehlt hat. Kameradschaft in der Isolation, die mein Leben ausmacht.

„Aber ihr habt Schluss gemacht“, knurrt Kane verärgert.

„Ja. Vor vier Monaten. Und das war nicht schön.“

„Das hast du mir gar nicht erzählt“, sagt er vorwurfsvoll.

Ich zucke mit den Schultern. „Weil es mir nicht so wichtig war. Zumindest nicht zu dem Zeitpunkt.“

In Wahrheit habe ich immer mehr Matthews wahres Ich erkannt, je länger ich mit ihm zusammen war. Er wurde kontrollierend und manipulativ. Er schränkte meine Freiheit ein, die ich sehr liebe, und es wurde beängstigend, als ich nicht tat, was er verlangte.

Als ich Schluss machte, sprach er gemeine Drohungen aus und ich bekam Angst.

Glücklicherweise kam ich mit dem Minibus viel schneller voran als er mit dem Rad. Ich fuhr direkt vier Staaten weiter, bevor ich erleichtert aufatmen konnte.

In den folgenden Wochen belästigte er mich mit Anrufen und Nachrichten. Ich reagierte nicht darauf und irgendwann ließ er mich in Ruhe.

In Kanes Ausdruck zieht ein Gewitter auf. Nicht gegen mich, sondern gegen den Kerl, der mir Angst gemacht hat.

„Ich dachte, er sei nur noch eine schlimme Erinnerung. Es war zwei Monate her, seit er mir das letzte Mal eine Nachricht geschickt hatte, und daher habe ich nichts ahnen können.“

„Was ist passiert?“ Wenn er sich so fühlt, wie er klingt, dann ist ihm zum Kotzen zumute.

„Letzte Woche war ich in North Carolina.“ Ich greife nach dem Glas und trinke noch einen Schluck. „Auf der Topsail-Insel. Da gibt es einen schönen Campingplatz an einer Wasserstraße. Ich führte Samson Gassi, frühstückte und räumte im Minibus alles weg, um weiterzufahren.“

Dafür musste ich nur das Geschirr wegräumen und das Bett umklappen, das dann zur Sitzbank wird. Wenn ich die Tischplatte herunterklappe, kann ich dort sitzen und bloggen.

Ich tauche wieder in die Erinnerungen ein. „Samson bellte. Viele der anderen Camper waren schon abgefahren, daher wunderte ich mich. Das Bellen war kein warnendes, sondern eher ein erfreutes, was noch seltsamer war, denn Samson vertraut nicht vielen Menschen. Du bist einer davon.“

Kane lächelt nicht einmal bei der Aussage, dass Samson ihn mag.

„Ich war im Minibus auf allen vieren, faltete die Matratze zusammen und schaute über die Schulter, um zu sehen, wen Samson da begrüßt. Es war Matthew.“

„Himmel noch mal“, murmelt Kane beklommen.