Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 13: Die Reise zum Toten Meer - Ralph G. Kretschmann - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 13: Die Reise zum Toten Meer E-Book

Ralph G. Kretschmann

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Beschreibung

Die neue und faszinierende Wissenschaft der Altertumsforschung lockt Kara Ben Nemsi in die Türkei. Dort glaubt Heinrich Schliemann, das sagenhafte Troja gefunden zu haben. Dort lernt Kara Ben Nemsi auch Samuel Clemens kennen, der ebenfalls Schriftsteller ist, den die Welt jedoch unter dem Künstlernamen Mark Twain kennt. Gemeinsam werden Reisen und Ausgrabungen geplant. Doch die kleine Gemeinschaft wird angegriffen. Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und Samuel Clemens geraten zwischen alle Fronten. Autor: Ralph Kretschmann Die Printausgabe umfasst 166 Buchseiten.

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Kara Ben NemsiDIE REISE ZUM TOTEN MEER

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

1813 Die Reise zum Toten Meer

1814 Die Stadt am Toten Meer

Kara Ben Nemsi

Die Reise zum Toten Meer

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Ralph G. Kretschmann

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Ralph KretschmannUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierInnenillustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-123-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

Der Hügel, der vor mir lag, glich einem riesenhaften Ameisenhügel mit den Hunderten von Arbeitern, die in Körben und Eimern Erde beiseite schafften und den Boden abtrugen. In all dem Gewirr zeichnete sich selbst für mein ungeübtes Auge ein Muster ab, welches deutlich machte, dass hier planvoll gearbeitet wurde. Der trockene, sandige Boden staubte unter meinen Stiefeln, die von einem feinen, grauen Belag überzogen waren. Es würde mich einige Mühe kosten, sie wieder so blank zu wienern, wie es mein treuer Halef konnte.

Ich hatte Hadschi Halef Omar, meinen Adlatus und Weggefährten, in Kairo zurücklassen müssen, wo er sich um unsere Tiere und Angelegenheiten kümmerte, bis ich von meinem Abstecher in die nördliche Türkei zurückgekehrt war. Mit dem Schiff war ich über Akkar gekommen. Die Reise über das Mittelmeer ersparte mir einen Ritt, der mich viel Zeit gekostet hätte, und brachte mich in nur wenigen Tagen an mein Ziel.

Ali Bey, ein Freund in Kairo, hatte mir von dem ­verrückten Deutschen erzählt, der da oben in der Türkei, südlich von Istanbul, nach verschollenen Schätzen gräbt. Ich kann nicht sagen, was mich bewegte, mich kurzfristig aufzumachen, um diesen Deutschen zu besuchen. War es die Neugier, die die junge Wissenschaft der Archäologie in mir weckte, oder die Gelegenheit, einmal wieder in meiner Muttersprache mit einem gebildeten Menschen reden zu können?

Ich hatte in einer kleinen Karawanserei in der Nähe von Tevfikiye Quartier genommen. Von hier aus konnte ich auf dem Rücken eines Kamels oder Esels leicht den Ort erreichen, den ich aufsuchen wollte. Ich trug meine europäische Kleidung und einen Fez, wie es hier üblich war. Bewaffnet war ich nur mit einer Pistole in einem Halfter am Gürtel. Meine Waffen, den Henrystutzen und den Bärentöter, hatte ich zusammen mit meinem Pferd Rih in Halef Omars Obhut gelassen. Ich gedachte, in wenigen Tagen wieder aufzubrechen und nach Kairo zurückzureisen.

Vor meiner Abreise hatte ich ein Telegramm an den Leiter der Ausgrabung geschickt, in dem ich mein Kommen angekündigt hatte. Ich hatte mich, was der Wahrheit entsprach, als Schriftsteller vorgestellt, der unter Umständen über die Arbeiten berichten wollte, die am Hisarlik Tepe stattfanden.

Der Mann, den ich aufzusuchen gedachte, war selbst kein Wissenschaftler, sondern ein gebildeter Kaufmann aus Mecklenburg, dessen nicht unbeträchtliches Vermögen ihn in die Lage versetzte, diese Ausgrabungen aus seiner eigenen Tasche zu finanzieren.

Ich fand Heinrich Schliemann, nachdem ich mich bei den türkischen Arbeitern durchgefragt hatte, wobei mir meine Kenntnisse der arabischen Sprachen zugutekamen. Schliemann kniete vor einem frisch ausgehobenen Loch und strich mit einer Maurerkelle Erde von einem Fundstück fort.

„Herr Schliemann?“ Ich trat neben den knienden Mann und streckte meine Hand aus. „May ist mein Name. Karl May. Ich habe Euch vor einigen Tagen mein Kommen durch eine Depesche angekündigt ...“

Der eher kleine Mann richtete sich auf und klopfte sich die Erde von der Hose. Er schob die dicke Brille, die er trug, auf der Nase nach oben und betrachtete mich eingehend.

„Ach ja, der Reiseschriftsteller, ich erinnere mich! Nun, dann seid mir gegrüßt.“

Schliemann war kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte, aber mit einem freundlichen, offenen Gesicht. Er ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie herzlich.

„Mir scheint, diese Tage kommt viel Besuch“, stellte er fest. „Gestern kam schon ein Herr aus Amerika, der sich für das begeisterte, was ich hier tue. Und heute kommt Ihr, Herr May. Zu meinem Bedauern müsst Ihr mit meiner Wenigkeit vorlieb nehmen, denn meine Frau befindet sich zurzeit in Athen, um ihren siechen Vater zu pflegen. Aber was rede ich denn! Ihr seid sicher nicht hierhergekommen, um meine Familiengeschichten zu hören! Kommt, ich zeige Euch, was wir bislang gefunden haben!“

In meiner Zeit in Amerika hatte ich als Landvermesser gearbeitet und erkannt so leicht, dass Schliemann systematisch vorging. Er hatte den Hügel in Planquadrate aufgeteilt, sodass er jeden Fund präzise in einen Plan eintragen konnte. Eine sehr durchdachte Vorgehensweise, um an eine solche Aufgabe heranzugehen, wie es das Ausgraben einer ganzen Stadt war.

„Ich lasse hier einen Graben ausheben, um einen Schnitt durch die verschiedenen Schichten erstellen zu können. Das wird dann auch ermöglichen, zu sagen, in welcher Schicht sich das Troja Homers befindet.“

„Oh, es gab mehrere Troja?“ Ich war erstaunt. „Müsste es denn nicht die oberste Schicht sein, die Ihr sucht? Troja wurde ja zerstört ... dem Erdboden gleichgemacht, hieß es, wenn ich mich recht entsinne.“

Schliemann lächelte mich, den unwissenden Laien, freundlich an.

„Wer sagt denn, dass nicht später andere Völker auf den Ruinen ihre eigene Stadt erbauten? Der Ort lädt förmlich dazu ein. Wie diese Orte geheißen haben, können wir nicht wissen, aber es war sicher nicht das homerische Troja, das die oberste Schicht hier bildete. Da war nichts, das den Beschreibungen in der Ilias gleichgekommen wäre.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, mein Troja liegt tiefer, das ist sicher!“

Er führte mich zu einem flachen Zeltpavillon, wo einige türkische Arbeiter damit beschäftigt waren, die gefundenen Tonscherben zu sortieren. Auf langen Tischen lagen Scherben aller Größen und in allen Schattierungen der Farben Rot und Grau. Die Männer ordneten sie nach Farben, um sie dann zu sichten, ob vielleicht eine zu einer anderen passen könnte. Ich hatte schon in Museen bewundern können, wie geschickt es diese Wissenschaftler verstanden hatten, aus einem Haufen zerbrochener Tonstücke wieder ein Gefäß, eine Vase oder Amphore auferstehen zu lassen.

Hinter den Arbeitern stand ein Mann, der ein wenig fehl am Platze zu sein schien. Er trug einen gewaltigen, gut gepflegten Schnauzbart und einen hellen Tropenanzug mit Weste, wie er bei den Engländern Gang und Gäbe war. Er hatte einen offenen Blick, grau meliertes, braunes Haar, das er etwas länger trug, als es zurzeit en vogue war, und einen Hut auf dem Kopf, der ihn eindeutig als Amerikaner kennzeichnete. Derlei Kopfbedeckungen hatte ich zuhauf gesehen in Tombstone, Houston und Wichita Falls!

„Good Morning, Sir! Nice to meet you. My name is May, Karl May!“

Der Mann mit dem breitkrempigen Hut sah mich erstaunt an.

„Euer Englisch ist sehr gut. Viel besser als mein Deutsch!“ Sein Zungenschlag verriet seine Herkunft deutlicher, als es sein Stetson es tat. Er rollte das R, wie nur die Amerikaner es taten, und betonte die Worte sehr eigenwillig, was ihn ebenso als Yankee kennzeichnete. Er tippte mit dem Finger an die Krempe seines Hutes.

„Clemens, zu Eurer Verfügung!“

„Ich habe eine gewisse Zeit in den Staaten verbracht, da war es unvermeidlich, die Sprache zu lernen. Es hilft, wenn man sich verständigen will, Mister Clemens.“

Der Schnauzbärtige lachte laut auf.

„That’s right! Dann kennt Ihr also Amerika?“

„Das will ich meinen! Von den Städten an der Ostküste bis hin zu den Bergen der Rocky Mountains habe ich das Land durchritten und so manches Abenteuer bestanden. Aber die meiste Zeit habe ich in den Indianerterritorien verbracht. Ich zähle viele Rothäute zu meinen Freunden. Vielleicht habt Ihr schon einmal vom Häuptling der Apachen gehört, der den Namen Winnetou trägt.“

„Naturlich!“ Der Amerikaner nickte heftig. „Wer hat die Geschichten nickt gehört, die man sik abends an die Lagerfeuern erzählt, von Winnetou, den Häuptling der Mescaleros, und seinem Blutsbruder, den man Old Shatterhand nennt.“

Jetzt war es an mir, ein Lächeln aufzusetzen. Zum einen wegen der offensichtlichen Mühe, die die deutsche Sprache dem Amerikaner machte, zum anderen, weil ich zu ahnen begann, wer da vor mir stand. Ich hatte dieses Gesicht mit dem imposanten Schnauzbart wirklich schon gesehen und zwar in einer illustrierten Zeitung, die ich gelesen hatte, bevor ich zu meiner Orientreise aufgebrochen war.

„Nun, dieser Old Shatterhand, der bin ich.“

Clemens blickte mich zweifelnd an. So, wie ich da vor ihm stand, mit Anzug und Fez, gab ich wohl wirklich nicht das Bild ab, das man sich von einem Mann macht, der unter Rothäuten gelebt hat.

„Ik habe gehört, dass Old Shatterhand stets zwei Gewehre mit sich führt. Nun, Sir, bei Euch sehe ich nicht einmal ein Gewehr.“

„Meinen Bärentöter und den Henrystutzen habe ich in Kairo zurückgelassen, wo ein treuer Freund darauf achtgibt, bis ich zurückkehre. Dies ist nicht der amerikanische Westen und es würde doch auffallen, wenn ich hier in den Städten mit zwei solchen Gewehren bewaffnet herumliefe, denkt Ihr nicht? Ich darf Euch aber versichern, dass ich Old Shatterhand bin.“

Ich ließ einen Satz in der Sprache der Mescaleros folgen, der ungefähr besagte, dass ein weiser Mann sich sein Urteil selbst bildet und nicht dem Vorurteil anderer folgt. Das hatte Winnetous Vater, Intschu tschuna, mir einmal gesagt. Er war ein wirklich weiser Mann ...

„Ihr könnt mir glauben oder nicht, Sir. Das ändert nichts daran, dass ich Euch durchaus kenne! Euer Bild war auf allen Titelseiten, bevor ich aus Deutschland abreiste. Es geschieht nicht häufig, dass ein amerikanischer Schriftsteller mit einer Reputation wie der Euren mein Heimatland besucht. Ihr seid ...“

„No, please! Sagt diesen Namen nikt. Ik bin Sam Clemens, nikt mehr und nikt weniger.“ Sam Clemens flüsterte so leise, dass ich ihn gerade noch hören konnte, der ein Stück entfernt von uns stehende Schliemann aber nicht.

„Herr Schliemann weiß nikt, wer ik bin. Versprekt Ihr mir, Stillschweigen zu bewahren?“

Offenbar reiste Clemens inkognito und ich würde ihn sicher nicht verraten.

„Selbstverständlich, Herr Clemens!“

Der Mann mit dem Schnauzbart lächelte und nickte nur. Ein Dank war nicht nötig.

Schliemann bestand darauf, dass wir ihm beim Abendessen Gesellschaft leisteten und wir nahmen seine Einladung gern an.

Das Tischgespräch über die Ausgrabungen, die der ehemalige Kaufmann aus eigener, gut gefüllter Tasche finanzierte, setzten wir nach einem frugalen Mahl im Raucherzimmer bei Zigarren und gutem Whisky fort. Ich hielt mich bedeckt, was das Feuerwasser anging, und beließ es bei einem Glas, aber Schliemann und Clemens frönten dem Genuss in höherem Maße und bald war die Flasche geleert und die Zungen gelockert.

Heinrich Schliemann liebte es, über seine Unternehmung zu reden und darüber, wie ihn Homers Ilias geleitet hatte.

„Man hat mich belächelt, denn offen zu lachen wagte sich niemand, doch jetzt schweigen sie alle und applaudieren! Ich habe den Beweis angetreten, dass meine Annahmen richtig waren! Und das hat immense Bedeutung für die Archäologie!“

„Wie darf ik das verstehen, mein lieber Schliemann?“ Sam Clemens schenkte sich aus der Flasche, die auf dem Tisch stand, einen weiteren Whiskey ein.

„Nun, Mister Clemens, stellt Euch doch nur vor! So viele Geschichten! So viele Möglichkeiten! Wir könnten die alten Autoren wörtlich nehmen und sie wie einen Plan benutzen. Was ließe sich da nicht noch alles finden!“

„Es gibt so viele Ruinen, gerade hier im Orient, dass man nur losreiten muss, um auf eine zu stoßen und den Spaten anzusetzen.“ warf ich ein. „Dann wird man schon sehen, was man dort findet. Meint Ihr nicht, das wäre einfacher?“

„Empirische Suche!“, tat Schliemann meinen ­Einwand ab. „Nein, wissenschaftliches Vorgehen führt zum Erfolg, meine Herren! Die gezielte Suche, das ist die Zukunft! Es mag durchaus auch einmal der Zufall zu einer ­Entdeckung führen, das will ich zugeben, aber es ist und bleibt unwissenschaftlich! Ich hörte unlängst erst von einer Stadt, die man angeblich mitten in der Wüste ausgegraben hat, bei einem Hügel, dem Tall el-Hammam, wenn ihr selbst gern forschen wollt. Ein Bekannter aus England berichtete mir, niemand wüsste, um welche Stadt es sich handelt und wer die Bewohner gewesen sein mögen. Es ist aber auch nicht verwunderlich, bedenkt man, in welcher Gegend diese Stadt liegen soll. Rund um das Tote Meer finden sich mehr Ruinen als im ganzen Griechenland!“

„Dann findet einmal vielleicht einer die Camelot von den Konig Arthur!“ Clemens schüttete den Whiskey in einem Zug hinunter. „Oder die Grab von Eurem Konig Redbeard ... Barbarossa?“

„Das Grab, mein Bester. Und es hätte von dem König heißen sollen. Entschuldigt, ich sollte Euch damit nicht aufziehen! Das war unhöflich!“ Schliemann langte nach der Flasche und schenkte die leeren Gläser von Clemens und sich selbst nach. In meinem befand sich noch zu viel, als dass es angezeigt gewesen wäre, es ebenfalls wieder zu füllen.

„Entschuldigung angenommen! Aber es ist auch nikt einfach mit diese deutsche Sprache! Der, die, das, dem, den! What the hell! In die englische Sprache, da ist nur ein Wort. The. Wie soll man sik die Regeln merken können, wenn man nikt aufgewachsen ist damit?“

„Ihr solltet Euch überlegen, ob Ihr darüber nicht ein Buch schreibt, Sir.“ Ich hob mein Glas und prostete den beiden Männern zu. „Ich bin mir sicher, dass es seine Leser finden würde!“

Clemens kicherte bei dem Gedanken leise und trank.

„Vielleicht ik tue es. Irgendwann! Ik nenne es The awfull german language! A nice idea!“

Wir sprachen noch eine Weile über dies und das, bis es an der Zeit war, sich zurückzuziehen. Schliemann verabschiedete sich höflich als Erster, da er am nächsten Morgen noch vor dem ersten Licht auf der Ausgrabung sein wollte.

Sam Clemens begleitete mich noch ein Stück auf meinem Weg. Er wollte sich die Beine vertreten. Trotz des nicht unerheblichen Alkoholkonsums ging er mit festem Schritt neben mir her und auch seiner Stimme hörte man in keiner Weise an, dass er doch einiges genossen hatte.

„Was denkt Ihr, Herr May? Würde es Euch reizen? Die Stadt finden, von der Herr Schliemann sprach? Ik spiele mit der Gedanke, dort hinzureisen.“

„Reizen? Durchaus! Aber ich würde vorschlagen, wir nehmen den Weg mit dem Schiff nach Alexandria und von dort nach Kairo. Ich würde ungern von hier aus reisen, ohne meine Waffen und die nötige Ausrüstung. Von Kairo aus erreichen wir den Ort, den Herr Schliemann uns nannte, schneller, als von hier aus. Was meint Ihr, Sir, wie würde Euch ein Besuch in Ägypten gefallen?“

Clemens lachte laut auf.

„Ik wollte immer schon einmal der letzte existierender Weltwunder sehen! Wann wollen wir reisen?“

„Nun, Sir, ich sehe keinen Grund, weshalb ich noch länger in der Türkei verweilen sollte. Ich werde morgen sehen, wann das nächste Schiff geht. Wie schnell könnt Ihr reisefertig sein?“

„Zwei Tage werden reichen, um zu erledigen, was ich noch erledigen muss.“ Clemens deutete zurück zu dem Lager, das wir eben verlassen haben. „Ik mag Mister Schliemann, really, i do! Aber er ist auch ein wenig anstrengend, if you know, what i’m talking about! Aber was er hier vollbringt, ist sehr beeindruckend.“

„Das ist es!“, stimmte ich zu. „Werdet Ihr darüber schreiben, Mister ... Twain?“

Clemens lachte leise.

„Danke Euch noch einmal, dass Ihr mein kleines Geheimnis nikt verraten habt. Samuel Langhorne Clemens erregt lange nikt so viel Aufsehen, wie es Mark Twain getan hätte. Und ik muss gestehen, ik weiß nikt, ob ik über dies hier schreiben werde. Vielleikt. Vielleikt nikt. Man wird sehen! Ik sakte ja, dass ik hier inkognito bin und ik mökte, dass das so bleibt. Man denkt, Twain wäre in Amerika und das ist gut so!“

Clemens’ Frau war schwer erkrankt, das hatte man in allen Zeitungen lesen können. Er war nur nach Europa gereist, um ein Medikament zu beschaffen, von dem es hieß, es könne der Kranken helfen, das es aber in Nordamerika nicht zu erwerben gab. Um langwierige Diskussionen und unnötigen Schriftverkehr zu vermeiden und um möglichst zügig an die Medizin heranzukommen, war Clemens nach Europa gekommen. Nun hing die ­Lieferung von den türkischen Behörden ab und denen war völlig egal, ob es pressierte oder sogar ein Leben davon abhing. Sie verlangten Stempel, Genehmigungen und immer wieder Bakschisch. So saß auch Clemens hier fest. Mindestens zwei Wochen, so hatte man ihm mitgeteilt, würde es dauern, bis die Freigabe vielleicht erteilt werden würde.

„Dazu kommt der leider nikt unbeträchtliche Ruhm, der es erschwert, meine Belange zu beschleunigen, wisst Ihr. Ik darf nikt zu laut werden. Der Fluk der Popularität!“

„Ähnlich ergeht es mir auch, Sir. Ihr müsst wissen, dass wir Kollegen sind. Auch ich bin Schriftsteller. Allerdings schreibe ich über meine Reisen und bin damit nicht halb so erfolgreich wie Ihr. Aber es reicht aus, um ein recht freies Reiseleben führen zu können.“

„Ihr müsst mir bei Gelegenheit eines Eurer Werke zum Lesen geben, Mister May. Ik gehe davon aus, dass Ihr die meinigen kennt?“

Das konnte ich natürlich bestätigen. Wer hatte Tom Sawyer nicht gelesen? Wir unterhielten uns noch angeregt über Literatur und dies und das, bis wir die Kreuzung erreichten, von wo aus mein Weg zurück zu meiner Unterkunft verlief. Wir verabschiedeten uns voneinander und verabredeten, uns am übernächsten Tag im Hafen zu treffen. Ich würde uns zwei Passagen buchen und Clemens benachrichtigen lassen, mit welchem Schiff wir reisten.

Ein Schiff war schnell gefunden, eine kleine Dhau, die an der Küste hinunter segelte, von Hafen zu Hafen, bis nach Alexandria. Von dort kamen wir leicht weiter nach Kairo. Nachdem ich dem Kapitän des Schiffes die Hälfte der Kosten für die zwei Passagen gezahlt hatte, ging ich in die nächste Telegrafenstation und kabelte meinem treuen Hadschi Halef Omar meine ungefähre Ankunftszeit in Alexandria, damit er mich und Sam Clemens am Hafen mit meinem Gepäck, den Waffen und meinem Pferd Rih erwarten konnte. Für Sam Clemens würden wir vor Ort ein Reittier finden müssen und auch das konnte Halef schon in die Wege leiten, bevor wir anlegten.

Ich gab einem Hafenarbeiter ein paar Münzen, dass er eine Botschaft an den Amerikaner überbrachte, der bei dem Deutschen gastierte, der den Hügel Hisarlik umgraben ließ, und versprach ihm weiteren Lohn, wenn er mir die Antwort des Empfängers gleich übermittelte. Der Mann verdiente in einem Monat nicht so viel, wie ich ihm gegeben hatte, und würde sicher den Auftrag erledigen, um noch einmal die gleiche Summe einstreichen zu können. Also verfasste ich ein kurzes Schreiben in Englisch, in dem ich Clemens darüber unterrichtete, dass ich zwei Passagen gebucht hatte und wann er sich wo einfinden solle.

Der Mann, der die Depesche überbringen sollte, rannte los und ich hatte Zeit ein gutes Mahl zu mir zu nehmen, das ich mit einem gesüßten Mokka und einer Shisha, der türkischen Wasserpfeife, beendete.

Eben erst hatte ich den Schlauch der Pfeife, der dem Inhalieren des aromatischen Tabakrauchs diente, an der Schale abgelegt, die die Asche auffing, da kam der schwer atmende Mann zurück und überreichte mir mit leuchtenden Augen die Antwort des Amerikaners. Nach amerikanischer Art fiel diese kurz aus.

I will be there!, stand auf dem Papier, dass der Bote mit gereicht hatte. Ich werde da sein.

„Du warst schnell, sehr schnell sogar, deshalb denke ich, dass deine Entlohnung nicht gerecht wäre“, sagte ich und lächelte den Mann an, dessen Gesicht sich sofort verfinsterte, da er annehmen musste, ich wollte ihm die versprochene zweite Bezahlung verweigern. Ich griff in meine Tasche und zählte einige Münzen ab, hielt diese aber so, dass der Türke nicht erkennen konnte, wie viele Münzen ich in der Hand hielt.

„So schnell warst du, dass es mir angemessen erscheint, deinen Lohn nicht zu verdoppeln.“

Das Gesicht des Mannes zeigte deutlich seine Enttäuschung und ich wollte ihn nicht weiter necken.

„Ich will ihn dir dreifach geben.“

Ich streckte dem ungläubig dreinschauenden Mann meine flache Hand entgegen.

„Nun nimm, du hast es dir verdient!“, forderte ich ihn auf. Vorsichtig nahm der Bote die Münzen und steckte sie ein.

„Hamdullillah!

---ENDE DER LESEPROBE---