Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 14: Die Stadt am Toten Meer - Ralph G. Kretschmann - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 14: Die Stadt am Toten Meer E-Book

Ralph G. Kretschmann

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Beschreibung

Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar sind den Waffenschiebern auf der Spur, die ihnen in Palästina nach dem Leben trachteten. Dabei treffen sie auf die Frau des verschollenen Sprachwissenschaftlers Walther Schmidt. Gemeinsam bricht man auf, um nach dem Verschollenen zu suchen. Der Weg führt tief in die Wüste zu den Ruinen einer vergessenen Pyramide. Wenig später muss sich der kleine Trupp gegen Verbrecher und Naturgewalten durchsetzen. Autor: Ralph Kretschmann Die Printausgabe umfasst 170 Buchseiten.

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Kara Ben NemsiDIE STADT AM TOTEN MEER

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

1813 Die Reise zum Toten Meer

1814 Die Stadt am Toten Meer

Kara Ben Nemsi

Die Stadt am Toten Meer

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Ralph G. Kretschmann

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Ralph KretschmannUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierInnenillustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-124-3Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

Ich liebe meine sächsische Heimat und insbesondere den Winter dort, aber es gab nichts, das sich mit dem Wind vergleichen ließe, der am frühen Morgen vom Meer her über das Land strich, frisch und feucht, mit einem Hauch Salz in der Luft und dem Versprechen, die bevorstehende Hitze des Tages zu mildern.

Es hatte mehrere Monate gebraucht, die Dinge zu Hause zu regeln. Meine Berichte über den Orient fanden genug Zeitungen, die sie druckten, dass ich es mir erlauben konnte, zurück in die siegreiche Stadt zu reisen, wie der ursprüngliche Name von Kairo lautete.

Ich hatte meinem treuen Halef einen Brief geschickt, in dem ich meine Ankunft mit der Egyptian Star ankündigte, aber er erwartete mich nicht am Pier.

Das musste nichts bedeuten und ich maß dem keine große Bedeutung zu, kannte ich doch die Zuverlässigkeit der orientalischen Post, die mit der deutschen nicht zu vergleichen war.

Ich mietete mich in einer preiswerten Karawanserei am Rand der großen Stadt ein, von der ich wusste, dass Halef hier mit Sicherheit nach mir suchen würde.

Da ich noch einige Dinge in Kairo zu erledigen hatte, konnte ich es mir erlauben, zu warten. Es gab da einen Herrn, einen Schweizer, der sich als Franzose ausgab, mit dem ich noch eine Rechnung offen hatte und den ich nicht davonkommen zu lassen die Absicht hatte.

Dieser Mensch hatte versucht, mich, Halef und unseren Wegbegleiter Sam Clemens, der besser unter seinem Schriftsteller-Pseudonym Mark Twain bekannt war, umzubringen. Ein Verhalten, das ich ihm durchaus übel nahm.

Monsieur Le Febre hatte sich der Tarnung als Archäologe bedient, um illegale Waffengeschäfte tätigen zu können. Er steckte hinter mehreren Verbrechen, die ihn ins Interesse der britischen Behörden gebracht hatten. Meine Beweggründe, diesen Mann finden zu wollen, waren persönlicherer Natur. Ich konnte mich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass es da jemanden gab, der mir nach dem Leben getrachtet hatte. Nur zu gern würde ich eben diesen Mann hinter Gittern sehen, seiner gerechten Strafe zugeführt.

Zu meinem Leidwesen musste ich in Erfahrung bringen, dass sich besagter Herr nicht mehr in Kairo aufhielt, sondern zu einer Expedition aufgebrochen war, die ihn in die Libysche Wüste führte. Was er dort zu finden suchte, wusste man nicht zu berichten. Wohl aber erfuhr ich, dass britische Militärangehörige nur zwei Tage nach der Abreise von Le Febre erschienen waren und nach ihm gesucht hatten. Weshalb die Briten nach Le Febre gesucht hatten, konnte oder wollte man mir aber auch nicht sagen.

So blieb mir keine Wahl, außer dem Gesuchten zu folgen.

Ein Giaur in der Wüste sollte nicht schwer zu finden sein. Doch wollte eine solche Reise gut vorbereitet sein und ich gedachte nicht, sie ohne meinen treuen Halef Omar anzutreten.

Ich blieb eine gute Woche in Kairo und versorgte mich mit allem, was ich benötigte. Was mir noch fehlte, befand sich in Halefs Obhut. Meinen Hengst Rih, den Henry­stutzen und meinen Bärentöter hatte ich zurückgelassen, da ich nicht annahm, dass ich sie auf der Schiffspassage oder in Sachsen brauchen würde, was sich als richtige Annahme erwies.

Der kleine Ort am Birket-el-Kerun, einem künstlich schon zu Zeiten der Pharaonen angelegten See westlich des Nils, in Höhe von al-Fayyūm, in dem ich Halef wusste, hieß Azbat Shakshūk und war nur eine Ansammlung von Hütten, die sich in den Wüstenwind lehnten.

Ich betrachtete es als Fügung des Schicksals, denn wenn ich davon ausging, dass es stimmte, was mir gesagt worden war, dann lag der Ort auf halber Strecke hin zu dem Ort, an dem sich der von mir gesuchte Monsieur Le Febre aufhalten sollte.

Es würde eine Reise in eine Sandwüste werden, doch den ersten Teil der Reise legte ich auf dem Nil zurück, der Hauptverkehrsader Ägyptens schon seit den Zeiten der Pharaonen. Das blaugrüne bis ockerbraune Band des großen Flusses spendete diesem Land in der Wüste Leben und war für jegliche Art von Transport der Weg der Wahl.

Ich schiffte mich also samt meines Gepäcks nach sieben Tagen des Wartens, in denen Halef sich nicht einfand, auf einem der zahlreichen Schiffe ein, die Passagiere und Waren in den Süden transportierten.

In Kairo und an Bord der African Queen, einem Schaufelraddampfer, der mich an jene erinnerte, die ich auf dem Mississippi gesehen hatte, trug ich europäische Kleidung, Jackett, Weste und einen leichten, geflochtenen Strohhut.

Das Schiff kam nur gemächlich voran, da es an nahezu jedem Anleger einen Halt einlegte, um Waren zu- oder auszuladen oder Passagier zusteigen zu lassen. Bis zum Ziel meiner Passage würden wir drei Tage unterwegs sein, einem Ort mit Namen Attih, der einige Meilen hinter Luxor lag. Dort gedachte ich, mir ein Kamel zu kaufen, um weiter zu kommen. Ich bevorzuge Pferde als Reittiere, hier im Orient natürlich meinen eigenen Hengst Rih, doch die Gegend, in die zu reiten ich beabsichtigte, gebot eine andere Art von Transportmittel.

Ein Kamel oder, genauer, ein Dromedar war besser geeignet, um durch eine Wüstenei zu reiten. Die genügsamen Tiere mögen störrisch genannt werden, aber kein anderes Tier ist so hervorragend an die Widrigkeiten einer Sandwüste angepasst, als ein Trampeltier.

Meine Kabine war recht geräumig und lag an Backbord, also auf der rechten Seite des Schiffes, und sie lag weit vorn, sodass das Stampfen der Dampfmaschinen mich nicht erreichte.

Ich nutzte die Zeit an Bord, um einige Seiten zu schreiben, und widmete mich den Unterhaltungen mit anderen Passagieren. Auch mit den Mannschaftsmitgliedern sprach ich, so oft es ging. Niemand konnte mir besser sagen, was vorging in dem Gebiet, in das ich wollte, als die, die ständig hindurchfuhren. Sie kannten jeden Tratsch, jede Geschichte und waren gern bereit, sie dem interessierten Europäer, der arabisch sprechen konnte, mitzuteilen. Kaum ein anderer Ungläubiger fragte einen Einheimischen nach dessen Meinung oder um Rat.

Ich erfuhr, dass ein Franke viele Männer angeworben hatte, um eine Ausgrabung zu unterstützen. Ein gern gesehenes Zubrot für viele der Fellachen, die die Felder zu beiden Seiten des Nils bewirtschafteten und für die zurzeit nicht viel Arbeit anstand. So konnte sie zusätzlich Geld verdienen, indem sie den verrückten Franken halfen, Dinge aus dem Sand zu graben.

Ich erfuhr auch von einer Patrouille des britischen Militärs, die in der Wüste vermisst wurde, und von den Sorgen der Eingeborenen, weil das Nilhochwasser im vergangenen Jahr nicht so hoch ausgefallen war, wie es gewöhnlich stieg. Für die Bauern, die vom Nilhochwasser abhängig waren, handelte es sich hierbei um ein fundamentales Problem. Wer in der Hauptstadt an der Macht war, interessierte hier kaum jemanden. Es gab wichtigere Dinge für diese Menschen, wie das tägliche Essen oder woher man Brennholz bekam.

Die Gespräche, die ich mit den Passagieren führte, waren zwar unterhaltsamer, doch wesentlich weniger informativ. Immerhin las ich aus dem Gesagten heraus, dass es eine gewisse Stimmung im Lande der Pharaonen gab, die sich gegen die türkische Oberherrschaft richtete, die aber von den Briten toleriert wurde.

Am zweiten Tag meiner Passage wurde der Wind heißer und trockener. Die Nacht, die folgte, war dagegen so erfüllt von Feuchtigkeit, dass ich glaubte, die Luft kondensiere auf meiner vergleichsweise kühlen Haut. Unter der Decke in meiner Kabine zu liegen, war eine reine Folter, und so beschloss ich, mich wieder anzukleiden und an Deck zu gehen, wo ich mir Kühlung durch den Fahrtwind erhoffte.

Zu meinem Leidwesen hatte ich feststellen müssen, dass sich oben kein Lüftchen regte. Es schien absolut windstill zu sein. Eine Passagierin, die sich als Mrs. Horten vorstellte, wunderte sich darüber, machte das Schiff doch, den Wellen nach zu urteilen, gute Fahrt.

„Es ist ganz einfach“, hatte ich ihr erklärt. „Es weht ein Wind, der in die Richtung weht, in die unser Dampfer unterwegs ist. Wir bemerken dies lediglich nicht, da wir uns mit etwa der gleichen Geschwindigkeit, mit der der Wind nach Süden weht, eben dorthin unterwegs sind. Da Wind und Schiff mit gleicher Geschwindigkeit reisen, erscheint es uns, als herrsche Windstille.“

Mrs. Horten war die Frau eines pensionierten britischen Militärbeamten, wie sie mir erzählte, der sich im Ruhestand der Erforschung der afrikanischen Wüsten widmete, in der er viele Jahre seinen Dienst verrichtet hatte. In dieser Zeit hatte er eine gewisse Liebe für diese trockenen Einöden entwickelt, in denen er die Wintermonate zu verbringen pflegte, da dies seinem Rheuma entgegen wirkte, wie er stets betont hatte. Mir schien es, als sei die Abwesenheit ihres Mannes für Mrs. Horten keine Belastung. Jetzt aber hatte er sie aufgefordert, ihn in Ägypten zu besuchen, da er eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht hatte, wie er ihr geschrieben hatte.

Sie wusste nicht zu sagen, worum es sich bei dieser Entdeckung handeln mochte, doch folgte sie seiner Aufforderung und trat unverzüglich die Reise an. Es war ihre erste Reise in ein Gebiet, das außerhalb der englischen Inseln lag.

Wir unterhielten uns noch über dies und jenes, bis sich andere Passagiere zu uns gesellten, die, wie wir, keinen Schlaf finden konnten und die von Stimmen an Deck dazu bewegt worden waren, sich ebenfalls nach oben zu begeben, in der Hoffnung auf ein Gespräch und etwas Zeitvertreib. Man unterhielt sich über Nichtigkeiten und so verabschiedete ich mich nach einer Weile und ging wieder in meine Kabine.

Die Luft dort war nicht besser geworden und es hatte gedauert, bis ich in den Schlaf gefunden hatte, der wenig erholsam ausgefallen war.

2.

Der nächste Morgen sah uns an der Anlegestelle, an der ich das Schiff verließ.

Ein Boot setzte mich auf die westliche Nilseite über, da der Anleger auf der östlichen lag.

Mein Gepäck bestand nur aus zwei Koffern mit meiner Habe und meiner Kleidung, sodass ich mich, auch ohne Hilfe, weiter bewegen konnte. Ich wechselte meine europäische Kleidung gegen eine, welche der Gegend, in der ich mich aufhielt, angemessener war.

Mit meinem Burnus und dem arabischen Kopftuch, der Kufiya, welche hier geeigneter war als ein Hut, war ich von einem Einheimischen kaum zu unterscheiden.

Ein Ochsenkarren war mein nächstes Transportmittel.

Es war eine halbe Tagesreise bis zu dem Ort Azbat Shakshūk, wo Halef sich aufhalten sollte. Der Ochsenkarren kam nur langsam voran, so fasste ich mich in Geduld und studierte die Karten, die ich mir in Kairo besorgt hatte. Die Gegend, in der sich Le Febre aufhalten sollte, war eine Wüste, doch war es eine, in der wir Menschen seit biblischer Zeit Spuren hinterlassen hatten. Sowohl die alten Ägypter wie auch die Beduinen und viele andere Völker hatten zu beiden Seiten des Nils gesiedelt und Gebäude errichtet. Noch immer waren deren Ruinen Landmarken für so manchen Reisenden.

Der Weg führte am nördlichen Ufer des Sees entlang, von dem man wusste, dass er nicht natürlich entstanden war. Vielmehr war er Menschenwerk, auch wenn es kaum vorstellbar war, dass dies Menschen erschufen. Aber waren die Pyramiden nicht Beweis dafür, dass unsere Vorfahren zu Großem fähig waren? Wer diese Berge aus Stein erschaffen konnte, der konnte wohl auch einen See entstehen lassen, wo es vorher keinen gegeben hatte. Vater Nil lieferte mehr Wasser, als dafür nötig war. Nichtsdestotrotz war es eine beeindruckende Leistung.

Die glitzernde Oberfläche des Sees auf der linken Seite, eine endlos erscheinende Sandwüste auf der rechten, so zog sich der Pfad dahin, der sich vom Rest des Bodens nur dadurch unterschied, dass auf ihm weniger Steinbrocken lagen, beiseite geräumt oder zermahlen von eisenumspannten Holzreifen und den Hufen der Zugtiere, die hier seit Jahrhunderten Lasten transportierten.

Wir erreichten Azbat Shakshūk in der Mitte des Nachmittags. Der Ort bestand aus wenigen Hütten und Lehmbauten sowie einigen wenigen Steinbauten. Ich bezahlte den Wagenlenker und hob mein Gepäck vom Karren.

„Sihdi!“

Ich kannte diese Stimme gut.

Ich drehte mich um und sah, wie mein treuer Halef auf mich zugelaufen kam. Er bot einen Anblick, bei dem ich nicht wusste, ob ich mich erstaunt wundern oder in lautes Lachen ausbrechen sollte.

Hadschi Halef Omar trug einen Überwurf, der so bunt und überladen war, dabei so riesenhaft, dass die schmächtige Figur des braven Kerls darin völlig zu verschwinden schien. An den Füßen hatte er ebenso große Pantoffeln, die ihm immer wieder entglitten, sodass er mehrmals stehen bleiben musste, um sie wieder anzuziehen. Der Turban, den Halef trug, war noch größer als jener, den er auf unseren Reisen zu tragen pflegte, und stand in seiner Farbigkeit dem Umhang in nichts nach.

„Sihdi, bei allen Propheten, was tust du hier? Warum hast du diesem bescheidenen Diener Allahs nicht geschrieben, dass du kommst? Sollte ich dich nicht ­abholen, in Kairo, am Hafen? Zürnst du mir, der ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen?“

„As-salāmu ʿalaikum! Ich grüße dich. Und wisse, dass ich dir geschrieben habe! Offenbar ging der Brief verloren, da er dich nicht erreichte.“

Halef stand vor mir mit einem so breiten Lächeln im Gesicht, ob meiner Rückkehr, dass ich befürchtete, seine Mundwinkel könnten einreißen. Ich umarmte ihn herzlich, obwohl er dies eigentlich nicht schätzte, war ich in seinen Augen doch ein Ungläubiger, ein Giaur.

„Wa-ʿalaikumu s-salām“, erwiderte Halef meinen förmlichen Gruß. „Friede sei auch mit dir, Sihdi! Und natürlich hast du recht, wie du immer recht hast. Kein Brief erreichte deinen demütigen Diener. So sehr ich auch hoffte, eine Nachricht von dir zu erhalten, es kam kein Schreiben, keine Depesche, kein Telegramm. Was sollte ich anderes tun, als warten?“

„Nun, das Warten ist dir offensichtlich nicht schwergefallen, nach allem, was ich sehe. Du hast zugenommen oder irre ich mich?“

Halef war immer ein recht hageres, dürres Kerlchen gewesen, doch schien mir wirklich, als seien seine Wangen ein wenig fülliger, als sie bei meiner Abreise gewesen waren.

„Das ist das gute Leben, Sihdi, wenn ein Mann sich nicht wehren kann gegen die Genüsse, die ihm geboten werden. Der Prophet verlangt Stärke vom wahren Gläubigen, doch gestehe ich, dieser hier bemüht sich, doch manchmal erliegt er den irdischen Genüssen, wofür ich sicherlich werde büßen müssen in den Tiefen der Dschehenna, so wahr ich Hadschi Halef Omar heiße!“

Ich unterdrückte das Lächeln, das sich in meine Mundwinkel schlich und sie verdächtig zucken ließ.

„Und mir scheint, du bist ein wichtiger Mann, hier in diesem Ort, deiner Kleidung nach zu urteilen. Sehr prunkvoll, wenn auch ein wenig üppig.“

„Oh, das sind Kleider des verstorbenen Ehemannes der Frau, bei der ich Stellplätze für deinen Rih und meinen Esel gefunden habe. Ich wollte bei den Tieren im Stall nächtigen, Sihdi, so wahr mir der Prophet helfe! Aber sie bat und bettelte und bot mir einen Raum an, weil es nicht Recht sei, dass ein Mann wie ich beim Vieh schläft. Das sagte sie und sie meinte auch, meine Kleidung sei zerschlissen und sie wolle sie reparieren. Nun konnte ich natürlich ohne Kleidung, wie Allah mich schuf, nicht im Dorf herumlaufen. Also gab sie mir Kleider, die ihrem Manne gehört hatten, der wohl ein sehr umfangreicher Mensch gewesen sein musste. Was sollte ich tun, Sihdi? Ich konnte die Frau nicht zurückweisen, das wäre doch sehr unhöflich gewesen, habe ich nicht recht?“

„Ich bin sicher, du hast alles versucht, um dem zu entgehen!“

„So ist es, Sihdi! Ich sehe, du, als Mann von Welt, erkennst das Dilemma, in dem dein treuer Diener steckte!“

„Natürlich! Du konntest nicht anders handeln. Obwohl es ja eigentlich unziemlich erscheint, wenn ein ­unverheirateter Mann unter dem gleichen Dach lebt, wie eine verwitwete Frau. Der Koran ist da eindeu...“

„Nein, nein, nein, Sihdi! Du verstehst das falsch! Diese Armala ist eine durch und durch ehrenwerte Frau, die in einem anderen Haus wohnt, nicht in dem Gasthaus, das zum Stall gehört. Es ist nur ein kleines Gasthaus, mit nur drei Räumen. Der Prophet bewahre mich vor unzüchtigen Gedanken!“

„Ah, so verhält sich das! Sie ist aus reiner Menschenliebe so zuvorkommend zu einem Hadschi.“

„So ist es, Sihdi, so ist es, helfe mir der Prophet, sein Name sei gepriesen!“

Halef trug das harmloseste Gesicht zur Schau, dessen er fähig war, was mich nur umso mehr davon überzeugte, dass die Wahrheit eben das Gegenteil dessen war, was er als diese hinzustellen versuchte.

„So wirst du wohl hierbleiben wollen, was ich verstehen kann. Ich dagegen werde sogleich weiter reisen. Es bedarf nur eines Reittieres.“

Halef drehte sich eifrig um und deutete auf ein flaches Gebäude aus Lehm, das sich am Rande der Siedlung befand.

„Dein Rih wartet auf dich, Sihdi, aber weshalb denkst du, ich wolle hier verweilen! Wo du hinreitest, will auch ich hinreiten“, rief der kleine Mann mit dem zu großen Turban aufgeregt.

„Ich freue mich, dass Rih bei dir in guten Händen war, doch muss ich zu meinem Leidwesen ein anderes Reittier wählen. Ich muss in die Sandwüste.“

Halef Omars Augen wurden groß und sein Mund verzog sich zum breitesten Lächeln, dessen ein Mensch nur fähig war.

„So gedenkst du, ein Kamel zu reiten?“

„Ein Dromedar, um genau zu sein“, korrigierte ich. „Diese Trampeltiere haben nur einen Höcker, wohingegen Kamele stets zwei davon besitzen.“

Halef neigte den Kopf.

„Ich verbeuge mich vor deinem Wissen, Sihdi! Aber es ist doch so, dass du vom Pferd auf ein Kamel wechselst, was dein Diener dir schon so oft ans Herz gelegt hat. Nun hast du dich am Ende doch entschieden, meinem Rat zu folgen!“

„Halef Omar, es ist nicht so, dass ich deinen Rat ignoriert hätte oder ihn annehmen würde. Vielmehr ist es eine Frage des Untergrundes. Dort, wohin ich gehen muss und auch du, solltest du mich begleiten, ist Sand. Nur Sand und nichts als Sand. Rih könnte dort nur schwer vorwärtskommen, ein Trampeltier hingegen mit Leichtigkeit. So ist es ein logischer Entscheid, sich eines Dromedars zu bedienen. Dazu kommt noch, dass diese Tiere wenig Wasser benötigen. Siehst du, was mich bewog, dieses Mal kein Pferd zu wählen?“

„Ist es Zufall oder Fügung, Sihdi? Gerade ist es so, dass meine Gastgeberin nicht nur einen Stall betreibt und ein Gasthaus, sondern auch mit eben diesen Tieren Handel treibt. Ich weiß um zwei kräftige Tiere, jung, aber gut abgerichtet, die zum Verkauf stehen! Ich werde eilen und fragen, was die Blume von Azbat Shakshūk für die beiden verlangt!“

„Biete ihr die Hälfte von dem, was sie verlangen wird. Und sollte sie nicht bereit sein, meinen Preis zu akzeptieren, dann rufe mich! Verhandle nicht selbst, Halef! Hast du gehört?“

Halef sah mich an, als sei er die Unschuld in Person.

„Sihdi, niemals würde sich dein Diener deinem Wunsch entgegenstellen! Ich werde tun, wie du es mir aufgetragen hast, so wahr mir der Prophet helfe!“

Halef raffte seine Kleidung und lief mit kurzen, schnellen Schritten davon.

Es würde sicherlich seine Zeit brauchen, bis er zurückkehrte, also nahm ich mein Gepäck auf die Schulter und ging zu dem Stallgebäude hinüber, um mir die dort stehenden Tiere anzusehen, insbesondere meinen treuen Rih, der, laut Halefs Aussage, dort untergestellt war.

Halef Omar bezeichnete sich oft als meinen Diener, doch sah ich ihn eher als Weggefährten, meinen Adlatus, der mich unterstützte und mir zur Seite stand. Halef hatte seine Fehler, doch war er ein treuer Freund. Seine andauernden Versuche, mich zum Koran zu bekehren, waren lästig, manchmal belustigend, doch war er vor allem eine ehrliche Seele, die zu keiner Gemeinheit fähig war. Sicher, er war ein Prahlhans, ein Aufschneider und großspurig, aber im Ernstfall konnte ich mich immer auf ihn verlassen. Das hatte er in vielen Abenteuern bewiesen. Da war es leicht, ihm seine kleinen Fehler nachzusehen, denn wer war schon ohne Fehler? Ich selbst mit Sicherheit nicht!

Ich stellte mein Gepäck im Schatten des Vordaches ab und folgte meiner Nase. Der Weg zu den Ställen war ­einfach zu finden. Der Gestank von Kamelen wies mir die Richtung und da stand in einem Geviert aus dürren Hölzern mein Rih! Der Hengst war gut gepflegt worden, das erkannte ich auf den ersten Blick.

Ich trat an das edle Ross heran und legte ihm meine Hand auf die Stirn.

„Diesmal kann ich dich nicht mitnehmen, mein Schöner“, flüsterte ich.

Als hätte er mich verstanden, legte er seinen Kopf gegen meine Schulter und schnaubte.

---ENDE DER LESEPROBE---