Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 15: In der roten Wüste - Ralph G. Kretschmann - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 15: In der roten Wüste E-Book

Ralph G. Kretschmann

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Beschreibung

Autor: Ralph Kretschmann (in Anlehnung an Karl May) Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar reisen über das Mittelmeer, um endlich auf die Spur der Waffenhändler um Le Febre zu kommen. Sie verfolgen einen Verdächtigen und geraten in die unwirtliche Gegend des Gilf el-Kebir, wo sie alte Bekannte und neue Feinde treffen.

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Ähnliche


Kara Ben NemsiIN DER ROTEN WÜSTE

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

1813 Die Reise zum Toten Meer

1814 Die Stadt am Toten Meer

1815 In der roten Wüste

1816 Die El-Wahabiya-Bande

1817 Karawanentod

Kara Ben Nemsi

In der rotenWüste

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Ralph G. Kretschmann

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Ralph KretschmannUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierInnenillustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-125-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

Man mag glauben, die Sahara sei eine Wüste aus Sand, der sich von Horizont zu Horizont erstreckt, schier endlose Massen an Sand, Sand und nichts als Sand. So wird sie oft dargestellt, doch ist dies eine falsche Vorstellung.

Oh, es gibt dieses Meer aus Sand, aber nur zu oft hatte der Wind den Sand fortgeweht und das blanke Gestein freigelegt, das die Beduinen die Knochen der Erde nannten. In manchen Gebieten waren die Steine rund und glatt geschliffen, in anderen ragte der Fels scharfkantig aus dem felsigen Boden, wie Zähne, die darauf warteten, Mensch und Tier ins Fleisch zu schneiden.

Auch der Sand selbst unterschied sich von einem Gebiet zu dem darauf folgenden. War er eben noch feinkörnig, sanft rieselnd und rund, so konnte schon wenige Meilen später ein anderer Sand wie Schmirgelpapier die Haut vom Fleisch reiben, bis man wund war.

Halef Omar und ich ritten gen Osten und unsere Dromedare fanden sicher ihren Tritt. Vor drei Tagen hatten wir Alexandria hinter uns gelassen, um Halefs Vetter zu besuchen, der an der Küste ein Fischerboot besaß.

Den ersten Teil der Strecke von Alexandria hin zu dem Ort, in dem Halefs Vetter lebte und der den Namen Marsa Matruh trug, führte am Meer entlang. Schier endlos zog sich der Strand vor uns hin, linker Hand die Dünen der Wüste, zur rechten das Mittelmeer. Dann versperrten Felsen uns den Weg und wir mussten oben, in den Dünen, weiterreiten. Dies erleichterte das Vorwärtskommen nicht eben, denn der Sand rutschte den Tieren unter den hornigen Sohlen weg und verlangsamte unsere Geschwindigkeit erheblich.

Marsa Matruh war ein kleiner Ort, in dem die Leute vorwiegend vom Fischfang lebten. Große Gestelle ragten zu beiden Seiten des Weges auf, auf denen Netze zum Trocknen und reparieren aufgehängt waren. Kleine, weiße Häuser duckten sich in den Windschatten der Dünen, die sich am Strand aufreihten.

Halefs Vetter bewohnte ein geräumiges Haus in Strandnähe. Vor der Tür saß seine Frau, eine rundliche, freundliche Person, die uns mit offenen Armen empfing. Halef hatte unser Kommen durch einen Brief angekündigt und das Schreiben war offenbar wirklich angekommen, was in dieser Gegend nicht selbstverständlich war.

Halefs Vetter stellte sich als hagerer Mann in mittlerem Alter heraus und dazu auch als Eumdat alqarya, als Dorfbürgermeister. Er war um einiges größer als Halef, doch hatte er die gleichen freundlich-listigen Augen.

Wir versorgten unsere Reittiere und sattelten ab, um ihnen Erholung zu geben. Ein Pferch hinter dem Wohnhaus bot Schutz vor dem Seewind, der auffrischte. Er trug den Geruch von See und Tang heran, was für die Wüstenbewohner ungewohnt war. Halef redete beruhigend auf die Tiere ein und fütterte sie, während sich sein Vetter vorstellte.

„Effendi, ich begrüße dich in meinem bescheidenen Heim! Ich bin Amir Ben Gibran, dein bescheidener ­Diener, und dort drüben siehst du meine Frau Hadia, die eben hineingehen will, um uns einen Mokka zuzubereiten. Habe ich nicht recht, Mufadil?“

„Nichts anderes hatte ich im Sinn!“, antwortete die rundliche Frau mit breitem Lachen und verschwand in dem weiß gekalkten, flachen Gebäude.

Weiter unten am Strand lagen einige Boote kieloben, andere, größere, waren an einem gemauerten Ausleger festgemacht. Stolz deutete Amir Ben Gibran auf eines der größten Boote. Die Dhau war von Bug zu Heck sicher mehr als hundert Fuß lang, also mitnichten ein kleines Boot.

Ich habe im Orient schon viele Male in Booten gesessen und nicht alle konnten als vertrauenswürdig eingestuft werden, doch die Dhau Amir Ben Gibrans war augenscheinlich in bestem Zustand. Die Farben waren frisch und der Rumpf kaum mit Muscheln besetzt, was in mediterranem Gewässer schnell geschehen kann. Mit ihren zwei, nach vorn geneigten Masten und den eingeholten trapezförmigen Segeln war die Dhau schon mehr ein Schiff, denn ein Boot. Selbst ein kleines Dingi war als Rettungsboot an Deck vertäut, eine Maßnahme, die in den afrikanischen Häfen keine Selbstverständlichkeit war, wie für uns Europäer.

Halef Omar hatte mir in überschwänglichen Worten von dem Boot erzählt, dessen Eigner sein Vetter war, doch hatte ich seine Schilderungen für übertrieben gehalten, wusste ich doch, wie gern mein treuer Halef Omar es liebte, Dinge und Sachverhalte mit blumigen Worten zu beschreiben. Bei diesem Schiff jedoch schien er nicht übertrieben zu haben.

„Ein großes, schönes Schiff, Sihdi, wie man es sich nur wünschen konnte, sei man ein Gläubiger oder ein Ungläubiger! Ein Schiff, dem man sich gern anvertraut, denn mein Vetter, der Prophet möge ihn schützen, achtet darauf, dass es immer gut instand gehalten wird. Das Meer kann gefährlich sein und noch nie ist mein Vetter, der der Kapitän ist, nicht zurück in seinen Heimathafen gekommen.“

So und in ähnlicher Art hatte ich mir Halefs Beschreibungen seit unserer Abreise aus Alexandria anhören müssen. Jetzt, da ich vor der Dhau stand, war es mir, als kenne ich dieses Schiff bis zum letzten Nagel.

„Du hast nicht übertrieben, Halef. Es ist ein prächtiges Boot!“

Nachdem ich ihm so oft vorgehalten hatte, nicht zu dick bei seinen Erzählungen aufzutragen, hielt ich es für nur billig, ihm diese Bestätigung zu geben.

„Halef erzählte dir von meiner Kleinen, Effendi? Sie ist eine Schönheit, nicht wahr?“, drückte Amir Ben Gibran seinen Stolz aus. „Ich bin mit ihr nach Spanien gesegelt und bis zu den Felsen, die die Engländer Gibraltar nennen, und nie hat sie mich im Stich gelassen und stets wohlbehalten nach Hause zu meiner Frau gebracht.“

„Nun, ich schätze, das ist auch ihrem fähigen Kapitän zu verdanken“, entgegnete ich.

„Gibt es dort, wo du herkommst, auch ein Meer?“, wollte Amir wissen.

„Sogar derer zwei!“, bestätigte ich. „Nun, meine Heimat grenzt im Westen an die Nordsee, die die Engländer das deutsche Meer nennen und im Norden an die Ostsee, das Baltische Meer.“

Ich hatte Nord- und Ostsee mit Meer des Nordens und Meer des Ostens übersetzt, was zu Verwirrung führte.

„Ein östliches Meer im Norden und ein nördliches Meer im Westen, Effendi? Wie kann das angehen? Die Nemsi müssen ein seltsames Land bewohnen!“

Ich versuchte noch eine Weile, dem verwirrten Mann zu erklären, um was für ein Geheimnis es sich bei den Namen dieser zwei Meere handelte, und wollte eben eine schematische Darstellung meiner Heimat in den Sand zeichnen, als ein trällernder Ruf erklang, mit dem Amirs Frau anzeigte, dass der Kaffee fertig sei, wie dieser mir erklärte.

Hadia hatte das aromatische Getränk auf einem der typischen, zusammenklappbaren Tischchen angerichtet, wie sie in vielen arabischen Ländern üblich sind. Auf einem zweiteiligen Gestell, das man flach zusammenschlagen konnte, ruhte ein großes, fein verziertes Tablett, das die Tassen, Zuckerschale und Kanne trug. Die Frau des Hauses schenkte vier Tassen ein. Eine für mich, den Gast, eine für Halef Omar, der der Vetter ihres Gemahls war, eine für eben diesen und eine für sich selbst. Sie setzte sich zu uns und reichte uns den Zucker, wie es hier üblich war.

Verwundert nahm ich die Schale und gab zwei Löffel Zucker zu meinem Kaffee, den ich lange nicht so süß trank, wie es die arabischen Kaffeetrinker taten. Es war sehr unüblich, dass sich die Frauen zu den Männern setzten. Eine Frau hatte nichts im Kreise der Männer verloren, war die gängige Meinung.

Amir erkannte meine Gedanken an meinen fragenden Blicken und erklärte mir, dass sie beide, da er hier der Dorfvorsteher und somit eine Respektsperson war, in der Öffentlichkeit nicht ganz so offen miteinander umgingen, damit es kein Gerede gab, und sie sich streng an die Regeln hielten. Doch in den eigenen Wänden war Hadia Amir gleichgestellt.

„Ich liebe meine Frau, Effendi. Es gibt keine schönere Blume zwischen Kairo und Algier, zwischen London und Kapstadt.“

„Das ist wahr, so wahr mir der Prophet helfe!“, bestätigte Halef. „Keine Frau kommt der deinen gleich, Sohn der Schwester meiner Mutter! Du bist gesegnet unter den Männern!“

Amir nickte bedächtig. „Ja. Ja, das bin ich!“

Hadia blickte errötend zu Boden.

Wir tranken den wirklich guten Mokka und tauschten Höflichkeiten aus, bis wir wieder auf den Grund unseres Hierseins kamen, das Boot von Amir Ben Gibran.

„Kennst du das Meer, Effendi Ben Nemsi, der du aus einem Land kommst, das gleich zwei davon hat?“

„Ich bin auf einigen gefahren, von Hamburg, einer Stadt in meinem Heimatland, bis nach New York, welches in Amerika liegt, und auch auf dem Mittelmeer war ich oft unterwegs, mit Dampf getriebenen Schiffen, wie auch auf Seglern. Ich kann dir versichern, Amir Ben Gibran, dass ich auf festen Füßen stehe, auch auf schwankenden Planken, solltest du dir deshalb Sorgen machen.“

Der Ortsvorsteher lachte leise.

„Nein, Effendi, ich sorge mich nicht um derlei, nach all dem, was mein lieber Halef von deinen Fähigkeiten erzählte. Ich fragte nicht, ob du dich auf Schiffen auskennst, sondern ob du das Meer kennst? Weißt du um die Gefahren, um Winde und Untiefen, Riffe und Kliffe?“

„Ihre Gefahren sind mir bewusst, doch die Küsten Afrikas sind mir durchgängig unbekannt. Schon deshalb war ich hoch erfreut, als Hadschi Halef mir berichtete, dass der Sohn der Schwester seiner Mutter ein sehr guter Kapitän sei und der Eigner eines Schiffes noch dazu“, antwortete ich besonnen.

Amir neigte den Kopf.

„Ich bin geschmeichelt, Effendi! Du kennst Halef Omar wenigstens so gut, wie ich es tue, und du musst ihn nicht Hadschi nennen. Du weißt, dass er nie die Hadsch beendet hat, so wenig, wie sein Vater und dessen Vater. Doch ist er ein herzensguter Kerl, mag sein Mundwerk auch noch so groß sein, und ich schätze ihn sehr.“

Dieser Einschätzung meines treuen Halefs konnte ich mich uneingeschränkt anschließen. Der Gegenstand dieser Umschreibung saß, entgegen der eben beschriebenen Eigenschaften, still da und blickte angestrengt in seine Kaffeetasse.

„Und ich sehe auch, dass du um die Gefahren weißt, die es mit sich bringt, wenn man das Meer befährt“, fuhr Amir fort. „Ich will dir sagen, warum ich in dem Ruf stehe, ein guter Schiffsführer zu sein, Effendi. Du musst wissen, dass ich ein ängstlicher Mann bin. Nie würde ich ein Risiko eingehen, wohin ich mein Schiff steuere. Ich wähle immer den sicheren Weg, ich warte den Sturm ab, anstatt zu versuchen, vor ihm her zu eilen. Es liegt in der Hand Allahs, wann ich ankomme, wo ich ankomme und sogar ob ich mein Ziel überhaupt erreiche. Was soll ich da das Leben meiner Männer und das meine aufs Spiel setzen? Nur für einen kleinen, zusätzlichen Profit? Der nutzt mir und meiner Hadia nichts, wenn ich den Fischen zum Futter werde. Ich bin ein vorsichtiger Mann, Effendi. Deshalb stehe ich in dem Ruf, in dem ich stehe.“

„Ich halte das für eine äußerst lobenswerte Vorgehensweise, umsichtig und rücksichtsvoll, Amir Ben Gibran. Würdig eines wahren Seemannes.“

„Effendi, meinen Dank! Du siehst, du hast es nicht mit einem Abenteurer zu tun!“

„Das sehe ich, Amir Ben Gibran, doch warum bist du so erpicht darauf, mich das wissen zu lassen?“, fragte ich, irritiert von der Beharrlichkeit, mit der der Mann seine Vorsichtigkeit unterstrich.

„Ist es nicht so, dass du das Abenteuer liebst, Effendi? Halef erzählte uns von deinen Taten, als er uns das letzte Mal aufsuchte, und so auch nur die Hälfte davon zur Hälfte der Wahrheit entspricht, so lebst du ein Leben der Gefahr.“

Nun musste ich doch lachen.

„Ich versichere dir, dass es wohl wahr ist, dass ich viel erlebte, doch bin ich mitnichten ein Abenteurer! Ein Abenteurer, das ist einer, der die Aufregung sucht. Ich selbst schreibe Bücher und erzähle darin von meinen Reisen, sodass der, der diese Geschichten liest, sich ein Bild machen kann von Gegenden, die zu erreichen ihm verwehrt sind. Es ist wahr, dass mir dabei die eine oder andere Geschichte widerfuhr, die man ein Abenteuer nennen könnte, doch nur im Nachhinein. Es waren Begebenheiten, in denen ich in bestimmte Dinge oder Ungerechtigkeiten hineingezogen wurde, vor denen ich meine Augen nicht verschließen konnte. Hätte ich der Ungerechtigkeit ihren Lauf lassen sollen, frage ich dich, Amir Ben Gibran?“

Der Araber sah mich eine ganze Weile schweigend an. Dann neigte er leicht den Kopf. „Halef hatte recht, als er dich als einen weisen Mann nannte, Effendi. Ich denke, ich kann dir mein Schiff und meine Dienste zur Verfügung stellen.“

„Hast du an meinen Worten gezweifelt, Sohn der Schwester meiner Mutter?“, fragte der eben Genannte in leicht erzürntem Ton.

„Das habe ich nicht, Halef Omar, doch ist es das Eine, einer Erzählung zu glauben, und das Andere, sich selbst von etwas zu überzeugen. Nun habe ich mich überzeugen können, dass der Mann, den du mir beschrieben hast, auch der Mann ist, den du so lebhaft beschrieben hast. Ein weiser Mann, obwohl er ein Giaur ist.“

„Sagt nicht der Koran, der wahre Gläubige soll die Juden und die Christen ehren, folgen sie doch den ­selben Propheten, deren letzter Mohammed selbst gewesen ist?“, sagte ich leise. „So halte auch ich es. Und Weisheit ist kein Gut, das die eine oder andere Partei für sich beanspruchen könnte. Doch halte ich mich nicht für einen weisen Mann. Ich tue nur, was mir recht und richtig erscheint.“

„Das sind die Worte, die einen bescheidenen Mann auszeichnen, Effendi. So will ich denn dein Kapitän sein. Wohin willst du segeln?“

Amir schenkte jedem von dem Kaffee nach, auch seiner Frau. Ein ungewöhnliches Verhalten für einen Muslim, das mir viel über diesen außergewöhnlichen Mann sagte.

„Mein Sihdi weiß noch nicht, wohin es gehen soll, Sohn der Schwester meiner Mutter.“

Halef stellte seine leere Tasse ab und beugte sich zu seinem Vetter hinüber.

„Wir sprachen viel während unseres Ritts. Sag uns, was weißt du von fremden Schiffen, die hier in der Gegend ihre Ladungen nicht in einem Hafen entladen? Schiffe, die auf See entladen werden, sagt mein Sihdi, obwohl ich kaum glauben mag, dass dies möglich ist, doch wenn er es ist, der dies behauptetet, so will ich es nicht in Zweifel ziehen, so wahr mir der Prophet helfe!“

„Es ist möglich!“, antwortete Amir schmunzelnd. „Mit dem richtigen Schiff und den nötigen Booten, die die Ladung aufnehmen und an Land bringen können, ist es durchaus möglich, ein Schiff von der Größe der ­Morgenrot, meiner Dhau, innerhalb eines Tages zu entladen. Doch muss dazu ruhige See vorherrschen. Schon ein wenig Dünung macht es so gut wie unmöglich, Lasten vom Schiff aufs Boot ab zu seilen.“

„Es ist auch eine Frage der Ladung selbst.“ Die Stimme von Hadia war weich und doch selbstbewusst.

„Wie meint Ihr das?“, wollte ich wissen.

„Nun, Effendi, es ist leichter, Fässer oder Kisten zu entladen, als Säcke oder Amphoren. Es ist einfacher, etwas Unzerbrechliches zu entladen, als etwas Zerbrechliches.“

Ich neigte meinen Kopf und senkte kurz den Blick.

„Das ist wahr, Ihr habt recht, Hadia, Frau des Amir Ben Gibran. Es sind mit großer Wahrscheinlichkeit Kisten, um die es in diesem Falle geht, vielleicht auch um Fässer, und ganz sicher ist deren Inhalt nicht zerbrechlich!“

„Oh, nein! Sicherlich nicht!“, fügte Halef grimmig hinzu. „Doch explosiv vielleicht.“

Ich hatte diese Information noch nicht mit einbringen wollen, doch nun war’s heraus.

„Es werden Waffen geschmuggelt, Amir Ben Gibran. Gewehre und Munition“, ergänzte ich deshalb Halefs Bemerkung.

Der Seemann blickte mich ernst an. „Gewehre?“

„Gewehre!“, bestätigte ich. „Die Männer, die diese Waffen heimlich an Land bringen, haben nicht nur Halef Omar und mir nach dem Leben getrachtet, sondern auch Freunde von uns bedroht und sogar getötet. Es sind gefährliche Menschen, das will ich nicht verschweigen.“

„Und du willst gegen diese Männer kämpfen und erwartest, dass mein Mann dich unterstützt, Effendi?“ Hadia sprach leise, doch war jedes ihrer Worte gut überlegt und wohl gesetzt.

„Nein, das beabsichtige ich nicht. Es wäre dumm und unverantwortlich, mit Waffengewalt gegen diese Leute vorzugehen. Und es würde nichts nutzen. Andere würden weitermachen, wo diese Männer aufgehört hatten. Ich möchte Wissen erlangen, Hadia, die du dich um deinen Mann sorgst. Ich möchte herausfinden, wo die Waffen angelandet werden, und deren Weg verfolgen.“

„Sag mir, Effendi, für wen sind diese Gewehre bestimmt?“, fragte Hadia weiter und sah mich noch immer unverwandt an.

„Es gibt keinen einzelnen Empfänger, niemanden, der die Gewehre bestellt hätte“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Es gibt einen Mann, der sich Le Febre nennt. Er steckt hinter dem ganzen schmutzigen Geschäft und er verkauft die Gewehre an jeden, der zahlt. An Verbrecher, Freischärler, an jeden, der genug Geld hat, zu bezahlen. Und er mordet, um seinen Geschäften nachgehen zu können.“

Ich legte eine kleine Kunstpause ein. „Er tötete einen Freund und einen guten Mann, dessen Witwe nun um ihn trauert.“

Hadia senkte ihren Blick.

„Verzeih meine Frage, Effendi“, sagte sie leise und sank ein Stück weit zurück auf das Kissen, von dem sie sich aufgerichtet hatte.

„Meine Frau sagt, was sie denkt ...“, hub Amir an, doch ich unterbrach ihn mit dem Heben einer Hand und einem Lächeln.

„Ich weiß, dass es Bestrebungen gibt, die sich gegen die herrschende Ordnung richten, und ich urteile nicht darüber. Steht es nicht jedem Volk zu, sich selbst zu regieren? Ich habe Freunde, weit entfernt, auf der anderen Seite der Welt, die sich dem gleichen Problem gegenübersehen, und ich stand an ihrer Seite. Wonach mich dürstet, ist nicht Rache, nicht Vergeltung oder Gerechtigkeit. Ich trachte danach, zu helfen, dieses blutige Geschäft zu unterbinden, das Tod und Verderben mit sich bringt.“

Schweigen erfüllte den Raum für einen Moment und selbst Halef, der unablässig seinen Blick zwischen mir und seinem Vetter hin und her wandern ließ, enthielt sich einer Bemerkung.

Endlich senkte Amir Ben Gibran den Kopf und schloss für eine Sekunde die Augen. „Es gibt Gerüchte“, begann er zu erzählen. „Gerüchte von Schiffen mit schwarzen Segeln, die in den Nächten ohne Beleuchtung vor der Küste kreuzen. Kein arabischer Seemann mit Verstand fährt in der Dunkelheit aufs Meer, es sei denn zum Fischen. Die kleinen Boote sind oft bei Vollmond draußen, um die Netze auszuwerfen, und manche kamen zurück und berichteten von Schiffen wie schwarze Schatten, die sie fast gerammt hätten. Manche sagen, dass viele der Boote, die hinausfuhren und nicht wieder kamen, diesen Schiffen zum Opfer fielen. Doch reden die Männer viel und man kann nicht jede Geschichte glauben.“

„Dschinns“, sagte Halef leise. „Die Männer reden darüber, wenn sie nach dem Gebet beim Tee ­zusammen­sitzen. Sie glauben, es sind böse Geister, Dschinns, die die Boote in die Tiefe ziehen.“

„Das ist Aberglaube, Halef! Es gibt keine Dschinns! Das sind nur Märchen, die man Kindern erzählt, um sie gruseln zu machen!“, widersprach ich energisch.

„Du bist ein weiser Mann, Sihdi, deshalb will ich dir glauben, doch steht nicht in der Schrift schon, selbst der Prophet sei von ihnen versucht worden? Und so es dort zu lesen steht, muss es dann nicht wahr sein?“

Ich seufzte tief.

Amir Ben Gibran enthob mich weiterer Argumentationen, indem er seinen Vetter zurechtwies.

„Höre, Sohn der Schwester meiner Mutter, der du einen so gelehrten Effendi an deiner Seite hast, auf das, was er dir sagt! Es ist wahr, dass es so in der Schrift erzählt wird, doch sind diese Dschinns nicht als reale Wesen zu verstehen. Es sind die Manifestationen unserer eigenen Ängste und unseres Begehrens, die uns in Versuchung führen, vom rechten Weg abzuweichen, den uns der Prophet gewiesen hat. Und es sind abergläubische Dummköpfe, die sagen, Dschinns würden die Boote holen! Sie sind rechtschaffene und ehrliche Männer, doch nicht von großem Wissen, so sei es ihnen verziehen, dem Aberglauben anzuhängen, doch du, der du weit gereist bist, solltest es besser wissen.“

„Aber ...“, setzte Halef an, um sich zu erklären, aber Amir sprach unbeeindruckt weiter.

„Kein Mann von Bildung wird an Geister denken bei diesen versenkten Booten, sei er nun ein Gläubiger, ein Christ oder Schamane aus dem tiefsten Buschland. Es sind Schmuggler, wie es sie schon immer vor der Küste gegeben hat.“

Amir drehte sich mir zu und sprach mit eindringlicher Stimme: „Es sind gute Männer unter denen, die Dinge an den Augen der Zöllner vorbei ins Land bringen, Effendi. Vieles wäre nicht zu bekommen, anderes nur für unverschämt hohe Preise, ohne diese Männer, nennt sie Schmuggler oder anders.“

„Ich beabsichtige nicht, irgendjemandem Ärger zu bereiten, es sei denn, er arbeitet für oder mit Le Febre“, versicherte ich dem besorgten Ortsvorstand.

---ENDE DER LESEPROBE---