Katalogbraut im Mondlicht - Cynthia Woolf - E-Book

Katalogbraut im Mondlicht E-Book

Cynthia Woolf

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Beschreibung

Michael muss Nicole beschützen. Kann Vertrauen sich der Liebe zuwenden?

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Katalogbraut im Mondlicht

Bräute von Seattle

Buch 4

Cynthia Woolf

KATALOGBRAUT IM MONDLICHT

Bräute von Seattle

Copyright © 2018 (English version) © 2019 (German version) – Cynthia Woolf

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-1-950152-04-9

INHALTSVERZEICHNIS

KATALOGBRAUT IM MONDLICHT

Copyright

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Über Die Autorin

KAPITEL 1

11. September, 1865

Michael Talbot ritt auf seinem Pferd, Galahad, von der Ranch, von der er dachte, dass sie eines Tages ihm gehören würde, nach Seattle. Seine Träume wurden durch die Untreue dieser einen Frau zerstört, der er – wie er dachte – trauen konnte. Der einzigen Frau, die er jemals geliebt hatte. Die Tochter seines Arbeitgebers, Ada Cochran. Er hatte gedacht, er und Ada würden heiraten. Michael wollte gerade in die Stadt gehen und einen Ring kaufen, als sie ihm mitgeteilt hatte, dass sie stattdessen den Anwalt seines Vaters, Tom Staley, heiraten würde. Nachdem sie ihm das gesagt hatte, wollte er nur so schnell wie möglich gehen und kam nun kurz nach sechs Uhr morgens in Seattle an.

Michael musste sich Mühe geben, Staley nicht aufzusuchen und ihn windelweich zu prügeln. Aber letztendlich ging er lieber, als seinen niederen Trieben nachzugeben.

Nun ritt er den Bridal Veil Mountain hinauf zum Haus seiner Brüder, das auch sein zu Hause gewesen war, bis er sich auf der Ranch niedergelassen hatte. Er würde Ada diesen Traum nicht zerstören lassen. Er würde sich seine eigene Pferderanch aufbauen und dann zur Hölle mit den Frauen. Sie bedeuteten nichts als Ärger.

Jasons Sohn Billy hatte Judy nach dem kleinen Mädchen benannt, mit dem er gespielt hat, als ihre Eltern auf dem Weg nach Olympia bei ihnen vorbeigekommen waren. Sie waren ein paar Wochen geblieben, während der Vater als Holzfäller für Talbot Lumber und die Mutter als Köchin im Arbeiterlager gearbeitet haben.

Es kam gelegen, dass die Reisenden ein Kind in Billys Alter hatten. Er und das kleine Mädchen verstanden sich prächtig und er war traurig, als sie gehen mussten.

Er lächelte. Er hatte mit seinen Pferdenamen Glück gehabt. Billy, sein Neffe, hatte gerade etwas über King Arthur und die Ritter der Tafelrunde gelesen, als er Galahad benannt hatte. Michael hätte aber auch ein Pferd namens Buttons haben können, wie es bei seinem Bruder Gabe der Fall war. Er und seine Brüder schwärmten für Billy, dessen Mutter starb, als er geboren wurde. Sie hatten ihn als Neugeborenen mit nach Seattle gebracht und ihn gemeinsam großgezogen. Er fühlte sich mehr wie sein Vater, als sein Onkel.

Als er damit fertig war, sich um seine Pferde zu kümmern, ging Michael in die Küche, dachte, dass wahrscheinlich alle schon gegessen sich auf den Weg gemacht hatten. Er wollte sich den unausweichlichen Fragen noch nicht stellen.

Leider lag er falsch.

Sein Bruder Jason und seine Ehefrau Rachel saßen immer noch am Küchentisch.

„Michael“, sagte Rachel. „Was führt dich zu so einer frühen Stunde hierher? Bist du in der Stadt, um Einkäufe für John Cochran zu erledigen? Hast du Hunger? Es ist noch genügend vom Frühstück übrig.“

„Danke, Rachel. Ich würde gerne etwas essen.“ Wenn ich meinen Mund voll habe, muss ich ihre Fragen nicht beantworten.

„Nun, kleiner Bruder, du bist ganz schön früh hier. Der alte Cochran lässt dich zu hart arbeiten.“

„Nein. Ich habe immer die Möglichkeit nachzudenken, wenn ich in die Stadt komme.“

„Worüber denkst du nach? Die Ranch, die du aufbauen möchtest?“, fragte Rachel, als sie einen Teller üppig mit Eiern, Speck und Gebäck belud. Sie stellte den Teller vor ihm ab. „Im Glas auf dem Tisch ist Traubenkirschenmarmelade.“

Rachel kam von hinten auf ihn zu und legte ihre Arme um seine Schultern und, umarmte dann aber eher seinen Hals. Dann gab sie ihm einen Kuss auf seinen blonden Kopf und lehnte ihre Wange an die Stelle, die sie geküsst hatte.

„Ich bin so froh, dass du uns besuchen kommst. Wir sehen dich nur noch selten, seitdem du angefangen hast, auf Cochrans Ranch zu arbeiten.“

Er nahm einen Bissen von dem Essen und kaute es langsam. Wenn er langsam kaute, konnte er das Essen vielleicht so lange hinausziehen, bis Jason und Rachel ihre Arbeiten für den Tag erledigen mussten.

„Also“, meinte Jason. „Erzähl uns doch, was du in letzter Zeit so getrieben hast.“

Michael schluckte. „Dasselbe wie immer.“

„Warum sagst du uns nicht den wahren Grund, weshalb du hier bist?“, fragte Jason. „Du bist ziemlich oft in die Stadt gegangen und hast nicht das Bedürfnis gehabt, hierher zu kommen.“

Michael saß auf seinem Stuhl und ließ seine Schultern hängen. „Ada hat mir gestern mitgeteilt, dass sie Tom Staley statt mich heiraten wird. Ich bin froh, dass sie mir das gesagt hat, bevor ich diesen Ring gekauft habe, den ich im Auge gehabt hatte. Ihr Vater hat sich so schlecht gefühlt, dass er mir zwanzig seiner Rinder gegeben hat, mit denen ich die Ranch gründen kann. Das macht Adas Untreue zwar kaum gut, aber das lehne ich auch nicht ab.“

Rachel kam zu ihm hinüber und umarmte ihn nochmal. „Es tut mir so leid - das tut es mir wirklich, aber jetzt kann ich es dir sagen. Ich habe Ada nie gemocht. Ich dachte immer, dass sie nicht gut für dich war.“

Er griff nach oben und klopfte sanft auf ihren Arm. „Ich habe sie geliebt und dachte, dass sie mich auch geliebt hat. Wie konnte ich damit nur so falschliegen? Vielleicht soll ich einfach nicht heiraten. Frauen sind zu kompliziert. Ich werde mich nun darauf konzentrieren, meine Pferderanch aufzubauen. Ich habe einhundertsechzig Morgen bestes Land am Rande von Seattle, ungefähr eine Stunde oder vier – je nachdem ob man reitet oder mit einem Wagen fährt.“ Er sah zu Jason hinüber. „Ich bräuchte das Holz und die Holzfäller von euch, um mir ein Haus und eine Scheune zu bauen.“

„Du bekommst sie, wann immer du sie auch brauchst, das weißt du. Das Unternehmen gehört genauso dir, wie mir.“

„Da muss ich dir aber widersprechen, da ich nicht so wie du und unsere anderen Brüder arbeite, aber ich möchte jetzt nicht diskutieren. Ich würde gerne diesen Samstag mit den Arbeiten beginnen, damit es vor Ende Oktober fertig ist. Außerdem müsste ich mir die Wägen ausleihen, um das Holz zur Ranch zu befördern.“

„Natürlich“, sagte Jason. „Ich werde das Holz zusammen mit den Männern und den Wägen dorthin schicken. Für das Haus und die Scheune wirst du wahrscheinlich vier bis fünf Ladungen Schnittholz brauchen. Zehn der Arbeiter sollten die beiden Gebäude in ein paar Wochen fertigstellen können.“

„Ich werde sie erst mit der Scheune beginnen lassen. Ich muss mich um meine Tiere kümmern. Sie sind die Grundlage für meine Pläne. Ohne sie bin ich aus dem Geschäft, bevor ich überhaupt angefangen habe.“

„Weißt du, Michael“, sagte Rachel, „Die Bräute treffen sich am Samstag. Jetzt, da du ungebunden bist, solltest du kommen und vielleicht ein paar der Frauen kennenlernen. Du weißt ja, dass deine Brüder einhundert Frauen als Bräute für die Männer hiergebracht haben. Du bist ein Mann. Es wird genügend Essen und Trinken geben und ein wenig Musik wurde auch organisiert, also kannst du ein bisschen tanzen, wenn du in der Laune bist.“

„Ich habe vor, auf der Ranch zu sein und die Scheune zu bauen, aber wenn ich immer noch hier bin, schaue ich vielleicht mal vorbei. Dir zuliebe.“

*****

Samstag, 16. September 1865

Michael betrat Dolly’s Saloon, obwohl er überall lieber gewesen wäre, als in einem Raum voller Frauen. Er musste zugeben, dass es kaum noch nach einem Saloon aussah, so wie die Damen Dollys Laden dekoriert hatten. Dies war sein erster Austausch mit den Frauen. Sie waren nun seit Monaten hier und der Großteil der Stadt hatte sich an sie gewöhnt, aber Michael war nicht sehr oft in der Stadt gewesen.

Die Bräute hatten den Saloon mindestens die nächsten paar Stunden für ihre Feier belegt – bis es wahrscheinlich dämmerte, sie dann aufräumen würden und Dollys übliche Kundschaft ankam.

Eine dreiteilige Band, die aus Clive Barrows, dem Bestatter und zwei von Jasons Holzfällern bestand, spielten Musik, während auf der Tanzfläche Pärchen Walzer tanzten.

Michael sah sich nach seiner Schwägerin um. Das war aber nicht nötig, da Rachel und Lucy, die Frau seines Bruders Drew, anscheinend bereits auf ihn warteten. Sie kamen mit einer gutaussehenden, rothaarigen Dame zwischen sich auf ihn zu. Er wollte nicht mit einer der Frauen zusammengebracht werden, sobald er durch die Tür kam, sondern sie lieber erst einmal beobachten. Aber die Frau zwischen seinen Schwägerinnen war anders als die meisten Damen, die er als Ehefrau in Betracht gezogen hätte. War er deshalb gekommen? Wollte er wirklich eine Ehefrau haben? Selbst nach dem, wie Ada ihn behandelt hatte? Nein, noch nicht. Er wollte sich nur umsehen.

Er fand Rothaarige nie besonders interessant, sondern bevorzugte blonde Frauen wie Ada, aber diese Frau ließ ihn seine Vorlieben noch einmal überdenken. Je näher sie kam, desto mehr realisierte er, dass sie umwerfend war. Ihr Haar trug sie auf der einen Seite hinter ihrem Ohr und auf der anderen Seite fiel es ihr in Locken über ihre Schulter.

Ihre kräftig grünen Augen funkelten und ihr schöner Mund wurde zu einem Lächeln, als sie nach vorne trat.

„Hallo, ich bin Nicole Wescott.“ Sie hielt ihm ihre Hand entgegen. „Sie müssen Michael Talbot sein.“

„Schuldig.“ Michael nahm ihre Hand und ein elektrisches Knistern fuhr seinen Arm hinauf. Seine Augen weiteten sich und er sah von ihrer Hand hinauf in ihr Gesicht. Ihre Augen waren groß, so, als ob sie es auch gespürt hätte. „Möchten Sie tanzen, Miss Wescott?“

„Mit großer Freude, Mr. Talbot.“

Michael sah seine Schwägerinnen an und zwinkerte ihnen zu.

Sie beide grinsten zurück.

Michael führte Nicole zu der selbstgebauten Tanzfläche, wo er seine andere Hand an ihre Taille legte und sie nah an sich zog, damit ihr Körper seinen berührte. Würde sie etwas deswegen sagen? Hatte sie genug Mumm, sein unerhörtes Verhalten zu akzeptieren?

Ihre Augen wurden groß und ihre Nasenflügel bebten, aber sie wies ihn nicht zurück.

„Sie sind aber ziemlich unanständig, nicht wahr, Mr. Talbot? Oder soll ich Michael sagen?“

„Michael bitte, und Sie sind Nicole – oder Nicki?“

Sie sah ihm direkt in die Augen. „Nicole. Niemand nennt mich Nicki.“

Sich der Sitte zu widersetzen und mir direkt in die Augen, anstatt über meine Schultern zu sehen, wie es sich gehört – ja, diese Frau hat Mumm. Das gefällt mir.

Sie wirbelten auf der Tanzfläche umher, bis die Musik aufhörte. Langsam ließ er sie los.

Sie trat zurück.

Michael hielt ihre Hand ein wenig länger fest, als es üblich war. „Vielen Dank für den Tanz. Möchtest du etwas Punsch trinken? Auf der Veranda vielleicht?“

Nicole nickte. „Sehr gerne.“

Michael lief zur Bar, um zwei Gläser Punsch zu holen. Dann ging er zu Nicole zurück, die sich ein Halstuch umgelegt hatte und zusammen liefen sie vor die Tür. Die Luft war frisch und es roch noch immer nach dem leichten Regen, den es ein paar Stunden zuvor gegeben hatte. Manche hätten es vielleicht bekräftigend genannt. Michael bezeichnete es als erfrischend.

Er lehnte sich gegen das Geländer und wandte sich ihr zu. „Ist es zu kalt für dich?“

„Nein. Nach dem Tanz und mit dem Schal ist mir eigentlich recht warm.“

„Gut.“

Sie schlürfte den süßen Punsch und ihre perfekten Lippen formten ein Lächeln, als sie trank. „Also, was machst du? Ich schätze mal, du arbeitest wie deine Brüder für das Holzfällerunternehmen.“

Er schüttelte mit dem Kopf. „Das Holzfällen war nie mein Ding. Ich bin ein Rancher – oder werde es bald sein. Ich möchte mich um Pferdezüchtung kümmern. Ich habe mein Hauptpaar… Galahad und Judy. Sie beide sind fantastische Exemplare von Pferden.“

Nicole hob ihr Kinn und lächelte, bevor sie sich an das Geländer neben ihm lehnte.

„Ich liebe Pferde. Ich fühle mich nur völlig frei, wenn ich reite oder mich um sie kümmern kann. Das war das Schwerste für mich, als ich mich entschieden habe, eine Braut zu werden. Ich wollte mein Pferd nicht zurücklassen.“

„Mir geht es genauso. Wenn ich auf Galahad reite und er schnell wie der Wind läuft, fühle ich mich, als würde ich durch die Lüfte schweben. Das Gefühl ist fantastisch und jemandem, der die Begeisterung, ein tolles Pferd zu reiten, nicht teilt, schwer zu beschreiben.“

Ein Schatten schien sich über ihr Gesicht zu legen, ihre Lippen bildeten einen schmalen Strich und eine Falte zeichnete sich zwischen ihren Augenbrauen ab.

„Letztlich wurde mir diese Wahl genommen.“

Er wandte sich ihr zu. „Was ist passiert?“

Nicole atmete tief durch und schüttelte mit dem Kopf. „Ich kenne dich nicht gut genug, um dir meine Sorgen zu erzählen.“

Ich möchte mir ihre Sorgen anhören. Erstaunlicherweise will ich alles von ihr hören. „Wenn ich wiederkomme, können wir uns vielleicht besser kennenlernen.“

Sie legte ihren Kopf schräg und hob eine Augenbraue. „Wohin gehst du?“

„Ich beginne damit, an meiner Ranch zu arbeiten und werde die ersten paar Wochen vor Ort sein müssen. Die Arbeiter sind Holzfäller vom Unternehmen meines Bruders. Ich kann die Männer nur für einige Zeit beanspruchen, bevor sie wieder hier in der Stadt gebraucht werden. Dann werde ich wieder zurückkommen, eine Weile hierbleiben und mehr Holzfäller mitnehmen. Ich hoffe, dass ich das Haus und die Scheune in ungefähr zwei Monaten bauen lassen kann.“

Sie drehte sich zu ihm. „Ich würde deine Ranch gerne sehen. Scheint, als würde es ein ordentlicher Betrieb werden, wenn du alles zum Laufen bringst.“

„Das hoffe ich doch.“ Er lehnte sich neben sie an das Geländer. Er merkte, dass sie wirklich interessiert war und nicht nur das sagte, von dem sie dachte, dass er es hören wollte und dann tat etwas, was er, wie er gedacht hat, niemals tun würde – besonders nicht so früh. „Ich würde dir gerne mein zu Hause zeigen, wenn es fertiggestellt ist.“

Nicole wurde rot, die verräterische Farbe stieg von ihrem Dekolleté hinauf zu ihrem Kopf. „Das fände ich toll.“

Michael rutschte näher.

Sie wich zurück.

„Ich denke, dass wir vielleicht nach innen gehen sollten.“ Sie drückte sich vom Geländer weg und lief zurück in den Saloon.

Michael wunderte sich über diese Frau. Er fühlte sich von ihr angezogen, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte – nicht mal bei Ada. Er wollte seine Gefühle genauer erkunden, aber sein zu Hause rief nach ihm. Das Haus musste gebaut werden, bevor er darüber nachdenken konnte, jemanden zu heiraten. Sein Körper spannte sich an und er legte seinen Kopf in den Nacken. Wieso zog er es in Betracht, sie oder irgendjemanden bald zu heiraten? Er wusste es nicht wirklich, er wusste nur, dass sie anders war. Besonders. Das hatte er im Gefühl.

Was an ihr war es? Ihre Schönheit? Nicole war wirklich schön, selbst mit ihrem roten Haar. Sie hatte die grünsten Augen, die wie Smaragde aussahen, strahlend und klar. Die Sommersprossen, die über ihre Nase gesprenkelt waren, ließen sie wie ein Mädchen aussehen, aber sie war definitiv eine Frau. Physische Schönheit war nichts, wonach er bei einer Frau suchte. Ada war eine Schönheit gewesen, mit blondem Haar und unglaublich blauen Augen, aber er hatte sie geliebt, weil sie seine Leidenschaft für Pferde teilte. Anscheinend liebte Nicole Pferde auch. Das war es. Sie liebte Pferde so sehr wie er. Darüber musste er nachdenken. Wenn er in drei Wochen zurückkam, würde er sehen, ob sie es in Betracht ziehen würde, sich von ihm den Hof machen zu lassen.

*****

Nicole bemerkte ihn gleich, als er in den Raum gelaufen kam. Er stach hervor. Er war einen Kopf größer, als die meisten Männer – mit Ausnahme der Talbot-Brüder. War er ein Talbot? Sie hatte ihn nie zuvor gesehen. Sie hätte sich an einen großen, gutaussehenden, blonden Mann sicherlich erinnert.

Rachel und Lucy Talbot kamen auf sie zu.

„Nicole“, sagte Rachel. „Wir haben jemanden, den wir dir gerne vorstellen würden. Er ist unser Schwager und er ist zum ersten Mal richtig in der Stadt, seitdem die Bräute angekommen sind. Würdest du mit uns kommen? Vielleicht könntest du ihn willkommen heißen.“

Sie stellten sich beide neben sie, die dunkelhaarige Lucy zu ihrer Rechten und die blonde Rachel links von ihr, dann hakten sich beide Frauen bei ihr ein und gingen mit ihr auf den großen, blonden Mann zu, den sie zuvor bemerkt hatte.

„Nicole Wescott, das ist Michael Talbot, unser Schwager.“ Rachel und Lucy ließen Nicoles Arme los.

„Michael, das ist unsere Freundin Nicole. Wieso tanzt ihr beiden nicht ein wenig?“, sagte Lucy. „So wie es klingt, spielen sie gerade einen tollen Walzer.“

Michael nahm seinen Hut ab und streckte Nicole seine Hand entgegen.

„Möchten Sie tanzen, Miss Wescott?“

Nicole legte ihre Hand in seine. „Mit großer Freude, Mr. Talbot.“

Er legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie dann an eng an seinen Körper. Dieser Mann benahm sich absolut frevelhaft, aber sie merkte, dass ihr Lächeln immer breiter wurde, da sie das Gefühl von ihm nah an ihr genoss. Er war muskulös und sie mochte den Unterschied zwischen den beiden – ihre weichen Kurven an seinem starken Körper.

Als der Tanz vorüber war, gingen sie hinaus auf die Veranda. Es wäre eine Empörung gewesen, wenn er sie in der Dunkelheit der Nacht draußen alleine begleitet hätte, aber die Nachmittagssonne schien hell nach dem morgendlichen Regen und sie hatte nicht das Gefühl, behutsam sein zu müssen.

Je mehr er redete, desto faszinierter war sie. Er liebte Pferde genau so sehr wie sie. Er gründete eine Pferderanch, wovon sie ebenfalls schon immer geträumt hatte.

Er brachte sie hinein und nach einer kurzen Unterhaltung mit seinen Brüdern ging er. Sie sah ihn mit keiner anderen tanzen. Er ging einfach. Hieß das etwas Gutes für sie? War er wie die meisten Männer, die sie kannte? Wie ihr Vater? Würde er sie so einfach zurücklassen, wie er sie nach dem einen Tanz verlassen hatte?

„Entschuldigen Sie, Miss.“

Sie schüttelte ihren Kopf, um sein Bild aus ihrem Kopf zu bekommen und wandte sich dem Mann zu, der mit ihr sprach. Er war älter als Michael, aber gutaussehend, hatte dunkles Haar und einen ordentlich gestutzten Bart. Sie hatte nichts gegen einen Bart oder Schnauzer, aber sie mochte ein glattrasiertes Gesicht, wie es Michael trug, lieber.

„Ja, Sir. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Die Frage war sinnlos, denn seinem Gesichtsausdruck zufolge wusste sie bereits, was er wollte.

„Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht mit mir tanzen würden.“

„Natürlich.“ Es ging nichts über einen Tanz mit jemandem, um einen Mann aus dem Kopf zu bekommen. „Ich bin Nicole Wescott. Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Clay Mathers.”

Nicole hielt ihm ihre Hand entgegen. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Mathers.“

Er nahm ihre Hand und umschloss sie mit seiner anderen. „Mich auch, Miss Wescott. Freut mich wirklich sehr, Sie kennenzulernen.“

Ein Schauer lief Nicole über den Rücken. Zwei Männer an einem Tag haben bei mir eine körperliche Reaktion auf sie ausgelöst. In New Bedford habe ich Tänze als Mauerblümchen ertragen, aber so etwas hatte ich noch nie. Ich frage mich, was meine Reaktion bedeutet.

KAPITEL 2

9. Oktober 1865, ein Monat nach dem Tanz

Michael ritt nach Seattle und hatte die Absicht, Nicole kennenzulernen. Nicht mal der leichte Regen, der fiel, würde ihn davon abhalten. Als erstes ging er aber direkt zu Jasons Scheune und kümmerte sich um Galahad, bevor er ins Haus lief. Rachel war in der Küche und bereitete das Mittagessen vor.

„Genau diejenige, die ich sehen wollte.“ Er zog seinen Regenmantel aus, als er hineinkam und hing ihn an einen Haken nahe der Küchentür.

Rachel sah ihn an, bevor sie die Kartoffel, die sie gerade schälte, in eine Pfanne in der Spüle legte.

„Michael.“

Sie kam mit offenen Armen auf ihn zu und umarmte ihn.

Er legte seine Arme um die Frau, die er wie eine Schwester ins Herz geschlossen hatte und umarmte sie ebenfalls.

Sie trat zurück und zeigte dann auf den Tisch.

„Komm, setz dich. Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?“

Er setzte sich an den Tisch. „Kaffee wäre toll.“

„Was führt dich in die Stadt? Ist dein Haus fertig?“

„Das Äußere ist fertig. Ich werde das Innere fertigstellen, wenn ich die Zeit dazu habe. Ich bin hierhergekommen, um Nicole Wescott zu sehen. Ich konnte sie einfach nicht aus meinem Kopf bekommen.“

Rachel verzog das Gesicht und blickte finster drein.

„Tut mir leid, dir das zu sagen, aber Nicole hat sich mit Clay Mathers verlobt.“

„Mathers!“

„Keiner von uns mag ihn und Jason hat mir erzählt, was für ein Mann er wirklich ist – aber Nicole wollte es nicht hören. Sie hat Angst davor, zu heiraten, schätze ich.“

Michaels Blick sank zu Boden. „Ach so. Naja, ich denke mal, dann werde ich nur meine Einkäufe erledigen und wieder zurück zur Ranch gehen. Kann ich mir die Kutsche ausleihen?“

„Natürlich. Ich bin mir sicher, dass Jason nichts dagegen hat.“

Michael lieh sich die Kutsche aus und machte sich auf den Weg nach Seattle. Was bedeutete es schon, dass die erste Frau, die er nach Ada kennenlernte, ihn völlig umgehauen hat? Eine Frau war genau so gut wie die andere. Nicht ganz. Nicole war besonders.

Nachdem er alles, was er brauchte, erledigt hatte, ging er bei den Mietställen von Seattle vorbei, um seinem Pferd vor dem langen Weg zur Ranch etwas Wasser zu geben. Als er von innen einen Tumult hörte, rannte er hinein. Dann bemerkte er etwas, das er für Weinen hielt. Er folgte dem Geräusch zum zweiten Stall, in dem in der hinteren Ecke Nicole mit ihrem Kopf in ihren Händen saß und wimmerte. Selbst in dem dunklen Stall erkannte er ihr rotes Haar. Das Geräusch brach sein Herz.

„Miss Wescott? Nicole? Was ist passiert?”

Er merkte, dass das Oberteil ihres Kleids aufgerissen war und wusste genau, was passiert war. Wut stieg in ihm auf, als er realisierte, dass sie überfallen worden war.

„Nicole, lass mich dich zu Karen Martell bringen. Ich habe gehört, dass alle Bräute mit ihren medizinischen Anliegen zu ihr kommen. Sie wird wissen, was zu tun ist.“

Sie sah zu ihm hinauf.

Michael zuckte zusammen. Ihr schönes Gesicht war geschwollen, sie hatte ein blaues Auge und Blutergüsse auf der linken Seite. Sie sah aus, als hätte ihr Angreifer sie mehrere Male geschlagen.

„Komm, lass mich dir helfen.“

Als sie aufstand, stolperte sie. Er fing sie auf, zog seinen Mantel aus und legte ihn um ihre Schultern.

Er schwang sie hinauf in seine Arme. „Wenn du möchtest, kannst du dein Gesicht an meine Brust lehnen, während wir laufen, damit niemand deine blauen Flecken sieht.“ Sein Körper war angespannt und er musste sich darauf konzentrieren, dass seine Wut sie nicht noch mehr aufbrachte. Er zwang sich dazu, seine Muskeln zu entspannen und hielt sie sanft fest.

Sie nickte, lehnte ihren Kopf an seine Brust, aber blieb still.

Michael befürchtete, dass ihr Kiefer gebrochen war, aber sagte es nicht.

Er trug sie zu dem kleinen Haus, an das Karen endlich ihr Schild gehängt und in dem sie endlich eine medizinische Praxis eröffnet hatte. Karen war mit den einhundert Bräuten hierhergekommen, um die Männer Seattles zu heiraten. Sie war eine Witwe mit zwei Kindern. Die Unterkünfte, in denen die Bräute lebten, waren kein guter Ort dafür, da all die Leute der Stadt mit ihren medizinischen Anliegen zu ihr kamen, auch, wenn es nie ein Problem war, jemanden zu finden, der auf ihre Kinder aufpasste.

Michael wusste, dass sie Lucy behandelt hatte, als sie angeschossen wurde. Karin war gut in dem, was sie tat, wenn man Lucy als Beispiel nehmen konnte.

Sie liefen an Mrs. Gladys Kravitz vorbei, dem Klatschweib der Stadt.

„Mrs. Kravitz“, sagte Michael und nickte, als sie an ihr vorbeiliefen.

„So, so. Ich dachte, Miss Wescott würde Clay Mathers heiraten. Für mich sieht es so aus, als würden wohl stattdessen Sie beide heiraten.“

Von all den Leuten der Stadt, den sie hätten begegnen können… warum musste es gerade diese alte Wichtigtuerin sein? Jeder in der Stadt wird wissen, dass ich Nicole zu Karen getragen habe.

Michael hielt Nicole im Arm, ignorierte Mrs. Kravitz und lief zur Praxis. Er öffnete die Tür. „Karen. Karen Martell?“

Eine schöne, schwarzhaarige Frau kam aus einem der Schlafzimmer gelaufen. „Was kann ich für euch tun?“

Nicole hob ihren Kopf.

„Oh mein Gott…“, sagte Karen entsetzt, als sie Nicoles Gesicht sah. „Was ist passiert?“

„Ich weiß es nicht. Sie hat kein Wort von sich gegeben. Ich habe sie so in einem der Mietsställe gefunden.“

„Naja, sie hat gesagt, dass sie Zweifel daran hat, ob sie Clay Mathers heiraten sollte. Wenn er angefangen hat zu trinken, wie er es normalerweise tut, hätte ihn das vielleicht so sehr stören können, dass-“

Nicole nickte. „Ja.“ Der Laut war mehr ein Nuscheln, als ein Wort.

Sie hob ihre Hand an ihren Kiefer.

„Lass mich ihre Verletzungen untersuchen. Du kannst sie mir überlassen, Michael. Nachdem du ihr in die Küche geholfen hast, werde ich mich um sie kümmern. Dort liegen meine Medizin und all meine Verbände. Zum Glück gibt es hier viele Schränke.“

Michael setzte Nicole sanft auf dem Tisch ab.

Sein Körper versteifte sich. Ich lasse sie nur über meine Leiche alleine. „Ich weiche nicht von ihrer Seite. Ich werde sie mit zu Jason nehmen. Dort ist sie vor Clay sicher. Rachel und Lucy sind beide schwanger und werden sich bestimmt liebend gern um Nicole kümmern.“

Er wandte sich wieder Nicole zu und kniete sich auf ein Bein.

„Ich weiß, dass das nicht der beste Zeitpunkt ist, aber ich bin hierher zurückgekommen, um dich zu fragen, ob du mich heiraten würdest. Das möchte ich immer noch. Wenn du zustimmst, lasse ich den Pfarrer zum Haus kommen. Du musst nicht nach draußen gehen, bis du dich bereit dazu fühlst. Du musst nicht reden, nicke einfach, wenn dir das leichter fällt.“

Nicole sah zu Michael hinunter, während er sprach und begann zu weinen.

„Oh Süße, ich wünschte, ich könnte dir die Schmerzen nehmen. Alles, was ich tun kann, ist, dir zu versprechen, dass er dafür bezahlen wird. Ich werde ihn all das spüren lassen, was du spürst. Jeden Schlag, den er dir verpasst hat, werde ich ihm verpassen. Ich werde ihn nicht ungeschoren davonkommen lassen.“

Nicole nickte.

Das war alles, was er als Rückmeldung brauchte.

„Ich werde zur Unterkunft gehen und deine Sachen holen.“

Karen schüttelte mit dem Kopf. „Michael, ich glaube, es wäre einfacher, wenn ich das mache. Ich werde die Fragen besser abwimmeln können als du.“

Er seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch den Nacken. „Ja, ich schätze, da hast du Recht. Kümmere du dich um Nicole und ich hole den Wagen. Ich werde nachher wieder hierherkommen, um ihre Sachen zu holen, nachdem ich sie dann zu Jason gebracht habe.“

„In Ordnung.“ Sie wandte sich Nicole zu. „Ich muss deine Nase und deinen Kiefer richten. Beides wird ziemlich weh tun und einige der Platzwunden in deinem Gesicht müssen genäht werden. Ich gebe dir etwas Laudanum, bevor ich damit anfange, damit es nicht so sehr weh tun wird.“

Michael nickte. „Okay, ich bin bald wieder hier.“

Er strich über Nicoles unverletzte Wange und wischte eine Träne mit seinem Daumen weg.

„Mach dir keine Sorgen. Ich bin gleich wieder da, ich werde dich beschützen.“

Sie schloss ihre Augen und lehnte ihren Kopf gegen seine Hand.

Es war, als wollte sie mit dieser Geste danke sagen.

Er lief zurück zum Stall, holte die Kutsche und drehte sie herum, damit er sich zurück auf den Weg zu Karen machen konnte.

Als er zurückfuhr, kam er an Dollys Saloon vorbei. Er erspähte, wie Mathers dort am Geländer der Veranda lehnte, wollte anhalten und ihn grün und blau schlagen, aber Nicole brauchte ihn nun mehr. Es würden sich andere Möglichkeiten ergeben, sich um Mathers zu kümmern.

*****

Er wartete mehr als eine Stunde, während Karen Nicole behandelte. Als sie fertig war, zog sie ihn zur Seite.

„Ich habe ihr die Nase und den Kiefer gerichtet und die Wunden vernäht. Ich gebe dir eine kleine Flasche Laudanum mit, das du ihr geben kannst. Maximal fünf Tropfen alle zwei Stunden. Wenn sie die Schmerzen aushalten kann, belasse es lieber bei alle vier Stunden. Ich möchte nicht, dass sie von dem Zeug abhängig wird.“

Sie ging zum Schrank neben der Kühltruhe, nahm sich eine von den mehreren kleinen, braunen Flaschen und gab sie ihm.

„Die Dosis, die ich ihr schon gegeben habe, sollte reichen, bis ihr bei Jason angekommen seid. Warte mindestens noch eine Stunde, bevor du ihr wieder etwas gibst.“