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Kate soll mit ihrem Arbeitskollegen Nick nach Japan fliegen, um dort einen wichtigen Vertrag für ihren Vorgesetzten unterzeichnen zu lassen. Doch kurz nach dem Start wird ihr Flugzeug entführt. Nach einer kurzen Schießerei an Bord landet ihre Maschine schließlich auf einer größeren Insel der Malediven. Die Geiselnehmer verfrachten die Passagiere auf eine andere Insel, auf der sie jeden Abend, bei Sonnenuntergang eine Geisel auf brutalste Weise, vor laufender Kamera umbringen. Kate, ihr Arbeitskollege Nick und weitere Passagiere, die Kate inzwischen kennengelernt hat, beratschlagen sich und beschließen gemeinsam zu fliehen. Bowen, einer von Kates neuen Freunden, kann einen Airbus fliegen. Er konnte sich die Richtung zu der Insel einprägen, auf der ihr Flugzeug noch immer stand. Gemeinsam beschließen sie zu den nächstgelegenen Inseln zu schwimmen, immer in östliche Richtung, um schnellstmöglich zu ihrem Flugzeug zu gelangen, um dann nach England zurückzufliegen. Doch ihre Flucht bleibt nicht lange unbemerkt. Schon bald werden es immer weniger, die das Flugzeug erreichen, das ihnen jedoch nicht wirklich weiter hilft.
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Seitenzahl: 529
Veröffentlichungsjahr: 2018
Copyright: Sandra Goldoni
1. Auflage
Verlag & Druck by tredition GmbH
Halenreie 40-44
20359 Hamburg
Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Alle Namen und Personen wurden ebenfalls frei erfunden. Die Geschichte ist keine wahre Begebenheit.
Nachdruck, Speicherung, Sendung und Vervielfältigung in jeder Form, insbesondere Formate, Farbverfremdung sowie Bearbeitung und Übertragung des Werkes oder von Teilen desselben in andere Medien und Speicher sind ohne vorgehende schriftliche Zustimmung des Verlages oder dem Autor unzulässig und werden strafrechtlich verfolgt.
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor:
Sandra Goldoni
ISBN:
978-3-7469-9739-1(Paperback)
978-3-7469-9740-7(Hardcover)
978-3-7469-9741-4 (e-Book)
Kates Abenteuer auf den Malediven
London
02. Mai
Es war ein herrlicher Montagvormittag, an dem Kate Granger zu einem wichtigen Meeting gerufen wurde, bei dem sie mit einem Kollegen, ihrem Teamleiter sowie Abteilungsleiter teilnehmen sollte.
»Kann mir mal jemand sagen, um was es geht?«, wollte Kate wissen.
»Keine Ahnung«, antwortete ihr Kollege Nick Burke schulterzuckend. Nick war 31 Jahre alt, hatte eine athletische Figur, schwarze kurze Haare und schmale Augen, die an einen Asiaten erinnerten. »Sie haben mir nur gesagt, dass es wichtig ist.«
»Pascale kannst du uns sagen, um was es geht?«, fragte Kate ihren Teamleiter, während sie auf dem Weg zum Konferenzraum waren.
»Das wird euch der Chef persönlich sagen«, antwortete er ihr. Allen voran lief ihr Abteilungsleiter Mister Hill, der ihnen nun eine breite Holztür aufhielt.
»Wir sind da«, meinte er und ließ sie nacheinander eintreten.
Kate arbeitete nun seit sechs Monaten in der Firma von Roger Duplois. Es war eine Zweigstelle der Genfer Uhr Manufaktur, bei der die teuersten Uhren der Welt hergestellt wurden.
Kate betrat neugierig den Raum.
Auf der einen Seite befand sich eine überwältigende Fensterfront mit einer hervorragenden Aussicht über die Themse. Mittig im Raum stand ein langer, ovaler Holztisch mit 12 wuchtigen Stühlen drumherum.
»Kommen noch mehr dazu?«, fragte sie, als sie sich setzte.
Auch die anderen nahmen an der Tafel Platz.
»Ja«, antwortete ihr Abteilungsleiter. »Mister Duplois ist heute Vormittag extra aus Genf angereist.«
Er stand im selben Moment wieder auf, um einen Mann zu begrüßen, der soeben den Raum betrat.
»Bleiben Sie ruhig sitzen«, sagte der Inhaber dieser Firma, Mister Duplois. Er nahm an der Stirnseite Platz. »Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass unser Treffen äußerst wichtig ist.« Er legte einen Stapel Akten vor sich auf den Tisch, dann betrachtete er Kate und ihren Kollegen Nick, wie ein Adler. »Das sind also Ihre besten Leute?«, fragte er.
»Wir könnten keine Besseren haben«, teilte ihm Mister Hill mit.
Der Firmenchef nickte freundlich.
»Sie beiden werden am Mittwoch nach Japan fliegen, um einen Vertrag unterzeichnen zu lassen, der uns Milliarden einbringen wird. Haben Sie schon einmal von Miyoto gehört? Das ist eine japanische Uhrmanufaktur. Sie sind an unseren Uhren interessiert. Ein lukratives Geschäft.«
»Sollten Sie da nicht persönlich dabei sein?«, fragte Kate. Mister Duplois sah sie skeptisch an.
»Das würde ich, wenn ich nicht einen äußerst wichtigen Termin hätte.« Er sah zu Kates Abteilungsleiter. »Sind Sie sicher, dass die beiden das hinbekommen?«
»Selbstverständlich«, entgegnete ihm Mister Hill. »Kate ist die Beste, wenn es um Vertragsangelegenheiten geht. Das kann ich Ihnen versichern. Und Mister Nick Burke ist der beste Verkäufer weit und breit.«
Nick lächelte kurz.
Er sagte nichts, sondern wartete, wie sich Mister Duplois dazu äußern würde.
»Das sind die zwei Kriterien, weshalb Sie fliegen sollen«, fing er an. »Sie, Miss Granger, sollen den Vertrag überprüfen, den uns die Japaner vorlegen und Sie, Mister Burke, werden alles tun, dass es zu einem erfolgreichen Abschluss kommt.« Er nahm sich den Stapel Akten und reichte die Blätter an sie weiter. »Ich werde Ihnen hier und heute die wichtigsten Details mitteilen, welche Sie sich notieren sollten. Es ist entscheidend, dass alles einwandfrei abläuft.«
Das Meeting wurde lang. Für Kate eindeutig zu lange. Bis sie endlich wieder aus dem Raum durften, war es bereits halb vier. Kate brummte der Schädel.
Sie hatte sich alles notiert, genauso, wie es ihr gesagt wurde. Immerhin war ihr Schreibblock zur Hälfte mit allen möglichen Hintertürchen voll, die sich die Japaner einfallen lassen könnten, im Vertrag jedoch keines Falls erscheinen dürften.
»Ein Problem wäre da aber noch«, sagte Kate, als sie zusammen durch den langen Flur marschierten. »Ich kann kein Japanisch.«
Mister Duplois blieb abrupt stehen.
»Sie wissen doch sicher, dass solche Verträge generell in englischer Schrift erfolgen?«
»Selbstverständlich«, sagte Kate sofort. »Ich hoffe nur, dass die Japaner auch Englisch sprechen können. Denn bis wir diesen Vertrag so aufgesetzt haben, wie wir es gerade besprochen haben, werden vorab lange Gespräche stattfinden.«
»Machen Sie sich da keine Gedanken, Miss Granger. Mister Miyoto kann viele Sprachen. Er ist ein unglaublich intelligenter Mensch. Deshalb kann ich Ihnen nur raten, dass Sie den Vertrag vorher mehrmals durchlesen. Er ist gerissen, wissen Sie? Und passen Sie auf die Vollmacht auf, die ich Ihnen mitgegeben habe. Nicht, dass sie verloren geht!«
Mittwoch, 04. Mai
Heute konnte Kate in Ruhe ausschlafen. Sie brauchte nicht zur Arbeit gehen, weil sie am Abend mit Nick nach Japan fliegen würde. Ihre Maschine würde um zwanzig vor elf abheben. Laut ihrem Ticket würde der Flug mit Air China vierzehn Stunden und fünfzig Minuten dauern, inklusive eines Zwischenstopps in Peking.
Jetzt lag sie wach in ihrem Bett, in ihrer kleinen Wohnung in der North Audley Street in Mayfair. Sie sah müde in den strahlend blauen Himmel, den sie durch ihr Schlafzimmerfenster sehen konnte, und gab sich einen Ruck. Schnell flitzte sie unter die Dusche, denn sie wollte sich noch einen richtig schicken Anzug in ihrem Lieblingskaufhaus Burlington Arcade kaufen. Immerhin wollte sie diese Japaner beeindrucken und ein neuer Anzug würde ihr Selbstbewusstsein stärken.
Das Einkaufen machte ihr heute jedoch überhaupt keinen Spaß. Hatten diese vielen Menschen denn keinen Beruf oder gerade heute einen freien Tag? Es war ein Gedränge und eine Schieberei durch Menschenmassen.
Als sie schließlich mit dem Taxi zurückgefahren und wieder in ihrer Wohnung war, packte sie alles zusammen, was sie mitnehmen wollte. Doch weil der Aufenthalt nur zwei Tage in Anspruch nehmen sollte, reichte ein kleiner Koffer aus, den sie nun fertig gepackt in den Flur stellte.
Gut, dachte sie sich, jetzt sollte ich Großmutter Paratti anrufen, sie beruhigt mich immer so schön vor solch einer langen Flugreise. Ihre Großmutter, bei der Kate aufgewachsen war, lebte etwas außerhalb von London in Harlow. Kate hatte eine enge Beziehung zu ihr, weil ihre leiblichen Eltern frühzeitig, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren.
Sie telefonierte noch zwei Stunden mit ihrer Großmutter, dann ließ sie sich gemütlich auf ihrer Couch, im zweiten Stock des roten Mehrfamilienhauses, nieder. In aller Ruhe ging sie noch einmal die vielen Punkte durch, die sie sich vorgestern notiert hatte.
Kate hatte internationales Vertragsrecht studiert. Sie war spezialisiert auf Vertriebsverträge, sowie Kooperationsverträge, nationale und internationale Joint Venture Verträge, Kaufverträge und auch Lizenzverträge. Alles in allem war sie gut darauf vorbereitet.
Nun betrachtete sie sich erneut die Uhr, um die es bei ihrem Auftrag gehen würde. Sie hatte eine Armbanduhr von Mister Duplois bekommen, genauso wie Nick eine bekommen hatte. Es war eine Roger Duplois Excalibur Quatour Silikon, die sie nur für den Aufenthalt in Japan bekommen hatten. Immerhin hatte diese Uhr einen Wert in Höhe von sechshundert siebzigtausend Pfund Sterling. Ihr achtundvierzig Millimeter großes Gehäuse bestand aus reinem Silizium, das etwa halb so viel wiegt wie Titanium, dafür aber viermal so hart ist. In der Uhr war außerdem ein hauseigenes Handaufzugskaliber mit fünfhundertneunzig Komponenten integriert.
Kate gefiel die Uhr, doch würde sie dafür nie so viel Geld ausgeben, selbst dann nicht, wenn sie in der Lotterie gewonnen hätte.
Der Abflug
Nick erwartete Kate bereits am Flughafen.
Kurz vor dem Boarding hatte sie plötzlich ein eigenartiges Gefühl in ihrer Bauchgegend. Irgendwie wollte sie das Flugzeug gar nicht erst betreten. Den Grund dafür kannte sie nur zu gut, denn sie war bei ihren letzten Auslandsreisen immer wieder in lebensbedrohliche Situationen geraten.
Sie schüttelte kurz ihren Kopf, wobei ihre dunkelblonden, schulterlangen Haare hin und her schwangen.
»Was ist los?«, fragte sie Nick verwundert.
»Ach nichts«, murmelte Kate, während die Durchsage kam, dass sie die Maschine nun betreten dürften. »Ich habe nur gerade so ein merkwürdiges Gefühl gehabt. Aber es ist alles in Ordnung. Lass uns hineingehen und den langen Flug hinter uns bringen.«
»Gerne. Komm! Wir sitzen in der First Class.«
Kate war überrascht.
»Ehrlich?«, murmelte sie strahlend.
Rasch folgte sie ihrem Kollegen.
»Setz dich, Kate«, sagte Nick und deutete auf den Sitz am Fenster. »Oder willst du lieber am Gang sitzen?«
»Oh, wenn du nichts dagegen hast, wäre mir der Fensterplatz ehrlich gesagt lieber.«
Nachdem sie ihre Plätze eingenommen hatten, sah sich Kate neugierig um.
Zuerst fiel ihr die Ruhe auf, die sie von der Business Class gar nicht kannte. Die meisten Passagiere saßen stumm da und blätterten gemächlich in einer Zeitschrift. Nur wenige murmelten leise mit ihrem Sitznachbarn. Räumlich wirkte die Maschine viel größer. Vielleicht lag es daran, dass nicht alle Plätze besetzt waren oder, weil die Sitze um einiges breiter waren.
Nachdem sie sich die Sicherheitsvorkehrungen auf ihrem Monitor angesehen hatten, ging alles ziemlich schnell. Der Pilot gab vollen Schub und Sekunden später, war die Maschine in der Luft.
Nick lehnte sich entspannt zurück und zog aus der Innentasche seiner The Gigi Jacke eine Notiz hervor.
»Was hast du da?«, wollte Kate wissen.
»Oh, ich habe mir nur ein paar wichtige Punkte aufgeschrieben, die ich nicht vergessen möchte, wenn wir im Gespräch mit dem Japaner-«
Doch weiter kam er mit seiner Erklärung nicht.
Geräuschvoll polternd kam ein dunkel gekleideter Mann zu ihnen in die Kabine. In seiner Hand hielt er eine Maschinenpistole.
»RUHE«, rief er, als die Passagiere erschrocken aufschrien.
Er ging auf die kleine Bordküche zu, in der eine Stewardess stand und nach etwas suchend herumkramte.
»Oh mein Gott«, flüsterte Kate. Blasswangig sah sie dem Mann hinterher.
»Da müssen noch mehr von ihnen sein«, murmelte ihr Nick zu, wobei er nach hinten zu dem Durchgang in die Business Class sah.
Auch dort waren kurze Aufschreie zu hören, die sofort wieder verstummten. Nur ein kleines Kind konnte man noch weinen hören.
»Sieh doch, Nick. Der Mann bedroht die Stewardess mit seiner Maschinenpistole. Er zwingt sie zu irgendetwas.«
Gespannt und verängstigt beobachteten die Passagiere, was vor sich ging.
»He«, schrie plötzlich ein Fluggast. Er hatte grau melierte Haare und saß auf der anderen Gangseite, ein paar Reihen vor Kate. Er stand von seinem Platz auf und wollte auf den bewaffneten Mann zugehen. »Lassen Sie die Frau in Ruhe!«
Mit großen Schritten kam ein weiterer dunkel gekleideter Mann aus der Business Class zu ihnen und rammte dem Mann den Lauf seiner Maschinenpistole in die Hüfte.
Der hilfsbereite Mann stürzte zur Seite, auf seine Reisebegleitung. Hastig rappelte er sich wieder auf.
»SETZEN!«, befahl ihm der Terrorist.
Kate sah sich den Kerl etwas genauer an.
Es war ein großer Mann. Kate schätzte ihn auf einen Meter neunzig. Er hatte dunkle, schulterlange Haare, trug ein schwarzes Tank-Top, eine schwarze Jeans sowie schwarze Schnürboots. Die Haut von ihm war mokkafarben.
»Sind das Araber?«, flüsterte sie Nick zu.
»Ich weiß es nicht, Kate. Aber auf jeden Fall sind das keine Engländer. Keine Ahnung woher die kommen oder was sie vorhaben.«
»Da«, zischte Kate. Sie deutete zu der Stewardess, die jetzt von dem einen Mann zu einer Sprechanlage geschubst wurde. »Sie soll sicher mit unserem Piloten sprechen?«
Nick stimmte ihr zu.
»Ja. In so einer Situation dürfen sie, die Türen zum Cockpit nicht mehr öffnen. Wahrscheinlich wollen sie ihre Forderung bekannt geben.«
Der Mann, der die Stewardess mit der Pistole bedrohte, drängte sie unsanft zur Seite und sprach jetzt selbst mit dem Kapitän.
Leider konnte keiner verstehen, was dort genau gesprochen wurde, nur die unschönen Ausdrücke konnten sie hören, die der Mann laut ausrief.
»Harja«, rief er plötzlich zu seinem dunkelhaarigen Komplizen. »Komm hierher!«
Der Kerl, der noch bei dem netten hilfsbereiten Passagier stand trottete nach vorne.
»Das könnten auch Südamerikaner sein«, hauchte Kate.
Die Männer zogen den Vorhang zu, der den Küchenbereich von ihrer Kabine abtrennte, sodass die Passagiere nicht mehr sehen konnten, was dahinter geschah.
»Scheiße. Was jetzt?«, sagte ein Fluggast, der vor Kate saß. Er sah fragend zu seinen Mitreisenden, die völlig perplex auf den Vorhang starrten.
»Am besten wir verhalten uns ruhig«, antwortete ihm Nick.
»Für solche Fälle gibt es doch diese Flugsicherheitsbegleiter. Bestimmt haben sie schon irgendeinen Plan.«
Diese Worte beruhigten Kate ein wenig.
Den Vorhang, der die First Class zur Business Class trennte, hatte der Terrorist offengelassen. Kate sah nach hinten. In der Business Class saßen die Passagiere stumm und sichtlich verängstigt auf ihren Plätzen.
»Sieh mal«, hauchte Kate. »Ich kann noch zwei von diesen Kerlen sehen, die auch mit Maschinenpistolen den Gang auf und ablaufen.«
Der eine davon hatte eine tiefschwarze Hautfarbe, während der andere Mann hellhäutig war. Doch auch sie waren komplett schwarz gekleidet.
Ein lauter Schuss ließ sie alle aufschrecken.
Zeitgleich konnte Kate die Passagiere in der Business Class laut Aufschreien hören.
»Oh nein«, nuschelte sie. Mit geweiteten Augen sah sie hastig zu Nick. »Der Schuss kam nicht von den beiden, die ich gesehen habe. Da muss noch einer sein.«
»Ruhig, Kate. Bleib ganz ruhig. Es wird alles gut werden«, versuchte Nick sie zu beruhigen. »Vielleicht war das ja auch schon einer dieser Sicherheitsleute?«
Kate schüttelte ihren Kopf, doch konnte sie nichts mehr sagen, weil dieser Harja wieder hinter dem Vorhang hervorkam.
»Was soll das?«, rief er laut.
Ein weiterer Terrorist, den Kate zuvor noch nicht gesehen hatte, kam mit seiner Maschinenpistole zu ihnen herein.
»Der wollte sein Handy benutzen.«
Harja kam flugs auf seinen Kumpel zu, blickte an ihm vorbei, erkannte die Lage und meinte: »Räumt ihn weg. Das sollten die Kinder nicht sehen, Serg.«
Serg hatte schwarzgraues Haar und seine Hautfarbe war genauso mokkabraun, wie die von Harja und dem Terroristen, der zuerst bei ihnen in der Kabine war. Serg nickte stumm, wandte sich von Harja ab und verschwand in der Business Class.
»Die haben jemanden umgebracht, weil er sein Handy rausgeholt hat?«, fragte Kate entrüstet.
»Leise«, zischte Nick ihr zu.
Harja starrte sie zornfunkelnd an.
Jetzt wurde der Küchenvorhang wieder zur Seite geschoben und der Anführer dieser Terroristen kam zu ihnen.
»Setz dich Harja«, polterte er. »Es hat funktioniert.«
»Ich wusste es, Xercog. Du schaffst alles«, freute sich Harja, nahm neben seinem Freund Platz und schnallte sich an.
Gleich darauf ging die Maschine in einen steilen Sinkflug.
Kate schrie auf.
»Wir stürzen ab! Die lassen unsere Maschine abstürzen!«
Auch die anderen Passagiere schrien verängstigt auf, während Harja und Xercog stumm lächelten.
»Tu doch was, Nick«, rief Kate.
Sie sah zum Fenster hinaus.
Das Flugzeug ging rasant runter.
»Vertrau den Sky Marshalls«, zischte ihr Nick zu.
»Wo sind wir?«, hauchte Kate, der auffiel, dass sie sich nicht mehr über dem offenen Meer befanden, sondern über das Festland flogen. »Was haben die vor?«
Doch bevor Nick ihr antworten konnte, kamen die Atemmasken herunter.
Die Menschen reagierten instinktiv. Sie schrien und krallten nach den Masken, als wäre es ihre letzte Hoffnung diesen Flug lebend zu überstehen.
Kate krampfte sich an ihren Armlehnen fest, blickte gebannt aus dem Fenster und wartete auf den Aufprall. Sie fragte sich, ob es wehtun würde, oder ob es so schnell gehen würde, dass sie es gar nicht mehr mitbekommen würde? Kalter Schweiß lief ihr die Stirn herunter. Ihr Herz hämmerte, als wollte es aus ihrem Brustkorb springen.
Jetzt konnte sie den Boden unter sich erkennen. Sie hatten nur noch einen knappen Kilometer bis zum Aufprall, doch plötzlich zog der Pilot die Maschine wieder hoch.
Erneut schrien die Passagiere auf.
»Was soll das?«, keuchte Nick.
Das Flugzeug flog jetzt in der Geraden.
Nick lehnte sich über Kate hinweg, um auch einen Blick durch das Fenster werfen zu können.
Sie flogen gegenwärtig in einer sehr geringen Höhe.
»Wir fliegen unter dem Radar«, murmelte der Passagier, der vor Kate saß. Er hatte blondes kurzes Haar und wirkte eher neugierig, als ängstlich. »Ich bin Bowen Walker«, stellte er sich leise vor. Er sah zu Nick, dann zwinkerte er Kate mit seinen himmelblauen Augen zu.
Kate schätzte den Mann auf Anfang dreißig.
»Kate Granger«, stellte sie sich vor.
»Nick Burke«, flüsterte ihr Kollege, worauf sich Bowen wieder nach vorne wandte, um die Terroristen im Auge zu behalten.
»Was soll das heißen, …, unter dem Radar?«, erkundigte sich Nick bei ihm.
»Ich habe selbst einen Pilotenschein«, nuschelte ihnen Bowen zu. »Uns kann man praktisch nicht mehr orten. Unser Flugzeug ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»RUHE«, schrie ihnen Xercog zu.
Die Terroristen waren alle im gleichen Alter. Kate schätzte sie auf Mitte Ende dreißig.
Jetzt schnallten sich die beiden wieder ab, standen auf und gingen auf die Stewardess zu.
Die verängstigte Frau öffnete fahrig ihren Gurt und stand ebenfalls auf.
Xercog griff das Handgelenk der Stewardess und riss sie mit sich in die Bordküche.
»Wir sprechen jetzt noch mal mit dem Flugkapitän!«, polterte er. Auch Harja verschwand hinter dem Vorhang.
Jetzt fingen die Passagiere an, sich flüsternd zu unterhalten.
»Habe ich Sie eben richtig verstanden?«, murmelte ein großer, braun gebrannter Mann, der eine Reihe vor Bowen saß. Er hatte eine sportliche Figur und hellbraune Haare. »Wir fliegen unter dem Radar? Das bedeutet doch trotz allem, dass wir entführt werden, oder?«
»Es deutet daraufhin. Ja«, antwortete ihm Bowen.
»Eine Flugzeugentführung?«, nuschelte Kate. »Wozu? Warum ausgerechnet unser Flugzeug?«
»Sicher wollen diese Kerle irgendwas erpressen«, meldete sich ein schmächtiger Fluggast, der ebenfalls vor Bowen in der Reihe saß, schwarze Haare und ein auffällig spitzes Kinn hatte.
»Oder irgendwelche Typen aus Gefängnissen herausholen. Und uns nehmen sie als Druckmittel«, rief ein junger Mann, der ganz vergessen hatte leise zu sprechen.
»Pst«, machten alle im Umkreis. Sie blickten rasch zum Küchenvorhang, der sich jedoch nicht bewegte.
Der junge Mann war leichenblass. Er zitterte und war mit seinen Nerven am Ende.
Kate schätzte ihn auf Anfang zwanzig.
»Ich will hier raus«, keuchte er. »Wir sind nicht mehr so weit oben, wir könnten abspringen. Hier sind doch sicher Fallschirme-«
»Nein können wir nicht«, unterbrach ihn Bowen. »Wir können die Tür nicht einfach öffnen und außerdem fliegen wir viel zu schnell.«
Weiter vorne konnte Kate den Mann mit den grau melierten Haaren beobachten, der zuvor dieser Stewardess helfen wollte. Er versuchte, seine hübsche Frau, neben sich, zu beruhigen. Die Frau war elegant gekleidet, hatte lange goldschimmernde blonde Haare und trug eine Menge Schmuck.
Die Minuten verstrichen.
Es kam Kate unendlich lange vor, bis die Maschine plötzlich ihre Flughöhe korrigierte und höher stieg.
»Was ist denn jetzt wieder los?«, murrte eine rothaarige Frau, die hinter Nick saß.
Nick sah zu ihr zurück und zuckte mit den Achseln. Dann wandte er sich erneut an Bowen.
»Wissen Sie, was das zu bedeuten hat?«
»Ich denke, dass wir weit genug von unserer eigentlichen Route entfernt sind. Jetzt können wir wieder unsere normale Flughöhe annehmen, ohne aufzufallen.«
Kate flüsterte diese Information rasch der rothaarigen Frau zu, die sich daraufhin vorstellte.
»Danke. Ich bin Sharon Napier und kann gar nicht glauben, dass gerade uns so etwas passiert.«
»Ja, das geht mir genauso«, murmelte Kate. »Mein Name ist Kate Granger.«
Kate nahm an, dass Sharon im gleichen Alter war, wie sie, ungefähr fünfundzwanzig.
»Wir befinden uns wieder über dem Meer«, erkannte in diesem Moment Nick, der über Kate gebeugt zum Fenster hinaussah. »Wenn wir nur einen Anhaltspunkt hätten, wo wir uns befinden. So können wir nicht feststellen, wohin sie mit uns fliegen.«
Kate hob kurz ihren Arm, um eine Stewardess zu sich zu winken. Die Flugbegleiterin bemerkte sie.
Flink sah sie zu der Bordküche, bei der alles ruhig war, dann kam sie zügig zu ihrem Platz.
»Ich kann Ihnen leider nicht garantieren, dass Sie jetzt etwas zu essen oder zu trinken bekommen können«, flüsterte sie Kate zu.
»Nein, nein, darum geht es nicht. Können Sie uns vielleicht verraten, in welche Richtung wir fliegen? Wo wollen die denn mit uns hin? Wissen Sie das?«
Die Stewardess drehte sich vorsichtig um, sah zu dem Vorhang und zischelte: »Ich habe vorhin etwas aufgeschnappt, als die Kerle dem Piloten eine Anweisung gegeben haben. Wenn ich es richtig verstanden habe, fliegen wir in Richtung der Malediven.« Kate klappte die Kinnlade herunter.
»Malediven? Aber was sollen wir denn auf den Malediven?« Bowen, der vor Kate saß, hatte die Stewardess nicht gehört, dafür aber Kate.
»Dort sind genügend Inseln«, antwortete er ihr. »Man wird uns dort kaum finden. Zumindest nicht in kürzester Zeit.«
Die Stewardess nickte ihm zu, dann riss jemand mit einem lauten Ratsch, den Küchenvorhang zur Seite.
»He, du! Was machst du da? Komm sofort hierher!«
Die Stewardess erschrak heftig.
Schnell ging sie nach vorne und verschwand bei ihm, hinter dem Vorhang.
»Malediven hä?«, murrte eine ältere Dame, die es unbemerkt zur Toilette geschafft hatte und jetzt wieder zurückkam. Sie trug einen langen grauen Haarzopf, der ihr beim Gehen hin und her schwang. Kate schätzte sie auf Anfang sechzig. »Was will ich auf solchen Inseln mit diesen unmenschlichen Temperaturen? Ich habe es mit dem Herzen, da ist das nichts für mich«, moserte sie vor sich hin.
»Müsste sich nicht endlich unser Sky Marschall melden?«, fragte Kate, der diese letzte Hoffnung gerade wieder eingefallen war. »Ich meine, dafür ist er doch zuständig. Warum unternimmt er denn nichts?«
»Das wundert mich auch«, gab Nick zu. »Ich werde mal so tun, als müsste ich zum Klo gehen. Vielleicht bekomme ich ja in der Business Class was raus.«
»Das ist zu gefährlich«, hauchte Kate.
»Wir können nicht einfach sitzen bleiben und abwarten«, raunte er, stand auf und machte sich auf den Weg.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte die rothaarige Frau, die hinter Nick gesessen hatte.
»Selbstverständlich, Miss Napier.«
»Ach, nur nicht so unpersönlich. Nennen Sie mich einfach Sharon. In so einer Situation ist es besser, wenn man unkompliziert miteinander umgeht«, murmelte die Rothaarige, wobei sie sich auf Nicks Platz setzte.
»Gut«, flüsterte Kate, wobei sie jetzt wieder den Küchenvorhang beobachtete, der sich jedoch kaum bewegte.
»Du meinst, wir fliegen zu den Malediven? Da kann man doch so eine große Maschine gar nicht landen?«
»Ja, Sharon. Da hast du recht. Nicht, dass sie uns doch noch irgendwo abstürzen lassen.«
»Das glaube ich nicht«, meldete sich Bowen von vorne. »Darf ich einfach Kate sagen?«
»Oh, natürlich«, hauchte sie.
Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er sich zu ihnen umgedreht hatte. Bowen kniete auf seinem Sitzplatz und blickte über die Rückenlehne auf sie herab.
»Wenn die so was vorhätten, würden sie nicht lange fackeln und dem Piloten auch noch eine andere Route mitteilen.«
»Ja das wäre unlogisch«, bestätigte ihn Sharon.
»Aber, denkt doch an den Anschlag in New York, damals im September 2001«, murmelte Kate mit bangem Blick zum Fenster hinaus. »Die haben die Flugzeuge auch in eine andere Richtung fliegen lassen.«
Sie hoffte, dass ihre Maschine nicht auch in irgendeinem Hochhaus landen würde, doch befanden sie sich immer noch über dem Meer.
»Oh je, das könnte tatsächlich passieren«, nuschelte Sharon. Kate konnte zischelndes Getuschel von vorne hören.
Rasch glitt ihr Blick zum Vorhang, doch kamen die Geräusche nicht von den Terroristen, sondern von dem netten Passagier, der sich mit seiner hübschen blonden Frau stritt.
»Das geht im Moment nicht, Schatz«, raunte er aufgebracht.
Der hilfsbereite Mann trug ein gelbes Poloshirt zu seiner weißen Stoffhose. Er wirkte genauso vornehm, wie seine Frau. Kate konnte eine große goldene Armbanduhr an seinem Handgelenk funkeln sehen, wobei sie sich fragte, welche Marke es sein könnte.
In diesem Moment hörten sie laute Schreie aus der Business Class.
»Nick?«, keuchte Kate sofort.
»Das hört sich an, als würden sie sich da hinten raufen«, meinte Bowen, der sich vorsichtig von seinem Sitz erhob.
Harja lugte hinter dem Vorhang hervor. Auch er hatte das Gerangel gehört.
»Was ist bei euch los, Serg?«, rief er laut.
Serg hatte Nick fest im Griff und kam soeben mit ihm in die First Class. Grob schubste er ihn vor sich, den Gang entlang.
Bowen stand sofort auf und stellte sich ihm breitbeinig in den Weg.
»Lassen Sie ihn los! Was hat er Ihnen denn getan?«, brummte er.
»Aus dem Weg oder ich blase dir deinen Schädel weg«, schrie Serg ihn an. »Der Typ behauptet hier zu sitzen, dabei war er hinten auf dem Scheißhaus.«
»So, so?«, hauchte Harja, der jetzt neugierig auf die Männer zukam. »Das ist richtig, der hat hier vorne gesessen, aber was suchen wir denn so dringend da hinten? Na los, antworte!«
»Die Toilette war hier besetzt und ich musste dringend«, argumentierte Nick hastig.
Etwas Besseres war ihm nicht eingefallen, doch die Terroristen schienen beruhigt zu sein.
»Setz dich wieder hin«, schnaubte ihn Harja an. »Wenn du noch einmal irgendwie auffällst, bist du tot. Mach du dich wieder nach hinten, Serg. Ich will, dass alles planmäßig abläuft.«
»In Ordnung. Ich denke, wir haben es sowieso bald geschafft, oder?«
»Ja, Serg. Nicht mehr lange. Das kannst du den anderen auch ausrichten. Es läuft alles nach Plan.«
Daraufhin verschwand Harja wieder hinter dem Vorhang, während Serg in die Business Class zurücklief.
»Hast du was erfahren?«, fragte Kate.
Mitfühlend sah sie ihren Arbeitskollegen an, der sich seine Arme rieb, an denen er so hart gepackt wurde.
»Die Passagiere da hinten glauben, dass sie wirklich jemanden erpressen wollen«, murmelte er. »Zwei von diesen Typen standen in der Nähe von einem Passagier namens Ed Biagiotti. Ein Italiener, der auch gerade auf die Toilette gehen wollte, und mir, was Interessantes erzählen konnte.«
»Zwei Terroristen standen in eurer Nähe? Was haben sie gesagt?«, fragte Kate gespannt.
»Nein. Ed hat es mir nur vor den Toiletten erzählt. Die Kerle standen neben seinem Sitzplatz. Der eine soll den anderen gefragt haben, wie viele Passagiere draufgehen würden, bis sie das bekommen, was sie wollen.«
Kate schnaufte laut.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein?«
»Aber er hat nicht zufällig mitbekommen«, fragte Bowen, der wieder über seine Rückenlehne gebeugt mit ihnen sprach, »was diese Kerle wirklich vorhaben oder, Nick?«
»Leider nicht. Aber was sollte uns das auch bringen?«, beklagte er sich leise. »Wir können ihnen mit Sicherheit nicht geben, was sie wollen.«
»Geld«, nuschelte Kate. »Es geht doch immer nur um Geld und Macht, oder etwa nicht?«
»Das glaube ich kaum«, raunte Bowen. »Die müssen schon eine Menge Geld haben. Allein schon für ihre Waffen und wie sie die an Board geschmuggelt haben, ist mir sowieso ein Rätsel.«
»Solche Waffen bekommt man doch heute überall«, erwiderte ihm Nick.
»Klar. Die haben alle eine MP5 von Heckler & Koch. Die sind auffällig und Munition müssen sie auch mehr als genug haben, aber wie bringt man das in solch ein Flugzeug, bei den Sicherheitsvorkehrungen derzeit?«, wollte Bowen wissen.
Die Landung
Sharon, die jetzt wieder auf dem Platz hinter Nick saß, lauschte gespannt der Unterhaltung. Auch ihre Sitznachbarin, die eine Japanerin auf ihrem Heimflug war, horchte interessiert zu.
»Ich hoffe«, seufzte Kate, »dass dieser Sky Marshall endlich etwas unternimmt.«
Die Japanerin räusperte sich kurz.
»Ich habe vorhin eine Stewardess gehört, als ich auch mal zur Toilette musste«, murmelte sie in einer Lautstärke, dass es Kate und Nick geradeso mitbekamen.
Bowen reckte sich noch ein wenig weiter zu ihnen, um sie besser verstehen zu können.
Als Kate sich zu ihr umdrehte, stellte sich die Japanerin rasch vor.
»Ich bin Mo Kargiotaki und möchte meine Eltern besuchen.«
»Kate Granger«, antwortete sie ihr, dann stellte sie ihr die Männer vor. »Das ist Nick Burke und vor uns sitzt Bowen Walker.«
»Also, Mo. Was haben Sie hören können?«, fragte Nick.
»Diese Stewardess unterhielt sich mit ihrer Kollegin und meinte, dass ein Mann, im Flughafengebäude tot aufgefunden worden wäre. Ich weiß nicht, wo sie ihn gefunden haben, aber-«
»Und wie soll sie das erfahren haben?«, wollte Nick wissen.
»Eine Freundin oder vertraute Kollegin hat sie offenbar telefonisch kontaktiert. Daraufhin habe ich gehört, wie sie zu dieser brünetten Stewardess gesagt hat, …, ähm.« Sie ahmte eine piepsige Stimme nach. »Stell dir vor; Pia hat mir gesagt, dass sie einen Mann tot aufgefunden haben, kurz, nachdem wir gestartet sind.«
»Das muss ja nichts mit unserer augenblicklichen Lage zu tun haben, oder?«, murmelte Kate.
»Hoffentlich war das nicht unser Sky Marshall?«, nuschelte Bowen. »Mit seinem Ausweis hätte er die Berechtigung gehabt, Waffen mit an Bord zu bringen.«
»Sicher, aber nicht so viele«, zischte Nick.
»Nehmen wir an, sie hätten den Sky Marshall umgebracht, sich seinen Ausweis geschnappt und die Maschine anschließend in seinem Namen kontrolliert«, mutmaßte Bowen. »Dabei hätte derjenige jemanden vom Flughafenpersonal hereinlassen können, der die Waffen in einer Tasche oder einem Koffer in die Maschine bringt.«
Kate sah sprachlos von Bowen zu Nick, der ihn kopfnickend bestätigte.
»Das könnte tatsächlich so gelaufen sein«, murmelte er.
»Das bringt uns auch nicht weiter«, lamentierte Kate, die nun nervös wurde, weil der Pilot in den Sinkflug ging, was bedeutete, dass sie in Kürze landen würden. »Sie werden uns, einen nach dem anderen umbringen, sowie wir aussteigen.«
»Hör zu, Kate«, sagte Nick sofort. »Es ist wichtig, was Bowen gerade gesagt hat. Denn wenn es stimmt, was er denkt, dann brauchen wir nicht darauf zu warten, dass uns ein Sky Marshall hilft. Wir müssen das selbst in die Hand nehmen. Wir müssen uns schnellstens was einfallen lassen.«
Vielsagend blickte er zu Bowen.
»Du hast recht, Nick. Aber zuerst müssten wir unsere Theorie den anderen Passagieren mitteilen. Umso mehr davon wissen, desto mehr denken darüber nach und liefern uns irgendwelche Vorschläge.«
»Ja«, murmelte Kate. »Wir müssen alle informieren, einzige Ausnahme sollten die Kinder sein!«
»Also gut«, murmelte Bowen, der nun hinter seiner Rückenlehne verschwand, um die Passagiere eine Reihe vor sich zu informieren.
Kate zwinkerte Nick zu, der sich von ihr abwandte und über den Gang hinweg mit dem nächsten Fluggast sprach. Auch Sharon machte sich flugs daran, ihren Flugnachbarn zu erzählen, was sie annahmen. Kate konnte nicht viel ausrichten, weil sie am Fenster saß, doch Mo wandte sich an die Passagiere, die eine Reihe hinter ihr saßen. So gaben sie alle ihre Informationen weiter an den Nächsten, ganz so, als würden sie stille Post spielen.
Kate kam gerade dieser Gedanke, dann überlegte sie sich, welche Geschichte der letzte Passagier dabei aufschnappen würde? Immerhin wurde ja immer etwas dazugedichtet oder weggelassen.
In diesem Augenblick kamen Harja und Xercog aus der Küche, gefolgt von der Stewardess, die feuerrote Wangen hatte.
Rasch setzten sie sich hin und schnallten sich an.
»Die sieht aus, als wäre sie die Strecke nicht mit uns geflogen, sondern wäre hinter uns her gerannt«, murmelte Kate Nick zu.
»Wer weiß, was sie alles erfahren hat?«, flüsterte Nick.
Jetzt ging die Maschine steil nach unten.
Einige Fluggäste schrien hysterisch auf.
Kate hielt sich krampfhaft an den Armlehnen fest.
»Wo landen wir?«, keuchte Nick. »Kannst du da draußen was sehen, Kate?«
Sie blickte rasch zum Fenster.
Da war überall dieses wunderschöne, Diamant-blaue Wasser. Ihre Augen wanderten weiter vor. Dort war ein größeres Atoll. Sie steuerten genau darauf zu.
»Ja, da ist eine Insel, Nick. Aber da gibt es nichts, außer Sand und ein paar Palmen. Das klappt doch nie im Leben«, rief sie ängstlich etwas lauter, sodass es die Passagiere um sie herum mitbekommen hatten.
Die ältere grauhaarige, herzkranke Frau schrie laut auf.
Bowen lehnte sich, so gut es bei diesem steilen Sinkflug ging, etwas weiter zum Fenster, um sich ebenfalls ein Bild zu machen.
»Das muss ein verdammt guter Pilot sein, wenn er auf dem kurzen Stück landen kann. Außerdem hat er das Fahrwerk nicht ausgefahren. Haltet euch gut fest«, rief er in dem Moment, als der Pilot aufsetzte.
Es gab einen dumpfen, dröhnenden Schlag.
Die Passagiere ruckten alle mit ihrem Oberkörper nach vorne, dann warf es sie wieder zurück an ihre Lehne.
Es polterte und rumste, während das Flugzeug geräuschvoll über den Sand rauschte.
»Oh je, oh je«, fiepte Kate, die sich mit beiden Händen wieder feste an ihre Armlehnen krallte. »Oh je, oh je. Bitte lass es klappen.«
Es dauerte nur Sekunden, bis die Maschine stillstand.
Kate atmete tief durch. Zittrig sah sie sich um.
Einige Fluggäste hatten sich Verletzungen zugezogen.
Der schmächtige Mann mit dem spitzen Kinn, der vor Bowen saß, blutete an seiner Stirn. Auch die Frau, von dem hilfsbereiten Mann, mit den langen goldblonden Haaren hatte ihr hübsches Gesicht verzogen. Sie musste sich ebenfalls wehgetan haben.
Kate war erleichtert, dass sie die Landung überlebt hatten, aber was würde sie nun erwarten? Mit bangem Blick sah sie zu den Terroristen.
»Los mach schon, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren«, rief Xercog seinem Kumpel zu. Xercog war groß und muskulös. Er hatte kurze, dunkelbraune Haare und eine auffällige Narbe, quer über seine rechte Wange. Sie ließ ihn noch bösartiger aussehen, als er es sowieso schon war. Jetzt schubste er die verschwitzte Stewardess in Richtung Tür. »Mach auf oder auf was wartest du?«
Die Stewardess war den Tränen nahe. Sie sagte kein Wort, stolperte zur Tür, die sie rasch öffnete und ließ dann eine Notrutsche hinunter, über die, die Passagiere die Maschine verlassen sollten.
Es wehte eine feuchtwarme Luft zu ihnen herein.
»Serg! Serg! Komm her. Du musst mit Harja unten warten, bis alle draußen sind. Dann läuft wieder alles nach Plan.«
»Aber Xercog«, protestierte Harja. »Eigentlich sollten Meltem und Kostas unten warten. Serg und ich bleiben hier, bis der Pilot mit dem Kopiloten draußen ist.«
»Ja. Meinetwegen. Mach das, wie du willst.«
Daraufhin rief Harja zwei Männer, die aus der Business Class zu ihnen kamen und die Notrutsche hinunterrutschten.
Der eine war dieser Dunkelhäutige, den Kate bereits gesehen hatte. Auch er war sehr groß. Der andere Mann passte mit seinen dunkelblonden Haaren und seiner fahlen weißen Haut so gar nicht zu den anderen Terroristen.
»Los jetzt, du gehst zuerst«, fauchte Xercog eine junge Frau an, die in der Nähe der Tür saß.
»Lassen Sie mich zuerst runter«, bat ein Mann, der neben ihr saß. »Meine Frau ist schwanger. Ich könnte sie unten auffangen.«
»Nein!«, polterte Xercog. »Meltem fängt sie auf. Er steht unten und hilft allen, die dort ankommen.« Er packte die junge Frau fest am Arm, zog sie vor sich, deutete dann auf eine Kiste und wandte sich wieder den restlichen Fluggästen zu. »In diese Box werft ihr alle eure Handys! Verstanden?«
Die junge Frau zitterte am ganzen Leib.
Schnell zog sie ihr Smartphone hervor, legte es in den großen Behälter und wandte sich jetzt der Rutsche zu.
Kate konnte nichts mehr sehen, denn Bowen vor ihr war aufgestanden, um eine bessere Sicht zu haben.
»Du hast es wohl eilig, hä?«, blaffte ihn Harja an. »Wenn das so ist, dann komm her! Mach schon!«
Bowen verließ seinen Platz, ging direkt auf Xercog und Harja zu, warf sein Mobiltelefon in den Kasten, drehte allen den Rücken zu und glitt die Notrutsche hinunter.
Danach kam die ältere Frau mit ihrem Herzfehler an die Reihe.
»Das ist mir zu heiß hier«, moserte sie, als sie an der Tür stand.
»Wärme tut alten Leuten doch gut«, höhnte Harja grinsend. »Leg dein Handy hier rein!«
»So ’nen neumodischen Kram habe ich nicht«, fauchte die alte Frau zurück.
Xercog glaubte ihr nicht und tastete sie ab.
»Willst dein Telefon mit hinausschmuggeln, was?«
»He! Nimm deine dreckigen Pfoten weg!«, schrie sie empört.
»Bleib stehen du alter Besen«, fauchte Harja, während Xercog weiter nach einem Handy suchte.
Er fand jedoch nur eine dicke Geldbörse, die er ihr gleich wieder zurückgab.
»Gut, dann mach dich darunter«, murrte Xercog, wobei er auf die Rutsche deutete.
»Nick«, flüsterte Kate, während weitere Insassen das Flugzeug verließen. »Ich habe Angst. Was werden sie mit uns machen, wenn wir erst mal da draußen sind? Geld interessiert sie ja anscheinend nicht. Er hat nicht mal nachgesehen, was die Dame in ihrer Brieftasche hatte. Am liebsten würde ich mich hier irgendwo verstecken.«
»Das wird nicht gehen«, nuschelte Nick.
Harja hatte ihn gehört.
»Los ihr beiden seid dran«, rief er Kate und Nick zu.
Kates Beine zitterten so sehr, dass sie dachte, sie könnte nicht aufstehen.
Nick nahm ihre Hand und zog sie mit sich nach vorne. Als sie vor Harja und Xercog standen, sah Kate hinaus. Die anderen Fluggäste standen wartend in der Sonne.
Kate zögerte.
»Eure Handys!«, forderte sie Xercog auf.
Daraufhin warfen auch sie ihre Mobiltelefone in die Kiste.
Kate hoffte, dass sie es irgendwann wiederhaben könnte.
»Komm«, brummte Nick. »Wir schlittern zusammen runter, die Rutsche ist breit genug.«
Mit einem kurzen Blick zu Harja, vergewisserte er sich, ob er einverstanden war. Der Terrorist ruckte unmerklich mit seinem Kopf in Richtung Rutsche.
Kate setzte sich zitternd neben Nick, der sie wieder an seine Hand nahm und mit sich zog, dann glitten sie gemeinsam hinunter.
»Alles klar?«, fragte Bowen, als er Kate seine Hand reichte.
»Danke«, krächzte Kate mit belegter Stimme.
Sie stand auf und sah sich um.
Es war ziemlich ruhig. Sie konnte nur ein paar Möwen schreien hören und das Meer rauschte unaufhörlich, doch sprach keiner ein Wort.
Es ging ein Hauch von Wind und die Sonne brannte unerbittlich.
Kate wandte sich wieder ihren Freunden zu.
Nick und Bowen blickten nach oben und warteten auf die nächsten Passagiere.
Es dauerte jedoch eine ganze Weile, bis sich wieder etwas tat. Jetzt kamen Sharon und Mo an die Reihe.
»Wollen wir uns ein wenig abseits stellen?«, fragte Sharon, nachdem sie mit Schwung vor Kate im Sand gelandet war. »Da drüben vielleicht?« Sie deutete auf zwei Palmen, die eng aneinander standen und etwas Schatten spendeten.
»Ja warum nicht?«, antwortete ihr Nick, während die nächsten Passagiere die Rutsche herunterkamen. »Das wird sicher noch eine Zeit lang dauern, bis alle draußen sind.«
Als Kate ihren Freunden folgte, blickte sie über das azorenblaue Wasser, den weißen Sandstrand und zu den beiden Palmen, deren Blätter sachte im Wind wogen. Dieses idyllische Bild war so trügerisch.
Sharon lehnte sich mit ihrem Rücken an den Palmstamm und seufzte laut.
»Was ist?«, wollte Bowen wissen. »Ist vorhin noch was vorgefallen? Es hat ja eine ganze Zeit lang gedauert, bis ihr drankamt.«
»Die eine Stewardess, die mit in der Küche war, die dann so verschwitzt die Tür geöffnet hat-«
»Was ist mit ihr?«, hauchte Kate.
»Sie haben den Piloten erpresst. Sie haben damit gedroht, die Stewardess umzubringen, wenn nicht sofort getan wird, was sie verlangen.« Sharon hüstelte, dann sprach sie erregt weiter. »Sie meinten, dass sie kein Interesse an der Crew hätten. Die Passagiere wären wichtiger und müssten länger am Leben bleiben.« Sie sah mit geweiteten Augen von Bowen zu Nick, dann hauchte sie: »Sie wollen die Crewmitglieder hinrichten, wenn sie nicht tun, was sie von ihnen fordern.«
»Deshalb sah sie so verschwitzt aus«, überlegte sich Kate laut. »Kein Wunder, bei dem, was die Frau in den letzten Stunden durchgemacht hat. Aber woher weißt du das denn?«
»Ich stand gerade neben der Stewardess, als Harja und sein Kollege mit dem Piloten gesprochen haben. Sie wollen, dass die ganzen Getränke mitsamt dem Essen von Bord gebracht werden.«
»Wo wollen sie denn damit hin?«, wunderte sich Mo, wobei sie sich suchend umsah. »Hier ist doch weit und breit nichts!«
»Keine Ahnung«, murmelte Nick. »Aber dieser eine Kerl sieht ständig zu uns herüber. Wir sollten zurückgehen. Seht mal, da sind inzwischen schon einige aus der Maschine herausgekommen.«
»Ja«, bestätigte ihn Kate. »Und alle haben sie den gleichen ängstlichen Gesichtsausdruck.«
Die Passagiere sahen blass und besorgt die Notrutsche hinauf.
Als Kate mit ihren Freunden zu ihnen zurücklief, musterte sie der dunkelhäutige Meltem. Der Kerl war genauso schwarz, wie seine Haare. Er hatte sie schon die ganze Zeit beobachtet und ließ seinen Kollegen Kostas alleine die Passagiere auffangen.
Kate war sich sicher, dass Meltem aus Zentralafrika kam.
»Hilf mir mal«, murrte Kostas, weil ein übergewichtiger Mann die Rutsche herunterkam.
Kate war froh, dass der schwarze Mann sie nicht länger beobachten konnte, sondern seine Aufmerksamkeit jetzt wieder den anderen Passagieren widmete.
»Puh, ich habe überhaupt keine Kleider für dieses Klima dabei«, hauchte Mo, der es ziemlich warm wurde. Sie standen jetzt wieder in der prallen Sonne.
»Ich glaube kaum, dass wir unser Gepäck bekommen«, murmelte Bowen. »Dazu haben sie keine Zeit, wenn sie das Essen und die Getränke noch ausladen wollen. Ich hoffe, die Nahrungsmittel reichen so lange, bis wir uns verdünnisiert haben.«
Kate sah sich noch einmal um.
»Wo sollten wir hier schon hin?«, hauchte sie.
Rundherum gab es nur dieses herrlich türkis schimmernde Wasser. Auch weitere Inseln konnte Kate sehen, doch gab es dort genauso viel, wie auf diesem Eiland. Eigentlich nichts, bis auf Palmen.
»Aha, das muss der Pilot sein«, hauchte Nick. »Dann dürften jetzt alle draußen sein, oder?«
Kate sah rasch zu der Rutsche hinauf.
Nach dem Piloten verließen jetzt auch Harja und Serg das Flugzeug.
»Was ist mit Xercog?«, fragte der hellhäutige Kostas. »Warum kommt er nicht mit?«
»Ist das Schiff schon da?«, brummte Harja, ohne auf seine Frage einzugehen.
»Ja da drüben«, antwortete ihm Kostas verärgert. »Sie warten schon.«
»Bestens, dann kannst du loslegen, Xercog«, rief Harja.
Über die breite Notrutsche schlitterten nun mehrere Kartons mit diversen Getränken zu ihnen herunter.
»Jeder von euch nimmt sich das, was er tragen kann und folgt Serg zum Boot«, befahl Harja den umstehenden Passagieren.
Kate sah fragend zu Nick, der auf das schwache Lächeln von Bowen reagierte.
»Erst mal nicht auffallen, was?«, zischte er Bowen zu.
»Genau. Wir dürfen nicht auffallen und sollten ihre Anweisungen befolgen.«
Daraufhin gingen sie zu Harja, nahmen sich ein paar von den Kisten und schlenderten zum Schiff.
Kate trug zwei Kartons mit Sprudelwasser.
Nick freute sich, denn er hatte sich drei Kartons mit Spirituosen geschnappt.
»Na wenigstens habe ich, noch was Nützliches«, sagte er.
»Ha, was soll das schon bringen?«, blaffte Sharon, deren Nerven flatterten, umso näher sie dem Boot kamen.
»Das kann helfen, wenn einer von uns verletzt ist. Alkohol ist ja nicht nur zum Trinken da, Sharon«, entgegnete er ihr.
Als sie beim Schiff ankamen, mussten sie ihre Waren jedoch wieder abgeben. Ein Mann stand am Strand und bedeutete ihnen, die Getränke in das Boot zu legen. Es war ein Riva Sportboot, das nahe am Ufer ankerte. Ein weiterer Mann saß wartend am Steuer. Er trommelte mit seinen Fingern nervös auf dem Lenkrad herum.
Kate zog schnell ihre Schuhe aus, krempelte sich die Hose hoch, dann stapfte sie, wie die anderen es auch taten, durch das Wasser und legte ihre beiden Kartons im hinteren Bereich des Motorboots ab. Danach wandte sie sich wieder um, lief zum Ufer zurück und bemerkte erst jetzt, dass die restlichen Passagiere ihnen nicht gefolgt waren. Sie mussten noch beim Flugzeug sein. Suchend sah sie sich um.
Es fehlten sicher noch hundert Personen.
Auch Nicks Blick schweifte über die Insel.
»Wo bleibt denn der Rest?«, fragte er. »Trennen die uns oder was ist da los?«
Die eine Seite dieser Insel bestand nur aus Sand und den zwei einzelnen Palmen, unter denen Kate mit ihren Freunden vorhin gestanden hatte. Die andere Hälfte, auf die sie nun von hieraus sehen konnten, war übersät mit Palmen.
Bowen, Sharon und Mo kamen jetzt auch wieder zu ihnen.
»Alles klar?«, fragte sie Bowen.
»Ja, wir haben uns nur gefragt, wo die restlichen Passagiere bleiben«, murmelte Kate.
»Die werden sie doch nicht etwa umgebracht haben?«, hauchte Mo.
In diesem Moment sprang der Motor des Sportboots an. Der Mann brachte die Getränke weg.
»Da kommen noch welche«, fiel Sharon auf, wobei sie auf ein paar Reisegäste deutete, die soeben um die Palmen und das dahinter stehende Flugzeug herumkamen.
Die Fluggäste hatten große Kisten dabei, die sie zu zweit trugen.
»Na da hatten wir bei dem ganzen Unglück ja doch noch etwas Glück«, feixte Bowen. »Die müssen das Essen tragen, was um einiges schwerer ist, als unsere Getränke«, erklärte er auf Kates fragenden Blick hin.
»Die Kisten lassen sich doch rollen?«, murmelte Mo entrüstet. »Das ist doch viel zu schwer. Da tragen auch zwei Frauen so einen Kasten, seht doch. Die schaffen das kaum.«
Tatsächlich wankten die beiden Frauen unter der Last, aber auch, weil sie im Sand keinen richtigen Halt fanden.
»Wie willst du hier was rollen?«, brummte Nick. »Komm, wir helfen ihnen«, rief er Bowen zu und rannte mit ihm den Frauen entgegen.
Kate hatte ihre Schuhe nicht mehr angezogen. Es war viel zu heiß, daher blieb sie im seichten Wasser und lief darin ein wenig auf und ab.
Auch Sharon und Mo blieben bei ihr.
»Ich halte die Hitze nicht mehr aus«, beschwerte sich Sharon, die ihre lange Jeans hochgekrempelt hatte.
»Ja, ich würde mir auch am liebsten die Kleider vom Leib reißen«, gab Kate zu.
»Ich glaube, wir sind vollständig«, bemerkte Mo. »Seht doch, da kommt dieser Xercog mit seinen Männern. Dann wird es wohl gleich weitergehen?«
Nick und Bowen hatten die große Kiste mit den Nahrungsmitteln abgeliefert und kamen nun auch wieder zu ihnen.
»Ja, es müssten alle da sein«, meinte Bowen.
Kate sah sich ihre Mitreisenden an.
Es waren über dreihundert Mann, die hier am Ufer standen und warteten.
»Kaum zu glauben, dass wir mit so vielen Leuten nichts gegen diese paar Terroristen unternehmen können«, hauchte sie.
»Wir müssen uns ruhig verhalten«, zischte ihr Nick zu. »Alles andere wäre glatter Selbstmord.«
Die Ankunft
In der Zwischenzeit kam ein anderes Schiff, das jedoch weiter draußen ankern musste, weil es um einiges größer war, als das Sportboot.
»Das ist ein Ausflugsboot, mit dem man Gäste von einer Insel zur nächsten transportieren kann«, erkannte Nick.
»Da kommt noch ein Fischkutter«, murmelte Sharon und deutete nach links.
»Aha, da kommt dann sicher das Essen rein«, schätzte Bowen. »Er fährt zu der Stelle, an der die ganzen Kisten mit den Nahrungsmitteln stehen.«
Xercog gab lauthals Anweisungen.
»Steht da nicht herum«, rief er einigen Passagieren zu. »Bringt das Essen zu dem Boot! Macht schon!«
Kate konnte mehrere Männer sehen, die eilig zu den Behältern rannten und sie dann ins Wasser trugen.
Es dauerte nicht lange, bis alles verladen war und das Boot wieder wegfuhr.
»Und was jetzt?«, murmelte Sharon. »Bleiben wir hier in der Nähe unseres Flugzeugs?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Bowen überzeugt. »Wofür sollten sie sonst dieses Ausflugsboot haben?«
Nach einer knappen halben Stunde, kam der Fischkutter wieder zu ihnen zurück.
Dieses Mal sollten die Passagiere einsteigen.
»Du hattest recht, Bowen«, murmelte Kate. »Ich will nicht einsteigen. Am liebsten würde ich hierbleiben.«
Doch weil Kate mit ihren Freunden schon im Wasser stand, kamen sie auch zuerst an die Reihe.
»Los! Einsteigen«, brüllte Harja sie an.
Kate zuckte verschreckt zusammen.
»Komm mit, Kate und mach keinen Unsinn«, flüsterte ihr Nick zu.
Kate sah zu Mo, Sharon und Bowen, die ihnen schon vorausgingen.
Das Boot war etwa zehn Meter lang und hatte hinten eine kleine Plattform, über die sie es betreten konnten.
Harja half ihnen auf das Boot.
Es war eine wackelige Angelegenheit.
Kate setzte sich mit ihren Freunden gleich auf eine Bank, die rundum, an der Bootswand angebracht war. Ein dunkelhäutiger Mann stand weiter vorne in einem kleinen Steuerraum.
»Komm schon!«, rief Harja, der nun seine Hand einem jungen Mann entgegenhielt.
Es war der Mann, der im Flugzeug den Vorschlag gemacht hatte, mit Fallschirmen abzuspringen.
Schnell setzte er sich zu ihnen.
Jetzt half Harja der älteren herzkranken Dame. Danach kam noch eine brünette Frau dran, die eine Brille auf ihrer Stupsnase trug und zum Schluss ein Italiener.
» Fai attenzione lentamente!«, rief er, als Harja ihn packte.
Das Schiff war voll. Mehr Platz hatten sie nicht, sodass sie nun zu dem Ausflugsschiff fuhren.
»Ihr müsst aussteigen«, rief Harja fünf Minuten später. »Beeilt euch! Wir haben nicht ewig Zeit.« Sie konnten sich unter ein Sonnensegel setzen, was Kate gerade recht kam. »Bleibt hier sitzen«, polterte Harja. »Verhaltet euch ruhig, dann passiert euch nichts.« Mit einem listigen Grinsen ging er wieder zu dem Fischkutter und fuhr damit zurück ans Ufer.
»Das kann ja ewig dauern«, murrte Kate. »Bei so vielen Passagieren.«
»Na hoffentlich«, nuschelte der junge Mann. Er hatte strohblondes Haar, das ihm wuschelig zu allen Seiten abstand, doch sah es bei ihm witzig und frech aus. Kate sah in fragend an. »Immerhin leben wir dann noch ein paar Stunden länger«, erklärte er.
»Wir sollten uns ein wenig unterhalten, solange wir hier unter uns sind«, schlug ihnen Bowen vor.
Sie waren alleine auf dem Deck. Kate war sich sicher, dass noch jemand auf dem Schiff war, doch würde derjenige nicht mitbekommen, über was sie sich unterhalten würden.
»Ja, das sollten wir«, bestätigte ihn der Italiener. Er hatte rabenschwarze gelockte Haare. Kate schätzte ihn auf Anfang dreißig. »Mein Name ist Ed Biagiotti.«
»Danke Ed. Ich bin Bowen Walker.«
So stellten sich auch schnell noch Sharon Napier, Mo Kargiotaki, Nick Burke und Kate Granger vor.
»Ich bin Rooie«, kam es von dem jungen strohblonden Mann, »Rooie Klaric.«
Die brünette Frau mit der Brille und der Stupsnase meldete sich ebenfalls.
»Mein Name ist Alisha Gow.«
Nun blickten alle erwartungsvoll zu der älteren herzkranken Dame.
»Dürfen wir auch wissen, wer Sie sind?«, fragte sie Bowen freundlich.
»Oh,…, äh, …, ja natürlich. Ich bin Granny. Mein Name ist Granny Valuto.«
Bowen nickte kurz.
»Gut Granny. Wir wissen in etwa, was uns erwartet. Ich sehe das kleine Boot schon mit weiteren Passagieren auf uns zukommen, daher möchte ich mich kurzfassen. Uns bleibt nur ein Weg, nämlich die Flucht.«
»Wohin denn? Etwa auf den offenen Ozean?«, fragte Sharon argwöhnisch.
»Bowen hat recht«, bestätigte ihn Nick. »Wir müssen fliehen. Wohin, werden wir sehen, wenn wir da ankommen, wo sie uns jetzt hinbringen und wir uns in Zukunft aufhalten-«
»Welche Zukunft?«, unterbrach ihn Ed, der Italiener. »Ich kann hier keine Zukunft mehr für mich sehen. Die tragen nicht mal Masken. Wir könnten sie doch später anzeigen, wenn sie uns lebend davonkommen lassen. Nein, nein. Die lassen uns nicht entkommen. Die wissen ganz genau, dass wir alle sterben, sonst würden sie uns doch nicht ihre Gesichter zeigen.«
»Das ist wohl wahr, aber so dürfen wir gar nicht erst denken«, sagte Bowen entschlossen. »Wir müssen herauskriegen, wohin sie uns bringen. Dann sehen wir weiter. Wir werden auf keinen Fall warten, bis sie uns umbringen. Wir werden gemeinsam fliehen«, versprach er ihnen. »Aber wir sollten uns so verhalten, dass wir nicht auffallen und keiner sollte bemerken, dass wir uns kennen und uns helfen. Sonst werden sie schnell misstrauisch.«
»Also sollen wir so tun«, fragte Mo, »als würden wir dich nicht kennen?«
»Genau genommen tun wir das ja auch nicht«, mischte sich Kate ein.
Der Fischkutter kam jetzt bei ihnen an.
»Sie sind gleich da«, sagte Bowen eilig. »Sowie einer von euch eine Idee hat, teilt er es den anderen mit. Wir werden zusammenhalten!«
Kate konnte sehen, wie sich die Gesichtszüge von Rooie entspannten. Bowen hatte ihnen allen, neue Hoffnung gemacht.
Es brauchte noch etliche Hin und Herfahrten, bis das Ausflugsschiff voll war und sie ihre Fahrt fortsetzen konnten.
Gesprochen wurde so gut wie nichts, weil nun wieder Harja und Serg anwesend waren. Sie hatten noch gut in Erinnerung, wie gewalttätig Serg sein konnte, und sahen daher lieber stumm über das Meer zu den umliegenden Inseln.
Nach einer knappen halben Stunde wurde das Schiff langsamer. Kate sah nach vorne. Sie konnte eine größere Insel erkennen, die einen schönen weißen Sandstrand hatte. In der Mitte standen Hunderte von Palmen.
»Legen wir an?«, murmelte Mo unsicher.
Das Schiff ruckte kurz, dann quietschte etwas ziemlich laut.
Kate erhob sich von ihrem Platz. Sie konnte einen Steg sehen, an dem sie angelegt hatten.
»Langsam aussteigen!«, rief Xercog, der nun auch wieder bei ihnen war. »Einer nach dem anderen!«
Am Ausgang erwartete sie Serg mit seinen grauschwarzen struppigen Haaren. Neben ihm stand Harja. Der hellhäutige Kostas und der schwarze Meltem warteten auf dem Steg auf sie.
Als Kate das Boot verließ, kniff sie ihre Augen zu.
Der weiße Holzsteg blendete sie in der grellen Sonne.
»Der ist frisch gestrichen«, murmelte ein Passagier, der mit seiner Frau vor ihr lief.
Kate blieb stehen. Sie wollte auf ihren Arbeitskollegen warten.
»Weitergehen!«, knurrte Kostas sie an. »Los! Geh mit den anderen an Land!«
Kate sah sich suchend um, doch konnte sie in dieser Menschenmenge weder Nick noch Bowen finden.
»Komm, Kate«, flüsterte Mo hinter ihr. »Lass uns von hier verschwinden.«
Gemeinsam liefen sie, über den Holzsteg auf die Insel zu.
Kate konnte eine große runde Palmdachhütte sehen.
»Siehst du diese Hütte?«, murmelte Kate. Mo nickte. »Da werden wir sicher erst einmal untergebracht.«
»Ich hoffe, wir bekommen dann auch endlich was zu essen. Ich habe einen Bärenhunger«, beklagte sich Mo, wobei Kate ihren Magen knurren hören konnte.
Kate nickte. Auch ihr Magen fing langsam an, zu rumoren. Dann sah sie auf ihre Armbanduhr. Der Zeiger stand auf halb zwölf.
»In England hätten wir jetzt Mittag, aber was haben wir eigentlich hier für eine Uhrzeit?«, fragte sie, während sie auf die Palmdachhütte zugingen.
»Halb fünf am Nachmittag«, konnten sie eine vertraute Stimme hinter sich hören.
Bowen kam mit Nick, Ed und Sharon auf sie zu.
»Da seid ihr ja«, freute sich Kate.
Als sie bei der riesigen Hütte ankamen, standen schon an die hundert Mann, wartend im Sand und sahen unsicher zu Xercog, der es irgendwie geschafft hatte, vor ihnen hier zu sein.
»War ja klar«, flüsterte Bowen. »Der läuft natürlich nicht hierher.« Er deutete auf eine kleine Motoryacht, die neben einer weiteren Hütte im Wasser ankerte.
»Willkommen im Nord-Malé-Atoll. Sie haben einen gratis Aufenthalt in einem Luxushotel gewonnen.«
»Pah«, machte Kate leise. »Von wegen.«
Xercog hatte sie nicht gehört und sprach weiter.
»Wir müssen Sie hier eine Zeit lang festhalten, bevor Sie Ihre eigentliche Reise fortsetzen können. Hier drinnen befindet sich ein Empfang, an dem Sie gleich Ihre Zimmer zugewiesen bekommen. Auch das Essen erwartet Sie im Restaurant.« Er deutete mit seiner Hand ausladend neben sich, auf eine kleinere Hütte, neben der seine Motoryacht lag.
Das Gebäude stand im Wasser. Lediglich eine schmale Holzbrücke verband das Restaurant mit der Insel.
»Sagen Sie uns doch endlich, was Sie von uns wollen?«, rief ein fettleibiger Mann.
Xercog musterte ihn einen Moment.
»Von Ihnen wollen wir gar nichts. Sie sollten sich nur ruhig verhalten, mehr nicht. Und nun wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt.«
Xercog wandte sich von ihnen ab, lief mit raschen Schritten auf seine Motoryacht zu und verschwand.
»Kommt! Lasst uns mal nachsehen, was da an der Rezeption los ist«, schlug ihnen Nick vor.
Kate nickte zustimmend.
»Hier müsste man doch jemanden antreffen, der uns helfen kann«, murmelte sie.
»Das sind doch alles Verbrecher«, maulte eine Frau verärgert. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie hier auch nur einen, echten Hotelangestellten finden?« Danach rauschte die Frau wutentbrannt an Nick vorbei und verschwand hinter den Palmen.
»Ach herrje«, sagte Kate mitfühlend. »Am besten ich gehe kurz zu ihr-«
»Nein«, schnaubte Granny, die soeben hinter ihr aufgetaucht war. »Da könntest du hier jedem hinterherrennen.«
»Stimmt«, brummte Bowen. »Lasst uns lieber mal drinnen nachsehen, wie Nick es vorgeschlagen hat.«
Am Eingang sah sich Kate in der Hütte neugierig um.
Alles sah sehr gepflegt aus. Die großen Fenster ließen viel Licht herein, sodass es hübsch hell war. Den Empfang hatte man in einem hellen Lindgrün gestrichen.
Als sie näher herankamen, erschrak Kate.
Hinter dem Tresen standen Harja und Serg.
»Das gibt es doch nicht«, hauchte sie.
»Womit hast du gerechnet?«, murrte Bowen naserümpfend. Er ging auf Harja zu und meinte: »Bekommen wir unsere Zimmerschlüssel von Ihnen oder wer ist dafür zuständig?«
»Har, har«, lachte Serg finster.
Harja verengte seine Augen, zu schlitzen.
»Die Zimmer sind alle offen. Wofür braucht ihr schon Schlüssel, ohne Gepäck?«
Bowen nickte. Er wandte sich rasch seinen Freunden zu und sah eindringlich nach draußen.
Kate und die anderen folgten ihm.
»So eine verdammte Scheiße«, fluchte Nick. »Nicht nur, dass unser wichtiger Auftrag platzt, nein, jetzt hocken wir auch noch hier, ohne Klamotten und ohne ein Zimmer oder sonst was.«
»Beruhige dich, Nick«, zischte Bowen. »Kommt, lasst uns zum Restaurant gehen. Mal sehen, was uns da erwartet.«
So folgten sie ihm zu dem Holzsteg.
»Ich kann mich nicht beruhigen, Bowen! Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, dass du so ruhig bleiben kannst?«
»Nun, ich habe mir die Richtung eingeprägt.«
Nick blieb stehen und sah in ungläubig an.
»Und was hast du davon?«
»Ich weiß, in welche Richtung wir müssen-«
»Für was?«, unterbrach ihn Nick unwirsch.
»Wir haben immer noch das Flugzeug. Wir müssen nur auf diese Insel zurück. Ich kann die Maschine fliegen. Besser wäre es natürlich, wenn wir vorher mit unserem Piloten sprechen könnten.« Er kratzte sich gedankenverloren am Kinn. »Noch besser wäre es, wenn wir ihn bei uns hätten, sowie es losgeht.«
»Fabelhafte Idee«, meinte Granny.
»Gar nicht fabelhaft«, fauchte Nick, der sich nicht beruhigen wollte. »Wie um alles auf der Welt sollten wir dort hinkommen? Schwimmen können wir vergessen. Wisst ihr nicht, wie viele Haie es hier gibt? Und außerdem können wir die Insel von hieraus nicht einmal sehen. Was, wenn wir an ihr vorbei schwimmen? Immer weiter und weiter auf den offenen Ozean hinaus? Da kommt nichts mehr!«
»Ja. Ohne mich«, sagte Kate sofort.
Sie konnte sich schon bildlich vorstellen, wie sie alle im Wasser schwammen und rund um sie herum kein Land in Sicht war. Endlose Weite nur dieses türkisfarbene Wasser und unter ihnen lauerten die Haie.
»Natürlich schwimmen wir nicht bis zu unserem Flugzeug«, meinte Bowen. »Ich denke eher, dass wir uns hier umsehen sollten. Vielleicht kann man von der anderen Seite der Insel noch eine Insel erreichen, die nicht so weit weg ist. Dann schwimmen wir zuerst dorthin. Ansonsten müssten wir uns hier unbemerkt was bauen. Ein Floß zum Beispiel.«
»Du bist ein Traumtänzer, Bowen«, sagte Nick erschöpft.
Sie kamen am Restaurant an.
»Lasst uns hier nicht weiter davon sprechen. Es sind schon einige der anderen Passagiere da und ich will nicht, dass jemand mitbekommt, was wir vorhaben.«
»Was du vorhast, Bowen«, erwiderte ihm Nick widerspenstig. Bowen grinste breit, hielt seinem sturen Freund die Tür auf und bat ihn mit einer Handbewegung in das Restaurant.
Er hatte es kaum betreten, da hörten sie ihn laut seufzen.
Kate huschte schnell hinter ihm hinein.
Oh nein, dachte sie, denn sie sah gleich, was ihren Kollegen enttäuscht hatte.
Hier gab es kein Buffet oder Ähnliches. Die Küchentür stand weit offen. Dort drinnen stapelten sich die Behälter, in denen sich die Nahrungsmittel vom Flugzeug befanden.
Gleich neben der Küche saß Serg auf einem Stuhl. Er kaute auf einem Zahnstocher und streckte seine Füße zum Fenster hinaus.
»Das gibt’s doch nicht«, hauchte Kate.
»Nun kommt schon«, sagte Bowen. Er ging in die Küche, geradewegs auf einen dieser Behälter zu. »Lasst uns doch mal hineinschauen. Ich könnte wetten, dass sich die Sachen nicht lange halten.«
Er öffnete die erste Kiste und fand das Mittagessen vor, das sie auf dem Flug nach Japan bekommen sollten.
»Hier drüben sind belegte Brote mit Aufschnitt und so was«, stellte Sharon fest, die ebenfalls eine Kiste geöffnet hatte.
»Fein«, sagte Bowen, wobei er sich in die Hände klatschte. »Also, worauf habt ihr Appetit? Mittag- oder Abendessen?« Auch andere Gäste kamen hinzu, nicht wirklich sicher, ob sie sich einfach so bedienen durften. »Ihr habt alle dafür bezahlt«, sagte Bowen laut. »Also ich nehme mir jetzt mein Mittagessen, wenn es euch recht ist!«
Kate sah auf seinen Teller, den er aus einem Kunststoffbehälter genommen hatte. Bowen hatte sich für Fisch mit einer weißen Soße, Kartoffeln und Salat entschieden.
»Das sieht lecker aus. Ich glaube, ich nehme das Gleiche«, sagte sie.
So zog sie aus derselben Kiste einen weiteren Behälter hervor. Lächelnd ging sie an Nick vorbei auf den Tisch zu, an dem sich Bowen niedergelassen hatte.
»Also gut«, meinte Nick, nahm sich ebenfalls von dem Fisch und kam den beiden hinterher.
Auch Granny, Sharon und Mo beeilten sich und kamen zu ihnen. Sie schoben rasch noch einen Tisch hinzu, damit sie alle zusammensitzen konnten.
»Lasst uns nach dem Essen mal diese Insel erkunden«, schlug ihnen Bowen gerade vor, als Rooie das Restaurant betrat.
»Oh, da seid ihr ja«, freute er sich. »Ist noch ein Platz bei euch frei?«
»Na klar«, antwortete ihm Kate. »Hol dir aber erst mal was zu essen. Es steht in der Küche dort drüben.«
Rooie blickte auf die verschiedenen Gerichte, die sie vor sich hatten, und nickte.
Granny hatte sich für Fleisch entschieden, genauso wie Sharon. Mo hingegen kaute auf einem Käsebrot herum.
»Willst du dann wirklich-«, fing Nick an, doch Bowen unterbrach ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Nicht hier«, herrschte er ihn an. »Wir haben so viele nette Tischnachbarn«, sagte er augenzwinkernd.
Rechts von ihnen saß eine Familie mit zwei Kindern, die nicht älter als zehn waren und bedrückt in ihrem Essen herumstocherten.
Kate sah sich noch einmal kurz um.
Die Hütte war inzwischen voller Gäste. Es war kein einziger Platz mehr frei.
»Sind denn alle hier ausgestiegen?«, fragte sich Kate. »Ich meine, wo sind denn die restlichen Passagiere? Hier passen doch höchstens hundert Leute rein.«