Kates Abenteuer in Venezuela - Sandra Goldoni - E-Book

Kates Abenteuer in Venezuela E-Book

Sandra Goldoni

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Beschreibung

Kate Granger tritt ihre erste große Urlaubsreise an. Es geht auf die Ferieninsel Margarita nach Venezuela. Auf der Insel lernt sie schnell ein paar Freunde kennen, mit denen sie die Insel erkundet. Sie stoßen dabei auf eine scheinbar verlassene Klinik, auf deren Gelände Hubschrauber landen. Neugierig durchsuchen die Freunde das Gebäude und stellen entsetzt fest, dass es sich hierbei um einen illegalen Organhändlerring handelt, der Feriengäste entführt und ihre Organe weltweit verkauft. Als Kate schließlich selbst in dieser Klinik erwacht, gelingt ihr nur knapp die Flucht. Ein Indianer hilft ihr und bringt sie zusammen mit ihren Freunden zum Festland in ein Indianerreservat. Doch Kates Flucht bleibt nicht lange unbemerkt. Die skrupellosen Männer, die den Organhandel betreiben, spüren sie schon bald darauf auf. Kate muss sich auf die Indianer verlassen, die sie nun, durch den dichten Dschungel der Gran Sabana führen. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 471

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Kates Abenteuerin Venezuela

Sandra Goldoni

1. Auflage

Copyright by tredition GmbH

Halenreie 42

22359 Hamburg

Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Alle Namen und Personen wurden ebenfalls frei erfunden. Die Geschichte ist keine wahre Begebenheit.

Nachdruck, Speicherung, Sendung und Vervielfältigung in jeder Form, insbesondere Formate, Farbverfremdung sowie Bearbeitung und Übertragung des Werkes oder von Teilen desselben in andere Medien und Speicher sind ohne vorgehende schriftliche Zustimmung des Verlages oder dem Autor unzulässig und werden strafrechtlich verfolgt.

Alle Rechte am Werk liegen beim Autor:

Sandra Goldoni

ISBN:  978-3-7469-5676-3(Paperback)

978-3-7469-5677-0(Hardcover)

978-3-7469-5678-7(e-Book)

Prolog

Mittwoch, 23. Juli

In den Nachrichten hörte man weltweit immer wieder die gleiche traurige Meldung, über einen Flugzeugabsturz der British Airways, die am vergangenen Freitag, auf ihrem Flug von England über Madrid nach Porlamar abgestürzt sein sollte.

Gerüchten zufolge soll die Maschine in eine starke Gewitterfront gekommen sein und mitten im Atlantik, irgendwo zwischen Puerto Rico und Isla de Maragarita abgestürzt sein. Alle möglichen Tanker und Kreuzfahrtschiffe im Umkreis der Unglücksstelle wurden angefunkt und befragt, ob sie nicht doch etwas gesehen haben könnten. Doch es gab keine Augenzeugen. So konnte man nur erahnen, wo in etwa die Maschine heruntergegangen sein könnte und man schickte Taucher und U-Boote, um nach eventuellen Teilen der Unglücksmaschine zu suchen. Der Absturz ereignete sich laut den letzten Informationen, gegen späten Nachmittag am Freitag, den 18. Juli, als ein Tropensturm mit mehr als sechzig Knoten über das Meer in Richtung Festland gezogen war. Meteorologen wiesen wohl noch auf dieses große Unwetter hin, was die Fluglotsen jedoch als ungefährlich für den Luftverkehr eingestuft hatten.

Aber auch hierbei konnte man sich nicht mehr sicher sein. Immerhin bewies schlicht und einfach die Tatsache, dass dieses Flugzeug mit zweihundert siebenundsiebzig Menschen an Bord und acht Mann Besatzung einfach von der Bildfläche verschwunden war. Die meisten Passagiere stammten aus England, während der geringere Teil aus Madrid, Frankreich und Deutschland kam. Die Regierung versprach rasche Aufklärung und Entschädigungen für die Hinterbliebenen, doch was sollte so ein Schicksal entschädigen? Von der Fluggesellschaft kamen die am wenigsten hilfreichen Worte, weil diese immer wieder betonte, dass erst die Blackbox gefunden werden müsste, um eine weitere Auskunft geben zu können. Da jedoch die Absturzstelle nicht zu orten war, gab es auch keinen Hinweis auf eine Blackbox.

Mittwoch, 30. Juli

Virgin Islands (USA)

Don Alfredo kam gerade vom Fischen zurück, da hörte er über der Hügelkuppe merkwürdige Geräusche. Schnell rannte er den Hang hinauf.

Laut lärmend flogen mehrere Hubschrauber über ihn hinweg. Neugierig schlich sich Don Alfredo noch ein wenig näher heran.

Versteckt hinter dichten Büschen, blickte er an dem Geäst vorbei und konnte nicht fassen, was er vor sich sah.

Ein riesiges Trümmerfeld lag hier vor ihm.

Er konnte Flugzeugteile sehen, die über die ganze Insel verteilt lagen, leblose und verrußte Körper, die nicht wieder zu erkennen waren und Flammen, die überall züngelten.

Es war ihm ein Rätsel, wie diese Maschine hier abstürzen konnte, wo er doch nicht weit entfernt geangelt hatte. Davon hätte er doch etwas mitbekommen müssen?

Als er sich wieder zurück schleichen wollte, wurde er von einem der Hubschrauberpiloten bemerkt. Don Alfredo konnte sehen, wie er zu ihm hinabschaute. Schnell rannte er los. Er wusste nicht, weshalb er wegrannte, doch ahnte er, dass es besser für ihn war, schnellstmöglich von hier zu verschwinden.

Der Hubschrauber folgte ihm.

Er konnte ein merkwürdiges klickendes Geräusch hören. Hastig sah er sich um. Man hatte ein großes Maschinengewehr auf ihn gerichtet, doch hörte er kaum mehr die Schüsse, die kurz darauf abgefeuert wurden.

Die Ankunft

Donnerstag, 17 Juli London (England)

Kate Granger nahm ihren bunten Koffer, den sie soeben in ihrem Lieblingskaufhaus Burlington Arcade in London – Piccadilly erworben hatte. Es war ein typisch englischer Tag mit viel Regen und tief hängenden, grauen Wolken. Die Passanten rannten mit ihren Regenschirmen rasch von einem Kaufhaus in das Nächste. Aber diesem schmuddeligen Wetter würde Kate bald entfliehen, weil sie am Freitag in einen Flieger nach Isla de Margarita-Venezuela steigen würde. Die schönsten vierzehn Tage ihres Lebens lagen nun vor ihr.

Kate nahm sich ein Taxi, das sie in ihre kleine, aber hübsche Wohnung nach Mayfair in die North Audley Street bringen sollte. Es war für sie der schönste Fleck Londons. Immerhin nannte man diese Straße auch die grüne Straße, was an den vielen Bäumen lag, die hier wuchsen.

Im zweiten Stock ihres roten Mehrfamilienhauses legte Kate ihre nasse Jacke ab und machte sich im Schlafzimmer rasch wieder daran, ihre Sachen von dem zuvor kaputt gegangenen Koffer, in den neuen umzupacken. Nach zwanzig Minuten hatte sie endlich alles zusammen. Nur ihre Zahnbürste und ihr Make-up lag noch neben dem Koffer, weil sie die beiden Sachen am nächsten Morgen, vor ihrem Abflug in den Süden noch benutzen wollte.

Kate rief am Abend noch schnell ihre Großmutter an, die etwas außerhalb Londons in Harlow lebte. Bei ihr hatte Kate ihre Kindheit verbracht, weil ihre Eltern schon früh bei einem Autounfall ums Leben kamen. Kate war damals erst zwei Jahre alt. Doch daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Deshalb konnte sie noch über eine Stunde, voller Vorfreude mit ihrer Großmutter Paratti telefonieren, bevor sie sich für ihr Bett fertig gemacht hatte und in einen Traum von Inseln mit großen Palmen versank.

Am Flughafen Heathrow war es hektisch. Kaum hatte Kate ihr Gepäck aufgegeben, musste sie vor Nervosität die nächste Damentoilette aufsuchen. Das ging ihr immer schon so. Sowie etwas Aufregendes auf sie zukam, musste sie schnell noch einmal auf die Toilette. Kate sah auf ihre Armbanduhr. Es war jetzt fünf vor acht am Morgen und ein Flug mit Zwischenstopp in Madrid lag vor ihr. Sie musste die British Airways nicht verlassen, jedoch würden in Madrid noch weitere Passagiere an Bord kommen. Der Flug bis Porlamar, die Hauptstadt von Isla de Margarita, würde sechzehn Stunden und fünfzig Minuten dauern. Danach würde sie mit einem Bus zu ihrem Hotel fahren. Laut den Informationen ihres Reisebüros würde sie dort gegen neun Uhr am Abend ankommen. Schade eigentlich, dachte sie sich, weil sie dann auf der Busreise kaum mehr etwas sehen würde, es wäre zu diesem Zeitpunkt bereits dunkel in Venezuela.

Endlich war es so weit und das Boarding hatte begonnen. Eine der Stewardessen besah sich ihr Ticket und deutete auf ihren Platz, in der Mitte des Flugzeugs. Sie saß direkt am Fenster. Super, so hatte sie es auch gebucht. Nachdem sie ihre Handtasche in der Gepäckablage verstaut hatte und sie sich gesetzt hatte, nahm ein hagerer, älterer Mann neben ihr Platz. Kate war nicht schüchtern, so stellte sie sich gleich vor.

»Mein Name ist Kate Granger, nett Sie kennenzulernen. Wir werden hier wohl die nächsten Stunden nebeneinander verbringen?«

Die Miene des Mannes entspannte sich augenblicklich.

»Ja, das werden wir. Mein Name ist Philip Romm. Ich fliege zusammen mit meiner Frau Marta, die auch jeden Moment kommen wird. Sie hat ihren Platz gleich neben mir.«

Kate sah auf den leeren Stuhl, rechts von Herrn Romm und nickte. Sie war froh, so einen netten Flugnachbarn zu haben. Dann beobachtete sie ihn dabei, wie er nach seiner Frau Ausschau hielt. Sie schätzte den Mann auf Ende vierzig. Seine Haare waren an den Schläfen schon etwas grau und er hatte freundliche Lachfalten. Kate wunderte sich über seine gebräunte Hautfarbe. Bei dem tristen Wetter in England hätte er niemals so braun werden können. Sicher bereiste er mit seiner Frau mehrmals im Jahr die Welt, denn es war eindeutig keine Solarium Bräune. Mittlerweile kam auch Mrs. Romm hinzu.

»Hallo Marta, schau, wer den Flug über bei uns sitzen wird. Darf ich dir Kate Granger vorstellen?«

Kate streckte ihr zur Begrüßung die Hand entgegen.

Mrs. Romm war etwas jünger als ihr Mann. Sie war sehr hübsch und genauso schlank wie er. Ihre langen, gelockten dunkelbraunen Haare fielen ihr über die Schulter, als sie Kate die Hand gab.

»Das freut mich, Kate. Darf ich Sie Kate nennen? Nachnamen kann ich mir partout nicht merken. Natürlich können Sie zu mir einfach Marta sagen. Das passt zu solch einem Trip nach Venezuela doch auch viel besser, finden Sie nicht?«

»Da haben Sie bestimmt recht«, antwortete ihr Kate und beobachtete Marta dabei, wie sie sich noch rasch ihre kleine Stupsnase puderte. Kate fielen ihre mandelförmigen, bernsteinfarbenen Augen auf, an denen sie unendlich lange Wimpern hatte.

»Nun Kate«, sagte Philip, »ich denke, wir werden in Kürze starten. Wir sollten uns anschnallen. Das Zeichen dafür wird sowieso gleich aufleuchten. Die Sicherheitsvorkehrungen, die jetzt erläutert werden, kennen wir schon in- und auswendig. Das ist dieses Jahr schon unser vierter Flug.«

Kate grinste übers ganze Gesicht.

Sie hatte Menschenkenntnis, das war ihr bewusst, doch es freute sie immer wieder, wenn sie es so schnell bestätigt bekam.

Merkwürdigerweise kam sich Kate wie die Tochter der beiden vor. Das lag daran, dass sie selbst erst dreiundzwanzig Jahre alt war und sie keine Ahnung hatte, was nun alles auf sie zukommen könnte, denn schließlich war das ihre erste große Urlaubsreise. Es war genau, wie Philip vorhergesagt hatte. Kurz nachdem die Sicherheitsvorkehrungen bekannt gegeben wurden, hob die Maschine laut donnernd ab. Jetzt waren sie auf dem Weg nach Madrid und weiter nach Porlamar.

Der Flug verging schnell, weil man sich viel zu erzählen hatte.

Kate fand es sehr interessant wo Marta und Philip schon überall waren. Sie zählten den Traumstrand von Kuba; Varadero auf und die Stadt Johannesburg in Südafrika, doch besonders viel bereisten sie Europa.

»Du glaubst nicht, wie schön Malta ist, Kate«, schwärmte ihr Marta vor.

Philip hingegen war von Florenz ganz hingerissen.

»Aber auch Rom und Pisa sind äußerst sehenswert«, sagte er. »Und wenn dir mal so richtig zum Feiern ist, kann ich dir das weltbekannte Oktoberfest in Deutschland empfehlen, Kate.« Er zwinkerte ihr schalkhaft zu.

Kate hingegen hatte nicht viel zu erzählen, sodass sie einfach den außergewöhnlichen Geschichten ihrer Sitznachbarn zuhörte.

Nachdem sie Madrid hinter sich gelassen hatten, wurde es im Flugzeug ziemlich ruhig. Kate konnte nicht glauben, dass manche Passagiere am helllichten Tag und unter so vielen fremden Menschen, schlafen konnten.

»Ja, Kate. Das sollten Sie auch versuchen«, riet ihr Philip. »Denn wenn wir ankommen, haben wir eine kurze Nacht vor uns und einen langen Tag, mit vielen neuen Eindrücken. Da wäre es besser, wenn Sie für ein paar Stunden ihre Augen schließen. Keine Angst wir bleiben hier sitzen und passen auf Sie auf.«

Philip zwinkerte ihr erneut scherzhaft zu.

»Möchten Sie einen Wein dazu oder lieber einen Tomatensaft? Der wird im Flugzeug immer gerne getrunken.«

Kate wachte auf.

Sie hatte es tatsächlich geschafft kurz die Augen zu schließen und musste eingeschlafen sein. Ein Steward stand gerade bei ihnen, um das Essen zu servieren.

»Ah, die junge Dame ist rechtzeitig wach geworden. Darf ich Ihnen unseren Schellfisch mit Pellkartoffeln auf Junggemüse servieren oder möchten Sie lieber Lammkotelett mit-«

»Oh, nein. Das hat sich gerade wirklich gut angehört. Ich nehme den Fisch«, murmelte Kate, wobei sie sich noch etwas schläfrig ihre dunkelblonden, schulterlangen Haare aus dem Gesicht strich.

Kate war kein Fleischesser. Sie war aber auch keine richtige Vegetarierin, weil sie gerne Fisch aß.

Nachdem Kate ihren Weißwein gereicht bekommen hatte, wandte sie sich Marta und Philip zu.

»Auf einen tollen Urlaub«, trällerte Marta und prostete ihr zu.

»Dann lass es dir gut schmecken«, sagte Philip. Er stach schwungvoll mit seiner Gabel in sein Lammkotelett.

Auf dem Flug gab es nichts Besonderes.

Kate sah sich nach dem Essen die vielen Menschen in ihrer Umgebung genauer an.

Sie bemerkte, dass überhaupt keine Kinder im Flugzeug saßen. Es gab nur Erwachsene die zwischen zwanzig und fünfzig Jahre alt waren. Sicher lag es an ihrem Urlaubsziel. Für kleine Kinder wäre der Flug doch ziemlich lange gewesen und vor Ort wäre es für ältere Menschen mit der Hitze und der hohen Luftfeuchte sicher unerträglich.

Zwischenzeitlich wurde es dunkel, sodass die Lichter in der Kabine angemacht wurden. Eine Stewardess brachte ihnen jetzt ihr Abendessen.

»In welchem Hotel und an welchem Strand werden Sie denn die nächsten Tage verbringen, Kate?«, wollte Marta wissen, als sie ihr Lachssteak entgegennahm.

»Oh, ähm. Den Hotelnamen habe ich gerade nicht im Kopf, aber der Strand nennt sich Playa el aqua. Ich müsste im Prospekt nachsehen, aber den habe ich in meiner Handtasche.«

Als die Stewardess weiterging, stand Marta auf, nahm Kates Handtasche aus dem Gepäckfach und reichte sie ihr.

»Danke«, sagte Kate, nahm die Tasche entgegen und kramte kurz in ihr herum. »Ah, da ist es ja.« Sie zog einen zerknitterten Flyer hervor und reichte ihn Philip. »Das Hotel nennt sich Golden Paradise. Es liegt direkt am Strand. Ich habe es gewählt, weil es recht klein und nicht so überlaufen ist. Außerdem gibt es dort keinen Kleiderzwang, wenn man Essen geht.«

Philip nahm sich den Prospekt und nickte.

»Das sieht wirklich sehr hübsch aus. Und gleich zwei Pools, wo doch das Meer so nahe liegt. Aber es wird genug Menschen geben, die den Pool vorziehen, bei allem, was man so von den Tieren hört, die im Wasser herumschwimmen. Marta und ich bevorzugen immer schon die Pools, wenn es in solche Länder geht, in denen sich Haie zu Hause fühlen.«

Daran hatte Kate noch gar nicht gedacht. Eigentlich ging sie sehr gerne im Meer schwimmen. Nachdem sie nun aber das von Philip erfahren hatte, war sie froh, dass es Alternativen gab.

Philip gab ihr den Flyer zurück.

»Wir sind gar nicht so weit von dir entfernt«, erklärte er ihr. »Punta Cazonera, das liegt etwas weiter nördlich, im Playa Hotel Portofino. Vielleicht sehen wir uns auf der Insel ja mal? Immerhin ist sie nicht besonders groß, das könnte durchaus sein. Wir jedenfalls würden uns freuen.«

Das Flugzeug landete noch vor der eigentlichen Ankunftszeit in Porlamar, auf Isla de Margarita.

Kate war froh, dass sich die beiden im Ausland so gut auskannten. Nachdem sie ihre Maschine verlassen hatten, folgte sie Marta und Philip zum Kofferband.

Es dauerte nicht lange, bis sie ihr Gepäck beisammen hatten und gingen nun durch den Zoll, der sie gar nicht beachtete.

Außerhalb des Flughafens warteten mehrere Busse.

»Wir fahren zusammen«, freute sich Marta und deutete auf einen jungen Mann, der ein großes Schild hochhielt, auf dem Playa el Agua, Punta Cazonera und noch drei andere Strände standen.

Kate stieg mit Marta und Philip in einen gut klimatisierten Bus, wobei sie traurig feststellen musste, dass die Reiseagentur in England recht hatte und es in Venezuela bereits dunkel war.

Auf der Fahrt kamen sie an vielen Hotels vorbei. Fast bei jedem hielt der Bus, um ein paar Touristen aussteigen zu lassen. Es dauerte dann immer einen kurzen Moment, bis alle ihr Gepäck hatten und der Bus wieder weiterfahren konnte.

Das Fahrzeug war nun schon fast leer, nur noch ein Dutzend Urlauber saß ungeduldig und übermüdet darin.

Dann kam endlich der Aufruf.

»Hotel Golden Paradise. Bitte machen Sie sich für den Ausstieg bereit! Ihr Gepäck erhalten Sie auf der rechten Seite des Busses.«

Kate verabschiedete sich noch rasch von Marta und Philip.

Beim Aussteigen bemerkte sie, dass sie nicht die Einzige war, die das Fahrzeug verließ.

Neben dem Bus auf ihr Gepäck wartend, stand Kate hinter einem jungen Mann, der nur zwei- drei Jahre älter war, als sie. Auch er schien alleine nach Venezuela gekommen zu sein.

Als sie alle ihre Koffer hatten, machten sie sich auf den Weg zum Hotel, genau gegenüber der Straße.

Ein großes Tor stand offen, durch das sie leise plappernd hindurchgingen.

Gleich hinter dem Tor wuchs rechts und links des Weges eine üppige Vegetation. Kate folgte der Menge zu einem kleinen Innenhof, in dem es einen hell erleuchteten Pool mit Poolbar gab. Sie blieben stehen und stellten ihr Gepäck ab.

Kate sah sich forschend um.

Rechts von ihr befand sich ein Gebäude mit zahlreichen Stühlen und Tischen, die unter einem einfachen Palmdach standen.

»Hier werden wir wohl die kommenden Tage unser Essen serviert bekommen«, sagte der junge Mann, der neben Kate am Bus auf sein Gepäck gewartet hatte. »Das sieht aus, wie das Hotelrestaurant in meinem Reiseprospekt. Mein Name ist Will Easton.« Er reichte ihr seine Hand.

»Kate Granger. Freut mich, dich kennenzulernen, Will.«

Sie schüttelte ihm die Hand und sah sich dann suchend um.

Alle standen an dem runden Pool und warteten auf einen Pagen oder irgendeinen Hotelangestellten.

Doch hier war keiner.

Kate wandte sich wieder Will zu.

»Ist es nicht ungewöhnlich, dass kein Hotelpersonal hier ist?«

Auch die anderen Gäste schienen über das Verhalten des Personals leicht verdutzt. Manche munkelten, dass die Ankunft der Hotelgäste einfach vergessen wurde. Da keiner in der Dunkelheit wusste, wohin er gehen sollte und sich rund um den beleuchteten Pool Liegen befanden, kamen alle zu dem Entschluss, sich mit dem Gepäck erst einmal hier niederzulassen. Ein junges Paar hatte sich zwischenzeitlich in der Poolbar umgesehen und gestikulierte nun die übrigen Gäste zu sich.

»Die scheinen etwas gefunden zu haben«, mutmaßte Will.

Mit einem kurzen Zwinkern gab er Kate zu verstehen, dass sie sich ebenfalls zu der Bar begeben sollten.

»Vielleicht liegen unsere Zimmerschlüssel dort?«, meinte Kate, als sie sich zu den anderen gesellten.

Doch da irrte sich Kate.

Mittig der Bar stand eine große Kühltruhe mit Getränken, die auf Eis gelegt wurden. Alle freuten sich und langten eifrig zu.

Kate sah sich noch einmal kurz um.

Der Pool endete direkt an der Palmdachhütte. Hier konnten die Hotelgäste tagsüber im Wasser sitzend ihre Getränke entgegennehmen. Ansonsten standen rund um die Hütte Barhocker, für die Gäste, die lieber außerhalb des Pools etwas trinken wollten.

Kate sah auf ihre Armbanduhr.

Inzwischen war es kurz vor Mitternacht. Die Busfahrt hatte länger in Anspruch genommen, als sie gedacht hatte.

»Meinst du, wir können uns hier einfach selbst bedienen?«, fragte sie Will, weil sie das Gefühl hatte, sie würden das Hotel bestehlen.

»Nun, ich habe keine Ahnung was du gebucht hast, aber ich habe All inklusiv. Deshalb denke ich nicht, dass sich jemand beschweren könnte, wenn wir uns was von den Getränken nehmen. Vor allem, bei so einem Empfang.«

Auch Kate hatte vorsichtshalber All inklusiv gebucht.

»Du hast recht«, sagte sie und nahm von Will eine kleine kühle Flasche entgegen, auf der ein Eisbär abgebildet war.

»Polarbier«, las Will von seiner Flasche ab. »Klingt gut.« Dann nahm er einen großen Schluck, was die kleine Flasche fast leerte. »Wunderbar erfrischend«, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

PLAYA EL AGUA

Kate war sich nicht mehr sicher, ob es schon nach ein Uhr war, aber es kam tatsächlich noch ein Hotelangestellter, der die Gäste freundlich empfing.

Nachdem sie die letzten Flaschen der Kühltruhe geleert und ihre Zimmerschlüssel zugeteilt bekommen hatten, machten sie sich auf den Weg zu ihren Zimmern.

Die Hotelanlage wurde mit vielen Grünflächen angelegt. So gingen sie vom Pool einen rasen gesäumten Weg entlang, wobei Kate, auf der linken Seite, ein paar Geschäfte bemerkte, die sie in der Dunkelheit kaum erkennen konnte. Doch eins erkannte sie auch bei dem schwachen Licht, weil die Aufschrift auf den Scheiben in weißen Buchstaben zu leuchten schien. Hier konnten sich die Touristen tagsüber hinwenden, wenn sie mit dem Auto einen Ausflug auf der Insel unternehmen wollten.

Sie gingen den Weg geradeaus weiter und kamen zu einem zweiten Pool, der etwas größer war.

Rechts von ihm reihten sich mehrere Gebäude, wie kleine Reihenhäuser aneinander. Sie hatten offene Treppenaufgänge, die zu den einzelnen Stockwerken führten.

Es gab Hotelzimmer im Erdgeschoss, im ersten Stock und ganz oben im zweiten Stock. Höher hinauf ging es nicht, was auch der Grund dafür war, dass es keinen Fahrstuhl gab.

Es stellte sich heraus, dass Kate und Will den gleichen Treppenaufgang hatten und beide ihr Zimmer im Obergeschoss hatten.

Am nächsten Morgen erwachte Kate sehr früh. Es war erst halb sieben, doch vor lauter Neugierde, wie es draußen wohl aussehen würde, ging sie schnell in das kleine Duschbad, machte sich frisch und konnte es kaum erwarten ihr Hotelzimmer zu verlassen.

Im Treppenhaus schaute sie sich zuerst vom oberen Stockwerk aus das ganze Hotelgelände an.

Direkt vor sich konnte sie den größeren Pool sehen. Dort befand sich auch eine kleine Küche und rund um den Pool standen mehrere runde Tische mit Stühlen. Ihr Blick schweifte in die Ferne. Hinter der Hotelanlage konnte sie eine weitläufige, grüne hügelige Landschaft sehen. Ihre Augen suchten das Meer und fanden es auf der gegenüberliegenden Seite, beim Eingang der Hotelanlage. Dort standen zahlreiche Palmen, die sachte im Wind wogen und dahinter konnte sie das Meer azurblau glitzern sehen. Herrlich, das wird ein toller Urlaub, dachte sich Kate und stieg die Treppe hinunter.

Sie folgte dem schmalen Weg der Rasen gesäumt war, bis sie wieder zu dem kleineren Pool kam. Jetzt konnte sie Stimmen hören, die von dem Restaurant zu ihr herüberwehten.

Überrascht stellte sie fest, dass schon zahlreiche Gäste wach waren und beim Frühstück saßen.

»Ah, guten Morgen Kate«, rief Will ihr winkend zu. Er saß mit einem weiteren Hotelgast an einem Tisch, den Kate nicht kannte. Will hatte vor sich schon seinen Kaffee stehen und in seiner Hand hielt er ein mit Wurst belegtes Weißbrot. »Hast du gut geschlafen und den Weg gleich hierher gefunden?«

»Ja«, antwortete sie ihm strahlend.

Will deutete auf den Mann neben sich.

»Darf ich dir Tom vorstellen? Er kam gestern mit uns an und kommt auch aus England.«

»Dann warst du wohl gestern Abend auch noch an dieser Kühltruhe, oder? Hallo Tom, ich bin Kate Granger.« Als sie ihm die Hand schüttelte, huschte ein breites Grinsen über sein Gesicht. Durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille konnte sie seine Augen nicht sehen, doch schien auch er kontaktfreudig zu sein. Seine Figur war sportlich, er hatte kurze braune Haare und einen Dreitagebart. Kate schätzte ihn auf Anfang dreißig.

»Freut mich, Kate«, sagte er. »Ja an der Kühltasche war ich auch noch. Was hätte man bei dem Empfang anderes machen sollen?«

»Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich mir am Buffet kurz etwas holen und bei euch am Tisch Platznehmen?«

»Klar«, sagte Tom begeistert. »Die gegrillten Bananen solltest du nicht übersehen. Die schmecken ausgezeichnet.« Er deutete auf seinen Teller, auf dem er noch ein letztes Stück davon liegen hatte.

Nach wenigen Minuten kam Kate mit einem Tablett in ihren Händen zu ihnen zurück.

Sie hatte sich eine Tasse Kaffee geholt, dazu Weißbrot mit einer Mangomarmelade und, wie Tom es ihr geraten hatte, zwei halbierte Bananen, frisch vom Grill.

»Wir haben uns gerade darüber unterhalten«, erklärte ihr Will schmatzend, »dass wir uns heute erst mal diesen Ort hier ansehen wollen. Hast du Lust mitzukommen?«

»Ja, warum nicht?«, antwortete ihm Kate. »Zu dritt macht das bestimmt mehr Spaß, als wenn ich alleine durch die Straßen ziehen würde.«

»Toll«, freute sich Tom. »Das wird bestimmt ein großartiger Urlaub.«

Kate sah sich ein wenig auf der Frühstücksterrasse um.

Es waren schon viele Gäste hier.

Die Meisten von ihnen konnte sie sogar verstehen, weil sie englisch sprachen.

»Sagt mal«, murmelte Kate nachdenklich. »Sollte nicht jemand als Ansprechpartner für die Hotelgäste hier sein? Ich meine, einen für jeden Landestyp, der die jeweilige Sprache spricht.« Auch Will und Tom waren dieser Ansicht.

»Du hast recht«, antwortete ihr Will. »Komisch, dass noch keiner auf uns zugekommen ist?«

Auch Tom stimmte ihnen zu.

»Ihr habt recht. Wir müssten uns doch hier an jemanden wenden können, der uns versteht?« Suchend blickte er sich um. »Seht doch«, er deutete zu dem kleinen Pool, an dem sie am gestrigen Abend noch etwas getrunken hatten. »Da stehen so viele Menschen zusammen. Das sieht ganz danach aus, als würden sie auf etwas warten.«

»Lasst uns doch mal nachsehen«, schlug Kate vor, die inzwischen mit ihrem Frühstück fertig war.

Tom und Will waren einverstanden.

Als sie kurz darauf bei den anderen Hotelgästen standen, konnten sie unter einer Palme, eine stämmige Frau stehen sehen. Sie hatte feuerrote Lippen, lange, brünette Haare und stand auf hohen Pumps. Unter ihrem Arm hielt sie ein schwarzes Klemmbrett.

Kate konnte sehen, wie sie sich mit einigen Gästen, die unmittelbar bei ihr standen, leise unterhielt.

»Das wird sie dann wohl sein«, nahm Tom an.

Jetzt räusperte sich die Frau kurz und wandte sich den ganzen Hotelgästen zu, die um sie herumstanden.

»Guten Morgen«, sagte sie laut. »Mein Name ist Bella. Ich bin vor Ort Ihre Ansprechpartnerin für alles, was Sie wissen möchten, oder hier benötigen. Gleich neben dem Hotelrestaurant habe ich ein kleines Büro, in dem Sie mich aufsuchen können.« Sie deutete nach links auf das Gebäude, das Kate gestern Nacht schon aufgefallen war. »Sollte ich jedoch unterwegs sein, um etwas für Sie zu besorgen, können Sie mir gerne eine Notiz hinterlassen, sodass ich Sie kontaktieren kann, sowie ich wieder zurück bin.« Bella schaute sie alle der Reihe nach an, dann nahm sie sich ihr Klemmbrett, von dem sie nun einzelne Namen vorlas, um sicherzugehen, dass ausnahmslos alle Neuankömmlinge anwesend waren. Nachdem sie ihre ganzen Namen aufgerufen hatte, meinte sie: »Sollten Sie sich ein Auto mieten wollen, um die Gegend zu erkunden, können Sie das über mein Büro machen. Es ist wichtig, dass wir vorher den Weg absprechen. Ich muss Sie auch über die Verkehrsregeln und die landesüblichen Gesetze aufklären. Zum Beispiel gilt in Venezuela morgens ein striktes Alkoholverbot. Erst ab elf Uhr darf Alkohol ausgeschenkt werden. Deshalb möchte ich Sie bitten, das Personal nicht vorher danach zu fragen. Leider wurde schon des Öfteren eine Kündigung ausgesprochen, nur weil das Personal um fünf vor elf einem Gast einen Gefallen tun wollte. Also haben Sie dafür bitte Verständnis.« Bella räusperte sich kurz und sprach dann in einem sachlichen Ton weiter. »Unsere Gäste haben alle All inklusiv gebucht und können bis auf Cocktails alle Getränke sowie das angebotene Essen zu den jeweiligen Zeiten, die Sie an den Schildern der Restaurants und Poolbars sehen, entgegennehmen. Die Küchen werden allerdings abends um zehn Uhr geschlossen, sodass es dann nur noch Getränke gibt. Sollten Sie außerhalb der Hotelanlage etwas essen, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass viele der einheimischen Gerichte nicht für den europäischen Magen verträglich sind. So wird auf dieser Hotelanlage, wie auch in vielen anderen mit europäischen Gästen, das Gemüse drei Tage lang in Salzwasser eingelegt bevor es für Sie zubereitet werden kann. Deshalb bitte ich Sie, die Gerichte der öffentlichen Restaurants in Venezuela mit Vorsicht zu genießen.«

Bella blickte in die Runde, wobei sie mit einem Kopfnicken verdeutlichte, dass sie durchaus nichts Irrsinniges gesagt hatte.

»Ich wünsche Ihnen allen einen schönen und erholsamen Aufenthalt auf Isla de Margarita. Sollten Sie noch Fragen haben, bin ich gerne bereit Ihnen diese zu beantworten. Sie finden mich gleich hier links im Restaurant, bei einer Tasse unseren leckeren Kaffees.«

Alle, die an Tischen um den Pool herumsaßen und zugehört hatten, klopften auf diese, die anderen, die wie Kate, Will und Tom standen, klatschten in ihre Hände, um sich für die aufschlussreichen Worte zu bedanken.

»Kommt wir gehen erst mal vor das Hotel«, meinte Will. »Mal sehen, wie es draußen aussieht.«

Er ging allen voran, den schmalen Weg durch dichtes Grün, bis er hinter dem Tor, wartend auf Kate und Tom stehen blieb.

Als Kate ihm folgte, bemerkte sie, dass sie gestern Nacht gar nicht mitbekommen hatte, wie farbenfroh hier alles war.

Sie standen jetzt vor einer schmalen Straße, die kaum befahren wurde. Im Hintergrund wuchsen zahlreiche Palmen, die durch den leichten Wind leise raschelten. Kate wusste, dass dahinter das Meer war, weil sie es vorhin von ihrem Treppenaufgang aus gesehen hatte. Ihr Blick schweifte nach rechts. Dort ging es in den Ort hinein. Auf ihrer linken Seite stand lediglich ein alter Bauwagen. Ansonsten konnte sie dort nur Steppe sehen.

»Komisch. Gestern habe ich im Flugzeug Philip und Marta kennengelernt, die mir gesagt haben, dass sie da hinten, nur ein kleines Stück weiter, in einem Hotel wohnen. Aber da ist doch gar nichts mehr?«

Tom schüttelte den Kopf.

»Doch. Gleich hinter diesem Hügel ist noch eine Ortschaft. Da werden sie sicher wohnen. Soviel ich weiß, nennt sich der Strand dort Playa el humo.«

Beschämt merkte Kate, dass sie sich für ihren Urlaub gar nicht vorbereitet hatte. Sie wusste so gut wie nichts über diese Insel.

Sie kannte weder den Namen der Strände, noch der Ortschaften.

»He«, rief Will plötzlich. »Pass doch auf!« Ein Autofahrer hätte ihn beinahe angefahren. »Bist du blind oder was?«, brüllte er dem Fahrzeug hinterher. Kopfschüttelnd sah er sich zu Tom um. »Der hat doch wirklich genug Platz auf der Straße.«

»Vergiss es«, riet ihm Tom. »Der hat bestimmt den Strand gesucht, statt auf den Verkehr zu achten.«

Sie liefen jetzt zwischen den Palmen hindurch und befanden sich an einem weitläufigen Sandstrand.

Es duftete hier nach frisch geröstetem Kaffee, den man an den Strandbars bestellen konnte. So früh standen die weißen Sonnenliegen noch übereinandergestapelt unter den Palmen.

»He«, freute sich Tom. »Seht euch das an. Hier sollten wir Abends mal essen gehen.«

Kate konnte zwei Insulaner vor einer Gaststätte stehen sehen, die gerade dabei waren einen Grill zu entzünden. Im Hintergrund spielten ein paar Insulaner auf ihren Tamburinen.

Es war traumhaft, hier zu stehen und das Treiben der Menschen zu beobachten.

Das Meer hingegen war aufgewühlt und rauschte laut.

Kate konnte sich nicht vorstellen, dass sich da jemand hinein trauen würde. Doch konnte sie nun ein paar kühne Schwimmer sehen, die trotz des Wellengangs im Wasser waren.

»Sieht nach einer herrlichen Erfrischung aus«, murmelte sie. »Wenn der Seegang ruhiger wäre, würde ich da jetzt auch hineingehen.« Doch gleich darauf fiel ihr wieder ein, was Philip ihr über die Tiere, hier im Meer erzählt hatte. Sie dachte an die vielen Haie und kehrte dem Wasser schnell den Rücken zu.

»Wollen wir die Straße zum Ort entlangschlendern?«, fragte Will. »Oder wollt ihr lieber hier im Sand liegen bleiben und ein Sonnenbad nehmen?«

»Dafür fliege ich doch nicht um den halben Erdball«, erwiderte ihm Kate.

Daraufhin kehrten sie dem Meer den Rücken zu und gingen wieder zurück auf die Straße.

Das Klima war so früh noch angenehm frisch und die Leute schienen bester Laune zu sein.

Sie waren gerade an einer weiteren Bar vorbeigekommen, da hörten sie laut krächzende Geräusche.

»Oh wie hübsch«, rief Kate und deutete mit ihrem Finger auf das Palmdach der Bar. »Seht mal, ein frei lebender Ara.«

Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie viele Tierarten es in Venezuela geben musste.

Sie liefen noch durch den ganzen Ort, gingen in kleine Boutiquen und Geschäfte, die extra für Touristen kleine Andenken anboten.

Um die Mittagszeit wurde es dann so heiß, dass sie beschlossen, in ihr Hotel zurückzugehen.

»Entschuldigung«, feixte Tom, als ihn ein Mann angerempelt hatte. Er blickte dem Kerl hinterher. »Du bist wohl so früh schon besoffen, was?«, murrte er.

Will sah dem Mann ebenfalls nach.

»Die sind anscheinend alle blind hier? Der Kerl sieht nicht, dass wir hier laufen, und der vorhin hat mich beinahe umgefahren. Was ist mit denen denn nur los?«

Kate war erleichtert, als sie wieder in ihrem Hotel waren. Sie wollte sich gerade für den Pool fertigmachen, da nahm sie durch die offenstehende Balkontür ein kurzes, aber heftiges Gespräch wahr, das aus dem Zimmer unter ihr, geräuschvoll herauf klang.

»Das ist Irrsinn!«, schrie eine helle, volltönende Frauenstimme. »Ich glaube dir kein Wort.«

»Aber Daphne! Ich bin mir sicher. Wir müssen vorsichtig sein. Wir müssen das genau wissen. Ich fahre Morgen mit Jack noch einmal hin. Wenn wieder niemand dort ist, dann stimmt da was nicht.«

»Aber Pere.« Die Frau klang jetzt verängstigt. »Du wirst doch nicht schon wieder mit Jack losfahren? Wir wissen nicht, was hier los ist. Es könnte gefährlich werden. Denk daran, was Jack gesagt hat.«

Kate hörte einen tiefen Seufzer.

»Ach Daphne. Weißt du was? Lass uns hinuntergehen und bei einem kalten Bier überlegen, was wir machen sollen.«

Danach hörte Kate nur noch die Zimmertür ins Schloss fallen. Rasch wandte sie sich um und verließ ebenfalls ihr Zimmer.

»Ach Kate«, sagte Tom, als er fünf Minuten später die Geschichte von ihr erzählt bekommen hatte. »Das könnte alles Mögliche bedeuten.«

Er war mit ihr an der Poolbar. Sie saßen im Wasser und tranken ein kaltes Polarbier.

»Aber die Frau hat sich richtig hysterisch angehört.«

Tom zuckte mit den Schultern.

»Vielleicht wollte sich diese Daphne eine Handtasche kaufen und es war in diesem Moment einfach kein Verkäufer da? Du machst dir viel zu viele Gedanken.« Tom hob den Arm und winkte Will zu sich, der gerade aus dem Hotel kam.

»Da seid ihr ja«, sagte Will. Rasch kam er zu ihnen ins Wasser und bestellte sich auch ein Bier.

Als sie so gemütlich beisammen saßen, hörten sie, wie sich ein junges Paar stritt, das an ihnen vorbeilief.

»Ich bin mir aber sicher, dass wir hier richtig sind«, blaffte sie ihn an.

»Aber das andere Hotel ist unseres. Glaub mir doch!«, behauptete der Mann.

Will schüttelte den Kopf, als er das Gespräch gehört hatte. Er wandte den Blick von dem Paar ab, sah zur anderen Seite und bemerkte, dass die Tür von Bellas Büro offen stand.

»Was meint ihr?«, fragte er seine Freunde. »Wollen wir uns Morgen einen Wagen leihen und die Insel unsicher machen?«

»Klasse Idee«, meinte Tom.

Auch Kate war begeistert.

So sprangen sie fix aus dem Pool, schnappten sich ihre Badehandtücher und gingen hinüber zu Bella, die gerade in ihrem Büro saß und eine Tasse Kaffee trank.

Der Berg

»Sie möchten Morgen früh ein Auto haben, um die Insel zu erkunden?«, wiederholte Bella Wills Worte. »Natürlich geht das. Ich kann Ihnen einen kleinen Geländewagen empfehlen, bei dem das Dach heruntergeklappt werden kann. So einen kleinen Suzuki, der wäre perfekt für Sie.« Bella zeigte ihnen ein Foto von einem bordeauxroten Suzuki Vitara. »Hierzu möchte ich Ihnen aber einiges über unsere Straßenverhältnisse erzählen. Bei Einbahnstraßen müssen Sie aufpassen und einige Ortschaften sollten Sie nach fünf Uhr abends meiden. Sehen Sie auch zu, dass Sie wieder zurück sind, wenn es dunkel wird. Das ist zurzeit bei uns gegen acht Uhr. Lassen Sie Kate nicht alleine über Märkte flanieren und essen Sie kein Eis aus einer einfachen, fahrbaren Truhe am Straßenrand.«

So ging es noch um Allerlei weiter.

Nach fast zwei Stunden kamen Kate, Will und Tom aus dem Büro von Madame Bella. Sie hatten vereinbart, dass der Suzuki Morgen früh um acht Uhr hier vor dem Büro stehen sollte. Sie durften ihn so lange fahren, wie sie ihn brauchen würden. Auch die notwendigen Unterlagen hatten sie bereits von Bella erhalten. Sie verabredeten sich zum Abendessen im Hotel und machten sich auf, um sich zuvor noch in ihren Zimmern zu duschen und umzuziehen. Kate zog sich eine kurze Hose an mit einem weißen T-Shirt, dazu eine hübsche Halskette mit einem glänzenden Rosenquarz und schlüpfte in ihre Sandalen.

In dieser Hotelanlage war es nicht üblich, mit einem feinen Zwirn zum Essen zu gehen.

Will saß schon an einem der Tische und wartete auf die beiden.

»Hallo Will, ist Tom noch nicht da, oder ist er schon am Buffet unterwegs?«, fragte Kate, als sie sich zu ihm setzte.

»Nein, er war noch nicht hier. Aber er wird sicher lange brauchen, um seinen Dreitagebart zu frisieren«, witzelte Will. Er wollte Kate gerade ein Kompliment machen, wie hübsch sie aussah, doch sie schaute gerade naserümpfend zu einem anderen Tisch. »Was ist?«, fragte er und sah ebenfalls zu dem Tisch, an dem ein älteres Ehepaar saß.

»Das müssen sie sein. Hör doch mal! Hat der diese Frau nicht gerade Daphne genannt?«

Will runzelte die Stirn.

Er wusste nicht, von wem, Kate sprach.

»Oh, das hattest du ja gar nicht mitbekommen. Ich habe Tom davon erzählt, als wir vorhin im Pool etwas getrunken haben.«

So erzählte sie auch Will, von dem durch Zufall belauschten Gespräch. Sie war froh, dass Will diese Unterhaltung ebenfalls merkwürdig fand, daher bummelten sie gemächlich an dem Tisch von Daphne und Pere vorbei, nach vorne zum Buffet.

»Die machen einen ganz normalen Eindruck«, murmelte Will, wobei er sich von dem Bratfleisch auf seinen Teller lud.

»Ja, jetzt. Das klang heute Mittag aber anders«, nuschelte Kate und entschied sich für gegrillten Fisch mit Reis und Gemüse.

»Da kommt Tom«, erkannte Will.

Tom lief gleich auf sie zu.

»Hm«, machte er. »Sieht lecker aus. Ich glaube, ich nehme was von den Muscheln. Die habe ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gegessen.«

An ihrem Tisch zurückgekommen, stellte Will sein Menü ab und meinte: »Wenn ihr wollt, hole ich uns noch kurz die Getränke?«

»Gut«, antwortete ihm Tom. »Für mich ein Polarbier.«

Will nickte und sah zu Kate.

»Vielleicht haben die hier einen Weißwein?«, sagte sie.

»Ich werde sehen, was sich machen lässt«, antwortete ihr Will, wandte sich um und ging auf einen Barkeeper zu, der hinter einer Theke in der Nähe des Buffets stand.

Als er mit den gewünschten Getränken zurückkam, unterhielten sie sich darüber, wohin sie morgen fahren wollten.

Bella hatte ihnen eine Karte von der Insel mitgegeben, doch weil sie keine Ahnung hatten, was besonders sehenswert war, konnten sie sich nicht so recht entscheiden.

»Lasst uns doch einfach die ganze Insel abfahren«, schlug ihnen Kate vor.

»Warum nicht?«, stimmte ihr Will zu. »Wenn wir das, Morgen nicht schaffen, dann behalten wir das Auto eben ein oder zwei Tage länger. Echt mal, der Preis ist gut und das Benzin soll hier in Venezuela verdammt günstig sein.«

Kate und Tom waren einverstanden.

Weil es schon wieder dunkel wurde, zündeten sie die Kerze auf ihrem Tisch an und machten es sich gemütlich.

Plötzlich starrte Tom geistesabwesend einem Mann nach, der sich an den Tisch setzte, an dem diese Daphne mit ihrem Mann saß.

Kate warf ebenfalls einen Blick auf diesen Mann.

Er hatte schwarze Haare, die ihm bis auf seine Schultern fielen. Er trug ein schwarzes T-Shirt, dunkelbraune Lederstiefel und eine enge hellblaue Jeans.

»Kennst du den Mann?«, hauchte Kate.

Tom sah sie mit ernster Miene an.

»Ich glaube, ich habe den Mann schon mal in einer Zeitung gesehen, aber in Verbindung mit irgendeinem Verbrechen. Mir fällt nur nicht ein, um was es dabei ging.«

Kate tauschte bedeutungsvolle Blicke mit Will, wobei sie auf ihr Gespräch aufmerksam machte, das sie am Mittag von ihrem Zimmer aus, belauscht hatte.

»Das muss dieser Jack sein, Tom. Weil die anderen beiden Daphne und Pere sind.«

Sie schaute noch einmal zu dem Tisch, an dem die drei Personen saßen.

»Wir fahren Morgen auf jeden Fall wieder dorthin«, konnte sie diesen Jack zischen hören. Auch Tom und Will lauschten dem Gespräch. »Wir sollten früh losfahren, dann müssten wir eher jemanden antreffen. Es kann doch nicht sein, dass dieses Gebäude ständig leer steht. Wir müssen wissen, was da los ist.« Eindringlich sah der Mann in Peres Augen. »Ich hole dich Morgen um halb neun hier ab!«

»Einverstanden«, brummte Pere.

Daphne hingegen sagte nichts, sondern schaute äußerst griesgrämig drein.

Jack stand jetzt wieder auf und verließ das Hotelgelände.

Nun wurde auch Tom neugierig.

»Wisst ihr was?«, sagte er nachdenklich. »Wir sollten uns das Auto tatsächlich ein paar Tage länger ausleihen. Lasst uns doch Morgen mal sehen, wohin die fahren.«

Am nächsten Tag war Tom gerade dabei das Dach des Suzuki Vitara zu öffnen, damit sie auf der Fahrt das herrliche Wetter genießen konnten, während Will noch im Büro bei Bella war, die ihm erklärte, wie sie aus der Hotelanlage herausfahren konnten. Durch das vordere Tor ging es nicht, weil der Weg zu schmal für ein Auto war.

Zwischen dem Bürogebäude und dem hinteren großen Pool befand sich ein breites Eisentor, das man zur Seite schieben konnte. Nachts wurde es abgeschlossen, doch über Tag konnte man es für Fahrzeuge öffnen, die hier unter anderem frische Wäsche und die Nahrungsmittel anlieferten.

Kate kam gerade zu ihnen.

»Guten Morgen, schön das du da bist«, freute sich Will. »Wir müssen ganz da hinten die Anlage verlassen.«

Sie bedankten sich noch schnell bei Bella und gingen raus zu Tom ans Auto.

»Hallo Kate«, begrüßte Tom sie. Er hatte gerade das Dach geöffnet, stieg nun aus und warf die Beifahrertür zu. »Es wäre vielleicht besser, wenn du vorne auf uns wartest, Kate. Wir wissen nicht, mit welchem Fahrzeug sie fahren.«

»Stimmt«, mischte sich Will ein. »Wir müssen erst um die ganze Anlage herumfahren. Bis wir vorne sind, könnten wir sie verpassen. Aber du könntest sie vorher beobachten.«

»Kein Problem«, sagte Kate schulterzuckend. »Wie spät ist es denn? Wollten die nicht um halb neun losfahren? Das ist doch gleich.«

»Deshalb sollten wir uns beeilen«, meinte Tom. Er setzte sich hinter das Steuer. »Komm schon, Will.«

»Bis gleich«, rief Kate und machte sich auf den Weg zum Haupteingang des Hotels.

An der Straße angekommen, blickte sie sich aufmerksam nach Pere um. Sie wollte es möglichst unauffällig machen, daher tat sie so, als würde sie sich für lila blühende Pflanzen interessieren, die hier an Maß, wuchsen.

Unterdessen fuhren Tom und Will über einen sandigen Weg um die Hotelanlage herum. Zwischen dem heruntergekommenen Bauwagen und ihrem Hotel führte der Weg sie wieder auf die eigentliche Straße.

Als sie sich nach Kate umsahen, konnten sie ein paar Meter vor sich einen großen, mitternachtsblauen Ford Explorer Geländewagen stehen sehen, in den augenblicklich Pere einstieg.

»Wir sollten uns beeilen«, hauchte Will.

»Schnell Kate«, zischte Tom, als er neben ihr anhielt. »Steig ein! Wir dürfen das Fahrzeug von Jack nicht aus den Augen verlieren.«

Es war ein Glück, dass Jack ein so großes Auto hatte. Man konnte es über die voran fahrenden Fahrzeuge leicht im Auge behalten.

Tom fuhr den Vitara wachsam zwei bis drei Autos hinter Jack.

Sie mussten durch ganz El Aqua hindurch. Dann fuhren sie eine Zeitlang durch eine unbewohnte Landschaft.

Kate, die auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, konnte sich die Gegend in Ruhe ansehen.

Überall wuchsen Palmen. In der Mitte der Insel standen sie so nah beisammen, dass es aussah, als hätte man einen dichten grünen Dschungel vor sich.

Tom fuhr den Wagen jetzt in diese Richtung. Nun ging es stetig bergauf.

Kate konnte Bananenstauden an den Palmen hängen sehen.

»He«, rief sie begeistert. »Seht doch mal. Hier können wir Bananen von den Palmen pflücken.«

»Erst wenn wir wissen, was die vorhaben«, antwortete ihr Tom.

So fuhren sie immer weiter dem Ford hinterher, wobei sie an mehreren kleinen Ortschaften vorbeikamen.

Sie waren inzwischen schon eine halbe Stunde unterwegs und befanden sich ziemlich weit oben, in der Mitte der Insel. Hier war es ziemlich neblig.

»Was suchen die nur hier?«, wunderte sich Will. »Man kann ja kaum mehr etwas sehen. Das ist ja die reinste Waschküche.«

»Er fährt langsamer«, bemerkte Tom. Er hielt vorsichtshalber hinter dichten Büschen an und beobachtete, was Jack vorhatte.

»Es ist besser, wenn wir zu Fuß weitergehen«, riet ihnen Will. »Sieht so aus, als würden sie einen geeigneten Stellplatz für ihren Geländewagen suchen.«

Weil die Luftfeuchte so verdammt hoch war, beschlossen sie, noch kurz das Dach an ihrem Fahrzeug zu schließen. Danach eilten sie dem Auto der beiden Männer hinterher.

»Pst«, machte Tom und deutete seitlich auf eine alte, verwitterte Steinmauer. »Kommt hierüber.«

Sie versteckten sich hinter der Mauer und beobachteten, wie Jack sein Auto zwischen dichtem Buschwerk parkte.

Kurz darauf stiegen sie aus.

»Wir können ihnen jetzt doch nicht einfach folgen?«, murmelte Kate. »Die würden uns doch sofort bemerken.«

Tom sah sich rasch um.

»Dann lasst uns dort entlang gehen«, schlug er vor. »Durch das Gestrüpp fallen wir weniger auf.«

So unauffällig und so leise, wie möglich, huschten sie Jack und Pere hinterher.

»Seht mal«, hauchte Will. »Dort oben steht ein Sendemast.« Tom nickte und deutete durch das Gestrüpp nach rechts auf einen hohen Drahtzaun.

»Sieht aus, als wäre das irgendwas militärisches, meinst du nicht auch?«

»Da bin ich mir nicht so sicher«, hauchte Will. »Dann hätten sie hier ein Schild, das darauf hinweisen würde. In den meisten Fällen darf man so einer Einrichtung gar nicht so nahe kommen. Wir könnten ja fast über den Zaun klettern. Außerdem sehe ich nirgendwo Kameras. Und glaub mir, die würden bei militärischen Einrichtungen überall hängen.«

Kate hörte es zuerst und blieb lauschend stehen.

Will und Tom duckten sich rasch und zogen Kate mit sich unter die nebenstehenden dichten Palmen.

Ein großer silberfarbener Hubschrauber kam über den Hügel auf sie zugeflogen. Durch den Nebel konnten sie kaum etwas sehen, doch hörten sie, wie der Hubschrauber irgendwo hinter dem hohen Drahtzaun landete und die Rotorblätter langsam zur Ruhe kamen.

»Jetzt wissen wir, was hier ist«, sagte Tom. »Es ist ein Hubschrauberlandeplatz.«

»Ich verstehe nur nicht«, grübelte Kate, »was Jack und Pere hier suchen?«

Wills Blick schweifte über das Gelände.

»Sie sind weg. Wo sind sie hin?«

Auch Tom suchte mit seinen Augen die Gegend nach ihnen ab.

»Die werden sich auch versteckt haben. Ah«, machte er, wobei er vor sich deutete. »Ich kann sie sehen. Sie kommen gerade dort vorne aus dem Gebüsch.«

»Dann kommt«, murmelte Will. »Sonst verlieren wir sie noch aus den Augen.«

Durch die kurvige Straße, die vielen Büsche und den dichten Nebel konnten sie unbemerkt hinter ihnen herlaufen.

Fünf Minuten später kamen Jack und Pere an eine breite Zufahrt, die zu einem kleinen Gebäude führte.

Es war ein ebenerdiges Haus.

Der Eingangsbereich war imposant. Große Marmorsäulen trugen eine beachtliche Überdachung und das breite Portal bestand aus dicken Glastüren. Links und rechts über der Tür hingen mehrere Überwachungskameras.

»Hier hast du deine Kameras«, hauchte Kate. »Was ist, wenn wir darauf erkannt werden?«

»Ich glaube kaum, dass wir Schwierigkeiten bekommen würden«, entgegnete ihr Tom. »Immerhin sind hier keine Verbotsschilder, die darauf hinweisen, dass wir hier nicht sein dürften.«

Kate hielt ihn kurz am Arm fest und zog ihn ein Stück zurück.

»Sieh mal. Dort hängt ein Schild mit einem Totenkopf darauf. Ich denke, das ist schlimmer, als ein einfaches Verbotsschild.«

Auch Will und Tom wirkten nun nervös.

Jack und Pere liefen inzwischen auf das flache Gebäude zu.

»Mist«, hauchte Tom. »Die gehen jetzt rein.« Er sah eindringlich zu Will. »Wir müssen hinterher. Sonst bringt das doch alles nichts.«

Will nickte.

»Dann los.«

Sie beeilten sich und huschten durch die offenstehende Glastür in das Gebäude hinein.

In der Eingangshalle stellten sie überrascht fest, dass es sich um ein Krankenhaus handeln musste.

Kate konnte eine Anmeldung sehen, hinter der ein großes Schild mit Wegweisern hing.

Da hieß es OP 1 bis OP 6. Auch standen dort diverse Behandlungszimmer drauf und auf einem zweiten Schild hieß es Professor G. Salazar, Zimmer 306.

Tom starrte verwirrt auf das Schild.

»Wo sollen hier denn so viele Zimmer sein, dass es einen Raum mit der Nummer 306 gibt?«

»Schaut mal«, murmelte Kate. »Da drüben ist ein Fahrstuhl.«

»Komisch«, meinte Will. »Nur um in den Keller zu kommen, bauen die einen Aufzug ein?«

Tom ging darauf zu und drückte auf den Knopf.

»Sicher ist er für die Patienten, die nicht so gut zu Fuß sind.« Die Tür glitt leise zischend auf.

Auf einer Schalttafel, die im Fahrstuhl hing, standen die einzelnen Stockwerke. Zuerst stand da EG, danach 1. UG gefolgt von 2. UG bis hin zu 9. UG. Über dieser Tafel stand ferner der Name dieser Klinik;

Centro Medico Del Valli.

»Das gibt es doch nicht«, hauchte Will, dem das alles gar nicht gefiel. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Seit wann baut man ein Krankenhaus in den Keller? Wer soll da bitte gesund werden?«

»Wir sollten hier verschwinden«, piepste Kate.

Tom blickte sich rasch um.

»Wohin sind Jack und Pere eigentlich gegangen? Die müssen gleich in irgendein Zimmer gelaufen sein, sonst wären wir mit ihnen zusammengetroffen.«

Erst jetzt bemerkten sie, dass es hier keine weitere Tür gab, bis auf die Eingangstür und die des Aufzugs.

»Sie müssen gleich zum Fahrstuhl gelaufen sein«, mutmaßte Kate. »Und in irgendein Untergeschoss gefahren sein. Wir können doch nicht alle Etagen nach ihnen abklappern. Außerdem würde uns dabei sicher jemand sehen und fragen, was wir hier suchen.«

»Stimmt«, brummte Tom. Verärgert sah er sich in dem sauberen Gebäude um. »Aber findet ihr es nicht auch merkwürdig, dass wir bisher nicht gesehen wurden und dass hier niemand an der Anmeldung sitzt?«

Will, der ein genauso ungutes Gefühl bei der Sache hatte, wie Kate, wurde nervös.

»Lasst uns draußen warten bis Jack und Pere wieder rauskommen. Mir ist das hier nicht geheuer.«

»Du hast wohl zu viele Horrorfilme gesehen«, murrte Tom, doch als er Kates flehenden Blick bemerkte, meinte er: »Also gut. Wenn es euch lieber ist, gehen wir zum Auto zurück. Vielleicht finden wir ja auf einem anderen Weg heraus, was hier los ist?«

Möglichst lautlos schlichen sie sich wieder hinaus.

Sie waren noch nicht weit gekommen, da hörten sie Stimmen hinter sich.

Rasch packte Tom seine beiden Freunde an den Armen und zog sie hinter einen dichten Busch.

»Wie ich es dir gesagt habe, Pere«, hörten sie eine tiefe Männerstimme sagen. »Da spielt sich was Grauenhaftes ab. Du hast es gerade selbst gesehen. Organe, Pere! Du hast es doch auch gelesen! Ihr dürft hier nichts mehr essen, wir müssen bei Verstand bleiben. Wir werden unser Essen weiterhin bei mir zubereiten, das ist unsere einzige Chance.«

»Du hast recht«, keuchte Pere, der wie vom Blitz getroffen schien. »Aber jetzt sollten wir uns sputen. Daphne wartet. Wenn ich bis zwei Uhr nicht zurück bin, will sie Hilfe rufen. Ich habe versucht, ihr das auszureden, aber du kennst das ja, …, Frauen kriegen schnell zu viel.«

»Hat du den Hubschrauber gehört, Pere? Das war sicher eine neue Lieferung. Warte nur ab, wer jetzt wieder fehlt. Die waren bestimmt alle unterwegs, um den Richtigen zu finden. Deshalb war keiner hier. Dieser Hubschrauber, das ist kein gewöhnlicher Hubschrauber. Das ist ein Eurocopter X3. Der ist verdammt gut, schnell und teuer.«

»Ich verstehe dich ja, Jack. Aber hier können wir im Moment nichts machen. Lass uns zurückfahren, eh Daphne durchdreht. Wir sollten versuchen, andere Touristen darauf aufmerksam zu machen. Alleine können wir das niemals schaffen.«

Daraufhin liefen die beiden rasch zu ihrem Wagen und fuhren davon.

»Was sollte das denn heißen?«, hauchte Tom. »Auf was wollen die andere aufmerksam machen?«

»Und was hat er damit gemeint, als er sagte, da spielt sich was Grauenhaftes ab?«, murmelte Kate mit geweiteten Augen.

Will interessierte sich hingegen für etwas ganz anderes.

»Warum dürfen die hier nichts mehr essen?«

Ohne Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, gingen sie wieder zu ihrem Auto. Sie fuhren nicht zu ihrem Hotel, sondern einfach den Hang hinunter, in Richtung Meer.

Keiner sprach etwas. Alle hingen sie mit ihren Gedanken dem Gespräch von Jack und Pere nach und überlegten, was das zu bedeuten hatte.

Als sie am Fuße des Hügels angekommen waren, sah Kate ein Ortsschild mit der Aufschrift El Piache.

»Wollen wir nicht einfach hier an den Strand gehen, etwas laufen und uns überlegen, was das gerade sollte?«, fragte sie vom Rücksitz aus.

»Es ist nicht mehr weit bis Porlamar«, antwortete ihr Will. »Lasst uns doch dorthin fahren. Da hört uns keiner zu und wir können in Ruhe alles besprechen. Außerdem habe ich Hunger.« Tom und Kate waren einverstanden.

So fuhr Tom den Wagen über eine kurze Autobahnstrecke in die Hauptstadt Porlamar.

Dort angekommen parkten sie an einer Stelle, die sie sich leicht merken konnten. Direkt gegenüber ihres Parkplatzes standen zwei große, weiße Mehrfamilienhäuser mit großen Satellitenschüsseln auf dem Dach.

»Mal sehen, wo es hier zum Strand geht«, sagte Tom und stieg aus. »Vielleicht dort entlang? Was meint ihr?«

Kate und Will stimmten mit einem stummen Nicken zu.

Sie liefen in eine Richtung, in der sie das Meer vermuteten, denn sehen konnten sie bis auf lauter Häuser nichts. Nach wenigen Metern sahen sie das türkis glitzernde Meer vor sich.

Es war ein breiter, steiniger Strandabschnitt, der einzelne Felszungen vom Land ins Meer ragen ließ. Weil es hier keinen Sand gab, sondern nur glitschige Felsen, beschlossen sie lieber ein Restaurant aufzusuchen.

»Aber was ist mit dem, was Jack vorhin gesagt hat?«, wollte Kate wissen. »Er sagte doch, dass sie hier lieber nichts mehr essen und stattdessen selbst kochen wollen.«

»Keine Ahnung«, sagte Tom schulterzuckend. »Aber fühlt ihr euch, seit dem wir hier was essen, irgendwie anders?«

Will schüttelte energisch seinen Kopf.

»Also mit mir nicht«, brummte er. »Wir sind im Urlaub. Warum sollen wir das jetzt nicht genießen? Nur weil die beiden irgendein Problem haben?«

»Wir sollten sie ansprechen«, schlug Kate vor. »Sowie wir wieder im Hotel sind. Immerhin haben sie gesagt, dass sie noch andere darauf aufmerksam machen wollen. Da können wir doch Klartext sprechen und wissen auch gleich, was so schlimm ist.«

»Du hast recht«, sagte Tom.

»Soll das heißen, dass wir jetzt nichts essen?«, japste Will, dessen Magen gehörig knurrte.

»Hilfe«, hörten sie einen Mann in einer Seitengasse rufen.

Sie blieben stehen und beobachteten ihn.

»Hilfe«, rief der Mann erneut. »Die haben gerade meine Frau entführt. Sie haben meine Frau einfach in dieses braune Auto gezerrt. Warum seht ihr mich nur so blöde an? Meine Frau wurde entführt!«

Die Passanten rundherum schüttelten ungläubig ihre Köpfe und nahmen ansonsten keine Notiz von dem Mann.

»Ja«, sagte Tom. »Vielleicht sollten wir wirklich ein Wörtchen mit Jack reden. Irgendwas sagt mir, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht.«

»Lasst uns schnell zurückfahren«, flehte Kate verängstigt.

Der verschwundene Mann

Auf der Rückfahrt fing Tom im Auto dann an, alles noch einmal aufzuzählen.

»Seht euch doch mal die Fakten an. Daphne soll so fertig mit ihren Nerven sein, dass sie Hilfe rufen will, wenn die beiden nicht bis zwei Uhr zurück sind. Dann haben wir ein Krankenhaus gesehen, in dem kein Mensch war. Das gibt es nirgends. Ein Hubschrauber ist gelandet, aber wir haben keinen gesehen, der daraus ausgestiegen ist. Und dann war da nur dieses unscheinbare Gebäude, MIT NEUN UNTERGESCHOSSEN«, sagte er mit deutlichem Nachdruck.

»Wo wohnt eigentlich dieser Jack?«, wollte Will wissen. »Immerhin möchten sie doch bei ihm ihr Essen kochen. Das sollte doch heißen, dass er nicht in einem Hotel wohnt?«

»Es gibt hier auch Appartements«, meldete sich Kate von der Rückbank. »Die haben eine kleine Küche. Vielleicht wohnt er in solch einem Appartement?«

»Ach und Kate«, sagte Tom. »Wie willst du Pere eigentlich darauf ansprechen? Du kannst doch nicht einfach zu ihm gehen und fragen; was habt ihr damit gemeint, als ihr gesagt habt, wir kochen unser Essen jetzt lieber selbst? Dann wissen sie doch genau, dass wir ihnen gefolgt sind.«

Sie kamen nun wieder in El Aqua an und hielten hinter dem Hotelgelände vor dem eisernen Tor.

Will stieg aus und schob es zur Seite.

Nachdem Tom hineingefahren war, verschloss er es wieder.

Sie parkten das Auto vor Madame Bellas Büro und gingen dann nach vorne zur Bar, an der sie sich drei kalte Polarbiere bestellten. In der Hotelanlage waren zu diesem Zeitpunkt kaum Gäste, so konnten sie sich ungestört unterhalten.

»Verhungern werde ich auf keinen Fall«, murrte Will, nachdem er einen kräftigen Schluck getrunken hatte. »Was wollt ihr also machen?«

Kate setzte ihre Bierflasche ab.

»Ich habe im Auto schon darüber nachgedacht und glaube, es wäre das Beste, wenn ich diese Daphne einfach anspreche. Ich kann ihr ja sagen, dass ich das Gespräch mit ihrem Mann zufällig gehört habe. Vielleicht sagt sie mir ja dann, was los ist und wenn nicht habe ich wenigstens einen Kontakt hergestellt. Wir könnten die beiden zu einem Drink einladen. Vielleicht kommen wir dann weiter?«

»Das ist echt gut, Kate. Wann hast du gedacht, dass du auf sie zugehen willst?«, drängte Will. »Ich meine, worauf warten wir?« Kate war klar, dass er es nur so eilig hatte, weil sein Magen soeben wieder heftig knurrte.

»Du hast wohl ganz schönen Kohldampf, was? Ich denke, ich mache es jetzt gleich, bevor ich kalte Füße bekomme.« So trank sie noch den Rest ihres Bieres aus und verschwand.

»Tom«, murmelte Will mit gedämpfter Stimme. »Kannst du dich an das Gespräch von Jack und Pere erinnern?«

Tom sah in fragend an.

»Ich wollte das nicht vor Kate ansprechen«, murmelte Will. »Aber haben die nicht was von Organen gesagt? Und dann noch dieser Spruch, von wegen, dass jetzt wieder jemand verschwunden ist und dass niemand in der Klinik war, weil sie jemanden gesucht haben?«

Tom dachte über die Worte nach, doch bevor er ihm antwortete, linste er zu dem Barkeeper, um sich zu vergewissern, dass er ihnen nicht zugehört hatte.

»Soweit ich mich erinnern kann, hat Jack auch was von einer Bestellung gesagt. Irgendetwas wird per Hubschrauber bestellt, dann wird jemand gesucht und dann fehlt jemand. Und wenn man hier das Essen zu sich nimmt, dann hat man keinen klaren Verstand mehr. Würdest du das auch so sehen?«

»Ganz genau, Tom. Und dazu kommt noch der Spruch; Organe, Pere. Du hast es selbst gelesen. Ich glaube, wir wissen jetzt schon, worum es in etwa geht.«

»Nun, mir fehlt da noch eine ganze Menge«, zischte Tom. »Wie sollen die diese Menschen hier einfach verschwinden lassen und ihnen die Organe klauen, während zu Hause keiner nachfragt, warum diese Leute nicht mehr zurückkommen? Selbst wenn sie keine Familien haben, sie fehlen doch auch an ihrem Arbeitsplatz.«

»Stimmt«, gab Will zu. »Wir müssen warten, was Kate herausfindet. Auf jeden Fall habe ich den miesen Verdacht, dass dies nicht der Traumurlaub wird, den ich haben wollte. Und überlege doch mal, was ist das für ein Krankenhaus, das ein Schild mit einem Totenkopf anbringt? Kate hat es uns gezeigt, erinnerst du dich?«

Kate verharrte stumm vor Daphnes Zimmertür.

Vielleicht höre ich ja durch die Tür irgendwelche Stimmen, überlegte sie sich.

Sie spitzte die Ohren.

Stille.