Katholischer Historismus? - Gregor Klapczynski - E-Book

Katholischer Historismus? E-Book

Gregor Klapczynski

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Beschreibung

Können katholische Theologen Historiker sein? Ist ein Sinn von Wirklichkeit, wie dogmengläubige Katholiken ihn unterstellen, mit historischem Wirklichkeitssinn vereinbar? Oder schließt die eine Wissenskultur die andere aus? Mit bis heute unübertroffener Heftigkeit stellten sich Fragen wie diese in der Zeit der sogenannten Modernismuskrise um 1900. Die Kirchenhistorie, ein fragiles Bündnis von Theologie und Geschichte, war von den damaligen Verwerfungen besonders betroffen. Anhand von drei renommierten Fachvertretern, die ins Visier der kirchlichen Autorität gerieten & Heinrich Schrörs, Albert Ehrhard, Joseph Schnitzer -, geht der Autor dem hoch komplexen Problem der Kompatibilität von historischer Vernunft und katholischem Glauben nach.

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Können katholische Theologen Historiker sein? Ist ein Sinn von Wirklichkeit, wie dogmengläubige Katholiken ihn unterstellen, mit historischem Wirklichkeitssinn vereinbar? Oder schließt die eine Wissenskultur die andere aus? Mit bis heute unübertroffener Heftigkeit stellten sich Fragen wie diese in der Zeit der sogenannten Modernismuskrise um 1900. Die Kirchenhistorie, ein fragiles Bündnis von Theologie und Geschichte, war von den damaligen Verwerfungen besonders betroffen. Anhand von drei renommierten Fachvertretern, die ins Visier der kirchlichen Autorität gerieten & Heinrich Schrörs, Albert Ehrhard, Joseph Schnitzer -, geht der Autor dem hoch komplexen Problem der Kompatibilität von historischer Vernunft und katholischem Glauben nach.

Dr. Gregor Klapczynski ist Postdoktorand mit Schwerpunkt Missionsgeschichte am Institut für Weltkirche und Mission der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main.

Münchener Kirchenhistorische Studien. Neue Folge

Herausgegeben von Franz Xaver Bischof und Manfred Weitlauff

Band 2

Gregor Klapczynski

Katholischer Historismus?

Zum historischen Denken in der deutschsprachigen Kirchengeschichte um 1900. Heinrich Schrörs - Albert Ehrhard - Joseph Schnitzer

Verlag W. Kohlhammer

Alle Rechte vorbehalten © 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Reproduktionsvorlage: Andrea Siebert, Neuendettelsau Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

Print: 978-3-17-023426-0

E-Book-Formate

pdf:

epub:

978-3-17-027222-4

mobi:

978-3-17-027223-1

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung

1.1 Katholische Kirchengeschichte – zwischen Theologie und Geschichte

1.2 Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert

1.3 Historismusbegriffe

1.4 „Katholischer Historismus“?

1.5 Heinrich Schrörs, Albert Ehrhard, Joseph Schnitzer

2. Heinrich Schrörs. Historismus als historischer Antirelativismus?

2.1 Herkunft und Bildungsgang

2.2 Promotion. „Hinkmar von Reims“ (1880/1884)

2.3 Freiburger Habilitation und Bonner Professur

2.4 Historische Methode und scholastisches Denken. Ein Lebensprogramm

2.4.1 Anforderungen aus der Vergangenheit

2.4.2 Versagen in der Gegenwart

2.4.3 Herausforderung für die Zukunft

2.5 Theoretische Konzeptionalisierung. Die „Historik“ (1890)

2.6 Praktische Umsetzung

2.6.1 Das kirchenhistorische Seminar

2.6.2 Institutionelles Misstrauen und theologischer Schulstreit

2.6.3 Jenseits von Hyperkonservativismus und Reformkatholizismus

2.7 „Kirchengeschichte und nicht Religionsgeschichte“ (1905)

2.8 Heinrich Schrörs in der Modernismuskrise

2.8.1 Erzbischof und Professor (1907)

2.8.2 Ein „praktischer“ Modernist? (1910)

2.9 Ausblick

3. Albert Ehrhard. Historismus zwischen Relativismus und Antirelativismus?

3.1 Herkunft und Bildungsgang

3.2 Promotion. „Die christologischen Schriften des hl. Cyrill von Alexandrien“ (1888)

3.3 Stipendiat am Deutschen Archäologischen Institut in Rom (1888/1889)

3.4 Philosophische Grundlagen. Straßburger Professur von 1889 bis 1892

3.5 Theoretische Konzeptionalisierung. Würzburger Professur von 1892 bis 1898

3.5.1 Vorarbeiten. Kleine Summa katholisch-kirchenhistorischer Theoriebildung

3.5.2 Umsetzung. Kirchengeschichte aus dem Geist der „Römischen Schule“

3.5.3 Vertiefung. Die scholastische Transformation der historischen Ideenlehre

3.6 Praktische Umsetzung. Wiener Professur von 1898 bis 1902

3.6.1 Das Programm. Die Wiener Antrittsrede (1898)

3.6.2 Ein einflussreicher Gegner. Die Auseinandersetzung mit Mathias Hiptmair (1898/1899)

3.6.3 Die Anwendung „nach außen“. „Ökumenische“ Erprobungen (1899/1901)

3.6.4 Die Anwendung „nach innen“. „Der Katholizismus und das 20. Jahrhundert“ (1902)

3.6.4.1 Inhalt

3.6.4.2 Wissenschaftliche Aufnahme

3.6.4.3 Kirchlicher Umgang

3.7 Albert Ehrhard in der Modernismuskrise

3.7.1 Die Enzyklika „Pascendi dominici gregis“. Historische Methode in der Krise? (1907/1908)

3.7.2 Der „Modernist“ und seine Gegner

3.7.3 Antimodernisteneid und Straßburger Rektorat

3.8 Ausblick

4. Joseph Schnitzer. Historismus als historischer Relativismus?

4.1 Herkunft und Bildungsgang

4.2 Promotion. „Berengar von Tours“ (1890)

4.3 München, Wien, Rom (1889–1892)

4.4 Dillinger Professur von 1893 bis 1902

4.4.1 Annäherung an die „katholische Tübinger Schule“

4.4.2 Die Pastor-Schnitzer-Kontroverse

4.5 Münchener Professur von 1902 bis 1913

4.5.1 Herman Schells metaphysischer Intellektualismus

4.5.2 Carl Güttler und die kantische Alternative

4.5.3 Die Wende. Die dogmengeschichtliche Vorlesung über die „Lehre Jesu“ (1902/1903)

4.5.3.1 Theoretische Konzeptionalisierung

4.5.3.2 Praktische Umsetzung

4.5.4 Alfred Loisy und die Newman’sche Methode

4.5.5 Im Sog der Historisierung. Die Jahre von 1904 bis 1906

4.6 Joseph Schnitzer in der Modernismuskrise

4.6.1 Bekenntnisse I

4.6.2 Bekenntnisse II

4.6.3 Römisches Verfahren I

4.6.4 Der Bruch – oder: „Hat Jesus das Papsttum gestiftet?“ (1910)

4.6.5 Römisches Verfahren II

4.6.6 Neue Kontinuitäten. „Modernismus“ vs. „Ultramontanismus“

4.7 Ausblick

5. Ergebnisse und Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen

Bibliographie Heinrich Schrörs

Bibliographie Albert Ehrhard

Bibliographie Joseph Schnitzer

Gedruckte Quellen und Literatur

Register

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2012 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie geringfügig überarbeitet. Der Alma Mater, an der alles einen guten Anfang genommen und ein gutes Ende gefunden hat, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Ich denke an erster Stelle an Herrn Prof. Dr. Hubert Wolf, meinen Doktorvater, dem ich meine Liebe zur Kirchengeschichte verdanke. Diese war, wie ich zugeben muss, keine solche auf den ersten Blick. Denn noch bevor er mich in das historische Denken einführen konnte, hatten Herr Prof. Dr. Dr. Klaus Müller, dem ich für sein Zweitgutachten danke, und Herr Prof. em. Dr. Thomas Pröpper meine Vorliebe für das systematische Denken geweckt. Ich empfinde es als ein großes Privileg und bin dankbar, dass ich in dieser Arbeit beide Neigungen miteinander verbinden durfte.

Ein aufrichtiges Wort des Dankes möchte ich an jene Institutionen richten, die mich in den vergangenen Jahren auf vielfältige Weise unterstützt haben. Die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk hat mir als Grund- und Promotionsstipendiat über lange Jahre hilfreich zur Seite gestanden. Am Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte in Münster durfte ich im Rahmen des Gottfried Wilhelm Leibniz-Programms unter der Leitung von Frau Dr. Barbara Schüler wertvolle Erfahrungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter sammeln. Wichtige Impulse habe ich als Gastkollegiat am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt empfangen, vor allem durch Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joas, den damaligen Dekan, und durch meinen Betreuer und „zweiten Doktorvater“, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Reinhard. Als Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom ermöglichte mir Herr Prof. Dr. Michael Matheus einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in der Ewigen Stadt. Nach der Promotion habe ich ein sehr anregendes Jahr am Münsteraner Institut für Missionswissenschaft verbringen dürfen, das ich Herrn Dr. Gregor Buß verdanke. Stellvertretend für die vielen Archive und Bibliotheken, in denen ich arbeiten durfte, möchte ich nur die Benediktinerabtei zum Heiligen Kreuz in Scheyern und die Diözesanbibliothek in Münster nennen. Der ersten habe ich für ihre selbstlose Gastfreundschaft, der zweiten für unentwegte Hilfeleistung zu danken.

Herrn Prof. Dr. Franz Xaver Bischof in München spreche ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die „Münchener Kirchenhistorischen Studien“, Herrn Jürgen Schneider vom Kohlhammer-Verlag für das engagierte Lektorat meinen herzlichen Dank aus. Die Erzbistümer Berlin, Köln und Wien sowie die Bistümer Münster und Würzburg haben durch großzügige Zuschüsse wesentlich dazu beigetragen, die Druckkosten zu bewältigen. Dario Raphael Hülsmann und Judith Urselmann danke ich für ihre engagierte Hilfe bei den Schlusskorrekturen.

All jene sollen schließlich nicht ungenannt bleiben, die mir in jeder wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Lebenslage mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben: Dr. Holger Arning, Prof. Dr. Claus Arnold, PD Dr. Thomas Bauer, Frank Böckenfeld, PD Dr. Thomas Brockmann, Prof. Dr. Georg Essen, Dr. Norbert Köster, Dr.

Judith Schepers, Prof. P. Dr. Ludger-Ägidius Schulte OFMCap, Prof. Dr. Klaus Unterburger und Dr. Stefan Voges. Am meisten aber habe ich meiner Familie und vor allem meiner Frau Monika zu danken, die mich mit unbegreiflicher Geduld und Zuversicht durch die gesamte Zeit der Promotion getragen und begleitet hat.

Münster, 22. Juni 2013

Gregor Klapczynski

1. Einleitung

1.1 Katholische Kirchengeschichte – zwischen Theologie und Geschichte

Können katholische Theologen Historiker sein? Ist ein Sinn von Wirklichkeit, wie dogmengläubige Katholiken ihn unterstellen, mit historischem Wirklichkeitssinn vereinbar? Darf, wer unwandelbaren Glaubenswahrheiten anhängt, zugleich an der Wahrheit historischen Wandels festhalten? Oder schließt die eine Wissenskultur die andere aus? Läuft nicht alles auf die Alternative von Theologie oder Geschichte, von „heiliger Stagnation“1 auf der einen und „unheiliger“ Dynamik auf der anderen Seite hinaus? Das Erste Vatikanische Konzil (1869/1870), das zwei „neue“ Glaubenssätze proklamierte, die lehramtliche Unfehlbarkeit und den Jurisdiktionsprimat des Papstes, ist zum Fanal geworden für all jene, die mit guten Gründen so dachten und bis heute denken. Die (kirchen-) historisch argumentierenden Minoritätsbischöfe seien damals, so lautet das gängige Meisternarrativ, mit ihren dogmatisierungsskeptischen Einwänden nicht durchgedrungen, weil die Mehrheit ihrer Mitbrüder schlicht verweigert habe, sich in dogmaticis aus der Geschichte belehren zu lassen. Ein Konzilsvater soll denn auch formuliert haben: Auf der Kirchenversammlung vom Vatikan habe das Dogma die Geschichte besiegt.2 Die seitdem nicht wieder zur Ruhe gekommene Frage nach dem Verhältnis von katholischem Glauben und historischer Wissenschaft stellte sich dann mit bis heute unübertroffener Heftigkeit in der Zeit der katholischen Modernismuskrise.3 Und wie ehedem, so war auch jetzt wieder die Kirchenhistorie, dieses fragile Bündnis von Theologie und Geschichte, besonders in Mitleidenschaft gezogen. Auch nach den Jahren des akuten Modernismus und Antimodernismus setzte sich der Streit um den wissenschaftstheoretischen Status der Kirchengeschichte weiter fort. In der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) flammte er in den 70er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts noch einmal auf. Während nun die einen ein dezidiert „heilsgeschichtlich“-theologisches Fachverständnis vertraten, postulierten andere die Kirchengeschichte als nicht-theologische, „profanhistorisch“ verfahrende Disziplin.4 Soviel bleibt festzuhalten: Bis heute ist die Kirchengeschichte eine akademische Disziplin „[z]wischen Theologie und Geschichte“ mit weitgehend ungeklärtem Schwellencharakter.5 Was will die vorliegende Arbeit vor dem Hintergrund dieser diffusen Ausgangskonstellation leisten? Sie versteht sich vor allem als ein Versuch, mit den Mitteln des kirchenhistorischen Faches, also im Medium der Geschichte, auf dessen Grundlagen zu reflektieren. Der Verfasser glaubt damit einen eigenen Beitrag zur wissenschaftlichen Selbstverständigung der katholischen Kirchengeschichte erbringen zu können. Ein skizzenhafter Überblick über die drei großen Entwicklungsphasen, die das deutschsprachige historische Denken vom Anfang über die Mitte bis zum Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts durchlief, soll dabei zunächst zur problemgeschichtlichen Hinführung dienen (Kap. 1.2). Es wird sich zeigen, dass der Spannungsbogen, der dabei entsteht, der Sache nach mitten in die noch immer mit großer Intensität geführten Debatten um den so genannten Historismus hineinleitet (Kap. 1.3).6 Warum sich gerade ein Blick auf den unter ganz spezifischen Bedingungen stehenden historischen Diskurs innerhalb des Katholizismus um 1900 anbietet, um nicht nur die Kirchengeschichte ein Stück weit über sich selbst aufklären zu helfen, sondern zugleich die Möglichkeiten katholischen Geschichtsdenkens überhaupt auszuloten, soll dann in einem weiteren Schritt herausgearbeitet werden (Kap. 1.4). Die ganze Fragestellung wird schließlich in biographisch-vergleichender Zuspitzung operationalisiert (Kap. 1.5). Was in den darauf folgenden Untersuchungsgängen in dreifachem Anlauf (Kap. 2–4) geschieht, ist im Grunde nichts anderes, als dass anhand des Verhältnisses von katholischer Theologie und Geschichtswissenschaft ein exemplarischer Spezialfall des viel weiteren Problemfeldes von Religion und Moderne bedacht wird. Was genau heißt also und zu welchem Ende studiert man „katholischen Historismus“?

1.2 Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert

Auch für das 19. Jahrhundert als dem Jahrhundert des „Historismus“ gilt: „Am Anfang war Napoleon.“7 Die politischen und sozialen, aber auch die geistigen und religiösen Grundlagen Alteuropas, die, obwohl selbst über Jahrhunderte gewachsen, in weitgehend unhinterfragter Geltung gestanden hatten, waren durch die Französische Revolution, die napoleonischen Kriege und die umfassenden Erschütterungen, die davon ausgingen, unwiderruflich in Bewegung geraten. Sie ließen sich durch restaurative Neuordnungsversuche, wie sie der Wiener Kongress im Jahre 1815 unternahm, nicht einfach wiederherstellen.8 Die ganz reale Erfahrung, dass nicht nur im Kleinen, sondern auch im Großen, was gewesen, geworden war und also auch wieder vergehen konnte; das den Zeitgenossen mit unwiderstehlicher Macht sich aufdrängende, schlechthin alles in sich einbegreifende Bewusstsein historischer Kontingenz war in hohem Maße mitverantwortlich dafür, dass dem neuen Jahrhundert eine ausgeprägte Sensibilität für alles Geschichtliche als Erbgut zuteilwurde. Der unter veränderten und ständig weiter sich verändernden Verhältnissen Orientierung suchende Blick richtete sich fortan wie von selbst in die Vergangenheit, um von dort aus wieder in die Gegenwart und weiter in die Zukunft gelenkt zu werden. Nur aus diesen anfänglichen Bedingungen heraus lässt sich der fulminante Aufstieg begreifen, den die Geschichtswissenschaft in dem zwischen Aufklärung und Romantik oszillierenden Zeitalter und dann das ganze weitere Jahrhundert hindurch erlebte.9

Als eines der wichtigsten Gründungsdokumente und als Programmschrift dessen, was man später mitunter als „Historismus“ bezeichnet hat, darf ein Akademievortrag angesehen werden, den Wilhelm von Humboldt (1767–1835) am 12. April 1821 „Ueber die Aufgabe des Geschichtschreibers“ hielt. „Das Geschäft des Geschichtschreibers in seiner letzten, aber einfachsten Auflösung“, so hatte Humboldt damals formuliert, sei „Darstellung des Strebens einer Idee, Daseyn in der Wirklichkeit zu gewinnen.“10 Die wirkungsgeschichtliche Tragweite dieses aus Motiven des deutschen Idealismus gespeisten, geschichtsreligiös fundierten Gedankens von den „Ideen“, die sich in der Geschichte „verwirklichten“, kann zumindest für die deutsche Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert kaum überschätzt werden. Er erlaubte ja, die allgegenwärtige Erfahrung von historischen Brüchen zu verarbeiten, indem ein dahinter verborgenes Element der Kontinuität vermutet wurde, das zu entdecken niemand anders berufen war als der Historiker. Die idealrealistisch-organologische Geschichtsauffassung, die sich an diese Vorstellung anknüpfte, blieb, angefangen bei der historischen Rechtsschule eines Friedrich Carl von Savigny (1779–1861), das gesamte 19. Jahrhundert hindurch im historischen Diskurs nachhaltig wirksam. Auch der wohl prominenteste Fachvertreter Leopold von Ranke (1795–1886), der mit dem von ihm stark gemachten historischen Objektivitätsideal seinerseits einen ungeheuren Einfluss auf die zünftige Geschichtswissenschaft ausübte, lässt sich zwanglos in diese Traditionslinie einordnen. Sah er doch in der Geschichte, „abgesehen von gewissen unwandelbaren ewigen Hauptideen“, eine Reihe von „leitenden Ideen“ am Werk, die „nichts anders bezeichnen, als […] die herrschenden Tendenzen in jedem Jahrhundert“.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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