Keine Angst - Jürgen Werth - E-Book

Keine Angst E-Book

Jürgen Werth

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Beschreibung

Angst allerorten. Die Welt ist zum Fürchten geworden. So scheint es. Angststörungen, Krankheiten nehmen zu. Wie viel Angst gehört zum Leben? Braucht es sogar? Jürgen Werth, erfahrener und erfolgreicher spiritueller Autor, zeigt, dass es möglich ist, mit der Angst zu leben, wenn man sie annimmt, umarmt, sich mit ihr versöhnt. Sehr persönlich, mit zahlreichen Beispielen, die zur Identifikation einladen, zeigt er, was alles zur Angst gehört: das Kind, das sich im Dunkeln fürchtet, der Erwachsene, der sich scheut, eine neue Stelle mit zu viel Verantwortung zu anzutreten u.v.m. Die Angst ist vielschichtig und hat unterschiedliche Facetten. Die lebensnahen und lebensbejahenden Aspekte, die der Autor warmherzig und authentisch beschreibt, bilden einen Gegenpol zur lähmenden Furcht und verweisen auf den, der größer ist.

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EPUB
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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jürgen Werth

Keine Angst

Jürgen Werth

Keine Angst

Zuversichtlich leben und glauben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden, denn es ist urheberrechtlich geschützt.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

Klimaneutrale Produktion.

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier.

1. Auflage 2025

Copyright © 2025 Bonifatius GmbH Druck | Buch | Verlag

Karl-Schurz-Str. 26 | 33100 Paderborn | Tel. 05251 153-171

[email protected]

Umschlaggestaltung: spoon design, www.spoondesign.de, Langgöns

Lektorat: Gisela Appelbaum

Satz: Melanie Schmidt, Bonifatius GmbH

Druck und Bindung: Pustet, Regensburg

Printed in Germany

eISBN: 978-3-98790-960-3

www.bonifatius-verlag.de

Inhalt

Ein Wort zuvor

1 Der kleine Jürgen hat Angst. Der große auch.

2 Angst ist gesund. Und wann wird sie ungesund?

3 Wenn nur nicht die Nächte wären!

4 Von Dünnhäutern und Dickhäutern

5 Sorgen sind das Lieblingsfutter der Angst

6 „Siehste wohl, du liebst mich nicht!“

7 Die Welt macht Angst, echt!

8 Wenn ich nichts mehr im Griff habe

9 Mama und Papa fürchten sich in uns

10 Sogar die Schöpfung hat Angst

11 Angst kann traumatisieren

12 Wer etwas ausgefressen hat, hat Angst

13 Heilende Bilder für die Seele

14 Es wird riskiert!

15 Ohne Angst ans Ende aller Wege

16 Was der Seele guttut

Ein paar persönliche Gedanken zum Schluss

Anhang: Texte und Gebete gegen die Angst

Quellen

Ein Wort zuvor

Ganz ehrlich, ich hatte Angst vor diesem Buch. Vor diesem Thema. Es scheint so dunkel und bedrohlich. Und so persönlich. Man kann ja nicht über Angst schreiben, ohne seine eigenen Ängste zu benennen. Zumindest ich kann das nicht. Dann habe ich es gewagt – und die Angst hat ihren Schrecken verloren. Manchmal muss man sich ihr einfach stellen.

Die Experten unterscheiden zwischen Angst und Furcht. Angst wäre ein diffuser Seelenzustand, Furcht würde sich auf eine konkrete Bedrohung beziehen. Also hätte ich mich gefürchtet vor diesem Buch. Ich weiß allerdings nicht, ob sich das anders angefühlt hätte. Furcht oder Angst – am Ende ist das doch vielleicht vor allem eine eher akademische Unterscheidung. Jedenfalls macht beides keinen Spaß. Angst ist bedrohlich, sie lähmt Gedanken und Gefühle, macht Herz und Seele eng und bringt uns dazu, wegzulaufen, uns zu verstecken oder uns tot zu stellen.

Aber man kann nicht an ihr sterben.

Seit ein paar Jahren gibt es eine neue Variante der Angst: FOMO. Das ist die Abkürzung für den englischen Begriff „Fear Of Missing Out“. Es ist die Angst, Wichtiges oder gar Entscheidendes zu verpassen. Sie hängt nicht zuletzt mit den neuen digitalen Medien zusammen, die ja ohne jede Pause schier unendlich viele Informationen, Ereignisse und Beteiligungsmöglichkeiten präsentieren, sodass nicht wenige Menschen den Eindruck haben, sie müssten ständig online sein, um nicht den Anschluss zu verlieren oder die Chance auf ein besseres Leben zu verpassen. Auch diese Angst kann pathologisch, also krankhaft werden.

Nun lese ich in der alten Bibel immer wieder: „Fürchte dich nicht!“ Mancher behauptet: 365-mal. Das wäre ein durchaus originelles Ergebnis, ein Mutmacher also für jeden Tag des Jahres! Doch leider stimmt die Zahl nicht. Wer genau nachzählt, kommt, wenn er die Singular- und Pluralformen berücksichtigt, auf 124-mal. Ist man bei der exakten Formulierung ein bisschen pingeliger, kommt man auf 109-mal. 83-mal im Alten und 26-mal im Neuen Testament heißt es: „Fürchte dich nicht!“ Und so gut wie immer ist das ein göttliches Machtwort, kein menschliches, ein himmlisches, kein irdisches. Gott persönlich sagt es. Oder Jesus. Oder ein Engel. Jedenfalls einer, der stärker ist als das, was uns Angst macht.

Kann man daraus schließen, dass Glaubende keine Angst haben müssen? Ich sehe es andersherum: Wenn es uns so oft zugesprochen werden muss, werden Furcht und Angst wohl eine wahrhaft prominente Rolle im Leben vieler Menschen spielen. Niemand muss sich schämen, wenn er Angst hat. Und niemand muss Angst vor der Angst haben. Es gibt gangbare Wege durch die Angst. Es gibt Wege um die Angst herum, und es gibt Auswege.

Ich habe sie beschritten und beschreite sie immer neu. Manchmal tapfer, manchmal tapsend. Wenn Sie mögen, kommen Sie doch einfach mit.

Jürgen Werth

1 Der kleine Jürgen hat Angst. Der große auch.

Der kleine Jürgen hat Angst. Mama und Papa sind ausgegangen. Ihn haben sie zu Hause gelassen. Ins Bett gebracht haben sie ihn wie jeden Abend, angespannt entspannt haben sie ein Lied gesungen, ein Gebet gesprochen und dann gesagt: „Wir sind bald wieder da! Schlaf schön! Wir lassen die Tür angelehnt.“ Wenigstens das. Aber die Wohnung ist leer. Und sein Kopf ist voll. Voller dunkler Fantasien. Drachen, Hexen, Heinzelmännchen. Draußen, im Dämmerlicht, bewegen sich Bäume und Blätter wie Gespenster. Ab und zu flackern die fahlen Scheinwerfer eines Autos durch die zugezogenen Vorhänge. Soll er weinen? Wozu? Niemand wird ihn hören. Er zieht die Decke über den Kopf. Aber das macht es nur noch schlimmer. Im Wohnzimmer tickt die alte Standuhr. Die Sekunden schleichen. Da, ein Geräusch auf der Treppe im Hausflur! Ein Einbrecher? Luft anhalten. Aber die Schritte gehen ein Stockwerk höher, es war wohl nur ein Nachbar. Wenigstens ist das Haus bewohnt! Aber die Wohnung nicht. Sein Zimmer nicht. Soll er das Lämpchen an seinem Bett anknipsen? Aber dann kann er nicht schlafen. Und er soll ja schlafen. Wenn er noch wach ist, wenn die Eltern endlich, endlich heimkommen, werden sie mit ihm schimpfen. Irgendwann schläft er tatsächlich ein, schläft sich in finstere wirre Träume …

Der nicht mehr ganz so kleine Jürgen hat Angst. Er übernachtet bei Tante Emmy und Onkel Walter. Die haben ihn gern, und er sie auch. Aber jetzt liegt er im Bett und ihn gruselt es. Das Fenster des Schlafzimmers geht zur Straße. Auf der anderen Straßenseite liegt der Friedhof. Gruselland. Er mag nicht dran denken. Dafür denkt er an die Schule. Da soll er morgen früh wieder hin. Die Hausaufgaben sind gemacht. Und eigentlich geht er gern hin. Aber heute Abend macht ihm auch die Schule Angst. Das Gruselland auf der anderen Straßenseite wirft seine bedrohlichen Schatten auf alles, was er in Hirn und Herz bewegt. Endlich machen sie nebenan das Licht aus. Endlich kommen auch sie ins Bett. Endlich kann er schlafen.

Der gar nicht mehr kleine Jürgen hat Angst. Diesmal ist Papa alleine ausgegangen. Er ist wieder einmal in der Kneipe. Jürgen weiß schon, was gleich kommt. Gleich oder spät in der Nacht. Da rumpelt Papa die Treppe hoch. Weckt Mama. Manchmal auch ihn. Und dann gibt's Streit. Manchmal handfesten Krach. Und er muss wieder schlichten. Er liegt im Bett und ist nur Ohr. Vielleicht wird's heute nicht so schlimm. Am Schritt kann er es hören. An Schlafen ist nicht zu denken. Vielleicht wird er gebraucht.

Der große Jürgen hat Angst. Morgen muss er einen Vortrag halten. Er weiß, wohin er kommt. Er weiß, was man von ihm erwartet. Er hat sich vorbereitet. Er hält den Vortrag nicht zum ersten Mal. Aber was, wenn er jetzt nicht einschläft und morgen unausgeschlafen aufbrechen muss? Was, wenn er sein Manuskript zu Hause liegen lässt? Was, wenn er in einem Stau feststeckt? Was, wenn er ins Stottern gerät? Was, wenn er über die Köpfe der Menschen hinwegredet?

Der älter werdende Jürgen hat Angst. Er macht sich Sorgen. Die Welt wird immer bedrohlicher, die Krisen immer unlösbarer. Überall Kriege und Katastrophen und wirre Machthaber, die offenbar an einem bösartigen Narzissmus leiden. Je älter sie werden, umso mehr. Besessen von sich selbst. Unberechenbar. Das Schicksal der Welt in den Händen von ein paar Irren. Was soll nur werden? Am besten keine Zeitung mehr lesen! Am besten den Fernseher ausschalten, bevor die Tagesschau kommt!

Der alte Jürgen hat Angst. Und die Sorgen werden größer. Dieses Zwicken in der Leistengegend! Und dieser wiederkehrende Druck im Kopf. Hatte das bei Karlheinz nicht auch so angefangen? Ist das Krebs? Überhaupt wird alles immer beschwerlicher. Die vertrauten Wege werden länger, die gewohnten Treppen steiler. Wie lange kann er noch in diesem Haus wohnen? Wie lange schafft er es noch bis in sein Arbeitszimmer unter dem Dach? Und dann? Kleinere Wohnungen sind kaum zu finden und zu bezahlen. Und fürs Altersheim fühlt er sich zu jung.

Angst. Alles eng. Der Brustkorb und die Seele. Flacher Atem. Unruhiger Puls. Und der große Jürgen fühlt sich wie der kleine. Dabei ist er erwachsen! Dabei ist er erfahren! Dabei hat er ach so vieles kommen und gehen sehen. Vieles und viele. Gelassen sollte er sein. Abgeklärt.

Denkste!

Klar, meine Angst hat etwas mit den Geschichten meines Lebens zu tun. Und mit meiner besonders dünn behäuteten Seele. Und mit meiner überbordenden Fantasie. Wer sich immer alles vorstellen kann, stellt sich halt immer alles vor. Und wer immer alles spürt, hat viel zu verarbeiten. Besonders nachts. Alle möglichen Situationen des zurückliegenden Tages tanzen in seiner Seele. Warum hat Martin diesen lang verabredeten Termin so mir nichts dir nichts abgesagt? Warum war Barbara am Telefon nicht so überschwänglich freundlich wie sonst immer? Habe ich etwas falsch gemacht? Etwas Falsches gesagt? Und die fantasierten Situationen von morgen tanzen fröhlich mit. Passt das, was ich morgen sagen möchte, eigentlich zu dem, was die Leute erwarten? Erreiche ich ihre Köpfe, ihre Herzen? Oder schaut mancher schon nach ein paar Minuten gelangweilt oder gar genervt auf die Uhr?

Ich spreche mit anderen. Manche verstehen mich sofort, andere so gar nicht. „Das kenne ich auch!“, sagt einer. „Das hätte ich bei dir nicht vermutet!“, sagt ein anderer. „Du wirkst doch immer so entspannt und souverän!“ Das Außen ist anders als das Innen. Wie die beiden Seiten einer Medaille. Die anderen sehen meist Außen. Weil wir meist nur Außen zeigen. Wir selber sehen Innen. Und da ist – auch – Angst. Vielleicht sollten wir sie zuweilen an die frische Luft lassen.

Der rumänische Autor Eugène Ionescu, der 1994 gestorben ist, Klassiker des absurden Theaters, hat es getan. Seine Angst war immer größer geworden. Vor allem die Angst vor dem Sterben. Auch deshalb hat er zu malen begonnen. In einem Interview mit Ulrich Wickert sagte er Ende der Achtzigerjahre:

„Meine Ängste überwältigen mich ganz und gar. Ich konnte gar nicht mehr leben, so schrecklich waren meine Ängste und Depressionen, die durchaus berechtigt sind, wenn man sich die Welt ansieht. Ein Psychotherapeut sagte mir: ‚Die Neurotiker haben Recht.‘ Trotzdem gibt man ihnen Medikamente, um ihre Einsichten zu dämpfen, denn die Welt ist unerträglich. Ein sensibler Mensch kann nicht in dieser Welt leben. Oder er lebt mühevoll und schlecht. Das war bei mir der Fall. Also zuerst war es eine Therapie. Hinzu kam ein Ekel vor dem Geschwätz. 30, 35 Jahre lang hatte ich Theaterstücke geschrieben. Es redete und redete und redete. Zuletzt ekelten mich die Wörter an. Also brauchte ich das Schweigen. Und jetzt bin ich im Schweigen. Außer, wenn ich mit Ihnen spreche.“1

Ionescos Fragen sind oft genug unsere Fragen. Was machen wir mit unserer Angst angesichts dieser höllischen Welt, die immer unregierbarer wird? Angesichts des Sterbens ringsum und der Aussicht auf den eigenen Tod? Wir haben ja nur zwei Möglichkeiten: Eine Antwort finden oder die Frage beiseiteschieben! Das aber geht auf die Dauer nicht.

Wenn's wenigstens nur die großen existenziellen Fragen der Welt und des Lebens wären, die uns Angst machen! Wenn sie wenigstens nicht so viele kleine Kinder und Enkelkinder hätten! Mancher hat Angst vor Mäusen. Klitzekleinen ungefährlichen Mäusen! Eine andere vor Spinnen. Vielleicht eklig, ja, aber doch nicht gefährlich! Mancher fürchtet sich vor Viren und Bakterien und muss sich darum ständig die Hände waschen. Ich habe Angst vor dem Zahnarzt und vor dem Einkommensteuerbescheid, vor bösen Diagnosen und vor Menschen und Herausforderungen, denen ich nicht gewachsen zu sein glaube.

Angst kommt zuweilen als Lampenfieber daher. Viele Vortragskünstler erleben regelrechte Todesängste vor ihrem Auftritt. Die Schauspielerin Corinna Harfouch sagte in einem Interview mit der ZEIT:

„Ich muss vor jeder Vorstellung durch ein Nadelöhr – einen Widerstand von Unlust und Erschöpfung. Man fragt sich, warum muss ich das jetzt machen? Ich bin dann todmüde und will nicht und werde nicht und kann auch nicht! Aber dann geht man raus, und alles ist klar. Die Bühne gibt einem so viele Geschenke, da entsteht ein Leuchten, ein Glückserlebnis, das nirgendwo anders möglich ist. Ich habe mal gehört, dass Marianne Hoppe in ihren letzten Lebensjahren zu jeder Probe von zu Hause abgeholt werden musste. Sie klammerte sich an der Haustür fest und weigerte sich, ins Theater zu kommen. Dann stand sie auf der Bühne – und alles war gut.“2

Ja, bei mir ist ja irgendwie auch immer alles gut geworden. Mama und Papa sind zurückgekommen. Der Friedhof hat seinen Schrecken verloren. Papa ist am Ende mit seinem Leben zurechtgekommen, und wir mit ihm. Der Vortrag wurde gelobt. Nur die Welt, die bleibt bedrohlich. Und das Älterwerden wird nicht leichter. Trotzdem: Ich habe es gut. Ich weiß und glaube und will mich daran festhalten: „He's got the whole world in his hands.“ He. Er, der Schöpfer und Erlöser, hat die Welt in seiner Hand. Die Welt und mein Leben. Die Vergangenheit und die Zukunft. Und er sagt: Fürchte dich nicht! Ich war da. Ich bin da. Ich bleibe da.

Jesus sagte es seinen Leuten, und damit auch mir, einmal so: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes, 16,33) Ja, ich habe Angst. Sie bedrängt mich. Aber ich laufe nicht weg. Ich stelle mich ihr. Denn ich bin nicht allein. Der, der größer ist als alles, was mir Angst macht, ist an meiner Seite.

2 Angst ist gesund. Und wann wird sie ungesund?

Jeder hat Angst. Na ja, fast jeder. Nachdem ich einmal in einem Gottesdienst von meiner Angst erzählt hatte, kam eine Unternehmerin zu mir und sagte: „Angst kenne ich gar nicht!“ „Herzlichen Glückwunsch!“, habe ich wohl gesagt. Und verstanden, warum sie so vieles in ihrem Leben gewagt und geschafft hatte. Keine Angst haben – das müsste himmlisch sein, habe ich gedacht. Aber wäre es nicht auch lebensgefährlich?

Ich habe keine Angst – und reiche dem Löwen durchs Gitter einen Hamburger. Ich habe keine Angst – und springe tapfer in den Abgrund. Ich habe keine Angst – und fahre 250 Stundenkilometer auf der Autobahn. Ich habe keine Angst – und gehe nicht rechtzeitig zum Arzt. Ich habe keine Angst – und überlasse mein Vermögen einem Scharlatan.

Nein, so wollte meine Unternehmerin das ja auch nicht verstanden wissen. Auch sie fand: Solche Angst ist normal und gesund und lebensrettend.

Aber ab wann ist sie es nicht mehr? Wann macht sie meine Gedanken und Gefühle eng? Wann hindert sie mich am Aufbrechen? Wann wird sie unnormal und ungesund und lebensbedrohlich? Wann wird sie pathologisch? Ich frage meinen Freund Johannes Laux, Neurologe und Psychiater in Weilburg. Er sagt:

„Angst ist erst mal als Gefühl ganz normal. Ein wichtiges Gefühl, das uns letztendlich beim Überleben hilft, uns aber auch vor weniger Schlimmem bewahren kann als vor dem Tod. Ganz trennscharf lässt sich gar nicht beantworten, ab wann Angst pathologisch ist. In der Medizin und in der Psychologie sprechen wir dann von einer Störung, wenn der Zustand deutlich vom Normalzustand abweicht und behandlungsbedürftig ist. Dafür gibt es Hinweise.“

Und welche sind das?

„Das wahrscheinlich wichtigste Kriterium ist, dass ein Mensch unter seiner Angst leidet. Das ist ja nicht unbedingt immer der Fall. Wenn jemand gut gemeinte Angebote, die ihm gemacht werden, aus Angst ausschlägt, muss er damit nicht unglücklich sein und ist damit auch nicht krank. Erst wenn er unter dieser Angst leidet, sollte er etwas unternehmen. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, ob ein Mensch durch die Angst in seiner alltäglichen Lebensweise, also im Beruf oder in seinen sozialen Kontexten, eingeschränkt ist. Aber auch solch eine Einschränkung wird erst dann zum Problem, wenn er tatsächlich darunter leidet. Ein weiteres Kriterium bei diagnostizierbaren Angststörungen ist, dass ein Mensch seine eigene Angst als unsinnig oder übertrieben wahrnimmt. Die Hauptformen dieser Störung sind die generalisierte Angststörung, die Panikstörung und die spezifischen Phobien.“

Wikipedia zählt rund 120 auf.

Dann wird es also ernst.

„Ja, denn ganz häufig gehen solche Ängste mit körperlichen oder physiologischen Veränderungen einher. Die Angst ist ja kein rein psychisches Phänomen. Es ist möglich, dass die Pupillen größer werden, dass man anfängt zu schwitzen und zu zittern, dass das Herz anfängt schneller zu schlagen und man schneller atmet als sonst.“

Gibt es Hilfe?

„Angststörungen, wenn sie korrekt diagnostiziert sind, sind gut behandelbar. Mit einer Psychotherapie und gegebenenfalls auch mit Medikamenten gibt es gute Heilungschancen. Lebensbedrohlich an sich sind Ängste nie. Auch wenn ich eine sogenannte Panikattacke habe, also eine extreme Ausprägung von Angst mit starken körperlichen Reaktionen, insbesondere mit schnellem Atmen und Ohnmachtsgefühlen, darf ich wissen: Es geht wieder vorbei.“