Keine Panik, ist nur Technik - Kenza Ait Si Abbou - E-Book
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Keine Panik, ist nur Technik E-Book

Kenza Ait Si Abbou

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Beschreibung

So cool und un-nerdig kann IT-Wissen sein! Computer entscheiden über unseren Job, unseren Krankenversicherungstarif, unsere Partnersuche – sie wissen alles über uns. Aber was wissen wir eigentlich über sie? Was steckt hinter einer App? Warum tragen Hacker in Filmen immer Kapuzenpullover? Weshalb werden manche Menschen von Algorithmen automatisch diskriminiert? Wie "smart" wird unser Kühlschrank bald sein? Und wieso sollte man Bier und Fertigpizza nie mit Karte bezahlen? Kenza Ait Si Abbou programmiert für ihr Leben gern. Sie zeigt, wie aus Nullen und Einsen der Quellcode unseres Lebens wird, warum es sich lohnt, kein digitaler Analphabet mehr zu sein und weshalb man auf Algorithmen ziemlich gut tanzen kann - solange wir ihnen den Takt vorgeben!

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Seitenzahl: 284

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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Angela Gsell

Lektorat: Steffen Geier

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Isabell Rid

ISBN 978-3-8338-7634-9

1. Auflage 2020

Bildnachweis

Coverabbildung: Hendrik Gergen

Syndication: www.seasons.agency

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Computer-Codes sind überall. Wir sehen sie nicht, aber sie sehen uns. Egal, ob Bewerbung, Dating oder Bankkonto, wir nehmen ihre Dienste jeden Tag, ja sogar fast jede Stunde in Anspruch – oft völlig unbewusst.

Sie machen uns das Leben oft leichter, an vielen Stellen aber misstrauen wir ihrer Macht. Denn: Sie sprechen eine andere Sprache als wir und das löst Unbehagen aus. Deshalb wird es höchste Zeit, die Maschinen zu verstehen, die unser Leben regeln. Ihre Sprache zu lernen ist kein Hexenwerk, und es macht sogar Spaß.

So unterhaltsam wie charmant enthüllt Kenza Ait Si Abbou die Geheimnisse der Technik. Sie erklärt, wie Computer lernen, warum sie uns nachahmen und wann das ein Fehler ist. »Keine Panik, ist nur Technik« ist ein lockerer Erziehungsratgeber, damit die Maschinen in unserem Leben endlich machen, was wir wollen.

VORWORT

Ich bin bei einem Workshop für Kinder zwischen sechs und zwölf zum Thema künstliche Intelligenz (KI). Den Workshop haben eine Kollegin und ich mit dem Weizenbaum-Institut und Stefania Druga organisiert. Stefania forscht an der University of Washington und hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine kostenlose Plattform namens »Cognimates« zum Programmieren von intelligenten Robotern für Kinder gegründet. Sie untersucht den Einfluss von KI auf Kinder und setzt sich für die Alphabetisierung von Kindern und deren Eltern in der KI ein. Bevor die Kinder mit den Robotern spielen dürfen, fragen wir sie: »Glaubt ihr, dass Alexa intelligent ist?«

»Ja!«, antworten alle Kinder.

»Warum?«, fragen wir.

»Weil sie alles weiß. Sie kann alle meine Fragen beantworten.«

Nun dürfen die Kinder mit verschiedenen Robotern spielen, die unter anderem auf Alexa zurückgreifen, in Begleitung von Wissenschaftlern, die ihnen erklären, wie sie diese programmieren können. Nach dem Spiel fragen wir sie noch einmal: »Glaubt ihr, Alexa ist intelligent?«

»Nein!«, antworten sie diesmal.

»Warum nicht?«, fragen wir.

»Weil ich ihr sage, was sie machen soll!«

Interessant, denke ich, sogar kleine Kinder können sich innerhalb kürzester Zeit wie große Programmierer fühlen. Angst vor den Robotern haben sie auch nicht. Natürlich sind alle, die wir verwendet haben, klein und niedlich, extra für Kinder ausgestattet, und sehen aus wie gewöhnliches Spielzeug. Die Kids haben sie sofort untersucht, mit ihnen gespielt, programmiert und ihnen ein paar Tricks beigebracht.

Diese Haltung wünsche ich mir auch von uns Erwachsenen. Warum bleiben wir nicht neugierig, wenn wir groß sind? Warum haben wir Angst vor neuen Sachen? Warum scheuen viele Begriffe wie »künstliche Intelligenz«, »Technik« oder »Programmieren«? Wir nutzen tagtäglich technische Geräte, wir können nicht mehr ohne sie leben – und trotzdem meiden wir die Logik dahinter, anstatt uns mit ihr zu beschäftigen.

Wie so viele Nerds wünsche ich mir, dass Kenntnisse über Codes, Computer und Digitalisierung irgendwann so alltäglich sind wie das perfekte Risotto-Rezept oder die Fähigkeit, einen Fahrradplatten zu reparieren. Denn mit jedem, der die digitale Suppe ein wenig verfeinert, wird sie schmackhafter und besser. Und während ich diese Zeilen schreibe, passiert weltweit genau das: Von Shanghai bis Los Angeles kämpfen Ärztinnen, Programmiererinnen, Politiker, Journalistinnen und Soziologen mit Hilfe digitaler Instrumente oder Simulationen darum, dass unsere Welt durch die Corona-Pandemie nicht aus den Fugen gerät. Wie wichtig eine gelungene Digitalisierung beim Kampf gegen das Virus ist, sehen wir gerade ganz praktisch bei der schnellen Umstellung auf Homeoffice, Videokonferenz und Cloud-Dienste. Aber auch an der weltweiten Vernetzung von Forscherinnen und Medizinern bei der Suche nach einem Impfstoff oder in der Meldung von Fallzahlen und Infektionsraten über digitale Systeme, die automatisiert Simulationen rechnen und Szenarien entwerfen können.

Mit diesem Buch möchte ich diese unzähligen Chancen und Fähigkeiten künstlicher Intelligenz vorstellen und zeigen, wie wir sie nutzen können, ohne von ihnen ausgenutzt zu werden.

Rund um das Thema KI herrscht viel Unwissen – und vor allem Verwirrung und Angst. Man kann heute keine Zeitung mehr aufschlagen, ohne das Wort KI in irgendeiner Überschrift zu lesen. Meistens sind die Inhalte aber gruselig, so in der Art: »Algorithmen entscheiden über meinen Job, meinen Krankenversicherungstarif, meine finanzielle Situation und machen dabei einen schlechten Job – das darf nicht wahr sein!« oder »KI wird im Bahnhof Südkreuz eingesetzt – die komplette Überwachung ist am Start« oder »Soll das selbstfahrende Auto das Kind oder die Oma über den Haufen fahren?« Derartige Schlagzeilen verkaufen sich gut, doch wenn es um das Wie und Warum dahinter geht, um verständliche Erklärungen statt dramatisierte Extremfälle, geht vielen schnell die Puste aus.

Ich habe mich also gefragt, wie man künstliche Intelligenz und deren Methoden einfach und unterhaltsam erklären kann. Es steckt viel Mathematik und Statistik dahinter, und das mögen viele nicht, deswegen verzichte ich in meinen Erklärungen komplett auf Formeln. Ich habe viele Workshops gehalten und mich mit den großen und kleinen Teilnehmern lange unterhalten, ihre Fragen beantwortet und über ihre Ängste gesprochen. Immer wieder konnte ich dabei feststellen, dass die Angst vor KI nach den Workshops immer geringer war. Nachdem die Teilnehmer verstanden hatten, was im Maschinenraum passiert, waren die Science-Fiction und die Terminator-Bilder im Kopf weg.

Ich muss zugeben, nicht alles, was mit KI zusammenhängt, ist positiv, es gibt auch Risiken und ethische Aspekte, die eine wichtige Rolle spielen und auch in diesem Buch nicht verschwiegen werden. Aber um die Diskussion wirklich verfolgen zu können, muss man erst einmal verstehen, wie diese intelligenten Maschinen funktionieren. Der wahrscheinlich wichtigste Punkt: Wir Menschen sind es, die die Maschinen programmieren. Wenn wir unseren Job gut machen, dann sollten wir nichts befürchten müssen. Die Frage ist: Was genau bedeutet hier »unseren Job gut machen«?

In diesem Buch werden wir sehen, wo künstliche Intelligenz in unserem Alltag schon überall ist. Wir werden ein Gefühl dafür entwickeln, wie Maschinen programmiert werden, und zwar egal, ob intelligent oder nicht. Wir werden uns daher zum einen mit der Sprache der Maschinen beschäftigen. Und da Sprache ohne Struktur keinen Sinn ergibt, werden wir uns auch kurz mit den Algorithmen beschäftigen und sehen, wie diese Handlungsanweisungen an die Maschinen funktionieren. Damit die Maschinen nicht nur unsere Handlungsanweisungen brav verfolgen, sondern auch ein bestimmtes Ergebnis erarbeiten, schauen wir uns außerdem an, was ein Modell ist und wie man so ein Modell aus der komplexen Realität herleiten kann. Dann folgen die wichtigsten Methoden des maschinellen Lernens, ein spannendes Thema und, wie gesagt: garantiert ohne Mathematik-Formeln!

Später schauen wir uns anhand vieler Praxisbeispiele an, in welchen unterschiedlichen Bereichen KI eingesetzt wird, bei der Jobsuche, im Gesundheitswesen – wie aktuell bei der weltweiten Bekämpfung der Covid19-Pandemie, in der Landwirtschaft, Umweltforschung oder Finanzwelt. Wir werden uns auch noch über Risiken wie Diskriminierung unterhalten und warum diese entstehen. Dabei wird uns zum Beispiel die Weiße-Männer-KI begegnen, und wir werden sehen, warum Homogenität in Entwicklerteams nicht nachhaltig ist und dringend geändert werden muss. Und zum Schluss geht es darum, wie wir alle dafür sorgen können, dass wir die richtige Zukunft bauen, und wie sich jeder einbringen kann, egal ob Informatiker oder nicht. Denn die Zukunft gehört uns allen, und die sollten wir nicht leichtfertig einigen wenigen überlassen.

Und nun schließt kurz die Augen, und stellt euch vor, ihr seid sieben Jahre alt. Mit genau dieser Lebensbegeisterung und Neugierde solltet ihr die folgenden Seiten durchlesen. Viel Spaß dabei!

DIE KUNTERBUNTE WELT DER TECHNIK

Wo wir ihr begegnen und warum wir keine Angst vor ihr haben müssen

Es ist ein sonniger Herbsttag im Jahr 2001. Ich sitze in einem Unterrichtsraum der Universitat de València und höre, wie Professor Emilio Soria mit Begeisterung erklärt, was ein neuronales Netz ist. Zum ersten Mal in meinem Studium habe ich das Gefühl, dass ich den richtigen Studiengang gewählt habe. Ich mag Mathematik, und konkrete Zukunftsaussichten sind mir auch wichtig. Die Telekommunikationsbranche ist in diesen Jahren im Aufbruch, und so habe ich mich für Telekommunikationsingenieurwesen mit Schwerpunkt Elektrotechnik eingeschrieben.

Ich bin in Marokko zur Schule gegangen, dort bin ich sehr gut in Mathe und Physik ausgebildet worden, aber einen Computerraum hatten wir nicht. Programmieren ist für mich neu und Leiterplatten allenfalls etwas, was ich im Müll gesehen habe, wenn irgendein kaputter Fernseher oder Mixer nur noch Schrott war. (Eine Leiterplatte, auch Platine genannt, ist übrigens die Platte, auf der die elektronischen Bauteile eines Elektrogeräts befestigt sind. Meistens sind sie grün mit vielen kleinen Teilchen darauf.) Aber an diesem sonnigen Tag im spanischen Herbst zeigt mein Studium plötzlich sein menschliches Gesicht. Emilio erklärt uns, wie die Nervenzellen (Neuronen) im menschlichen Gehirn funktionieren, und zwar aus der Perspektive eines Elektrotechnik-Professors. Wenn wir etwas denken, zum Beispiel »Ich habe Hunger«, dann wandert die Information mittels Neurotransmitter (chemische Botenstoffe), aber auch in Form eines Elektroimpulses von einer Nervenzelle über die Synapsen zur nächsten Zelle und verbreitet sich so im ganzen neuronalen Netz. Also in diesem Fall dem Gehirn, bis dieses meinen Körper zum nächsten Snackautomaten steuert. Das habe ich in der Schule bereits gehört. Neu ist für mich allerdings, dass solche Phänomene auch technisch herstellbar sind. Bereits in den Vierzigerjahren, zeitgleich zum ersten Einsatz programmierbarer Computer auf elektronischer Basis, haben sich Forscher dafür interessiert, Verknüpfungen von elementaren Einheiten herzustellen, um jede logische oder arithmetische Funktion berechnen lassen zu können. Ähnlich, wie die Neuronen im Gehirn vernetzt sind.

Sich anzuschauen, wie die Natur funktioniert, um bestimmte Probleme zu lösen, ist nichts Neues. Die Menschen haben immer Phänomene der Natur auf die Technik übertragen, um vom evolutionären Prozess der Natur lernen und profitieren zu können. So hat zum Beispiel Leonardo da Vinci die Idee entwickelt, den Vogelflug auf Flugmaschinen zu übertragen. Heute werden hydrophobe Glasoberflächen gebaut, inspiriert von der Lotosblume, die eine wasserabweisende mikro- und nanoskopische Oberflächenarchitektur hat, die nicht nur die Haftung von Wasser, sondern auch von Schmutzpartikeln minimiert. Darüber freue ich mich als Brillenträgerin besonders.

Unsere menschliche Fähigkeit zu lernen sollte also auf die Computer übertragbar gemacht werden. Denn unsere neuronalen Netze haben die wunderbare Eigenschaft, komplexe Muster erlernen zu können, und zwar nicht nach einer fixen Logik und klar definierten, unveränderbaren Regeln, sondern nach einer intuitiven Musterverarbeitung. Je öfter ein neuronales Netz eine Lernerfahrung macht, desto erfolgreicher wird es das Muster erkennen. So lernt unser Gehirn ein ganzes Leben lang. Die digitale Abbildung dieses Lernens eröffnet natürlich ein riesiges Potenzial für die Forschung, denn damit können Experimente durchgeführt werden, die mit natürlichen neuronalen Netzen nicht möglich sind. Gerade auf dem weiten Feld der Medizin bieten sich dafür großartige Optionen: So kann man zum Beispiel ein künstliches neuronales Netz darauf trainieren, gut- und bösartige Hautveränderungen voneinander zu unterscheiden, indem man es mit vielen Tausend Bildern und der jeweiligen Diagnose füttert. Dieselbe Anzahl an Bilder anzuschauen, auszuwerten und eine Diagnose auszusprechen wäre für einen Menschen in derselben Zeit unmöglich. Unser Gehirn hat einfach natürliche Grenzen, die wir nicht steuern können, und so können künstliche neuronale Netze eine große Hilfe sein.

Alles technisch? Logisch!

Dieser Herbsttag war der echte Anfang meiner Leidenschaft für die Technik. Ich hatte endlich den Eindruck, etwas Sinnvolles mit den Leiterplatten anfangen zu können.

Bis dahin basierte alles, was ich im Studium lernte, auf der booleschen Algebra, verkürzt gesagt: der Lehre der Nullen und Einsen. Egal, was man über den Bildschirm einprogrammiert hat, ist am Ende in der Leiterplatte als Null, also »Strom aus«, oder Eins, »Strom an«, angekommen. Diese binäre Methodik bildet die Grundlage für die digitale Elektronik, genauso wie die Mathematik darauf aufbaut, dass etwas entweder »wahr« oder »falsch« sein kann.

Was mich daran schon immer gestört hat: Wieso soll ich alles in Schwarz und Weiß darstellen, wenn unsere Welt doch so viel komplexer und bunter ist?

Eine erste positive Überraschung war es, als mir die »Fuzzylogik« begegnete, auch Unschärfelogik genannt. Demnach kann man den Satz »Das Wasser ist sehr warm« etwa so modellieren: »Das Wasser ist zu 80 Prozent warm und zu 20 Prozent heiß.« Das erlaubt den Programmierern dann unpräzise beziehungsweise unscharfe sprachliche Ausdrücke wie »sehr«, »ein bisschen«, »etwa« in präzisen Code umzuwandeln.

Dank dieser Logik kann man nicht mehr nur die Antworten »ja« und »nein« ausdrücken, auch das »vielleicht« bekommt ganz offiziell seinen Platz in der Elektronik. Das erinnert mich an eine Karikatur, die den Titel »Das erste Betriebssystem für Frauen« trug. Da saß eine Frau am Rechner, auf dem Bildschirm vor ihr stand die Frage »Wollen Sie das Dokument speichern?« und darunter die Antwortmöglichkeiten »ja«, »nein«, »vielleicht«. Die Fuzzylogik wird zwar nicht wie in der Karikatur verwendet, aber sie erlaubt es, komplexe und unpräzise Phänomene so zu modellieren, dass die unscharfen Eigenschaften bestehen bleiben. Diese Logik wird heute in vielen Steuerungssystemen verwendet. Die Japaner waren auf diesem Gebiet die Pioniere und setzte sie bereits in den Achtzigerjahren für die Zugsteuerung der vollautomatischen U-Bahn Sendai ein.

Solch eine Komplexität einzuprogrammieren ist natürlich nicht einfach, und wenn statistische Werte fehlen, wie im Beispiel mit dem »sehr warmen Wasser«, dann wird die Herausforderung, das Ganze abzubilden, für das Programmierteam sehr groß.

Seit dem Tag, an dem ich meine Begeisterung für künstliche neuronale Netze und Fuzzylogik entdeckt habe, hat sich die Technologie enorm weiterentwickelt. Sie ist noch viel näher an die menschliche Denkweise herangerückt, als das anfangs vorstellbar war.

Viele Menschen halten Technik aber immer noch für ein elitäres Gebiet, das nur für Nerds zugänglich und überhaupt verständlich ist. Und dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man mal ein paar Informatiker oder Ingenieurinnen sich unterhalten hört. Oder noch schlimmer, wenn man wissenschaftliche Artikel oder Veröffentlichungen liest. Dabei ist es mit Ärztinnen, Anwälten, Finanzbeamtinnen oder Handwerkern nicht anders – man darf sich vom Fachjargon einfach nicht einschüchtern lassen. Genauso wie es keinen Grund gibt, wegen Technik in Panik zu geraten!

KI, mein ständiger Begleiter

Machen wir uns nichts vor: Wir sind faul. Das ist aber nicht nur negativ, unsere Faulheit hat auch viele positive Aspekte. Die besten Innovationen sind entstanden, weil wir zu faul waren, irgendwelche lästigen Aufgaben zu erledigen. Zum Beispiel der Wischmopp: Bevor der Wischmopp entdeckt wurde, mussten die Hausfrauen sich hinknien, um die Böden zu putzen. Im 15. Jahrhundert hatten die Engländer die Idee, Kammgarnstoff an einer Stange zu befestigen. Sie taten das nicht, um den Hausfrauen die Arbeit zu erleichtern, sondern um die Decks der Boote zu reinigen, auf denen sie die Welt eroberten. Die Hausfrauen mussten allerdings bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf Knien weiterschrubben. Bis ein Spanier namens Manuel Jalón Corominas die Variante des Wischmopps inklusive Eimer und Auswringer, die wir heute kennen, patentieren ließ und kommerzialisierte.

Diese Geschichte haben mir meine Mitbewohner in Valencia sehr stolz erzählt. Sie kamen nämlich aus der Region La Rioja, aus der auch Señor Corominas stammte. Natürlich ist der Wischmopp keine extravagante technische Erfindung, aber er macht uns das Leben einfacher, und ich freue mich darüber, dass Manuel ihn sich ausgedacht hat.

Heute bauen wir Maschinen, die deutlich fortgeschrittener und raffinierter sind als ein Wischmopp, um uns lästige Aufgaben abzunehmen. Bereits seit Jahren können unsere Handys zum Beispiel Sprache erkennen. Wer diese Funktion seines Telefons nutzt, muss nicht mehr tippen, sei es nun aus Faulheit oder weil man am Lenker sitzt und keine Hand fürs Handy frei hat. Die weiter entwickelte Variante dieser Technik sind die digitalen Assistenten. Mit Siri, Alexa oder Cortana können wir unserem Handy nicht nur sagen, es soll »Mama anrufen«, wir lassen sie uns auch den Wetterbericht vorlesen, die beste Verbindung ins Büro suchen, einen Tisch im Restaurant reservieren oder einen Friseurtermin vereinbaren. Warum tun wir das? Weil es bequem ist. Bequem ist die kleine Schwester von faul, und diese Bequemlichkeit hat zur Folge, dass wir überall von Technik umgeben sind. In den meisten Fällen nehmen wir die Technik gar nicht mehr wahr. Wir merken zwar, wenn was schiefläuft, aber wenn uns etwas erleichtert wird, dann denken wir spätestens beim zweiten Mal nicht weiter darüber nach.

Als ich anfing, über unseren Umgang mit Technik nachzudenken, war ich überrascht, wie stark mein Alltag von Technik beeinflusst wird. Und so nahm ich mir vor, einen Tag lang besonders darauf zu achten, wie weit mich die Technik begleitet. Ich stellte wie jeden Abend meinen Handywecker und ging ins Bett.

Mein digitales Schweizer Taschenmesser

Mein nächster Tag beginnt – wenig überraschend – damit, dass mein Handy mich weckt. Dieses kleine Gerät ist längst kein bloßes Telefon mehr, sondern ein kleiner Alleskönner, der mich rund um die Uhr begleitet. Es weckt mich nicht nur morgens, es erinnert mich auch sofort daran, dass heute mein Freund Carlos Geburtstag hat, und zeigt mir, dass es aktuell nur 5 Grad draußen sind. Bevor ich vom Alltag abgelenkt werde, schreibe ich Carlos schnell eine WhatsApp-Nachricht. Ich drücke auf die grüne Sprechblase mit dem altmodischen weißen Telefonhörer und suche Carlos im Chat-Verlauf, wobei die Tastatur auf Spanisch eingestellt wird. Denn ich kenne Carlos noch aus Valencia, wir kommunizieren auf Spanisch, und das hat sich mein Handy sehr gut gemerkt. Ich fange also an zu tippen: »Hola tete (so spricht man gute Freunde in Valencia an), feliz …« Weitertippen brauche ich gar nicht, denn die Vorschläge, die mir mein Handy macht, passen genau. Es kommt zuerst »cumpleaños«, also Geburtstag auf Spanisch, dann ein paar passende Emojis. Perfekt! Nachricht schnell erledigt, heute Abend kann ich ihm noch ein kleines Video schicken, wo wir alle »Happy Birthday« singen.

Die Autovervollständigung beim Schreiben einer Nachricht ist eine meiner Lieblingsanwendungen. Und da steckt viel künstliche Intelligenz drin. Das System wurde erst einmal trainiert, um sinnvolle Wortzusammenhänge vorzuschlagen, wie beim »Herzlichen Glückwunsch … zum Geburtstag«, oder um häufige Abkürzungen zu vervollständigen, wie »mit freundlichen Grüßen«, wenn ich nur »mfg« eintippe. Aber auch das passt sich an den jeweiligen Nutzer an. Nach einer Weile schlägt mir die Software andere Wörter vor als meinem Mann zum Beispiel, weil sie gelernt hat, wie ich schreibe und welche Ausdrücke ich am meisten oder liebsten nutze. Diese Entwicklung braucht aber seine Zeit. Für mich das beste Beispiel dafür ist mein Vorname: Kenza. Wenn ich meinen Namen eintippte, dann wurde das früher immer automatisch in »Kenya« umgewandelt. Als ich im Jahr 1999 mein erstes Handy hatte, musste ich regelmäßig »Kenya« zurück in »Kenza« korrigieren. Die Zeit, in der ich das Wort manuell umwandeln musste, verkürzte sich mit jeder Handy-Generation. Daran konnte ich sehr gut verfolgen, wie die Handys intelligenter wurden. Mein iPhone 8 hatte nach wenigen Korrekturen schon verstanden: »Okay, sie will doch Kenza schreiben.«

Öffentlicher (Daten-)Verkehr

Heute ist es mir zu kalt fürs Fahrrad, ich beschließe, die U-Bahn zu nehmen. Ich werfe einen schnellen Blick in meinen digitalen Kalender und stelle fest, dass ich einen Tag voller Meetings habe. Die U-Bahn passt also perfekt, dann kann ich auf dem Weg ins Büro die ersten E-Mails lesen. Der nächste Blick geht in die ÖPNV-App. Mist! Heute »unregelmäßige Taktung aufgrund eines Arzteinsatzes am Gleis«. Ausgerechnet heute, wo mein Mann auf Dienstreise ist und ich einen vollen Tag im Büro habe. Oje! Dann muss ich schnell das Kind fertig machen, zur Kita bringen und schauen, dass ich früher als sonst rauskomme, damit ich nicht zu spät zum ersten Meeting bin. Mein Sohn spürt irgendwie meine erhöhte Herzfrequenz und entscheidet in dem Moment, dass er eine andere Hose anziehen will. Aber natürlich nicht alleine, nein, nein, ich soll ihm dabei helfen! Wer selbst Kinder hat, kennt die Situation bestimmt, da hilft nur eins: tief einatmen, tief ausatmen und das mindestens zehn Stunden lang. Während ich mich auf meine Atmung konzentriere, um nicht auszuflippen, vibriert meine iWatch. Eine Nachricht von Maria: »Kommt Ihr heute Abend zum Essen? Ich muss dir unbedingt von meinem Tinder-Date gestern erzählen.« Und ich: tief einatmen, tief ausatmen.

Endlich gelingt es mir, meinen Sohn, jetzt in Dinosaurier-Hosen, in der Kita abzugeben und noch mal einen Blick in Jelbi, die neue Mobilitätsapp der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), zu werfen. Da es in Berlin fast immer mehrere Möglichkeiten gibt, sich von A nach B zu bewegen, ist die Berechnung des besten Weges keine simple Aufgabe. Gerade wenn man aktuelle Verspätungen und Ausfälle mitberücksichtigt, kann das nicht mit vorprogrammierten Systemen funktionieren, das heißt, die Fahrtauskunft muss dynamisch laufen. Auch hier steckt künstliche Intelligenz drin, denn die Berechnung der schnellsten Route ist eine der häufigsten KI-Anwendungen.

In Jelbi sind die unterschiedlichsten Mobilitätsangebote enthalten: U-Bahn, Leihfahrräder, Leihautos, Scooter, Busse, Fähren etc. Alle diese einzelnen Mobilitätsdienste werden hinzugezogen, um für mich die aktuell besten Fahrtmöglichkeiten zu ermitteln und die dazugehörigen Preise zu kalkulieren.

Schon bei der Registrierung in der App hatte ich mit KI zu tun. Denn für den ersten Schritt, die Authentifizierung, musste ich meinen Ausweis fotografieren, dann mein Gesicht fotografieren, dann beide zusammen. Innerhalb einiger Sekunden habe ich die Bestätigung bekommen, dass meine Anmeldung erfolgreich war. Das ist nicht passiert, weil irgendein Angestellter im Hintergrund nichts Besseres zu tun hatte, als auf meine Fotos zu warten und diese zu prüfen, sondern weil eine künstliche Intelligenz, die Profi in Gesichtserkennung ist, alle drei Fotos analysiert, verglichen und bestätigt hat, dass es sich jeweils um dieselbe Person handelt, die in Echtzeit von sich ein Selfie gemacht hat, das mit dem Gesicht auf dem Ausweis übereinstimmt.

Außerdem weiß die Maschine, wie deutsche Ausweise aussehen, welches Format sie haben, welche Felder, und sie kann entsprechend auch bestätigen, dass alles passt.

Was ich hier sehr spannend finde, ist die Bequemlichkeit, die solch eine Lösung bietet. Früher musste ich mit meinem Ausweis und Führerschein zur Geschäftsstelle des Mobilitätsanbieters gehen, um mich registrieren lassen zu können. Das konnte natürlich nur innerhalb der jeweiligen Öffnungszeiten erfolgen, die meistens identisch mit meinen Arbeitszeiten waren (oder kürzer). Es hat also wochenlang gedauert, bis ich den geeigneten Slot in meinem Kalender gefunden habe. Die automatische Registrierung bei Jelbi hat mich maximal fünf Minuten gekostet, und ich konnte sie bequem von zu Hause machen. Dass mein Ausweis und Foto in der Datenbank der BVG gespeichert sind, bereitet mir keine Sorgen, denn auch früher und ohne KI war das der Fall. Außerdem gehe ich davon aus, dass sich die BVG, als gute deutsche Firma, an die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hält und meine Daten nicht anderweitig nutzt.

Schutz vor Spam und Phishing

Ich habe dank KI den schnellsten Weg ins Büro gefunden. Die ersten E-Mails konnte ich bereits auf dem Weg lesen. Ich habe eine neue Beratungsanfrage vom der Finanzabteilung erhalten. Das ist sehr gut, denn die Finanzer und Buchhalter haben meistens strukturierte Daten, die sich für KI gut eignen. Außerdem bekomme ich eine Systemerinnerung, um meine letzten Reisen abzurechnen, und Dutzende und Dutzende von sonstigen E-Mails.

Unabhängig von ihren Berufen, haben die meisten Menschen eines gemeinsam: Sie müssen täglich zig E-Mails beantworten. Egal ob privat oder beruflich, die elektronische Post ist ein wichtiges Kommunikationsmittel in unserem Leben geworden. Auch wenn wir es meist nicht merken, steckt auch hier viel KI drin. Ist euch schon mal aufgefallen, dass wir immer weniger Spams bekommen? Damit meine ich nicht die Werbe-Newsletter von allen möglichen Online-Shops, sondern richtigen Spam oder Phishing-Mails, in denen uns sehr lukrative Jobs angeboten werden: »Mit nur 2 Stunden am Tag, verdienen Sie 10.000 Euro im Monat, und das alles im Homeoffice«, oder: »Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Jackpot geknackt«, obwohl wir gar kein Los gekauft haben. Solche E-Mails kommen bei mir nicht mehr an, auch nicht an meine privaten E-Mail-Konten.

Das ist kein Zufall, sondern sehr harte Arbeit, die die E-Mail-Provider leisten. Sie müssen nämlich unterscheiden zwischen »wichtige E-Mail« und »Müll«. Früher basierte das auf Kennwortsuche, also zum Beispiel:

»Suche das Wort ›Lottogewinn‹ im E-Mail-Betreff. Wenn das Wort vorhanden ist, dann schicke die Mail in den Spam-Ordner. Wenn nicht, dann lasse sie im Haupt-Posteingang.«

Das war also regelbasiert. Da aber die Spam-Versender das auch lernten, formulierten sie ihre E-Mails immer so, dass sie nicht durch die alten Filter abgefangen werden konnten. Sie schrieben statt »Lottogewinn« etwa »Lottopreis« oder »Lottoglück« oder ähnliche Abwandlungen.

Heute basieren diese Filter auf künstlicher Intelligenz, die den Text analysiert, also Betreffzeile und E-Mail-Inhalt liest, versteht und klassifiziert in eine der zwei Optionen »wichtige E-Mail« oder »Müll«. Hier wird also nicht nur nach dem Stichwort »Lottogewinn« gesucht, sondern auch nach »Lotto«, »gewinnen«, »Glückwunsch«, »Geld« und ähnliche Begriffe, die wir der Maschine in diesem Zusammenhang beigebracht haben. Die Fähigkeit, natürliche Sprache zu prozessieren, ist eines der herausforderndsten Felder der KI. Denn diese Fähigkeit steht genau an der Schnittstelle zwischen künstlicher Intelligenz, Informatik und natürlicher Sprache. Es sind also drei Disziplinen notwendig, um die Maschinen sinnvoll und effektiv trainieren zu können. Es sind auch zwei Dimensionen, die antrainiert werden müssen: einmal Textgenerierung, also die Fähigkeit, sinnvolle Sätze zu bilden, und einmal Sprachverständnis. Zweiteres ist besonders herausfordernd, da die menschliche Sprache sehr komplex und voller Zwischentöne ist. Und eben nicht nur schwarz oder weiß.

Dieser enorme Aufwand ist uns Nutzerinnen gar nicht bewusst, wir halten das für selbstverständlich, dass wir keine Spams mehr bekommen, und beschweren uns nur, wenn trotzdem welche da sind. Für die E-Mail-Provider ist das natürlich ein Qualitätsmerkmal und unverzichtbar für die Kundenbindung. Wer also immer noch viele Spam-Mails bekommt, sollte sich überlegen, den Anbieter zu wechseln enorme Aufwand ist uns.

Clevere Kühlschränke

Nach Feierabend geht der private Wahnsinn los: Kind von der Kita abholen, zum Spielplatz, dann nach Hause, Abendessen kochen. Und schon stellt sich wieder eine der Lieblingsfragen aller Familienköche: »Was koche ich heute?« Ich erinnere mich sehr gut daran, wie meine Mutter uns nach der Schule fragte, was wir essen wollen, und wir einstimmig »Was du möchtest« antworteten. Das hatte sie immer geärgert, denn sie suchte nach Ideen, Inspiration oder war einfach zu müde, sich auch noch Gedanken über das Abendessen zu machen. Heute muss ich an meine Mutter denken und frage mich, ob mein Kühlschrank diese Frage nicht beantworten könnte. Mein Sohn ist vier Jahre alt, von ihm kommen nur zwei Antworten »Pizza Margherita« oder »Nudeln mit Pesto«. Mein Kühlschrank ist noch nicht so weit, aber es gibt welche, die das bald beherrschen.

Unter dem Stichwort »Smart Home«, also »intelligentes Zuhause«, werden alle möglichen elektronischen Geräte vernetzt, um uns mehr Komfort anbieten zu können. Ein intelligenter Kühlschrank, der ans Internet angeschlossen ist und seinen Inhalt selbst identifizieren kann, wird in die Lage versetzt, mir Rezepte vorzuschlagen, die ich mit den vorhandenen Zutaten kochen kann. Und sollte ich meinem Kühlschrank erlauben, mit dem von meinen Nachbarn zu sprechen, könnte er mir auch sagen: »Flammkuchen gehen heute nur, wenn du dir den Schmand von deiner Nachbarin Anna leihst.« Der Kühlschrank könnte mir auch sagen: »Heute Spaghetti mit Tomatensauce und für morgen Flammkuchen, aber ich trage dir den Schmand in die Einkaufsliste (natürlich in eine App), oder ich bestelle den Schmand direkt online, du hast ja erlaubt, dass ich alles unter 20 Euro selbst bestellen darf.«

So stelle ich mir die nahe Zukunft vor. Kühlschränke, die mit Kameras ausgestattet sind, mir per App ihren Inhalt zeigen und Rezepte vorschlagen, gibt es bereits. Auf die automatischen Bestellungen muss ich wohl noch etwas warten. Während ich mir dieses wunderschöne Szenario in Gedanken ausmale, schreit mein Kind nach Essen, und ich koche – mal wieder – Nudeln mit Tomatensauce.

Intelligente Online-Portale

Beim Abendessen unterhalte ich mich mit meinem Mann, der von seiner Dienstreise zurück ist, darüber, wo wir an Ostern in Urlaub fahren. Nach dem kalten Winter wäre etwas Sonne sehr schön. Wir greifen beide an unsere ausgelagerten Organe – mein iPhone, sein iPad – und suchen günstige Flüge ans Mittelmeer. Wir wollen uns erst die Preise anschauen und dann entscheiden, wohin genau. Heute buchen wir also nicht. Großer Fehler.

In den folgenden Tagen bekommt jeder von uns mindestens einmal am Tag Werbung für die schönsten Zielorte des Mittelmeers, verschiedene Flug-, Hotel- und Mietauto-Angebote von Opodo und Co. Sie alle scheinen zu wissen, dass wir in Urlaub fahren wollen, und nun geht das Rennen der Portale los. Ein paar Tage später haben wir uns für Valencia entschieden, denn wir möchten nicht nur die Sonne genießen, sondern auch Carlos besuchen, der ja gerade erst Geburtstag hatte. Und siehe da, die Preise sind gestiegen. Natürlich. Die Portale haben verstanden, dass wir unbedingt über Ostern nach Valencia fliegen wollen, und – BAM! – jetzt müssen wir zahlen. Außerdem haben mein Mann und ich teure mobile Geräte genutzt, um die Flüge zu suchen. Apple-Geräte sind ein Zeichen dafür, dass man sich einiges leisten kann, also können wir uns auch leisten, etwas mehr für die Flüge zu zahlen als jemand, der mit seinem Microsoft-Rechner vor dem Bildschirm sitzt und günstige Flüge sucht. Diese durchtriebene Preisstrategie ist nur durch künstliche Intelligenz möglich, die sich in all diesen Portalen verbirgt. Sie analysiert, was wir auf den Webseiten machen, wo wir klicken, wie lange wir für jeden Klick brauchen, welche Geräte wir nutzen und von welchem Standort aus wir uns einloggen. Egal, ob wir die Funktion »meinen Standort nutzen« erlaubt haben oder nicht, ist es für die Portale relativ einfach, unseren ungefähren Standort zu identifizieren. Auch wenn wir uns bemühen, alles zu blockieren, verrät unsere externe IP-Adresse, quasi unsere Eintrittskarte in die wundersame Welt des Internet, wo wir uns gerade befinden. Natürlich nicht die genaue Adresse, aber die Stadt und der Bezirk sind meistens enthalten. Und wenn wir die Marketing- oder Third-Party-Cookies (diese kleine Scherzkekse, die Textinformationen über unsere besuchten Webseiten für Werbezwecke speichern oder an Dritte weitergeben) nicht gesperrt haben, dann tauschen die Portale auch noch Informationen mit den anderen Portalen aus, die wir aufrufen. Je mehr Informationen sie über uns haben, desto genauer kann der Preis berechnet werden, den wir zu zahlen bereit sind, und desto maßgeschneiderter die Angebote, die wir bekommen. Habt ihr das auch schon mal erlebt, dass ihr mit Freunden in Urlaub fahren wolltet, und nach ein paar Tagen Recherche berichtet jeder von einem unterschiedlichen Preis? Das ist kein Zufall.

Dem versuche ich etwas entgegenzuwirken, indem ich suche und sofort buche, und zwar am besten vom Laptop und nicht vom iPhone, aber das gelingt mir natürlich nicht immer. Denn der Komfort, den mir die Easyjet-App bietet, mit eingebauter Apple-Pay-Funktion, erlaubt es mir, einen Flug in weniger als zwei Minuten zu buchen. Und als Vollzeit arbeitende Mutter ist es mir jede Minute wert, dafür nehme ich es in Kauf, ein paar Euro mehr für den Flug zu bezahlen, als Zeit mit weiterer Recherche zu verbringen. Genau das aber wissen die Portale bereits über mich, denn ihre Algorithmen hören nicht auf zu lernen – und dagegen kann ich wenig tun.

Neulich habe ich mich mit einer Kollegin darüber unterhalten. Sie meinte, auch diese Algorithmen kann man etwas austricksen. Ihre Methode sieht so aus: Sie sucht einen Artikel online, legt ihn bei Amazon in den Warenkorb und lässt ihn da ein paar Wochen. Natürlich bekommt sie regelmäßig Erinnerungen von Amazon und Angebote für diesen Artikel in ihr E-Mail-Postfach. Sie wartet aber so lange, bis der Preis runtergeht, erst dann schlägt sie zu. Die Algorithmen scheinen so zu lernen, dass die Kaufbereitschaft ab einem bestimmten Punkt abnimmt. Deswegen lernen sie, den Preis irgendwann runterzuschrauben. Wenn es also nicht eilig ist, dann kann etwas Geduld ein paar Euro sparen.

Übrigens: Dass eine Webseite sich merkt, welche Artikel ich über Tage hinweg in den Warenkorb gestellt habe, ist auch über Cookies möglich. Die sogenannten Warenkorb-Cookies sind notwendig, damit meine Informationen im Laufe des Einkaufsprozesses nicht verloren gehen. Es wäre schließlich doof, wenn ich einen Artikel in den Warenkorb lege, auf »weiter« klicke, um meine persönlichen Daten einzugeben, und beim nächsten »weiter« ginge alles verloren. Diese Cookies sind also technisch notwendige Cookies, die ich weder abschalten sollte noch kann. Sollte ich damit nicht einverstanden sein, bleibt mir nur, die Seite zu verlassen und deren Dienst nicht in Anspruch zu nehmen.

Anders sieht es aus bei Statistik-Cookies oder Marketing-Cookies (auch Retargeting-Cookies genannt). Diese muss ich nicht zulassen, wenn ich nicht möchte. Statistik-Cookies werden von den Webseiten genutzt, um Informationen über die Anzahl der Besucher und deren Surfverhalten zu sammeln, um den Dienst verbessern und maßgeschneiderte Produkte anbieten zu können. Technisch notwendig sind sie nicht, sie sparen mir allerdings etwas Zeit beim Surfen auf einer Webseite, da mir nur Inhalte gezeigt werden, die für mich relevant sind. Marketing-Cookies sind auch nicht technisch notwendig, sie sind dafür zuständig, dass ich mit passender Werbung zugeballert werde, teilweise auch von Drittanbietern. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ich einen Artikel lese und diesen mit meinen Facebook-Freunden teile. Der blaue Like-Button ermöglicht es mir zwar, den Artikel zu teilen, liefert aber auch an Facebook die Informationen, die die aktuelle Webseite über mich gesammelt hat. So weiß Facebook beim kleinsten Like, was ich wo geklickt habe, was mich dort interessiert hat – und kann so die entsprechende Werbung in meine Timeline schalten. Möchte ich das nicht, sollte ich die Marketing- und Third-Party-Cookies (auch als »Partnerschaften« bezeichnet) ausschalten. Dafür muss ich das Menü »Cookie-Einstellungen« finden, öffnen und diese auswählen. Das tue ich auf der Webseite, auf der ich den Like-Button drücke.

Abbildung 1: Nutzerfreundliche Cookie-Einstellungen lassen uns die Wahl.

Seit Inkrafttreten der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) müssen alle Webseiten den Nutzerinnen die Möglichkeiten geben, solche Cookies abzuschalten. Manche machen es den Nutzern einfach (wie in Abbildung 1), dann sind die notwendigen Cookies ausgegraut, da man sie nicht abwählen kann. Statistik ist vorausgewählt, aber ich kann das Häkchen entfernen. Marketing und Partnerschaften sind nicht ausgewählt, und hier sollte ich das Häkchen auch nur setzen, wenn ich meine Informationen teilen möchte, sonst nicht. Über »Details« kann ich erfahren, welche Informationen gesammelt und an wen sie weitergeleitet werden.

Abbildung 2: Weniger nutzerfreundliche Cookie-Einstellungen wollen einen zur Datenabgabe verführen.

Bei anderen Webseiten muss man unter dem großen grünen »Ja, ich akzeptiere«-Button, den kleinen »Individuelle Cookie-Einstellungen«- oder »Mehr«-Button suchen. In Abbildung 2 sehen wir so ein Beispiel. Hier heißt es nicht zu schnell die Geduld verlieren und einfach blind den großen grünen Button drücken – denn es geht auch hier relativ schnell datenschutzfreundlicher.

Die Smartwatch